Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.03.1984, Az.: 4 U 78/83

Übergang der ursprünglichen Eigentümergrundschuld vor der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen durch Abtretungserklärung und anschließende Briefübergabe als Fremdgrundschuld; Grundbuchberichtigung durch Nachweis der Unrichtigkeit durch Vorlage einer Berichtigungsbewilligung des eingetragenen Berechtigten oder durch Vorlage einer öffentlich-beglaubigten Abtretungserklärung des bisherigen Grundschuldinhabers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.03.1984
Aktenzeichen
4 U 78/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 16622
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1984:0316.4U78.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 11.02.1983 - AZ: 7 O 126/82

Fundstelle

  • NJW 1985, 204-205 (Volltext mit red. LS)

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Februar 1983 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Göttingen geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erfolgen.

Die Beschwer der Klägerin durch diese Entscheidung beträgt 50.000 DM.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Eigentümer des im Grundbuch von H. Bl. 3. eingetragenen Grundbesitzes. Durch schriftliche Abtretungserklärung vom 30. Dezember 1971 hatte er eine von ihm bestellte und später auch in das Grundbuch eingetragene Eigentümergrundschuld in Höhe von 500.000 DM zur Sicherung aller Forderungen an die Klägerin abgetreten und ihr danach auch den Grundschuldbrief übergeben; in der Abtretungsurkunde hatte er sich verpflichtet, der Klägerin "bei notwendig werdender Eintragung der Abtretung" die für diese Eintragung erforderliche Bewilligung in grundbuchmäßiger Form (öffentliche Beglaubigung) zu erteilen.

2

Am 27. August 1982 wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Der Konkursverwalter gab den in Rede stehenden Grundbesitz für die Gläubiger zur abgesonderten Befriedigung frei. Mit Schreiben vom 22. September 1982 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 29. September auf, die privatschriftliche Abtretungserklärung vom 30. Dezember 1971 notariell beglaubigen zu lassen.

3

Mit - dem Beklagten am 21. Oktober 1982 zugestelltem - Schriftsatz vom 7. Oktober 1982 hat die Klägerin gegen den Beklagten Klage erhoben, zu beantragen und darin einzuwilligen, daß die Klägerin als Inhaberin der im Grundbuch von H. Bl. 3. in Abt. III unter Nr. 1 eingetragenen Grundschuld über 500.000 DM eingetragen werde.

4

Im Hinblick darauf, daß der Beklagte anschließend nach Rücksprache mit dem Konkursverwalter der Klägerin die notarielle Beglaubigung der Grundschuldabtretung besorgt hat, hat die Klägerin beantragt,

5

die Hauptsache für erledigt zu erklären.

6

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hat der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen. Vielmehr sei die Klage von Anfang an unbegründet gewesen. Nicht gegen ihn, sondern gegen den Konkursverwalter hätte gegebenenfalls die Klage gerichtet werden müssen. Der Beklagte habe als Gemeinschuldner jedenfalls ohne Einverständnis des Konkursverwalters die von der Klägerin verlangte Erklärung nicht abgeben können. Zumindest habe es für die vorliegende Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, zumal der Anwalt des Beklagten sich auf das - dem Beklagten erst über den Konkursverwalter zugeleitete - Schreiben der Klägerin vom 22. September 1982 bereits am 6. Oktober 1982 gemeldet und um Übersendung der Unterlagen gebeten und zudem noch am 7. Oktober 1982 dem Anwalt der Klägerin mündlich erklärt habe, es müsse demnächst das Einverständnis des Konkursverwalters eingeholt werden, das aber wohl erteilt werden würde.

8

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die Hauptsache für erledigt erklärt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

9

Mit der dagegen gerichteten Berufung wendet der Beklagte sich im wesentlichen mit Rechtsausführungen gegen die Ansicht des Landgerichts, die vorliegend vom Beklagten erlangte Erklärung zur Berichtigung des Grundbuchs habe nicht dem Konkursverwalter, sondern dem Beklagten oblegen.

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Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

12

und verteidigt das angefochtene Urteil.

13

Wegen des weiteren Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung ist begründet.

15

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich nicht die Hauptsache des Rechtsstreits erledigt; die Klage war vielmehr von Anfang an unbegründet. Dementsprechend muß auch die jetzt auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache umgestellte Klage abgewiesen werden.

16

1.

Das Landgericht geht davon aus, daß die ursprüngliche Eigentümergrundschuld des Beklagten schon lange vor der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen durch die Abtretungserklärung und die anschließende Briefübergabe (als Fremdgrundschuld) auf die Klägerin übergegangen war. Das trifft nach dem vorgetragenen Sachverhalt zu, und davon gehen auch beide Parteien aus.

17

Daraus folgt, daß das Grundbuch bezogen auf die Grundschuld unrichtig geworden war. Zur Berichtigung in ihrem Sinne kamen für die Klägerin nach Grundbuchverfahrensrecht (§ 22 Abs. 1 GBO) zwei Wege in Betracht: Einmal eine Grundbuchberichtigung durch Nachweis der Unrichtigkeit, zum anderen eine Grundbuchberichtigung aufgrund einer dahingehenden Berichtigungsbewilligung des eingetragenen Berechtigten (§ 19 GBO); anstelle der Berichtigungsbewilligung hätte auch die Vorlage einer öffentlich-beglaubigten Abtretungserklärung des bisherigen Grundschuldinhabers ausgereicht (§ 26 Abs. 1, 29 Abs. 1 GBO). Hinsichtlich der beiden zuletzt genannten Wege schuldet die Beklagtenseite - läßt man zunächst einmal außer acht, welche Wirkungen die Konkurseröffnung hatte - nach materiellem Recht die Mitwirkung: Gemäß § 1153 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der bisherige Gläubiger auf Verlangen des neuen Gläubigers die Abtretungserklärung auf seine Kosten öffentlich beglaubigen zu lassen; dazu hatte der Beklagte sich in der Abtretungserklärung vom 30. September 1971 auch ausdrücklich verpflichtet. Darüberhinaus ergab sich aus § 894 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. In welchem Verhältnis diese beiden Ansprüche standen, ob etwa - wie es in der Berufungsbegründung des Beklagten anklingt - der Weg über eine öffentlich-beglaubigte Abtretungserklärung als grundsätzlich "einfacher" einzustufen war, so daß für eine Klage auf Einwilligung in die Grundbuchberichtigung möglicherweise schon das Rechtsschutzbedürfnis hätte in Zweifel gezogen werden können, mag offen bleiben. Denn die auf Einwilligung in die Grundbuchberichtigung gerichtete, mithin auf § 894 BGB gestützte Klage konnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beklagte für sie nicht passiv-legitimiert war, "richtiger" Beklagter wäre der Konkursverwalter gewesen.

18

2.

Denn der Grundbuchberichtigungsanspruch des § 894 BGB richtet sich gegen den verfügungsberechtigten Inhaber des durch die Berichtigung getroffenen Rechts; d.h. bei fehlender Verfügungsbefugnis des von der Berichtigung Betroffenen hat der Inhaber der Verfügungsmacht die Berichtigung zu bewilligen (Münch. Komm/Wacke BGB § 894 Nr. 21; Palandt/Bassenge BGB 43. Aufl. § 894 Anm. 5 b). Im Konkurs des Buchberechtigten richtet sich der Anspruch daher gegen den Konkursverwalter (Münch. Komm/Wacke a.a.O.; Palandt/Bassenge a.a.O.). Die Richtigkeit dieses, soweit ersichtlich allgemein anerkannten Standpunktes - die vom Landgericht genannten Fundstellen ergeben nichts Gegenteiliges - folgt daraus, daß der Gemeinschuldner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen, wogegen das Verwaltungs- und Verfügungsrecht durch den Konkursverwalter ausgeübt wird (§ 6 KO). Zu. Unrecht meint das Landgericht, zur Konkursmasse gehöre nicht die Stellung des Beklagten als Berechtigter der eingetragenen Eigentümergrundschuld, weil darin kein Vermögenswert, sondern nur noch eine "formale Position" liege. Die Buchposition eines als Berechtigter im Grundbuch Eingetragenen wird vom Gesetz als "Rechts-" Position behandelt (wie etwa die Formulierung des § 894 BGB verdeutlicht). Die ("Rechts"-) Wirkungen dieser Position werden insbesondere unter dem Blickwinkel des § 891 BGB augenfällig: Ist im Grundbuch für jemand ein Recht eingetragen, so wird vermutet, daß ihm das Recht zustehe. Diese Buchposition kann auch durchaus Vermögenswert haben.

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Untermauert wird diese Beurteilung dadurch, daß es sich bei der Geltendmachung eines Grundbuchberichtigungsanspruchs gegen den als Berechtigter eingetragenen Gemeinschuldner konkursrechtlich gesehen um die Geltendmachung eines Aussonderungsanspruchs handelt (vgl. Menzel/Kuhn/Uhlenbruck KO 9. Aufl., § 43 Rn. 73). Daß aber Ansprüche auf Aussonderung (§ 43 KO) - unbeschadet dessen, daß ihnen die Behauptung zugrunde liegt, der betreffende Gegenstand gehöre nicht dem Gemeinschuldner, und der Anspruch auf Aussonderung sich dementsprechend nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Gesetzen richtet - ausschließlich gegen den Konkursverwalter zu richten sind, steht außer Streit (vgl. Menzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. Rn, 72). Insoweit kommt ohne weiteres der Gesichtspunkt zum Tragen, daß zu dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen auch die Prüfungszuständigkeit gehören muß, ob ein von einem Dritten beanspruchter Gegenstand diesem oder dem Gemeinschuldner gehört. Nichts anderes kann für einen im Wege eines Grundbuchberichtigungsbegehrens verfolgten Anspruch auf Aussonderung eines Grundstücks - oder, wie hier: eines Grundpfandrechts - gelten (Menzel/Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. Rn. 73). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin damit argumentiert, der vorliegende Streit sei vergleichbar mit dem, in dem sich zwei Parteien um eine von der Konkursmasse nicht beanspruchte Sache im Besitz eines Dritten streiten. Dieser Vergleich trifft jedoch nicht zu: Die von dem Gemeinschuldner eingenommene Buchposition war gleichsam sein "Besitz".

20

Gegenteiliges läßt sich auch nicht der in dem vom Landgericht zitierten Kommentarstelle erwähnten Entscheidung des Kammergerichts in KGJ 40, 278 entnehmen: Darin wird ausgesprochen, der Grundsatz, daß Verfügungen eines Gemeinschuldners, die erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens getroffen oder beim Grundbuchamt eingereicht würden, zu Eintragungen in das Grundbuchamt nicht führen könnten, sei nur auf rechtsändernde, nicht auf berichtigende Eintragungen, wie die nach der Konkurseröffnung beantragte Umschreibung einer vorher wirksam abgetretenen Briefhypothek, anwendbar. Gemeint ist ein anderer Fall als der hier vorliegende, nämlich der, daß dem Grundbuchamt in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen wird (§ 22 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative GBO), daß das betreffende Recht bereits vor der Konkurseröffnung auf einen Dritten übergegangen war. Eine andere Beurteilung ergibt sich - und das liegt auch der Entscheidung KGJ 40, 278 als selbstverständlich zugrunde -, wenn eine rechtsändernde Eintragung oder eine Grundbuchberichtigung aufgrund einer Eintragungsbewilligung gemäß § 19 GBO (oder einer diese ersetzenden Abtretungserklärung gemäß § 26 Abs. 1 GBO) erfolgen soll; dann muß - abgesehen von dem Fall des § 878 BGB - bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der betreffenden Eintragung die Verfügungsbefugnis des Bewilligenden gegeben sein.

21

3.

Die erforderliche Bewilligungsbefugnis war dem Beklagten auch nicht dadurch "zurückgegeben" worden, daß der Konkursverwalter das Grundstück als solches freigegeben hatte. Grundstück und darauf lastende Grundpfandrechte sind unterschiedliche Vermögenswerte. Die Freigabe eines Grundstücks umfaßt deshalb nicht ohne weiteres die darauf liegenden Belastungen (Böhle/Stamschräder/Kilger KO 13. Aufl., § 6 Anm. 9; Zeller ZVG 10. Aufl., § 15 Rn 8; Jaeger/Weber KO § 13 Anm. 8). Dafür, daß der Konkursverwalter im vorliegenden Falle mit der Freigabe des Grundstücks auch die für den Gemeinschuldner eingetragene Eigentümergrundschuld gemeint hätte, gibt es nach dem Parteivortrag keine tatsächlichen Anhaltspunkte; also auch nicht für die Annahme der Berufungserwiderung, der Beklagte habe durch die Freigabe des Grundstücks die freie Verfügungsbefugnis auch bezüglich der Eigentümergrundschuld zurückerlangt.

22

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO.