Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 13.12.1985, Az.: 1 A 80/84

Qualifizierung der Vermietung eines Reihenhauses als stehendes Gewerbe; Anzeigepflicht bei Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes; Begriff des "Gewerbes"; Vermietung von Grundbesitz als Ausübung eines Gewerbes

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
13.12.1985
Aktenzeichen
1 A 80/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 31101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1985:1213.1A80.84.0A

Fundstellen

  • NJW 1986, 1704-1705 (Volltext mit red. LS)
  • NVwZ 1986, 688 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Anmeldung einer Ferienwohnung gemäß § 14 Gewerbeordnung

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 1985
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Riemann als Vorsitzenden,
die Richter am Verwaltungsgericht Büschen und Gatz sowie
die ehrenamtlichen Richter Bosse und Conrady
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Bescheide der Beklagten vom 14. Juli 1983 und 15. Mai 1984 und der Widerspruchsbescheid des Landkreises Goslar vom 21. Juni 1984 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten die Vermietung ihres Reihenhauses in der ... in ... an Feriengäste als Gewerbe anzuzeigen. Das Reihenhaus der Klägerin, die ihren ersten Wohnsitz in Berlin hat, ist seit 1981 in dem von der Kurverwaltung der Beklagten herausgegebenen Gästezimmerverzeichnis als Ferienwohnung mit vier Betten enthalten. Mit Verfügung vom 14. Juli 1983 forderte die Beklagte die Klägerin auf, das Vermieten der Ferienwohnung gemäß § 14 der Gewerbeordnung - GewO - anzuzeigen. Die Klägerin widersprach der Anzeigepflicht mit der Begründung, ein Gewerbe liege nicht vor. Durch Verfügung vom 15. Mai 1984 verlangte die Beklagte erneut die Anmeldung der Ferienwohnung als Gewerbe und setzte eine Frist bis zum 30. Mai 1984. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte sie ein Zwangsgeld an. Dagegen legte die Klägerin am 28. Mai 1984 gleichfalls Widerspruch ein und erklärte, sie nutze das Reihenhaus überwiegend selbst. Die zeitweilige Vermietung des Hauses an Feriengäste sei keine berufsmäßige Erwerbsquelle, sondern diene der Vermögenserhaltung und -verwaltung. Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1984 wies der Landkreis Goslar den Widerspruch der Klägerin zurück, weil es sich bei der Vermietung des Reihenhauses um eine auf Gewinnerzielung und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit handele. Die Vermietung an Feriengäste stelle keine Vermögensverwaltung dar, denn der schnelle Wechsel der Mieter erfordere Tätigkeiten, die über das übliche Maß bei langfristigen Vermietungen hinausgingen. Daß das Vermieten von Ferienwohnungen nicht in jedem Falle der Gewerbesteuer unterliege, sei ohne Bedeutung für die Frage, ob ein anzeigepflichtiges Gewerbe vorliege, denn das Steuerrecht und das Gewerberecht gingen von verschiedenen Gewerbebegriffen aus.

2

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage vertieft die Klägerin ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus: Ein Gewerbe liege nur dann vor, wenn der Vermieter ins Gewicht fallende Sonderleistungen anbiete oder andere Besonderheiten vorlägen, die nicht zu den gewöhnlichen Formen der Vermietung gehörten, wie sie sich unter Privatleuten abspielten. Die Ferienwohnung liege auch weder in einer geschlossenen Wohnanlage noch in einem Ferienzentrum und die Vermietung werde durch sie selbst vorgenommen.

3

Eine gewerbepolizeiliche Überwachung sei der Ferienwohnung nicht erforderlich.

4

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 14. Juli 1983 und 15. Mai 1984 sowie den Widerspruchsbescheid des Landkreises Goslar vom 21. Juni 1984 aufzuheben.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Bescheide entgegen.

7

Durch Auflagenbeschluß vom 3. Juni 1985 ist der Klägerin aufgegeben worden, die Nutzung und die Vermietung des Reihenhauses sowie die von ihr im Zusammenhang mit der Vermietung erbrachten Leistungen im einzelnen darzustellen. Dazu hat die Klägerin u.a. ausgeführt, der von ihr verlangte Mietpreis beinhalte die Kosten für Heizung, Warmwasser, Strom, Bettwäsche und Handtücher. Die Wohnung werde im ordentlichen Zustand sauber übergeben und sei am Ende der Mietzeit im gleichen Zustand zu verlassen Bettwäsche werde vom Mieter abgezogen und mit den Handtüchern zurückgegeben. Das Küchengeschirr sei zu säubern, die Teppichböden zu saugen. Mit einem Betrag für die Endreinigung würden die sonstigen im Haushalt notwendigen Arbeiten, wie Gardinenwaschen, Fensterreinigung, Türenreinigung usw., abgegolten. In den Jahren 1983 und 1984 habe sie jeweils zehn Mietverträge über eine Dauer zwischen ein bis vier Wochen abgeschlossen.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf das Vorbringen der Beteiligten in den gewechselten Schriftsätzen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

9

II.

Die Klage ist zulässig und begründet.

10

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Deshalb sind sie aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11

Nach § 14 Abs. 1 GewO muß der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde angezeigt werden, wenn mit dem selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes begonnen wird. Die gesetzliche Verpflichtung zur Anzeige entfällt nicht deshalb, weil der Beklagten die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin auch ohne die Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO schon bekannt gewesen ist. Die Anzeigepflicht dient vielmehr einer wirksamen Gewerbeüberwachung. Als Behörde soll die Prüfung ermöglicht werden, ob etwaige gesetzliche Voraussetzungen für den Betrieb des Gewerbes erfüllt sind und ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden bestehen. Daher darf von dem Anzeigepflichtigen die Ausfüllung eines Anzeigevordrucks verlangt werden, der Angaben zur Person und zum ausgeübten Gewerbe vorsieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1976, NJW 1977, S. 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74]).

12

Mit der Vermietung ihres Reihenhauses, wie sie sich nach dem von der Kammer ermittelten Sachverhalt darstellt, übt die Klägerin kein stehendes Gewerbe im Sinne des § 14 Abs. 1 GewO aus. Nach heute allgemein anerkannter Auffassung ist Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene = "erlaubte") auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit höherer Art, sowie persönliche Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfordern) und bloße Verwaltung eigenen Vermögens. Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kommt es allein darauf an, ob sich die Tätigkeit der Klägerin auf die Verwaltung eigenen Vermögens beschränkt. Diese Frage ist zu bejahen, so daß die Klägerin ihren Betrieb nach § 14 Abs. 1 GewO nicht anzeigen muß.

13

Ob sich am einzelnen Fall die wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen einer bloßen Verwaltung und Nutzung des eigenen Vermögens hält oder diese überschreitet und daher Betrieb eines stehenden Gewerbes ist, ist nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit zu entscheiden, wobei dem Zweck des Gewerberechts besondere Bedeutung zukommt (BVerwG, Urteil vom 24.6.1976, a.a.O. m.w.N.). Nach überwiegender Auffassung ist das Vermieten von Grundbesitz im allgemeinen nur Verwaltung eigenen Vermögens und daher keine Ausübung des Gewerbes. Nur dann, wenn die Tätigkeit des Vermieters zu einem Verwaltungsaufwand führt, der weit über dem liegt, der im allgemeinen mit einer nicht gewerbsmäßigen Vermietung oder Verpachtung verbunden ist, kann die Gewerbsmäßigkeit bejaht werden. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24.6.1976 (a.a.O.) entschieden, daß die Vermietung von etwa 1200 Standplätzen an Dauercamper auf einem 12 ha großen Freizeitgelände sich erheblich von der üblichen Vermietertätigkeit unterscheide. Dies wird auch dann angenommen werden können, wenn eine oder mehrere Ferienwohnungen in einer einheitlichen Wohnanlage im Verband mit einer Vielzahl gleichartig genutzter Wohnungen vermietet werden und wenn die Werbung für kurzfristige Vermietung an laufend wechselnde Mieter und die Verwaltung für die Wohnanlage einer Feriendienstorganisation übertragen worden ist. In einem solchen Fall unterscheidet sich die Tätigkeit des Vermieters ebenfalls von der Vermietung, die unter Privatpersonen üblich ist, weil die Verwaltung des Grundbesitzes eine besonders umfangreiche berufsmäßige Tätigkeit fordert (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.6.1976, NJW 1976, S. 1863; ferner Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.5.1979, NJW 1979, S. 1650). Im vorliegenden Fall vermietet die Klägerin ihre Ferienwohnung selbst, sie ist keiner Einrichtung, die sich um die Werbung und Vermietung der Wohnung kümmert, angeschlossen. Es liegt kein organisiertes hotelmäßiges Vermietungsangebot vor, das von dem Bereich der privaten Vermögensverwaltung durch Vermietung nicht mehr umfaßt ist. Die Klägerin gewährt ihren Mietern auch keine besonderen Leistungen. Weder erfolgt ein tägliches Reinigen der Wohnung und ein Herrichten der Betten, noch werden ein Frühstück oder Getränke bereitgehalten. Allein die Tatsache, daß die Vermietungstätigkeit der Klägerin auf einen häufigen Wechsel der Mieter angelegt ist, reicht nicht aus, um einen Gewerbebetrieb anzunehmen. Die Laufzeit der Vermietung ändert nichts an ihrem Charakter als Gebrauchsüberlassungsvertrag. Eine Vermietung liegt vor, gleichgültig, ob der Vertrag für einen Tag oder für einen längeren Zeitraum geschlossen wird. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 8.10.1976, NJW 1977, S. 691 [BVerwG 08.10.1976 - VII C 46/74]) hat ausgeführt, daß die Verwaltungsarbeit, auf die der häufige Mieterwechsel beim Vermieten einer Ferienwohnung hinweise, ebenso wie das Streben nach einem möglichst hohen Ertrag und die stärkere Orientierung der Nutzung der Wohnräume an Angebot und Nachfrage im wirtschaftlichen Verkehr (Werbung) übliches Kennzeichen einer intensiven Vermögensverwaltung sei. Die Vermietung werde dadurch noch nicht zu einer gewerblichen Betätigung. Zwar ist die vorgenannte Entscheidung zu der Frage ergangen, ob die Vermietung einer Ferienwohnung einen Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuerrechts darstellt. Vorwiegend erfahrt die gewerbepolizeiliche Zielsetzung der Gewerbeordnung aber keine andere Interpretation des Gesetzbegriffs, denn es ist nicht ersichtlich, weshalb die wirtschaftliche Betätigung der Klägerin als "Gewerbe" behördlicher Überwachung bedarf.

14

Die Beklagte hat selbst vorgetragen, daß sie eine derartige Überwachung nicht beabsichtige und dafür auch nicht zuständig sei. Sie hat im übrigen auch keine weiteren Gründe genannt, die aus gewerbepolizeilicher Sicht die Anzeige der Vermietungstätigkeit als Gewerbebetrieb rechtfertigen könnten. Die Kammer ist insbesondere der Auffassung, daß eine Vermietungstätigkeit, wie sie sich im vorliegenden Fall darstellt, an die Zuverlässigkeit des Inhabers der Ferienwohnung und an den Zustand der Wohnung keine besonderen gewerbepolizeilichen Voraussetzungen - wie etwa bei einem Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb - stellt. Vielmehr ist bei der Vermietung von Ferienwohnungen vor allem von Bedeutung, daß die Räume den Anforderungen des Bauordnungsrechts entsprechen. Um das zu überwachen, bedarf es jedoch einer Gewerbeanmeldung nicht, denn die Klägerin ist ebenso wie jeder andere private Vermieter nach den baurechtlichen Vorschriften für den ordnungsgemäßen Zustand ihres Gebäudes verantwortlich.

15

Nach allem ist daher der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

16

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167. Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.