Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.05.1964, Az.: III A 160/63
Anspruch eines Flüchtlings aus der sowjetischen Besatzungszone auf Ausstellung eines Flüchtlingsausweises C nach dem Bundesvertriebenengesetz; Sowjetzonenflüchtling als ein deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger; Vorliegen von Zwangsmaßnahmen gegen den Flüchtling
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 22.05.1964
- Aktenzeichen
- III A 160/63
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1964, 14587
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1964:0522.III.A160.63.0A
Rechtsgrundlage
- § 3 Abs. 1 BVFG
Verfahrensgegenstand
Erteilung eines Ausweises C (BVFG)
Die III. Kammer Braunschweig des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 1964
durch
den Verwaltungsgerichtsdirektor Abendroth,
die Verwaltungsgerichtsräte Dr. Schreuer und Dr. Waldeck sowie
die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter Mechaniker Nolte und Landwirt Rühland
fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
I.
Der 1905 geborene Kläger war in Blankenburg/Harz als Bürovorsteher bei einem Rechtsanwalt tätig, bis er am 29. Juni 1952 die sowjetische Besatzungszone (SBZ) verließ, um in Seesen eine solche Stelle bei einem anderen Rechtsanwalt anzutreten.
Mit Antrag vom 7. Oktober 1953 ersuchte er beim Landkreis Gandersheim um Ausstellung eines Flüchtlingsausweises C nach demBundesvertriebenengesetz (BVFG) mit folgender, in einer eidesstattlichen Versicherung vom gleichen Tage niedergelegten Begründung: Seit dem Jahre 1951 hätten ihm die Behörden und politischen Stellen bei der Ausübung seines Berufs Schwierigkeiten gemacht. Schließlich sei ihm das Auftreten vor Gericht verboten worden, weil er seit Mai 1937 der NSDAP angehört habe. In der SBZ könne aber ein Rechtsanwalt nur dann einen Bürovorsteher beschäftigen, wenn dieser auch Termine vor dem Gericht wahrnehme. Das sei in Blankenburg um so notwendiger gewesen, weil man das Amtsgericht Blankenburg aufgelöst und den Sitz des Gerichtsbezirkes nach Quedlinburg verlegt habe. Eines Tages seien zwei Mann vom Staatssicherheitsdienst zu ihm gekommen und hätten ihm den Vorwurf gemacht, er habe in einem Prozeß, den er als Bevollmächtigter einer in den USA wohnenden Dame geführt und gewonnen hatte, wissentlich unrichtige Behauptungen aufgestellt und sich strafbar gemacht, weil er für die Dame ein Konto bei der Kreissparkasse anstatt bei der Deutschen Notenbank unterhielt. Er habe befürchtet, wegen Verstoßes gegen die Devise vor Gericht gestellt zu werden, aber bis zum Verlassen der SBZ nichts mehr von der Sache gehört. Als er als Bevollmächtigter eines früheren Gutspächters sich gegen eine gesetzwidrige Maßnahme der Deutschen Notenbank Blankenburg gewendet habe, sei ihm versteckt zu erkennen gegeben worden, daß er sich staatsfeindlich verhalte, wenn er die Maßnahmen der Deutschen Notenbank kritisiere. Ein Bevollmächtigter der Notenbank habe ihm erklärt, es bestehe der begründete Verdacht, daß der Kläger Vermögenswerte seines Auftraggebers nicht angemeldet habe. Auch dagegen habe er sich entschieden gewehrt. Bei seiner Standhaftigkeit habe er aber damit rechnen Können, daß eines Tages eine Hausdurchsuchung bei ihm erfolgen und ein gerichtliches Verfahren gegen ihn angestrengt werden würde. Um sich dieser Zwangslage zu entziehen und nicht seine persönliche Freiheit einzubüßen, sei er über Westberlin in das Bundesgebiet gegangen.
Das Ausgleichsamt hat den Antrag des Klägers abgelehnt, weil keine besondere Zwangslage bestanden habe und durch berufliche und wirtschaftliche Gründe die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling nicht gerechtfertigt werde.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig zurückgewiesen. Die Schwierigkeiten bei seiner Tätigkeit als Bürovorsteher und das Verbot, vor Gericht aufzutreten, seien nicht ausreichend, das Bestehen einer besonderen Zwangslage objektiv zu begründen. Ein Existenzverlust liege nicht vor. Sonstige Maßnahmen ostzonaler Behörden seien gegen ihn nicht getroffen worden. Die subjektive Annahme einer Gefahr, weil er mit der Möglichkeit einer Hausdurchsuchung und einem gerichtlichen Verfahren gerechnet habe, reiche zur Anerkennung als SBZ-Flüchtling nicht aus.
Der Kläger habe nach seinen Angaben die SBZ am 29. Juni 1952 verlassen, nachdem er bereits am 15. Mai 1952 einen Antrag zur Erteilung einer Zuweisungsbescheinigung zum Zuzug in die Stadt Seesen gestellt hatte. Diesen Antrag habe er mit der Übernahme einer Stellung als Bürovorsteher bei dem Rechtsanwalt Dr. Köhler in Seesen begründet. Da von ihm keine politischen Gründe für dieÜbersiedlung angegeben worden seien, müsse geschlossen werden, daß der Kläger die SBZ nur aus beruflichen Gründen verlassen habe. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.
Am 20. Juli 1961 hat der Kläger unter Berufung auf das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes erneut einen Antrag auf Ausstellung des Flüchtlingsausweises C gestellt. Zur Begründung wiederholte er sein Vorbringen aus dem ersten Verfahren und trug dazu noch vor: Nachdem er Blankenburg verlassen hatte, sei die Polizei in seiner Wohnung erschienen und habe von seiner Frau die Vorlage seines Personalausweises verlangt. Dieser außergewöhnliche Vorgang deute darauf hin, daß man ihn in erhöhtem Maße beobachtet habe. In seinem Beruf als Bürovorsteher hätte er jetzt in der SBZ keine Existenzmöglichkeit mehr, weil die Anwälte nicht mehr so viel zahlen könnten, wie er zur Unterhaltung seiner Familie brauchte.
Mit Bescheid vom 14. Februar 1962 hat das Ausgleichsamt auch diesen Antrag abgelehnt, weil auch die Neufassung des § 3 BVFG keine Möglichkeit zur Anerkennung des Klägers als SBZ-Flüchting biete. Die Ausübung seines Berufs sei ihm nicht verwehrt worden. Wenn ihm wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur NSDAP das Auftreten vor Gericht verweigert worden sei, so habe er diese Schwierigkeiten selbst zu vertreten. Da sich im Zeitpunkt des Verlassens der SBZ keine objektiven Merkmale einer ernsthaften Gefährdung abgezeichnet hätten, könne auch keine auf ein berechtigtes subjektives Unsicherheitsgefühl beruhende Zwangslage anerkannt werden. Da er die SBZ erst verlassen habe, nachdem ihm vom Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig die Zuweisungsbescheinigung für den Zuzug nach Seesen erteilt worden war, fehle auch der Tatbestand der Flucht.
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs hat der Kläger in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens noch ausgeführt: Sein Sohn hätte ab Herbst 1952 die Oberschule besuchen können. Er würde aber nicht zugelassen worden sein, weil der Kläger weder Bauer noch Arbeiter sei und als staatsfeindlich gegolten hätte. Das Bestehen einer besonderen Zwangslage aus subjektiven Gründen müsse bei ihm anerkannt werden, weil er sich nach dem Besuch der beiden Männer vom SSD habe bedroht fühlen müssen, ohne daß es nötig sei, daß sich eine ernsthafte Gefährdung bereits abgezeichnet hätte.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 1963 hat der Präsident des Nieders. Verwaltungsbezirks Braunschweig den Widerspruch zurückgewiesen, weil auch nach der Neufassung des § 3 BVFG als Sowjetzonenflüchtling nur anerkannt werden könne, wer sich wirklich in einer unmittelbaren Gefahr befunden habe und deshalb wegen einer besonderen Zwangslage aus der SBZ geflüchtet sei. Dem Kläger könne aber nach dem gesamten Vorbringen weder eine subjektive Gefährdung noch eine wirtschaftliche Zwangslage zugebilligt werden. Im Zeitpunkt des Zonenwechsels sei die wirtschaftliche Situation des Klägers nicht aus politischen Gründen gefährdet gewesen. Die Umstände, unter denen er sich in die Bundesrepublik begeben habe, ließen erkennen, daß er nicht geflüchtet, sondern schon längere Zeit vorher entschlossen gewesen sei, sobald wie möglich in die Bundesrepublik überzusiedeln. Bei seinem späteren Vorbringen von dem Erscheinen der Polizei in seiner Wohnung nach seinem Grenzübertritt handele es sich nur um eine Fluchtfolge.
Gegen diesen dem Kläger am 11. Oktober 1963 zugestellten Bescheid richtet sich die am 30. Oktober 1963 erhobene Klage. Dazu wiederholt der Kläger seine im bisherigen Verfahren gegebenen Ausführungen und trägt noch vor: Nach seinen Schwierigkeiten mit der staatlichen Notenbank sei nicht abzusehen, in welcher Weise sich die Dinge für ihn tatsächlich entwickelt haben würden. Jeder, gegen den wegen des Vorwurfs einer dem SBZ-Regime feindlichen Betätigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, müsse damit rechnen, auf längere Zeit seiner Freiheit beraubt zu werden. Trotz aller Befürchtungen habe er seine Flucht solange wie möglich hinausgeschoben und die Zeit nutzen können, um seinen Übertritt in die Bundesrepublik zu organisieren.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 1962 und den Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1963 aufzuheben,
- 2.
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den Ausweis C nach dem BVFG zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und des sonstigen Sachverhalts wird auf die Akten des Gerichts und die zur Unterrichtung beigezogenen Vorgänge des Beklagten und des Präsidenten des Nieders. Verwaltungsbezirks Braunschweig Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Verhandlung gewesen ist.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Nach § 3 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ist Sowjetzonenflüchtling ein deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger, der seinen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin hat oder gehabt hat und von dort geflüchtet ist, um sich einer von ihm nicht zu vertretenden durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen. Eine besondere Zwangslage ist vor allem dann gegeben, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit vorgelegen hat. Wirtschaftliche Gründe sind als besondere Zwangslage anzuerkennen, wenn die Existenzgrundlage zerstört oder entscheidend beeinträchtigt worden ist oder wenn die Zerstörung oder entscheidende Beeinträchtigung nahe bevorstand.
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, daß er sich objektiv in einer solchen Zwangslage befunden hat, als er am 29. Juni 1952 die SBZ verließ. Die Schwierigkeiten, die der Kläger im Jahre 1951 als Bürovorsteher und Bevollmächtigter hatte, stehen in keinem unmittelbaren ursächlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlassen der SBZ. Nach der Erklärung des Klägers sind die beiden Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes im Sommer 1951 bei ihm erschienen, um ihm Vorhaltungen wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Kontenführung zu machen. Er hat aber seitdem von dieser Sache nicht mehr gehört. Auch als er sich gegen gesetzwidrige Maßnahmen der Deutschen Notenbank in Blankenburg gewendet hatte und ihm von einem Angestellten dieser Bank zu verstehen gegeben worden war, daß er sich staatsfeindlich verhalte, wenn er Maßnahmen der Deutschen Notenbank kritisiere und außerdem der Verdacht bestünde, Vermögenswerte seines Auftraggebers nicht angemeldet zu haben, ist nichts gegen ihn erfolgt.
Durch diese dem Kläger entstandenen Schwierigkeiten ist er aber auch in keine besondere Zwangslage im Sinne des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes geraten. Wenn er als Bürovorsteher vor dem Gericht nicht auftreten durfte, so ist er dadurch nicht ernstlich gefährdet gewesen und war bis zum Verlassen der SBZ weiter als Bürovorsteher in ungekündigter Stellung beschäftigt.
Bei dieser Sachlage kann auch nicht anerkannt werden, daß der Kläger sich subjektiv gefährdet fühlen mußte.
Zwar vertritt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß eine besondere Zwangslage im Sinne des§ 3 BVFG auch dann gegeben sei, wenn der Betroffene sich in einer überdurchschnittlichen Gefährdung zu befinden glaubt. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß sich die Lage in der Person des Betroffenen objektiv erheblich verschärft und in bedrohlicher Weise zugespitzt hat. Es müßte festgestellt werden können, daß auch andere besonnene Bewohner der SBZ sich bei verständiger Würdigung der Lage im vorliegenden Falle zur Flucht veranlaßt gesehen haben würden.
Das kann hier nicht angenommen werden. Der Kläger brauchte in dem Bewußtsein, als Bevollmächtigter den gesetzlichen Bestimmungen gemäß gehandelt zu haben, nicht mit einem gerichtlichen Verfahren zu rechnen. Bei der Deutschen Notenbank in Blankenburg hat man ihm nur versteckt zu erkennen gegeben, daß er die Mißstände dieser Bank nicht kritisieren solle.
Wenn der Kläger ausführt, bei seiner Standhaftigkeit habe er aber damit rechnen können, daß eines Tages eine Haussuchung bei ihm erfolgen und ihm "auch sonst noch ein gerichtliches Verfahren gemacht werden würde", so kann nicht davon gesprochen werden, daß sich die Lage in seiner Person erheblich verschärft hätte.
Wie der Kläger meint, sei nach seinen Schwierigkeiten mit der Deutschen Notenbank nicht abzusehen gewesen, in welcher Weise sich die Dinge tatsächlich entwickelt haben würden. Aus der Tatsache, daß bis zum Verlassen der SBZ nichts gegen ihm unternommen worden ist, geht hervor, daß sich die Verhältnisse in der Person des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt nicht in bedrohlicher Weise zugespitzt hatten.
Es handelt sich beim Kläger vielmehr um bloße Befürchtungen, daß später einmal Zwangsmaßnahmen gegen ihn erfolgen könnten, für deren tatsächlichen Eintritt aber nach dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte bestanden. Eine Gefahr, die weder objektiv noch nach der Vorstellung des Betroffenen sogleich oder für die allernächste Zukunft zu erwarten war, genügt aber nicht dem gesetzlichen Erfordernis der Unmittelbarkeit. Wer die SBZ verläßt, um sich einer erst für die Zukunft erwarteten Gefahr zu entziehen, flieht vorsorglich und entzieht sich keiner unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit im Sinne des § 3 Abs. 1 BVFG (vgl. Urteil BVerwG vom 22.2.1961 - VIII C 40/60 - in ZLA 1961 S. 303).
Daß der Kläger selbst nicht an eine bedrohliche Zuspitzung seiner Lage glaubte, ergibt sich auch aus seiner Erklärung, wonach er seinen Wegzug aus der SBZ hinausgeschoben hat, um seine Absetzung über Berlin zu organisieren.
Eine besondere Zwangslage aus wirtschaftlichen Gründen kann auch nicht anerkannt werden. Bis zu dem Zeitpunkt, als der Kläger die SBZ verließ, übte er seinen Beruf als Bürovorsteher aus. Aus seinen Angaben geht aber hervor, daß die Schwierigkeiten weniger auf politische Gründe als darauf zurückzuführen waren, daß das Amtsgericht Blankenburg aufgehoben und der Sitz des Bezirks nach Quedlinburg verlegt wurde.
Da dem Kläger zur Zeit des Verlassens der SBZ die Ausübung seines Berufes als Bürovorsteher nicht verwehrt wurde, war seine Existenzgrundlage weder zerstört noch entscheidend beeinträchtigt. Eine solche Gefahr stand aber auch nicht unmittelbar bevor.
Bei diesem Sachverhalt kann aber auch nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger aus der SBZ geflüchtet sei. Dem Kläger ist allerdings darin zuzustimmen, daß eine Flucht auch systematisch seit längerer Zeit vorbereitet und die Ausreise aus der SBZ auch mit Interzonenpaß oder Reisegenehmigung vorgenommen sein kann. Stets muß sie aber erfolgt sein, um sich einer durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen. Der Entschluß, die SBZ zu verlassen, muß durch eine besondere Zwangslage ursächlich bedingt sein (vgl. Urteil BVerwG vom 18.10.1962 - VIII C 142/60 - in DÖV 1963 S. 386 [BVerwG 18.10.1962 - VIII C 142/60]).
Dieser Tatbestand hat hier nicht vorgelegen. Der Kläger hat vielmehr die SBZ in erster Linie verlassen, um sich beruflich zu verbessern und eine am 1. Juni 1952 frei gewordene Stelle als Bürovorsteher bei dem Rechtsanwalt Dr. Köhler in Seesen zu übernehmen, bei dem er schon vor dem Kriege tätig gewesen war. Diesen Grund hat er auch bei seinem Antrag auf Zuzugsgenehmigung vom 15. Mai 1952 angegeben. Nachdem ihm Rechtsanwalt Dr. Köhler die Zugangsgenehmigung beschafft hatte, ist der Kläger mit Genehmigung der zuständigen Behörde in Halle a.S. mit seinem gesamten Hausrat zunächst nach West-Berlin und anschließend nach Seesenübergesiedelt. Er ist also nicht - etwa unter Täuschung der SBZ-Machthaber - "geflohen", sondern hat sich mit Wissen und Willen der Zonenbehörden endgültig aus deren Machtbereich abgesetzt. Daß die Polizei der SBZ vom Kläger bei der Übersiedlung die Vorlage seines Personalausweises verlangt hat, ist nicht außergewöhnlich, sondern üblich und verständlich.
Sicher hat beim Entschluß des Klägers, die SBZ zu verlassen, auch seine Unzufriedenheit mit den Zuständen in der SBZ mitgespielt. Diese Unzufriedenheit teilte er aber mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung der SBZ; das würde allein nicht den Voraussetzungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft genügen. Aus dem gesamten Sachverhalt ergibt sich, daß der Kläger beim Verlassen der SBZ nicht angenommen hat, daß seine Verhaftung oder sonstige schwerwiegende Maßnahmen der Zonenbehörden gegen ihn unmittelbar bevorstanden. Damit war eine besondere Zwangslage zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben.
Nach alledem hat der Kläger die Voraussetzungen des§ 3 Abs. 1 BVFG für die Ausstellung eines Flüchtlingsausweises C nicht erfüllt, so daß die Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsordnung.
III.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Verwaltungsgericht Braunschweig schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb dieser Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht.