Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 18.09.1997, Az.: 2 U 31/97

Abschluss eines Bauvertrags über die Erstellung eines Kellers; Auslegung eines Schreibens als Kündigung; Ablehnung des Finanzierungskonzepts als wichtiger Kündigungsgrund; Anspruch auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung; Wirksamkeit der Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz in allgemeinen Geschäftsbedingungen; Beanspruchung einer unangemessen hohen Vergütung für erbrachte Leistungen bzw. eines unangemessen hohen Aufwendungsersatzes für den Kündigungsfall; Ermittelbarkeit eines konkreten Schadens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.09.1997
Aktenzeichen
2 U 31/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16129
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1997:0918.2U31.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 24.10.1996 - AZ: 7 O 28/96

Fundstellen

  • BauR 1998, 785-787 (Volltext)
  • IBR 1998, 425 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 1997
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 24.10.1996 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwerdewert: 20.288,80 DM.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

2

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

3

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 VOB/B. Dabei kann es dahinstehen, ob die Regeln der VOB/B zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden sind. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Anspruches für die Klägerin sind, soweit sie den hiesigen Rechtsstreit betreffen, gleich.

4

Zwar hat die Klägerin grundsätzlich nach Kündigung des zwischen den Parteien unter dem 28./30.03/08.04.1994 geschlossenen Werkvertrages einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung, die sie aber abzüglich der ersparten Aufwendungen nicht ausreichend substantiiert vorgetragen hat. Im einzelnen:

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1.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Klägerin, wonach die Beklagte den Vertrag über die Erstellung eines Kellers durch Schreiben vom 26.02.1995 (Bl. 19 d.A.) gekündigt hat. In diesem Schreiben heißt es:

"Zu vorstehendem Geschäftszeichen teile ich Ihnen mit, daß mein Finanzierungskonzept, abgelehnt wurde. Eine Auftragserteilung ist daher nicht möglich."

6

Dieses Schreiben ist gem. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont als Kündigung auszulegen. Entscheidend ist, wie die Klägerin dieses Schreiben zum damaligen Zeitpunkt nach Treu und Glauben hätte verstehen dürfen. Auszugehen ist vom Wortlaut. In diesem sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zwar nicht die Worte "Annullierung" oder "Stornierung" oder "Kündigung" gebraucht worden. Die Begriffswahl, daß eine Auftragserteilung nicht möglich ist, beinhaltet aber die gleiche Aussage. In den Worten ist auch keine Einschränkung dahingehend vorhanden, daß die Auftragserteilung nur zur Zeit, z.B. wegen nicht vorhandener Finanzierungszusagen, nicht möglich sei. Die mangelnde zeitliche Einschränkung macht deutlich, daß die Beklagte ohne wenn und aber den Auftrag kündigen wollte. Auch der weitere Zusatz, daß das Finanzierungskonzept der Beklagten abgelehnt worden sei, läßt eine andere Auslegung nicht zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht ersichtlich, daß diese in dem Schreiben auf Ziff. 6 der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bauvertrages Bezug nehmen wollte. Dort geht es um einen Finanzierungsnachweis und damit um die Bestätigung der Bank, daß die Bezahlung des Werklohns gesichert sei. Bei einem Finanzierungskonzept, wie dies im Schreiben vom 26.02.1995 erwähnt ist, handelt es sich dagegen um eine umfängliche Kalkulation, die weiter geht, als eine bloße Finanzierungsbestätigung für einen Teil des Gesamtobjekts. Die Beklagte wollte schließlich, zwar nicht durch den Vertrag mit der Klägerin, nicht nur einen Keller errichten, sondern ein gesamtes Haus, wofür sicherlich noch weitere umfängliche Zahlungen nötig gewesen wären. Dementsprechend ist eine Finanzierungsbestätigung nur ein Teilaspekt für ein gesamtes Finanzierungskonzept. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin ihrerseits zu dem Zeitpunkt der Kündigungserklärung auch überhaupt nicht auf den Finanzierungsnachweis entsprechend Ziff. 6 der Geschäftsbedingungen gedrungen hat. Vielmehr hat die Beklagte in diesem Schreiben erstmalig den Begriff der Finanzierung verwendet. Auch beinhaltet das Schreiben der Beklagten keine Bezugnahme auf Ziff. 6 der Geschäftsbedingungen. Dementsprechend konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, daß dieses Schreiben eine Antwort auf eine entsprechende Aufforderung zur Vorlage eines Finanzierungsnachweises nach Ziff. 6 der Geschäftsbedingungen sein sollte. Weiter ist zur Auslegung das Verhalten der Parteien nach dem Schreiben vom 26.02.1995 zu berücksichtigen. Die Klägerin hat dieses Schreiben als eine Kündigung verstanden und entsprechend am gleichen Tage mit Schreiben vom 28.02.1995 unter Bezugnahme auf den Bauvertrag und die Bezeichnung als Vertragskündigung einen Abstand von 10 % der Auftragssumme gefordert. Die Beklagte wiederum hat dieses Schreiben und spätere Mahnungen erstmalig über ihren Architekten ca. ein halbes Jahr später reagiert. Wenn sie das Schreiben vom 26.02.1995 nicht als Kündigung hätte verstanden wissen wollen, hätte es nahegelegen, daß sie sofort gegen die Rechnung und auch die anschließende Mahnung protestiert. Dies hat sie aber nicht getan. Insgesamt ist daher aus Sicht der Klägerin das Schreiben vom 26.02.1995 als Kündigung auszulegen.

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2.

Da die Beklagte keinen wichtigen Grund zur Kündigung vorgetragen hat, hat die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung der vertraglichen Vergütung.

8

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß die Klägerin nicht berechtigt ist, ihren Anspruch nach Ziff. 8 a ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berechnen. Diese Regelung verstößt gegen § 11 Nr. 5 b AGBG, § 11 AGBG findet sowohl hinsichtlich seines sachlichen, als auch persönlichen Anwendungsbereiches nach §§ 23, 24 AGBG Anwendung. Es handelt sich bei der hier im Streit stehenden Vertragsbestimmung auch um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 AGBG, die nach § 2 AGBG wirksam in den Vertrag einbezogen sind. Nach § 11 Nr. 5 AGBG ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruches des Verwenders auf Schadensersatz in den allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Die vom Gesetz für Schadenspauschalen geforderte Möglichkeit des Gegenbeweises muß wegen der vergleichbaren Interessenlage analog auch für die Abwicklungsklauseln bestehen, die die Höhe der Vergütung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln (vgl. BGH NJW 1985, 633, 634; BGH BauR 1997, 156, 158) [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]. Zwar muß die Klausel nicht den ausdrücklichen Vorbehalt des Rechts zum Gegenbeweis enthalten. § 11 Nr. 5 b AGBG ist aber verletzt, wenn sich aus der Formulierung der Klausel konkludent ergibt, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll. Maßgebend ist dabei, wie der durchschnittliche rechtsunkundige Vertragspartner die Formulierung verstehen kann (vgl. BGH a.a.O.). In der vorliegenden Fassung wird auf die Möglichkeit des Gegenbeweises nicht Bezug genommen. Vielmehr wird nur allgemein auf § 8 VOB/B verwiesen. Dieser Hinweis ist aber für einen Vertragspartner, der nicht Baukundiger und auch nicht durch einen Baukundigen beraten wird, unzureichend. Durchschnittlichen rechtsunkundigen Vertragspartnern ist nicht ersichtlich, daß eine geringere Vergütung bestehen kann.

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Darüber hinaus verstößt die Klausel unter Zugrundelegung der oben genannten Rechtsprechung gegen § 10 Nr. 7 ABGB. Danach ist eine Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, nach der der Verwender für den Fall, daß eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. § 10 Nr. 7 AGBG ist zwar nicht direkt auf § 649 Satz 2 BGB anwendbar, da es sich weder um eine Nutzungsvergütung noch um einen Aufwendungsersatz handelt (vgl. Löwe/von Westphalen, AGBG, 2. Aufl., § 10 Nr. 7 Rdnr. 19). Der Bundesgerichtshof wendet diese Vorschrift seinem Sinn und Zweck aber entsprechend an (vgl. BGH NJW 1985, 633, 634; BGH BauR 1995, 546, 548[BGH 23.03.1995 - VII ZR 228/93]; BGH BauR 1997, 156, 158) [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]. Danach ist eine Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, nachdem der Verwender für den Fall, daß eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Prüfungsmaßstab für die Angemessenheit der pauschalierten Vergütung ist jeweils das, was ohne die Klausel geschuldet würde (vgl. BGH BauR 1995, 546, 548[BGH 23.03.1995 - VII ZR 228/93]; BauR 1997, 156, 158) [BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]. Für die Angemessenheitskontrolle nimmt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dabei darauf Bezug, daß eine Unangemessenheit der Pauschale nicht darauf beruht, daß der Reingewinn in der Regel nicht entsprechend der Pauschale betrage. Vielmehr ist die Klausel deshalb verfehlt, weil sie zwar einen Ausgleich für negative Folgen der Kündigung bietet, den Auftragnehmer aber unter Umständen besser stellt, als er bei der Durchführung des Vertrages stünde. Dies folgt daraus, daß keine Anrechnung einer anderweitigen Auslastung der Arbeitskapazität in der Klausel vorgesehen ist (vgl. BGH BauR 1997, 156, 159[BGH 10.10.1996 - VII ZR 250/94]; Werner/Sigburg, BauR 1997, 181, 188).

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3.

Die von der Klägerin daher konkret zu ermittelnde Vergütung ist aber nicht substantiiert dargelegt.

11

Zunächst hat die Klägerin ihre Aufwendungen, die sie bei Ausführung des Vertrages hätte machen müsse und die wegen der Kündigung nun nicht mehr notwendig sind, darzulegen (vgl. BGH NJW 1996, 1751; BGH BauR 1997, 304[BGH 07.11.1996 - VII ZR 82/95]). Dieser Voraussetzung ist die Klägerin nunmehr in der Berufung nachgekommen. Sie hat in ihrer Berufungsbegründung eine nachvollziehbare Kalkulation vorgelegt, die von der Beklagten wiederum vereinzelt bestritten worden ist. Zur Ermittlung des Ausgleichs für die negativen Folgen der Kündigung (vgl. BGH BauR 1997, 304, 305) [BGH 07.11.1996 - VII ZR 82/95] hat sie aber jedenfalls dann, wenn der Vertragspartner den Abschluß eines erweiterten Auftrages anbietet, näher vorzutragen, warum dies für sie unzumutbar und damit ein Schaden entstanden sei. Dies folgt schon daraus, daß auch nach Kündigung des Vertrages die Vertragspartner nach Treu und Glauben verpflichtet sind, im Rahmen des Zumutbaren den Schaden zu begrenzen. Die Beklagte hatte nach Kündigung des Vertrages ein Angebot auf Neuabschluß zu veränderten Bedingungen über ihren Architekten durch Schreiben vom 14. August 1995 an die Klägerin herangetragen. Die Klägerin hat dies über ihre vorprozessual eingeschalteten Rechtsanwälte ohne nähere Begründung abgelehnt (vgl. Schreiben vom 11.09.1995, Bl. 26 d.A.). Sie hat insbesondere nicht der Beklagten mitgeteilt, daß die von der Beklagten genannten veränderten Konditionen für sie nicht akzeptabel seien, und angeboten, in Verhandlungen über angemessene, dem Vertrag vom 28./30.03./08.04.1994 entsprechende Bedingungen für den veränderten Auftragsumfang einzutreten. Die Klägerin hat auch nicht näher vorgetragen, in welchem Zeitraum nach den vertraglichen Vereinbarungen der Bauvertrag hätte durchgeführt werden sollen und ob sie in dieser Zeit wegen des nicht ausgeführten Auftrages Leerlauf hatte, den sie nicht durch "Füllaufträge" (vgl. BGH BauR 1996, 382, 383) [BGH 21.12.1995 - VII ZR 198/94] hätte ausfüllen können. Es wäre aufgrund der Umstände des Sachverhalts notwendig gewesen, daß die Klägerin ihre konkrete Auftragssituation dargelegt hätte (vgl. Koeble, BauR 1997, 191, 196), und näher ausgeführt hätte, welche Aufträge sie aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrages nicht hat ausführen können (vgl. Niemöller, BauR 1997, 539, 551[BGH 09.05.1996 - VII ZR 181/93]; Schmeel, MDR 1997, 109, 110). Da sich insgesamt der Nachteil, der durch die Kündigung entstanden ist, nicht ermitteln läßt, ist die Klage daher im Ergebnis zu Recht vom Landgericht abgewiesen worden.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

13

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 20.288,80 DM.