Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.12.2012, Az.: 5 K 113/10

Vertrauensschutz bei Rechtsprechungsänderung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Umsatzsteuerausweis

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.12.2012
Aktenzeichen
5 K 113/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 39054
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2012:1228.5K113.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: V R 2/13
FG Niedersachsen - AZ: 5 K 238/13

Fundstelle

  • BB 2013, 2646

Amtlicher Leitsatz

Zu den Auswirkungen einer Rechtsprechungsänderung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Umsatzsteuerausweis durch das BFH, Urteil v. 2.4.1998 - V R 34/97 (BStBl II 1998, 695).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die in den Kalenderjahren 1993 bis 1997 abgezogenen Vorsteuerbeträge im Veranlagungszeitraum 2004 nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zurückzufordern sind.

2

Die Klägerin betreibt ein Großhandelsunternehmen "Pressevertrieb" in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG). Sie ist Rechtsnachfolgerin der Einkaufs und Vertriebsgesellschaft X GmbH & Co. KG. In den Jahren 1993 bis 1997 bezog die Klägerin von der A-GmbH Zeitschriften, denen jeweils eine CD-ROM beigefügt war. Die Lieferungen der Zeitschriften, denen CD's beigefügt waren, wurden von der A-GmbH zum Regelsteuersatz abgerechnet. Die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer zog die Klägerin in den Jahren 1993 bis 1997 als Vorsteuer ab. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) stimmte dem zu. Die Bekanntgabe der erstmaligen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1997 erfolgte vor dem 6. August 1998.

3

Im Rahmen einer bei der A-GmbH durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 1993 bis 1997 stellte die zuständige Finanzbehörde fest, dass die A-GmbH die Lieferungen der Zeitschriften mit CD's zu Unrecht mit dem vollen Steuersatz versteuert hatte. Vielmehr komme hier nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Nr. 49 der Anlage 2 zum UStG der ermäßigte Steuersatz von 7% zum Tragen.

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Die A-GmbH erteilte der Klägerin daraufhin nach Abschluss der Außenprüfung im September 2004 berichtigte Rechnungen für die Jahre 1993 bis 1997 und legte darin den ermäßigten Umsatzsteuersatz zu Grunde. Aufgrund der Rechnungsberichtigungen der A-GmbHgegenüber der Klägerin bzw. der X GmbH & Co. KG, erließ das beklagte Finanzamt einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004 und minderte die Vorsteuer nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG um insgesamt 37.444,90 €. Eine Änderung der Vorsteuerbeträge für die Jahre 1993 bis 1997 unterblieb seitens des Finanzamts.

5

Hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1993 bis 1997 war zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung im September 2004 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten (mit Ablauf des 31.12.2002 war für das letzte fragliche Jahr 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten).

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Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das Finanzamt mit Einspruchsbescheid vom 23. Februar 2010 als unbegründet zurückwies.

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Es verwies darin auf § 14 c Abs. 1 UStG: Berichtige der Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, sei § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden. Nach § 17 Abs. 1 Sätze 2 und 7 UStG habe die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger für den Besteuerungszeitraum zu erfolgen, in dem der leistende Unternehmer eine Rechnung mit geändertem Steuerausweis erteilt habe. Im Übrigen verwies das Finanzamt auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahre 2007 (Aktenzeichen V R 27/05 und V R 3/06). Danach sei zu unterscheiden, ob der erstmalige Umsatzsteuerbescheid, in dem der Vorsteuerabzug erfolgt sei, vor oder nach Freigabe des BFH-Urteils vom 2. April 1998 erlassen worden sei. Nach der bis zum Ergehen des BFH-Urteils vom 2. April 1998 (V R 34/97, BStBl II 1998, 695 [BFH 02.04.1998 - V R 34/97]) geltenden Rechtslage habe der Unternehmer die nach § 14 Abs. 2 UStG a. F. zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen dürfen. Diese Rechtslage habe sich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. April 1998 (a. a. O.) geändert. Dieses Urteil sei am 6. August 1998 zur Veröffentlichung freigegeben worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs komme dann - wie die Klägerin zutreffend ausführe - eine Änderung des Vorsteuerabzugs nur nach Maßgabe der allgemeinen Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. Abgabenordnung (AO) in Betracht. Eine derartige Änderung scheitere daran, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1993 bis 1997 festsetzungsverjährt seien. Die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer sei deshalb für die Jahre 1993 bis 1997 weiterhin als Vorsteuer abziehbar. Folge hiervon sei aber auch, dass bei Berichtigung der Rechnung - wie sie hier erfolgt sei - nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 UStG die Änderungsvorschrift des § 17 Abs. 1 UStG entsprechend angewendet werden könne. Dementsprechend sei das Finanzamt berechtigt gewesen, im Jahre 2004 - d. h. im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung - die Vorsteuerbeträge in der genannten Höhe anteilig zu kürzen.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage.

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Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass eine Minderung der Vorsteuer seitens des Finanzamts zu Unrecht erfolgt sei. Im Streitfall seien die Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 nicht mehr änderbar gewesen, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Diese Festsetzungsverjährung hindere die Änderung der Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997. Der Vorsteuerabzug könne nicht mehr berichtigt werden. Für eine Anwendung der Regelung in § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, wodurch sich eine weitergehende Änderungsmöglichkeit eröffnen würde, sei wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung kein Raum. Aus der neueren BFH-rechtsprechung folge, dass eine Korrektur der Vorsteuer im Berichtigungszeitpunkt nur dann in Betracht komme, wenn eine Änderung der Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide - hier also die der Jahre 1993 bis 1997 - allein an der Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO scheitere. Sei hingegen für die Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, komme auch die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zur Anwendung. Dies habe zur Folge, dass eine Vorsteuerkorrektur überhaupt nicht mehr - d. h. auch nicht im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung 2004 - vorzunehmen sei.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 23. Februar 2010 und Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2004 vom 12. November 2009 die Vorsteuer um 37.444,90 € zu erhöhen.

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Das Finanzamt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Finanzamt verweist auf seinen Einspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, dass die Berichtigung der Vorsteuerbeträge bei der Klägerin als Leistungsempfängerin nach § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum 2004 (Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung) unabhängig davon erfolgen könne, ob abgabenrechtlich noch die Möglichkeit einer Änderung der ursprünglichen Besteuerungszeiträume 1993 bis 1997 bestehe. Diese Rechtsauffassung werde auch durch Urteile des Hessischen Finanzgerichts und des Finanzgerichts Düsseldorf bestätigt. Zwar ergebe sich aus § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO, dass im vorliegenden Fall der Vorsteuerabzug aus den unrichtigen Rechnungen der A-GmbH in den Jahren 1993 bis 1997 in allen Steuerbescheiden zu Recht erfolgt sei, die erstmals vor Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 2. April 1998 ergangen seien. Aus diesem Grund sei die dort ausgewiesene und geltend gemachte Umsatzsteuer auch weiterhin als Vorsteuer in den Jahren 1993 bis 1997 abziehbar. Daraus folge aber gleichzeitig, dass bei Berichtigung der Rechnungen nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 UStG die Änderungsvorschrift des § 17 Abs. 1 UStG zum Tragen komme, d.h. der Vorsteuerabzug sei im Umfang von 37.444,90 EUR im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung - im Streitfall also in 2004 - zu korrigieren

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Das beklagte FA hat zu Unrecht die Umsatzsteuerfestsetzung 2004 nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG geändert und hierin eine Vorsteuerkürzung von 37.444,90 EUR vorgenommen. Hierdurch ist die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 FGO.

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Der Klägerin stand ein Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Erteilung der Eingangsrechnungen des Trend-Verlages in den Jahren 1993 bis 1997 im Umfang von 37.444,90 EUR (umgerechnet) nicht zu, denn die A-GmbH hatte in seinen Rechnungen an die Klägerin zu Unrecht den Regelsteuersatz gem. § 12 Abs. 1 UStG statt des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % gem. § 12 Abs. 2 UStG ausgewiesen. Im Umfang der Differenz zwischen dem Regelsteuersatz von seinerzeit 15% und des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % (=37.444,90 EUR) lag mithin ein unrichtiger Umsatzsteuerausweis gem. § 14 Abs. 2 UStG a. F. bzw. § 14 c Abs. 1 UStG n. F. vor. In diesem Umfang war die Klägerin also nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, denn nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH setzt der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nach richtlinienkonformer Regelung voraus, dass die Steuer in dem ausgewiesenen Umfang auch tatsächlich geschuldet wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 2. April 1998 - V R 34/97, BStBl II 1998, 695; vgl. BFH-Urt. vom 1. Februar 2001 - V R 23/00, BStBl II 2003, 673; vom 12. Dezember 2002 - V R 85/01, BFH/NV 2003, 829; BFH-Beschl. vom 1. April 2004 V B 112/03, BStBl II 2004, 802; vom 10. Mai 1999 - V B 1/99, BFH/NV 1999, 1526). Der BFH hat damit seit der Entscheidung vom 2. April 1998 (V R 34/97, BStBl II 1998, 695) an seiner früheren Rechtsprechung (BFH-Urt. vom 19. Mai 1993 - V R 110/88, BStBl II 1993, 779, m. w. N. ; BFH-Urt. vom 29. Oktober 1987 - V R 154/83, BStBl II 1988, 508 [BFH 29.10.1987 - V R 154/83]), nach der ein Steuerbetrag nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG unabhängig davon abziehbar ist, ob er geschuldet wird, nicht mehr festgehalten.

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Die gegenüber der Klägerin für die Jahre 1993 bis 1997 erlassenen Umsatzsteuerbescheide waren mithin materiell fehlerhaft. Zur Frage der Berichtigung eines zu hohen Vorsteuerabzugs hat sich der BFH in zwei Grundsatzentscheidungen aus dem Jahr 2007 ausführlich geäußert (BFH-Urt. vom 11. Oktober 2007 - V R 27/05, BStBl II 2008, 438; BFH-Urt. vom 6. Dezember 2007 - V R 3/06, BStBl II 2009, 203).

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Hiernach ist danach zu unterscheiden, ob der erstmalige Umsatzsteuerbescheid, in dem der Vorsteuerabzug (teilweise) zu Unrecht vorgenommen wurde, vor oder nach der Freigabe der Entscheidung des BFH vom 2.April.1998 (a. a. O.) erfolgte oder nicht. Die genannte Entscheidung wurde am 6. August 1998 seitens des BFH zur Veröffentlichung freigegeben.

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Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 vor Veröffentlichung der BFH-Entscheidung vom 2. April 1998 (a. a. O.) erlassen wurden. Für diesen Fall weist der BFH darauf hin, dass dann eine Änderung dieser Ausgangs-Umsatzsteuerbescheide nicht mehr in Betracht kommt, wenn - allein - die Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO zum Tragen kommt (BFH.-Urt. vom 11.10.2007 - V R 27/05, a. a. O.).

21

Nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf bei Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Die Vorschrift schützt das Vertrauen in die Bestandskraft der Steuerfestsetzung (z.B. BFH-Urteil vom 11. April 2002 - V R 26/01, BStBl II 2004, 317). Sie greift ein, wenn sich die Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides und dem Erlass eines Änderungsbescheides geändert hat. Wie erwähnt durfte der Unternehmer nach der bis zum Ergehen des BFH-Urteils vom 2. April 1998 (a. a. O.) geltenden Rechtslage die nach § 14 Abs. 2 UStG a. F. zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen (BFH-Urt. vom 19. Mai 1993 - V R 110/88, BStBl II 1993, 779, m. w. N.; BFH-Urt. vom 29. Oktober 1987 - V R 154/83, BStBl II 1988, 508 [BFH 29.10.1987 - V R 154/83]). Die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO hat dann zur Folge, dass zugunsten des Steuerpflichtigen die bisherige Rechtslage vor Änderung der Rechtsprechung weiterhin maßgeblich ist. Der Steuerpflichtige ist mithin so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn sich die Rechtsprechung nicht geändert hätte.

22

Im Streitfall wäre die Klägerin deshalb hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug so zu behandeln, wie sich dies bei Weitergeltung der bis zum 2. April 1998 erfolgten Rechtsprechung ergeben hätte: Danach war die zu Unrecht nach § 14 Abs. 2 UStG a. F. ausgewiesene Umsatzsteuer zwar abziehbar (s. o.); bei Berichtigung der Rechnung war nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG a. F. § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden. Der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, hatte den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Gleichzeitig hatte der Leistungsempfänger den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigung des Vorsteuerabzuges war nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG a. F. für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in den die Rechnungsberichtigung fällt.

23

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Fall des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht vor. Zwar hat sich die Rechtsprechung des BFH nach Ergehen der Umsatzsteuer-Ausgangsbescheide 1993 bis 1997 geändert. Jedoch konnte sich diese Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil vom 2. April.1998 (V R 34/97, BStBl II 1998, 695 [BFH 02.04.1998 - V R 34/97]) nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken, weil die Umsatzsteuerfestsetzung für die Jahre 1993 bis 1997 unabhängig von der Regelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung bereits verfahrensrechtlich wegen eingetretener Festsetzungsverjährung unabänderbar war. In einem derartigen Fall kommt es nicht zu einer Weiteranwendung der bis zum BFH-Urteil vom 2.April 1998 (a. a. O.) geltenden Grundsätze. Vielmehr versteht das Gericht die vom BFH in den Urteilen vom 1. Oktober 2007 (V R 27/05, a. a. O.) und 6. Dezember 2007 V R 3/06, a. a. O.) entwickelten Grundsätze dahin, dass die ältere Rechtsprechung nur dann über § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO zugunsten des Steuerpflichtigen weiter anzuwenden ist, wenn die Finanzbehörde nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 2. April 1998 (a. a. O.) grundsätzlich noch die verfahrensrechtliche Möglichkeit gehabt hätte, den Steuerbescheid für das Abzugsjahr (hier 1993 bis 1997) zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu ändern und hieran allein durch die Vorschrift des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO gehindert war (BFH-Urt. vom 11. Oktober 2007 - V R 27/05, a. a. O. Tz. 50). War eine derartige Bescheidänderung ohnehin nicht (mehr) möglich, kommt es nicht zu einer Anwendung der Vertrauensschutz gewährenden Vorschrift des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO und damit auch nicht zu einer Weitergeltung der bis zu der Rechtsprechungsänderung gültigen Rechtslage, wonach der zu Unrecht gewährte Vorsteuerabzug im Jahr der Rechnungsberichtigung zurückgefordert werden konnte (so auch FG Düsseldorf, Urt. vom 12. September 2008 - 1 K 2604/05 U, EFG 2009, 59). Das von den Beteiligten in diesem Zusammenhang ebenfalls zitierte Urteil des Hessischen FG vom 10.02.2005 (6 K 1802/01, EFG 2005, 988) hat einen davon abweichenden Sachverhalt zum Inhalt; denn in dieser Entscheidung bestand wegen des Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 164 AO noch eine Änderungsmöglichkeit im Abzugsjahr. Zutreffend hat das Hessische FG hierzu entschieden, dass dann einer Änderung aber die Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegensteht (Hessisches FG, a. a. O., Tz. 43). Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt jedoch vom vorliegenden Fall, denn hier bestand eine derartige Änderungsmöglichkeit im Hinblick auf die eingetretene Festsetzungsverjährung nicht mehr. Die Frage der Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO stellt sich hier mithin nicht.

24

Der Klage war deshalb stattzugeben. Die Vorsteuer im Umsatzsteuerbescheid 2004 war von 4.274.651,87 EUR um 37.444,90 EUR auf 4.312.096,77 EUR zu erhöhen. daraus ergibt sich eine 365.588,56 EUR (bisher lt. Umsatzsteuerbescheid 2004 i. d. F. vom 12. November 2009 = 403.033,46 EUR).

25

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

26

Das Gericht hat die Revision zugelassen. Die Rechtssache hat gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung.