Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.03.2001, Az.: 6 A 313/00

Exilpolitik; Gruppenverfolgung; Hassake; Kulturforum d. yez. Glaubensgemeinschaft; regimekritische Aktivität; Syrien; Sänger; Verfolgungsfurcht; Yeziden; zeitlicher Zusammenhang

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.03.2001
Aktenzeichen
6 A 313/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39280
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Gruppenverfolgung der Yeziden im Distrikt Hassake. Erforderlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausreise und den fluchtauslösenden Ereignissen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Kurde mit ungeklärter Staatsangehörigkeit und yezidischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben im April 2000 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.

2

Zur Begründung dieses Begehrens trug er vor:

3

Am 01. März 2000 sei er in Begleitung von zwei seiner Brüder über die Grenze in die Türkei gegangen. Von dort seien sie am 03. März 2000 mit einem Bus nach Istanbul gekommen und schließlich mit einer türkischen Fluggesellschaft namens Türk Hawala nach Hannover geflogen. Der Schleuser habe ihnen gefälschte türkische Pässe beschafft, aber nicht ausgehändigt. Sie seien ungefähr von 13.20 Uhr bis 15.35 Uhr unterwegs gewesen. Nach dem Ausstieg aus dem Flugzeug seien sie durch einen Schlauch gegangen. An dessen Ende seien ihre Pässe und das Visum von zwei Polizisten kontrolliert worden. Nach der Kontrolle seien sie durch den Flughafen gelaufen bis an eine Glastür, die nach draußen geführt habe. Der Schleuser habe ihm alle Unterlagen abgenommen und gesagt, dass er mit einem türkischen Pass nichts anfangen könne. Sein Bruder, der seit einem Jahr in Nienburg lebe, habe ihn später vom Flughafen abgeholt. Seine Eltern seien in Syrien geblieben, wollten aber auch irgendwann ausreisen. Eine Schwester wohne ebenfalls in Nienburg. Ein weiterer Bruder und eine verheiratete Schwester seien vor ihm in Deutschland angekommen und ebenfalls in der Asylunterkunft untergebracht. In Syrien sei er fünf Jahre lang zur Schule gegangen und habe dann in der Landwirtschaft gearbeitet. Früher hätten sie 50 Dönem Land gehabt, das ihnen 1990 oder 1991 von der Regierung weggenommen und den Arabern gegeben worden sei. Danach hätten sie bei anderen Leuten gearbeitet. Er sei kein Mitglied, aber Sympathisant der Yekiti. Mit seinem Bruder habe er auf Newroz-Festen Musik gemacht. Er spiele eine Art Gitarre. Wehrdienst habe er nicht geleistet, weil Leute mit ungeklärter Staatsangehörigkeit keinen Wehrdienst leisten müssten. Am 21. März 1998 habe er beim Newroz-Fest Musik gemacht. Nachts sei der Sicherheitsdienst gekommen, habe ihn beschimpft und beleidigt und ihn mitgenommen. Er sei befragt worden, ob er Mitglied der Partei sei. Man habe ihn geschlagen und gefoltert. Nach drei Tagen sei er von Ras Al-Ain nach Kamishli gebracht und weiter befragt worden, welche Funktion er in der Partei gehabt habe. Dann sei er zwei Monate lang festgehalten worden. Sie hätten ihm auch die Musikinstrumente weggenommen. Man habe ihn aufgefordert, mit dem Sicherheitsdienst zusammen zu arbeiten. Sie hätten nicht geglaubt, dass er für die Yekiti nur Musik gemacht habe, hätten ihn noch ein paar Tage gefoltert und dann freigelassen. Er habe einen Zettel unterschreiben müssen, dass er nicht mehr mit der Partei zusammenarbeite. Dann sei nichts weiter passiert. Weil man ihm die Musikinstrumente weggenommen habe, habe er 1999 mit einem Freund ein Geschäft für den Verkauf von Kassetten aller Art eröffnet. Anfang 2000 hätten sie von einem Freund der Yekiti eine Kassette der Yekiti-Partei erhalten. Diese Kassette hätten sie vervielfältigt und verkauft. Als er irgendwann zwischen dem 10. und 15. Januar 2000 bei einem Freund in Derbessie zu einer Hochzeit eingeladen gewesen sei, habe man in Ras al-Ain seinen Vater verhaftet. Dies habe er von einem Freund gehört. Wieso man von dem Verkauf der Kassetten erfahren habe, wisse er nicht. Sein Vater sei ungefähr eine Woche lang festgehalten worden, um ihn dazu zu bringen, sich bei dem Sicherheitsdienst zu melden. Er habe versucht, die Sache durch Beziehungen zu regeln, aber keinen Erfolg gehabt. Auf der Kassette sei viel von dem Hassake-Gefängnis und Amuda erzählt worden und dass die syrische Regierung gestürzt werden solle. Er habe genau gewusst, was auf der Kassette gewesen sei. Sie hätten die Kassette geheim an die Freunde der Yekiti-Partei weitergegeben und verkauft. Dann habe er sich versteckt. Seine Familie habe gewusst, wo er gewesen sei. Vor der Ausreise sei er noch zehn Tage bei seinem Opa gewesen. Sein Vater habe alles geregelt und ein Auto für die Fahrt zur Grenze gemietet. Sein Bruder habe keine eigenen Probleme gehabt. Die Eltern hätten gewollt, dass er ebenfalls ausreisen sollte, weil sie sowieso kaum noch Bekannte dort gehabt hätten.

4

Mit Bescheid vom 11. Mai 2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.

5

Gegen den am 15. Mai 2000 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 26. Mai 2000 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor:

6

Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Seine Asylgründe habe er bei der Anhörung vorgetragen.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid des Bundesamtes vom 11. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und außerdem festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen.

9

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,

10

die Klage abzuweisen.

11

Auf die gerichtliche Verfügung nach § 87b VwGO hat der Kläger ergänzend vorgetragen:

12

Er sei in Syrien ein bekannter kurdischer Sänger. Neben den folkloristischen mache er auch politische Lieder. Eines seiner bekannten politischen Lieder heiße "Ca jane sin bu, welate min Kurdistane (Was für ein Unglück, meine Heimat Kurdistan)". Darin gehe es um das Schicksal der Kurden und um Kurdistan. Diese Lieder habe er auch bei Veranstaltungen in Deutschland wie zum Beispiel bei einem yezidischen Fest am 15. Dezember 2000 in Oldenburg vorgetragen. Außerdem habe er eine kurze Rede über die Situation der Kurden in Syrien gehalten.

13

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Asylvorbringen informatorisch ergänzend angehört worden. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.

16

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Denn dem Begehren kann aus den nachfolgenden Gründen nicht entsprochen werden. Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel an der Behauptung des Klägers, auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist zu sein. Diese Zweifel gründen sich darauf, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt, die noch nicht einmal zwei Wochen nach seiner vorgeblichen Einreise in die Bundesrepublik über den Flughafen Hannover erfolgt sein soll, den Ablauf der Abfertigungsmodalitäten in einer Weise dargestellt hat, die den örtlichen Verhältnissen auf dem Flughafen Hannover eindeutig nicht entsprechen. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nach einem Ablauf von nahezu einem Jahr seit der Einreise unaufgefordert auch Einzelheiten zu solchen Abläufen angegeben, die er - obwohl wesentlich - bei der Anhörung vor dem Bundesamt überhaupt nicht erwähnt hatte (nochmalige Kontrolle der Pässe an einem Schalter). Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass der Kläger sich offenbar in Erwartung derartiger Nachfragen des Gerichts nachträglich die ihm bis dahin fehlenden Kenntnisse von den örtlichen Verhältnissen auf dem Flughafen Hannover verschafft hat. Hierauf kommt es jedoch, wie bereits erwähnt, nicht maßgeblich an.

17

Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).

18

Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).

19

Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89] m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38 [BVerwG 26.10.1989 - BVerwG 9 B 405.89]; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.

20

Hiernach kann der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt werden.

21

Soweit der Kläger Schwierigkeiten geschildert hat, die er wegen eines Auftritts als Sänger bei dem Newroz-Fest im März 1998 mit den syrischen Sicherheitskräften gehabt haben will, fehlt es an dem für eine Asylgewährung erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und der erst zwei Jahre später erfolgten Ausreise aus Syrien. Der Umstand, dass der Kläger nach seiner vorübergehenden Festnahme und der Beschlagnahme des Musikgeräts sein Heimatland nicht verlassen hat, macht deutlich, dass er aus diesen Vorkommnissen eine Furcht vor politischer Verfolgung nicht hergeleitet hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 18.02.1997, BverwGE 104, 97). Der Kläger hat hierzu auch eingeräumt, im Zusammenhang mit seinem früheren Auftreten als Sänger keine weiteren Schwierigkeiten mit den Sicherheitsbehörden in Syrien gehabt zu haben, nachdem er auf einem Zettel unterschrieben haben will, künftig nicht mehr mit der Yekiti-Partei zusammenzuarbeiten. Sofern sich diese Begebenheit überhaupt zugetragen haben sollte, war der Grund für das Einschreiten der Sicherheitskräfte in Syrien gegen den Kläger offenbar ein Verdacht der Zugehörigkeit zur Yekiti, weniger das von dem Kläger und seinem Bruder vorgetragene Lied oder der dazugehörige Text. Dies wird darin deutlich, dass der Kläger als Schwerpunkt der Befragung nach seiner Festnahme einen diesbezüglichen Verdacht der Sicherheitskräfte geschildert hat und weder er noch sein Bruder wegen des vorgetragenen Liedtextes besonders vernommen worden sind. Hätte der Liedtext eine zentrale Bedeutung für die syrischen Behörden gehabt, wäre auch der seinerzeit 15-jährige Bruder des Klägers ungeachtet seiner Minderjährigkeit nicht von repressiven Maßnahmen zur Ermittlung des Falles und seiner Hintergründe verschont geblieben.

22

Die Behauptung des Klägers, wegen des Herstellens von Musikkassetten mit regimefeindlichen Texten von den syrischen Behörden gesucht worden zu sein, hält das Gericht ebenfalls für unglaubhaft. Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass sich die Yekiti und ein Teil ihrer Mitglieder in die Hände eines Nichtmitgliedes begibt, um regimekritische Texte auf Musikkassetten zu kopieren, was der Organisation ohne Weiteres auch innerhalb der eigenen Mitglieder besser und sicherer möglich gewesen wäre. Besonderer technischer Kenntnisse oder einer aufwendigen Technik, die zu besitzen der Kläger auch nicht behauptet hatte, bedurfte es hierfür nicht. Unzutreffend hält das Gericht - mit dem Bundesamt - auch die Schilderung, auf welche Weise die Sicherheitskräfte wegen eines solchen Vorgangs versucht haben sollen, des Klägers habhaft zu werden. Wäre der Kläger tatsächlich wegen aus der Sicht der Sicherheitskräfte Syriens schwerwiegender regimekritischer Aktivitäten gesucht worden, hätte der Geheimdienst das Haus des Klägers überwacht und sich weder damit begnügt, den Vater sozusagen als Druckmittel mitzunehmen, noch zugelassen, dass die anderen Mitglieder der Familie eine Gelegenheit gehabt hätten, den Verdächtigen zu informieren und zu warnen. Schließlich zeigt auch der Umstand, dass der Kläger zu einem Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen seinen "Freund", der mit ihm zusammen die Musikkassetten kopiert haben soll, keine Angaben machen konnte. Hätte es diesen Vorgang mit der vom Kläger dargestellten Intensität von Nachstellungen gegenüber dem Kläger tatsächlich gegeben, hätte nichts näher gelegen, als über die zunächst in Syrien verbliebenen, inzwischen aber überwiegend nach Deutschland gekommenen Familienangehörigen in Erfahrung zu bringen, welche Maßnahmen der Geheimdienst gegenüber einem Mitverantwortlichen für den fraglichen Vorgang ergriffen hat, um daraus Rückschlüsse auch auf eine für den Kläger zu erwartende Behandlung durch die syrischen Behörden zu ziehen.

23

Der Kläger hat sein Heimatland auch nicht wegen einer bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr der individuellen Verfolgung aufgrund seines yezidischen Glaubensbekenntnisses verlassen. Die diesbezüglichen und erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgestellten Behauptungen hält das Gericht für unglaubhaft. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hatte der Kläger nur eher beiläufig und allgemein gehalten erwähnt, Yezide zu sein, ohne auch nur zu erwähnen, wegen dieser Religionszugehörigkeit in Syrien Schwierigkeiten gehabt zu haben. Auch in Bezug auf den jüngeren Bruder, der mit ihm nach Deutschland gekommen ist, hatte der Kläger angegeben, dass dieser "eigentlich keine Probleme gehabt" habe, und seine Eltern lediglich deshalb, weil die Familie in Syrien kaum noch Bekannte gehabt habe, den jüngeren Sohn mit ins Ausland geschickt hätten. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die Glaubensverschiedenheit des Klägers zu seinen arabischen Mitbewohnern in der Vergangenheit allenfalls den Grad von bloßen Belästigungen und nicht von asylrechtlich relevanten Übergriffen erreicht hatten.

24

An der Auffassung, dass die Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Syrien keiner unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, hält die Kammer weiterhin fest (vgl. Urteil vom 09.08.2000, 6 A 1/00; bestätigt durch: OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.01.2001, 2 L 3172/00). Die Kammer sieht auch nach Prüfung der aktuellen Erkenntnismittellage, insbesondere nach einer Auswertung des von dem Kulturforum der yezidischen Glaubensgemeinschaft e.V. in Oldenburg erstellten Gutachtens vom 19. November 2000 sowie des Gutachtens des Sachverständigen Maisel vom 30. November 2000 keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Das Gericht folgt insoweit auch nicht der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Urteil vom 29.01.2001, 8 A 497/98 MD). Selbst wenn nach dem vom Kulturforum in Oldenburg zusammengestellten Zahlenmaterial innerhalb des Zeitraumes von 1990 bis 1999 insgesamt 77 asylrechtlich relevante Verfolgungsschläge im Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) vorgefallen sein sollten, lässt sich daraus nicht die für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte herleiten. Bei einer quantitativen Betrachtung der Relation von ermittelten Yeziden, die sich derzeit noch im Nordosten Syriens befinden sollen (ca. 4000), und der aus insgesamt 77 Verfolgungsschlägen abgeleiteten Zahl von etwa 8 Vorfällen jährlich ergibt sich, dass von den Verfolgungsschlägen auf jedes Jahr bezogen nur 0,2 v.H. der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden betroffen waren. Auch wenn man an Stelle der Gesamtzahl yezidischer Personen in diesem Raum lediglich die Zahl der Yezidenfamilien zugrundelegt, in denen die Einzelpersonen als Verband gelebt haben, führt die Zahl der jährlichen Verfolgungsschläge, die zudem seit Mitte der 90iger Jahre (mit Ausnahme der Landwegnahmen) rückläufig sind, ebenfalls nur zu einem Prozentsatz von etwas mehr als 1,2 v.H.. Ungeachtet der Frage, ob die vom Kulturforum in Oldenburg ermittelten Übergriffe auf Yeziden sämtlich nach ihrer Intensität ein asylrechtlich relevantes Maß erreicht hatten oder ob ihnen überhaupt asylrechtlich relevante Motive zugrunde gelegen haben, lässt sich bei einer quantitativen Betrachtungsweise nicht der Schluss ziehen, dass die Verfolgungsschläge derart dicht und eng gestreut fallen, dass für jeden Yeziden die aktuelle Gefahr besteht, selbst das Opfer eines Übergriffs von arabischen Mitbewohnern zu werden.

25

Eine nach qualitativen Gesichtspunkten vorgenommene Betrachtung nach der Art und Intensität der im Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgeführten Übergriffe rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass jeder im Nordosten Syriens lebende Yezide befürchten muss, selbst ein Opfer von Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Dies ergibt eine Gesamtwürdigung der Zahl der besonders schweren Verfolgungsschläge nach ihrer Art und Intensität sowie die Feststellung, dass die in dem Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgelisteten Vorfälle nicht in einem eng umgrenzten Bereich des Nordostens, sondern sich an teilweise weit verstreut liegenden Orten zugetragen haben. Der Umstand, dass vor allem die besonders schweren Übergriffe in den letzten Jahren abgenommen haben, deutet zudem darauf, dass mit der Anzahl der in den letzten Jahren aus Syrien ausgereisten Yeziden der Verdrängungswettbewerb zwischen den Bevölkerungsgruppen als häufig vorgetragene Motivation für die Übergriffe nachgelassen zu haben scheint.

26

Der Kläger ist auch nicht wegen seiner Eigenschaft als Kurde Verfolgungsmaßnahmen des syrischen Staates ausgesetzt. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die ethnische Minderheit der Kurden als solche in Syrien einer staatlichen Verfolgung nicht unterworfen ist. Fälle politischer Verfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sind nicht bekannt. Die in den 60-iger Jahren von der damals regierenden syrischen Führung begonnene und von Präsident Assad bis 1976 zunächst noch fortgeführte Politik der "Arabisierung" der kurdischen Siedlungsgebiete Syriens ist noch im Jahre 1976 von der Assad-Regierung eingestellt worden (vgl. etwa die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 10.01.1990). Zwar betont die Ideologie der Baath-Partei den arabischen Charakter Syriens. Seit Ende der 70-iger Jahre sind jedoch Bestrebungen zur Zwangsarabisierung ethnischer Minderheiten oder staatliche Repressionen gegen nichtarabische Minderheiten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht mehr feststellbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.07.2000).

27

Es besteht auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien aus der Sicht des syrischen Staates wegen des Auftritts als Musiker und Sänger bei einer yezidischen Veranstaltung in Oldenburg in den Verdacht einer regimekritischen Haltung geraten könnte. Ob und in welchem Maße einem Mitglied einer kurdischen Organisation oder einer sonstigen Person im Falle einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung droht, hängt in erster Linie davon ab, ob sich diese Person in hervorgehobener Weise politisch oppositionell oder regimekritisch verhalten hat (amnesty international vom 25.06.1996 an das VG Koblenz, vom 11.11.1996 an das VG Braunschweig und Bericht vom Oktober 1996; Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 19.03.1997 und vom 17.07.1996 an das VG Braunschweig). Soweit es um die Teilnahme an einer yezidischen Feier zu Ehren des Gottes Ezdai geht, begründet dies keine Gefahr, in den Verdacht einer regimekritischen Haltung zu geraten. Zum einen ist nicht wahrscheinlich, dass Vertreter des syrischen Staates, die ohnehin nicht lückenlos alle Veranstaltungen syrischer Kurden überwachen können, an der von Yeziden für einen relativ überschaubaren Kreis von Teilnehmern veranstalteten Feierlichkeit teilgenommen haben. Zudem hatte - wie schon dargelegt worden ist - der Text des vom Kläger und seinen Brüdern vorgetragenen Liedes schon in Syrien nach der Überzeugung des Gerichts nicht dazu geführt, gegen den Kläger nachhaltige Sanktionen zu verhängen; die Zielrichtung seiner Vernehmung, sofern sie tatsächlich stattgefunden haben sollte, war nach seinen Angaben offenkundig eine andere. Andernfalls wäre er in Syrien nicht nach der Unterzeichnung eines Zettels, auf dem er sich verpflichtet haben will, nicht mehr für die Yekiti tätig zu werden, aus der Polizeihaft entlassen worden.

28

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG.

29

Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 AuslG betrifft neben den Fällen der politischen Verfolgung i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG auch solche Fälle, in denen eine Anerkennung als Asylberechtigter nach den §§ 26a und 27 AsylVfG ausgeschlossen ist oder wegen selbst geschaffener (subjektiver) Nachfluchtgründe scheitert (§ 28 AsylVfG). Indem diese Regelung voraussetzt, dass der Ausländer im Herkunftsland von einer der genannten Rechtsgutverletzungen bedroht ist, lässt sie erkennen, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dieser Rechtsgutverletzung bestehen muss und eine bloße, selbst durch Präzedenzfälle bestätigte Möglichkeit solcher asylerheblicher Nachteile nicht ausreiche (BVerwG, Beschl. vom 13.08.1990, Buchholz 402.25, § 28 AsylVfG Nr. 18).

30

Eine derartige beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr in das Heimatland besteht aus den bereits dargelegten Gründen nicht.

31

Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG nicht ersichtlich. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9/95]). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würde.

32

Da das Bundesamt den Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigten anerkannt hat und er keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt, hatte die Behörde ihn gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.

33

Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1

34

AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.