Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 31.03.2016, Az.: 6 A 15/16

ausländisch; China; Doktor; Doktortitel; Dr.; Eintragung; Passregister; Personalausweis; Reisepass

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
31.03.2016
Aktenzeichen
6 A 15/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43225
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein in der Volksrepublik China verliehener Doctor (boshi) TCM kann nicht in das Passregister, den Reisepass oder den Personalausweis eingetragen werden.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Eintragung eines in China verliehenen Hochschulgrades in das Passregister sowie – beruhend auf der angestrebten Änderung des Passregisters – die Ausstellung eines neuen Reise- und Personalausweises.

Am 23. Juni 2015 wurde dem Kläger von der Universität Tianjin (China) der Titel „Doctor of Medicine TCM Internal Medicine“ verliehen. Am 6. Oktober 2015 wurde der Kläger bei der Beklagten vorstellig und beantragte, den Titel in seinen Reisepass sowie seinen Personalausweis einzutragen. Diese teilte mit, sie müsse zunächst die Eintragungsfähigkeit des Titels prüfen.

Mit Schreiben vom 4. November 2015 erläuterte die Beklagte, dass im Ausland erworbene Doktorgrade nur dann eintragungsfähig seien, wenn die den Antrag stellende Person nach den Feststellungen der Kultusministerkonferenz die Abkürzung „Dr.“ ohne Zusätze führen dürfe. Ob dies der Fall sei, müsse unter anderem anhand der Originalurkunde sowie einer beglaubigten Übersetzung näher geprüft werden. Ferner führte die Beklagte in dem Schreiben aus: „Sollten alle Nachweise vorliegen, könnte ein zweiter Doktorgrad in den Personalausweis und im Pass eingetragen werden.“ Die Originalurkunde nebst einer beglaubigten Übersetzung übersandte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12. November 2015, bei der Beklagten eingegangen am 16. November 2015.

Im Weiteren fand zwischen den Beteiligten Schriftverkehr statt, in dem auch die Frage behandelt wurde, ob die Beklagte berechtigt sei, die in der Vergangenheit bereits durch eine andere Behörde vorgenommene Eintragung des ersten, 1994 in Brasilien erworbenen Doktortitels des Klägers zu prüfen. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 teilte die Beklagte in diesem Zusammenhang unter anderem mit:

„Sobald ich alle Unterlagen vorliegen habe, die den früheren Doktorgrad nachweisen, ist eine Eintragung möglich.

Für die Eintragung des chinesischen Doktortitels liegen alle erforderlichen Unterlagen vor.“

Am 12. Januar 2016 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben.

Die Beklagte hat den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 2. Februar 2016 abgelehnt. Zur Begründung führt sie an, ein Doktortitel könne zwar gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PassG in den Reisepass und gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG in den Personalausweis eingetragen werden. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Doktortitel ohne Zusätze geführt werden dürfe. Der dem Kläger von der Universität Tianjin verliehene Doktortitel müsse allerdings in jedem Falle unter Hinzufügung des Namens der Hochschule geführt werden. Dies folge aus dem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich. Aus diesem Grunde sei eine Eintragung des in Rede stehenden Doktortitels in das Passregister und – im Weiteren – in den Personalausweis sowie in den Reisepass nicht zulässig.

Der Kläger begründet die Klage dahingehend, dass ein Fehler bereits darin zu sehen sei, dass die Beklagte vor ihrer Entscheidung einen Dozenten des Niedersächsischen Studieninstituts für Melde-, Pass- und Personalausweisrechts gefragt habe, wie zu entscheiden sei. Die Beklagte habe hierdurch die Entscheidung auf einen Privaten delegiert. Ein Eintragungshindernis ergebe sich auch nicht aus dem deutsch-chinesischen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich. Dort sei lediglich geregelt, wie ein Titel zu führen sei. Die Frage des Führens sei allerdings von derjenigen der Eintragungsfähigkeit zu trennen. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PassG sowie § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG setzten für die Eintragung eines Doktortitels lediglich voraus, dass dieser in der Bundesrepublik anerkannt sei. Soweit er mit Zusätzen zu führen sei, hätten diese (nur) für die Zwecke der Eintragung zu entfallen. Im Übrigen habe die Beklagte in ihren Schreiben vom 4. November sowie vom 15. Dezember 2015 auch die Zusicherung abgegeben, dass der von der Universität Tianjin verliehene Doktortitel eingetragen werde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 2016 zu verpflichten, den am 23.06.2015 dem Kläger von der Tianjin Universität (China) verliehenen Doktortitel (Traditionelle Chinesische Medizin) in das Passregister einzutragen und dem Kläger anschließend einen neuen Reisepass sowie einen neuen Personalausweis auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Gründe des ablehnenden Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig. Soweit der Kläger die Eintragung seines Doktortitels in das Passregister fordert, ist sie als allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1991 - 1 S 2/91 -, juris, Rn. 14). Die Eintragung in das Register stellt ein schlicht-hoheitliches Handeln ohne Regelungscharakter dar (vgl. jeweils zum Melderegister: Bay. VGH, Beschl. v. 09.12.2014 - 5 ZB 13.1937 -, juris, Rn. 11 m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 25.04.2014 - 11 ME 64/14 -, juris, Rn. 7 m.w.N.).  Die Erteilung der vom Kläger begehrten Ausweisdokumente stellt dagegen einen Verwaltungsakt dar. Insoweit ist die Klage als Untätigkeitsklage zwar ursprünglich unzulässig gewesen, da der Kläger sie vor Ablauf von drei Monaten erhoben hat, ohne dass besondere Umstände vorgelegen hätten, die eine kürzere Frist geboten hätten (§ 75 Satz 2 VwGO). Ein vollständiger Antrag im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO liegt erst dann vor, wenn sämtliche für die behördliche Entscheidung erforderlichen Unterlagen eingereicht sind (vgl. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 75, Rn. 25). Dies war vorliegend mit Einreichung des Originals der Verleihungsurkunde sowie deren beglaubigter Übersetzung am 16. November 2015 der Fall. Die Klage ist jedoch dadurch zulässig geworden, dass die Beklagte – vor Ablauf der Dreimonatsfrist – einen den Antrag des Klägers ablehnenden Bescheid erlassen hat und der Kläger seine Klage nunmehr gegen diesen richtet.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Eintragung des durch die Universität Tianjin verliehenen Doktortitels in das Passregister.

Ein Doktorgrad kann gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 PassG zwar in das Passregister eingetragen werden. Ein ausländischer Doktorgrad ist allerdings nur eintragungsfähig, wenn der Betroffene berechtigt ist, ihn in der Bundesrepublik ohne Zusätze zu führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1988 - 1 C 54/86 -, juris, Rn. 12; Hess. VGH, Urt. v. 13.05.2015 - 8 A 644/14 -, juris, Rn. 42; VG München, Urt. v. 17.07.2013 - M 25 K 10.3314 -, juris, Rn. 20, bestätigt durch Bay. VGH, Beschl. v. 09.12.2014 - 5 ZB 13.1937 -, juris, Rn. 16; Ziff. 4.1.3 PassVwV).

Wie der Kläger den ihm von der Universität Tianjin verliehenen Doktortitel führen darf, ergibt sich aus § 10 Abs. 4 NHG i.V.m. § 3 der Verordnung über die Führung ausländischer akademischer Grade, Titel und Tätigkeitsbezeichnungen (nachfolgend: AkGradVO) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des deutsch-chinesischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich (nachfolgend: Gleichwertigkeitsabkommen). Nach § 3 AkGradVO haben begünstigende Regelungen bezüglich der Form, in der ein ausländischer Hochschulgrad, Ehrengrad, Hochschultitel oder Ehrentitel oder eine ausländische Hochschultätigkeitsbezeichnungen geführt werden darf, Vorrang vor § 10 Abs. 1 bis Abs. 3 NHG, soweit solche in Vereinbarungen und Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich enthalten sind. Eine solche begünstigende Regelung findet sich in Art. 7 Abs. 1 des Gleichwertigkeitsabkommens. Hiernach können unter anderem die Inhaber des Grades „boshi“ (Doktor) aus der Volksrepublik China diesen in der Bundesrepublik in transliterierter Originalform führen. Der Name der Hochschule ist hinzuzufügen. Mit Blick auf das Begehren des Klägers scheidet eine Eintragung des verliehenen Doktortitels daher bereits aufgrund des Umstandes aus, dass das Führen des Titels nur unter Hinzufügung des Namens der verleihenden Hochschule – der Universität Tianjin – zulässig ist.

Es verhält sich auch – anders als der Kläger meint – nicht so, dass ein Doktorgrad, der gemäß § 10 NHG lediglich mit Zusätzen geführt werden darf, unter Fortlassung dieser Zusätze in das Passregister einzutragen, der Betroffene aber gleichwohl zum Führen des Doktorgrades nur mit Zusätzen berechtigt wäre. Vielmehr ermöglichte eine zusatzlose Eintragung dem Betroffenen ein rechtswidriges Führen des Doktorgrades (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1988 - 1 C 54/86 -, juris, Rn. 12).

Entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung ist die Frage nach der materiellen Gleichwertigkeit der vom Kläger durchlaufenen Ausbildung mit derjenigen, die der Verleihung eines Doktortitels durch eine deutsche Hochschule vorausgeht, für die von der Beklagten vorzunehmende Prüfung nicht von Belang. Daher ist auch nicht entscheidungserheblich, dass die Universität Tianjin in der Datenbank „anabin“ der Kultusministerkonferenz (www.anabin.kmk.org) den Status „H+“ – folglich den Status einer in der Bundesrepublik als Hochschule anzusehenden Einrichtung – besitzt. Im Übrigen wird auch in der Datenbank zum einen ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Einstufung lediglich bedeutet, dass Abschlüsse, die an dieser Einrichtung erreicht wurden, einer Gleichwertigkeitsuntersuchung im Hochschulbereich unterzogen werden können, eine Vorentscheidung darüber, ob die Abschlüsse dieser Einrichtung deutschen Hochschulabschlüssen gleichzustellen sind, mit dem Status jedoch nicht verbunden ist. Zum anderen wird der dem Kläger verliehene Titel in der Datenbank der niedrigsten Äquivalenzstufe („bedingt vergleichbar“) im Verhältnis zu einem in der Bundesrepublik erworbenen Doktortitel zugeordnet. Nach der in der Datenbank aufgeführten Definition bedeutet dies, dass der ausländische Abschlusstyp dem deutschen Abschlusstyp formal, aber nicht materiell gleichwertig ist.

Ein Anspruch des Klägers auf eine Eintragung des ihm verliehenen Doktortitels in das Passregister ergibt sich auch nicht aus einer Zusicherung der Beklagten. Eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der begehrten Eintragung des Doktortitels in das Passregister – wie ausgeführt – nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Eine analoge Anwendung des § 38 VwVfG auf Realakte scheidet aus (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38, Rn. 47). Davon abgesehen kann den Erklärungen der Beklagten keine verbindliche Zusage entnommen werden, dass sie die Eintragung des Doktortitels in das Passregister vornehmen werde. Die Aussage der Beklagten im Schreiben vom 4. November 2015 („Sollten alle Nachweise vorliegen, könnte ein zweiter Doktorgrad in den Personalausweis und im Pass eingetragen werden.“) ist im Konjunktiv verfasst, lässt keinen unbedingten Bindungswillen der Beklagten erkennen und rechtfertigt daher nicht die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens. Die im Schreiben vom 15. Dezember 2015 enthaltene Aussage („Für die Eintragung des chinesischen Doktortitels liegen alle erforderlichen Unterlagen vor.“) ließe sich bei isolierter Betrachtung zwar als Zusage verstehen. Sie ist allerdings vor dem Hintergrund der bis dahin zwischen den Beteiligten geführten Korrespondenz auszulegen. Die Beklagte hat die vom Kläger übersandten Unterlagen mit Schreiben vom 4. November 2015 angefordert und hierzu angemerkt: „Sollten alle Nachweise vorliegen, könnte ein zweiter Doktorgrad in den Personalausweis und im Pass eingetragen werden.“ Mit Blick auf diese Anmerkung ist die in Rede stehende Aussage im Schreiben vom 15. Dezember 2015 lediglich als Bestätigung des Umstandes zu verstehen, dass aus Sicht der Beklagten nunmehr alle für eine weitere Prüfung erforderlichen Unterlagen vorhanden seien. In diesem Sinne hat auch der Kläger die Aussage der Beklagten verstanden, wie dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Dezember 2015 entnommen werden kann, in dem dieser äußert, er dürfe die Beklagte „wegen der Vollständigkeit der Unterlagen noch einmal auffordern, die Eintragung des zweiten Doktortitels im Passregister vorzunehmen […].“

Unbedenklich ist ferner, dass die Beklagte sich im Rahmen der Entscheidungsfindung von einem Dozenten des Niedersächsischen Studieninstituts für Melde-, Pass- und Personalausweisrechts beraten ließ. Dass die Beklagte dem erteilten Rat in der Sache folgte, führt nicht dazu, dass die getroffene Entscheidung nicht ihre eigene ist.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch ein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Reisepasses und eines Personalausweises mit dem vom Kläger begehrten Inhalt nicht besteht.

Nur aus Gründen der Klarstellung wird angemerkt, dass die Frage nach der Befugnis der Beklagten zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Eintragung des in Brasilien verliehenen Doktortitels vorliegend nicht Streitgegenstand ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Sie folgt nicht aus § 161 Abs. 3 VwGO, da ein Fall des § 75 VwGO – wie ausgeführt – nicht vorlag. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.