Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 24.10.2024, Az.: 8 C 34/24

Beweiswert; eidesstattliche Versicherung; elektronischer Rechtsverkehr; qualifizierte Signatur; Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung im elektronischen Rechtsverkehr

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
24.10.2024
Aktenzeichen
8 C 34/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 25279
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2024:1024.8C34.24.00

Amtlicher Leitsatz

Einer ausschließlich elektronisch ohne qualifizierte Signatur unterzeichneten eidesstattlichen Versicherung kommt nur eine geringe Beweiskraft zu.

[Gründe]

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung seine vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2024/25 auf einem Vollstudienplatz im 5. Fachsemester (=1. klinisches Semester) außerhalb der festgesetzten Kapazität. Zur Begründung seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, ihm liege noch kein Ablehnungsbescheid seines Antrags auf Zuweisung eines Studienplatzes innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Kapazität vor. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründung verwiesen. Die Antragsgegnerin beantragt die Ablehnung des Antrags. Unter Vorlage von Kapazitätsberechnungsunterlagen trägt sie vor, dass die festgesetzte Kapazität ihre Ausbildungskapazität ausschöpfe. Unter Vorlage einer anonymisierten Immatrikulationsliste vom 18.10.2024 trägt sie weiter vor, im 1. klinischen Semester seien derzeit 182 Studenten immatrikuliert; zwei Exmatrikulationen seien nicht mitzuzählen, sodass 180 Studienplätze besetzt seien. Die Kapazität sei damit um zwei Studienplätze überbucht. Zudem trägt sie vor, dass dem außergerichtlichen Antrag auf außerkapazitäre Zulassung entgegen § 2 Abs. 3 lit. s ihrer Allgemeinen Zulassungsordnung (AZO) kein Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung beigelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der zu den Anträgen beigebrachten Unterlagen und glaubhaft gemachten Angaben, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die besondere Dringlichkeit (Anordnungsgrund) einer solchen Entscheidung sowie ein Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgenutzter Aufnahmekapazität (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

1.

Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

Der Antragsteller hat ausschließlich eine lediglich elektronisch unterzeichnete eidesstattliche Versicherung i. S. d. § 294 Abs. 1 letzter Teilsatz ZPO vorgelegt. Damit hat er nicht glaubhaft gemacht, dass er nicht bereits über einen Studienplatz verfügt (vgl. Beschluss der Kammer vom 25.04.2024, 8 C 2/24 u. a.). Zwar ist die eidesstattliche Versicherung als solche nicht formgebunden; die gewählte Form kann jedoch den Beweiswert verändern (vgl. Warmuth/Beutler, RDi 2023, 326, Rn. 20). Die Kammer misst ausschließlich elektronisch - ohne qualifizierte Signatur - unterzeichneten Dokumenten grundsätzlich nur eine geringe Beweiskraft zu. Anders als bei handschriftlich unterzeichneten - und sodann ggf. anwaltlich eingescannten - Erklärungen sind derartige Dokumente technisch auch nach einer Unterschrift beliebig veränderbar, ohne dass dies nachvollziehbar wäre. Insbesondere könnte in Zweifelsfällen die Echtheit nicht durch Nachforderung des beim Anwalt vorliegenden Originals geprüft werden. Anders als bei einer Unterschrift unter einem Papierdokument ist bei diesem Verfahren nicht einmal sichergestellt, dass der Erklärende überhaupt Kenntnis von den Inhalten nehmen konnte. Technisch möglich wäre etwa eine isolierte Unterschrift in einem Unterschriftsfeld, die dann gleich einem Stempel auf verschiedene Dokumente angebracht wird. Durch das rein elektronische Verfahren wird auch die Warnfunktion, welche die besondere Glaubwürdigkeit der eidesstattlichen Versicherung begründet, beeinträchtigt. Durch die aus vorstehenden Gründen fehlende Nachweisbarkeit einer Kenntnisnahme vom Inhalt wäre zudem die Strafandrohung bei falscher Erklärung wirkungslos.

2.

Es fehlt auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, da es an einem formgerechten Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität bei der Antragsgegnerin fehlt.

Ein formgerechter (außergerichtlicher) Antrag setzt nach § 6 Abs. 2 lit. a AZO (nicht nach § 2 Abs. 3 lit. s AZO, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen) unter anderem die Beifügung des Nachweises der Hochschulzugangsberechtigung voraus.

Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, dass dem entsprechenden Antrag des Antragstellers kein Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung beigefügt war.

Der Antragsteller konnte das Gegenteil nicht glaubhaft machen. Insbesondere sind in dem vorgelegten Antragsschreiben (Blatt 5 der Akten) keine konkreten Anlagen benannt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der ständigen Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichte (u. a. Nds. OVG, Beschluss vom 09.08.2021, 2 NB 57/21, juris Rn. 23).