Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 27.01.2015, Az.: 2 A 90/11

Allgemeines Wohngebiet; Bauvorbescheid; Bebauungsplan; Einzelhandelsbetrieb; Fremdkörper; Lebensmittelmarkt; Nahversorgung; unbeplanter Innenbereich

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
27.01.2015
Aktenzeichen
2 A 90/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45069
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein ausschließlich von Wohnhäusern umgebenes ehemaliges Fabrikgelände stellt sich als Fremdkörper dar, der der Einstufung der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet nicht entgegensteht.

2. Auch ein nicht großflächiger Lebensmitteldiscounter dient nicht der Nahversorgung, wenn seine Verkaufsfläche knapp unterhalb der Grenze zur Großflächigkeit liegt und die Anzahl der Parkplätze sowie die verkehrsgünstige Lage für einen größeren Einzugsradius spricht.

3. Ragt die Bebauung eines im Innenbereich gelegenen Grundstücks über die faktische Baulinie hinaus in den Außenbereich, ist § 35 BauGB bei der Prüfung der Zulässigkeit des Bauvorhabens anzuwenden.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für den Neubau eines Lebensmittelmarktes mit einer Verkaufsfläche von 796 qm auf dem Grundbesitz Gemarkung E., Flur F., Flurstücke G. (Teilfläche) und H. (Teilfläche). Zusätzlich soll eine Bäckerei mit einer Verkaufsfläche von etwa 45 qm entstehen. Überdies ist die Errichtung von 89 Stellplätzen für PKW geplant.

Nördlich des Grundstücks, auf dem sich die Hallen einer ehemaligen I. befinden, verläuft die J. sodann eine Eisenbahnlinie. Daran schließt sich landwirtschaftliche Nutzung an. Östlich befinden sich vier Wohnhäuser an der Straße K. Westlich schließt sich zunächst ein Nebengebäude, in dem sich ein L. befindet, an. Sodann folgt ein Mietwohngebäude; anschließend folgt die Straße M. an der sich Wohnhäuser befinden. Nach Süden hin schließen sich landwirtschaftliche Flächen an das Baugrundstück an. Das Vorhaben soll ausweislich der Planungen von Norden her von der dort verlaufenen N. erschlossen werden. Bis zu einer Grundstückstiefe von etwa 65 m sollen die PKW-Stellplätze angeordnet werden. Die bauliche Nutzung beginnt auf Höhe der Flurstücksgrenze zwischen den östlich angrenzenden Flurstücken O. und P. und erstreckt sich auf einer Länge von etwa 52 m nach Süden. Für die Umsetzung des Vorhabens ist der Abriss eines Teils der derzeit auf dem Grundstück vorhandenen baulichen Anlagen, die u.a. durch einen zur Straße hin eingerichteten Q. genutzt werden, erforderlich. Die hinteren Gebäudeteile werden als Lager genutzt.

Das Grundstück, das sich im Privatbesitz der Firma R. befindet, ist im Flächennutzungsplan der Beigeladenen teilweise als Mischgebiet, teilweise als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Eine (willkürliche) Trennlinie verläuft mitten durch die ehemalige Fabrik.

Am 17.02.2010 stellte der Kläger bei der Beigeladenen den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides für den Neubau des Lebensmittelmarktes.

Nachdem zunächst Abstimmungsgespräche zwischen der Beigeladenen und dem Kläger geführt worden waren, bat der Kläger mit E-Mail vom 05.07.2010 um Weiterleitung seines Antrages an den Beklagten zwecks Bescheidung.

Unter dem 03.08.2010 erkundigten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dem Sachstand des Genehmigungsverfahrens, worauf der Beklagte mit Schreiben vom 12.08.2010 um die Klärung einiger offener Fragen bat, die der Kläger in der Folge beantwortete und die Bauvoranfrage so ergänzte.

Bereits am 10.08.2010 hatte die Beigeladene die Bauvoranfrage verbunden mit einem vom 26.07.2010 datierenden Antrag auf Zurückstellung gem. § 15 BauGB an den Beklagten weitergeleitet.

Unter dem 09.09.2010 übermittelte der Beklagte der Beigeladenen die Ergänzung der klägerischen Bauvoranfrage und bat um ergänzende Begründung des Zurückstellungsantrages.

Am 06.10.2010 fand ein Besprechungstermin zwischen dem Kläger und der Beigeladenen statt, in dem das klägerische Projekt nochmals vorgestellt wurde.

Am 26.10.2010 stellte die Beigeladene das Projekt in ihrem Verwaltungsausschuss vor. Am 27.11.2010 übermittelte die Beigeladene dem Beklagten eine Ergänzung ihres Zurückstellungsantrages, datierend vom 01.11.2010, vorab per E-Mail.

Nach nochmaligen Sachstandsanfragen des Klägers, der schließlich am 22.11.2010 um eine kurzfristige Entscheidung bat und darauf hinwies, dass es bis zum 26.10.2010 ein „Stillhalteabkommen“ zwischen der Beigeladenen und ihm gegeben habe, erließ der Beklagte unter dem 01.12.2010 einen Zurückstellungsbescheid für den Zeitraum vom 18.02.2010 bis zum 17.02.2011 und ordnete dessen sofortige Vollziehung an.

Am 14.10.1999 hatte der Rat der Beigeladenen den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet im Bereich S. in dem sich auch das Baugrundstück befindet, gefasst und öffentlich bekanntgemacht. Dieser Beschluss wurde durch den Verwaltungsausschuss der Beigeladenen am 14.12.2010 erneuert und am 15.12.2010 ebenfalls bekanntgemacht. Diesen Beschlüssen zufolge soll in dem betroffenen Gebiet ausschließlich eine Wohnnutzung in Frage kommen.

Am 16.12.2010 erließ der Rat der Beigeladenen eine Veränderungssperre für das Gebiet des sich in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 29 T. Die Veränderungssperre umfasst das Gebiet, in dem das klägerische Vorhaben geplant war. Diese Veränderungssperre wurde am 31.12.2010 durch die Beigeladene ortsüblich bekannt gemacht.

Unter dem 03.01.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Zurückstellungsbescheid ein und beantragte bei der erkennenden Kammer die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs (2 B 1/11). Dieses Verfahren wurde aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien mit Beschluss vom 22.06.2011 eingestellt. Die Kosten wurden dabei dem Beklagten und der Beigeladenen zu jeweils 1/2 auferlegt.

Mit Bescheid vom 17.01.2011 lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage des Klägers ab und ersetzte damit den Zurückstellungsbescheid vom 01.12.2010. Die Ablehnung der Bauvoranfrage begründete der Beklagte im Wesentlichen mit dem Erlass der Veränderungssperre durch den Rat der Beigeladenen.

Unter dem 11.02.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 17.01.2011 ein und beantragte die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre; der Widerspruch wurde bislang nicht beschieden.

Am 20.06.2011 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass eine einvernehmliche Lösung mit der Beigeladenen (derzeit) nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 06.09.2011 - nach Klageerhebung - lehnte der Beklagte  die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.10.2011 Widerspruch ein.

Am 31.03.2012 trat der vom Rat der Beigeladenen am 23.02.2012 beschlossene Bebauungsplan Nr. 29 U. durch Veröffentlichung im Amtsblatt des Beklagten in Kraft, der das Gebiet, in dem die Errichtung des klägerischen Vorhabens geplant ist, als Misch- und teilweise als Allgemeines Wohngebiet festsetzt und eine Baugrenze zur N. hin festsetzt.

Bereits am 26.08.2011 hatte der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Er führt aus, dass der Beklagte ohne sachlichen Grund nicht über seinen Widerspruch vom 11.02.2011 entschieden habe. Auch auf schriftliche und fernmündliche Sachstandsanfragen habe der Beklagte nicht reagiert.

Der mittlerweile in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 29 stehe seinem Vorhaben nicht entgegen, da dieser unter offensichtlichen Abwägungsfehlern leide. Die Firma V. die Eigentümerin der wesentlichen Flächen im Plangebiet sei, habe dem Bebauungsplan bereits am 19.12.2011 vollumfänglich widersprochen und mitgeteilt, dass eine Bebauung mit Wohnhäusern im Sinne des Plans nicht in Betracht komme. Gleichwohl habe die Beigeladene gegenüber dem Rat erklärt, dass die Eigentümerin keine Hinweise, Anregungen oder Bedenken zur Planung geltend gemacht habe. Die Eigentümerinteressen als wesentliches Abwägungskriterium seien daher nicht berücksichtigt worden. Dem Plan fehle zudem die Planrechtfertigung. Die Beigeladene habe nicht überprüft, ob die Planung in absehbarer Zeit realisierbar sei. Der Plan verstoße zudem gegen den Trennungsgrundsatz, da ein allgemeines Wohngebiet nicht neben einer Fläche, die uneingeschränkt landwirtschaftlich genutzt werden könne, ausgewiesen werden dürfe. Sein Vorhaben könne überdies sowohl im Misch- als auch im Allgemeinen Wohngebiet realisiert werden.

Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes am 31.03.2012 habe er jedenfalls einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Bauvorbescheides gehabt. Er plane angesichts der hohen Kosten, die während der Entwicklung des Projekts entstanden seien, Schadenersatzforderungen geltend zu machen. Es seien Planungs- und Notarkosten entstanden und Verhandlungen mit dem vorgesehenen Mieter und der Eigentümerin geführt worden. Mietzins und Mietzeit für das Objekt ständen fest. Die Zurückstellung sei rechtswidrig erfolgt. Die Beigeladene habe die Bauvoranfrage verspätetet an den Beklagten weitergeleitet und die Wochenfrist des § 73 NBauO weit überschritten, indem sie dem Beklagten die Voranfrage verbunden mit dem Zurückstellungsantrag erst am 10.08.2010 zugeleitet habe. Die Verhandlungen zwischen ihm, dem Kläger, und der Beigeladenen hätten keinen Einfluss auf die Bescheidung der Bauvoranfrage haben dürfen. Eine Aussetzung der Entscheidung habe er nie beantragt, sondern auf eine rasche Entscheidung hingewirkt. Er habe auch während der Verhandlungsphase nie einen Verzicht auf seine Rechte erklärt.

Die Veränderungssperre vom 16.12.2010 sei unwirksam. Es liege kein wirksamer Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans vor. Der ursprüngliche Aufstellungsbeschluss sei am 14.10.1999 vom Rat der Beigeladenen gefasst worden. In seiner Sitzung vom 14.12.2010 habe der Verwaltungsausschuss der Beigeladenen den Beschluss erneuert.

Der Aufstellungsbeschluss aus dem Jahre 1999 könne allein nicht Grundlage der Veränderungssperre sein, da der Rat für dessen Fassung nicht zuständig gewesen sei. Zudem habe das erforderliche Mindestmaß an konkretisierter Planungsabsicht nicht bestanden. Dem Beschluss sei in keiner Weise zu entnehmen, in welche Richtung das markierte Gebiet entwickelt werden solle. Die Veränderungssperre überschreite zudem die Grenzen des räumlichen Geltungsbereichs des Aufstellungsbeschlusses. Der Beschluss sei zudem allein durch Zeitablauf obsolet geworden.

Die Erneuerung des Beschlusses durch den Verwaltungsausschuss im Jahre 2010 sei ebenfalls unwirksam. Zum einen sei - unterstellt, der Rat habe die Zuständigkeit im Jahre 1999 an sich gezogen oder es habe doch eine wirksame Vorlage des Verwaltungsausschusses gem. § 40 Abs. 2 Satz 3 NGO gegeben - weiterhin der Rat zuständig gewesen. Zum anderen könne die Erneuerung bei unterstellter Unzuständigkeit des Rates im Jahre 1999 nicht auf diesen unwirksamen Beschluss gegründet werden. Auch dem Beschluss aus dem Jahre 2010 fehle es zudem an der erforderlichen positiven, konkretisierten Planungsvorstellung vom künftigen Planinhalt. Es handle sich um eine Verhinderungsplanung. Zudem sei die Veränderungssperre in rechtswidriger Weise vor dem erneuerten Aufstellungsbeschluss bekanntgemacht worden. Die Veränderungssperre sei auch nicht erforderlich, da der Planungsbereich bereits bebaut sei und gewerblich genutzt werde. Eine Aufgabe oder Änderung dieser Nutzung sei nach seinem Kenntnisstand nicht geplant.

Er habe ungeachtet dessen einen Anspruch auf die begehrte Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre gehabt. Das insoweit gem. § 14 Abs. 2 BauGB bestehende Ermessen des Beklagten sei auf null reduziert, da ihm die Baugenehmigung bereits vor Inkrafttreten der Veränderungssperre rechtswidrig durch den Erlass des Zurückstellungsbescheides versagt worden sei. Dieser sei rechtswidrig, da der vollziehbare Antrag der Beigeladenen nicht in der Sechsmonatsfrist des § 15 Abs. 3 BauGB, sondern erst unter dem 01.11.2010 gestellt worden sei. Zuvor habe die Beigeladene am 17.08.2010 lediglich einen nicht ausreichenden Antrag gestellt; durch den „Ergänzungsantrag“ vom 01.11.2010 könne die Frist des § 15 Abs. 3 BauGB aber nicht umgangen werden. Auch habe das erkennende Gericht in seinem Beschluss vom 22.06.2011 im Verfahren 2 B 1/11 inzident ausgeführt, dass der Bauvorbescheid durch den Zurückstellungsbescheid mangels hinreichend konkretisierter Planungsabsicht rechtswidrig versagt worden sei.

Das Vorhaben sei auch nach dem vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes maßgeblichen § 34 BauGB zulässig gewesen, da es sich in die nähere Umgebung einfüge. Die tatsächliche Nutzung der Hallen spreche bis zum heutigen Tage eher für ein MI- als für ein WA-Gebiet über das gesamte Plangrundstück. Die Wohnbebauung im östlich anschließenden Bereich W. sei bereits vorhanden gewesen, als das Grundstück noch vollindustriell genutzt worden sei. Dieser Tatsache könne nicht mit einer Abrissfiktion begegnet werden, zumal die Bauvoranfrage lediglich einen Teilabriss vorsehe, der den Gebietscharakter nicht wesentlich zugunsten eines WA-Gebietes verändere. Der L. auf dem Gelände bleibe zudem bestehen. Gegen die Annahme eines WA-Gebietes spreche auch die Tatsache, dass sich an der Kreuzung X. ein Autohandel befinde. Größe und Lage der Stellplatzanlage des geplanten Marktes sprächen nicht gegen dessen Nahversorgungscharakter, so dass er selbst dann zulässig wäre, wenn man die nähere Umgebung als WA-Gebiet einstufe. Der Parkplatz könne auch noch umgestaltet werden. Der - ebenfalls der Nahversorgung dienende - Verkaufsraum der Bäckerei sei eigenständig und dürfe nicht zur Verkaufsfläche des Marktes addiert werden. Der Laden sei auch in keiner Weise von den umliegenden Wohngebieten abgeschottet. Die Nachbarn seien befragt worden und begrüßten das Vorhaben. Die Orientierung zur N. ergebe sich zwingend aus der Bebauung des Y. § 35 BauGB sei nicht einschlägig. Die hinteren Flächen des Grundstücks, auf denen sich eine geschotterte Umfahrt für Anlieferverkehr befinde, würden nicht im Sinne des § 35 BauGB genutzt.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 17.01.2011 und vom 06.09.2011 zu verpflichten, den vom Kläger beantragten Bauvorbescheid für den Neubau eines Z. mit einer Verkaufsfläche von AA. und einer AB. mit einer Verkaufsfläche von etwa 45 m² sowie die Errichtung von 89 Pkw-Stellplätzen auf den Flurstücken AC. in der Gemarkung E. zu erteilen und

2. hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte bis zum 30.03.2012 verpflichtet war, den am 17.02.2010 beantragten Bauvorbescheid unter Aufhebung der Bescheide vom 17.01.2011 und vom 06.09.2011 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hegt Zweifel an der Zulässigkeit des Hauptklageantrags als Untätigkeitsklage, da die Klage hinsichtlich der begehrten Ausnahme von der Veränderungssperre vor der Einlegung des Widerspruchs erhoben worden und das Vorverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Aufgrund der Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen seien die Widersprüche auch bislang nicht beschieden worden.

Weiter weist er darauf hin, dass der rechtmäßige Bebauungsplan Nr. 29 eine positive Bescheidung des klägerischen Antrages auf Erteilung eines Bauvorbescheids ausschließe.

Auch der Hilfsantrag des Klägers habe keinen Erfolg, da das Vorhaben vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes ebenfalls unzulässig gewesen sei. Sämtliche Fristen bei der Zurückstellung seien eingehalten worden; auch die Veränderungssperre sei rechtmäßig. Die dokumentierten Verhandlungen zwischen Kläger und Beigeladener hätten ein längeres Abwarten bis zum Erlass des Zurückstellungsbescheides gerechtfertigt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahme von der Veränderungssperre gehabt. Bei der Erteilung der Ausnahme handle es sich um eine Ermessensentscheidung; das Ermessen sei entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf null reduziert gewesen. Eine Ermessensabwägung falle zu Lasten des Klägers aus, da seine Planungen, die nur die Errichtung des Verbrauchermarktes umfassten, den ausdrücklichen Planungszielen der Beigeladenen, die das gesamte Areal neu ordnen wolle, widersprächen.

Das Vorhaben sei zudem unabhängig von der Wirksamkeit der Sicherungsinstrumente unzulässig, da es sich nicht gem. § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfüge. Es sei die Entstehung bodenrechtlicher Spannungen durch das beantragte Vorhaben, das einen teilweisen Abriss des Gebäudebestandes vorsehe, zu befürchten. Das Grundstück sei ringsum von Wohnbebauung umgeben. Fraglich sei zudem, ob nach dem Abriss der Hallen angesichts der Tatsache, dass der geplante Baukörper über die südliche Baugrenze hinausrage, nicht sogar § 35 BauGB einschlägig sei. Auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben, das neben dem Verbrauchermarkt auch eine AB. mit einer Verkaufsfläche von rund 45 qm vorsehe, nicht in die nähere Umgebung ein. Die verbleibende gewerbliche Nutzung direkt westlich des Grundstücks sei als Fremdkörper zu werten, so dass die Umgebung insgesamt einem Allgemeinen Wohngebiet gleichzusetzen sei. Der geplante AD. einschließlich der Bäckerei diene angesichts der Ausmaße und der geplanten Nutzung durch einen Discounter nicht der Nahversorgung des Gebietes.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, dass der Bebauungsplan Nr. 29 rechtmäßig und das Bauvorhaben daher nicht zulässig sei. Ein Planerfordernis sei gegeben. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Eigentümerin vom 09.12.2011 enthalte keine qualifizierten Einwendungen gegen den Bebauungsplan. Ein „vorsorgliches Widersprechen“ reiche nicht aus. Es sei auch kein Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan angestrengt worden.

Das Vorhaben sei auch vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes planungsrechtlich unzulässig gewesen.

Die Zurückstellung und die Veränderungssperre seien rechtmäßig erfolgt. Spätestens im Dezember 2010 seien ihre Pläne soweit konkretisiert gewesen, dass man einen Bebauungsplan in die Aufstellung habe bringen können, der das Ziel hatte, die bestehende Lücke zwischen den beiden Baugebieten an der N. mit Wohnbebauung zu füllen. Eine Bescheidungspflicht des Beklagten habe angesichts der zwischen dem Kläger und ihr, der Beigeladenen, geführten Verhandlungen allenfalls ab dem Schreiben des Klägers vom 22.11.2010 bestanden. Innerhalb der dann angemessenen Dreimonatsfrist habe der Beklagte durch den Zurückstellungs- und den Ablehnungsbescheid reagiert.

Die Voraussetzungen des § 34 BauGB seien überdies nicht erfüllt, da der für die Errichtung des Verbrauchermarktes erforderliche Abriss der Hallen eine Freifläche produzieren würde, die nicht mehr als Baulücke gelten könne. Der Außenbereich reiche bislang von Süden her direkt an die letzte Halle heran. Werde diese abgerissen, bestehe kein „übergreifender Bestandsschutz“ mehr, sondern der Außenbereich reiche bis an die N.. Das Gebäude für den Markt würde zudem weit über den südlichen Bebauungszusammenhang der bisherigen Hallen nach Süden hinausreichen und dringe damit in unzulässiger Weise in den Außenbereich ein. Selbst wenn man von einer Baulücke ausginge, füge sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung ein. Die Wohngebiete, die sich östlich und westlich des Baugrundstücks anschlössen, hätten durchgehend WA-Charakter. Einziger Fremdkörper sei die bestehende ehemalige I., in der schon seit 30 Jahren keine AE. mehr hergestellt würden. Es sei allenfalls ein Markt mit Nahversorgungscharakter zulässig. Der vorgesehene Markt habe von seiner konkreten Ausgestaltung her jedoch einen regional weitreichenden Charakter. Auch der Flächennutzungsplan stelle bis zu einer Tiefe von 50 m zur N. ein MI-Gebiet, weiter südlich jedoch Wohnbebauung für die Fläche dar. Zudem sei die Erschließung des Marktes nicht gesichert, da die Planungen des Klägers keine Abbiegespur von der N. auf das Gelände vorsähen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten - auch diejenige zum Verfahren 2 B 1/11 - sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Gem. § 75 Satz 1 VwGO ist eine Klage auch ohne Vorverfahren zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.

Hinsichtlich des nicht beschiedenen Widerspruchs vom 11.02.2011 gegen den Bescheid vom 17.01.2011, mit dem der Beklagte die Erteilung des Bauvorbescheides abgelehnt hat, ist die Klage jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zulässig. Die Einhaltung der in § 75 Satz 2 VwGO genannten Frist von regelmäßig drei Monaten stellt eine Prozessvoraussetzung dar, deren Fehlen während des Verwaltungsgerichtsverfahrens bis zur mündlichen Verhandlung geheilt werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.01.1966 - I C 24.63 - und vom 05.04.2000 - 8 C 22/99 -, jeweils zit. nach juris). Seit Klageerhebung sind weit mehr als die in § 75 Satz 2 VwGO vorgesehenen drei Monate vergangen, so dass die Klage hinsichtlich des nicht beschiedenen Widerspruchs jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zulässig ist.

Hinsichtlich des am 11.02.2011 gestellten Antrags auf Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre, der erst nach Klageerhebung mit Bescheid vom 06.09.2011 beschieden worden ist, ist die Klage aus den oben genannten Gründen ebenfalls zulässig.

Die Tatsache, dass der ablehnende Bescheid hier erst kurz nach Klageerhebung ergangen ist und der Kläger sodann den (bislang nicht beschiedenen) Widerspruch eingelegt hat, führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Eines Vorverfahrens bedurfte es in diesem Fall nicht mehr, da die Untätigkeitsklage bereits vor Erlass des begehrten Verwaltungsaktes zulässig erhoben werden konnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 75 Rn. 23). Die Tatsache, dass der Kläger dennoch Widerspruch erhoben hat, könnte zwar das Aussetzen des Gerichtsverfahrens erforderlich machen, um dem Kläger diese zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit nicht zu nehmen (vgl. Kopp/Schenke, aaO, Rn. 25); hier sind jedoch seit Einlegung des Widerspruchs mehr als drei Jahre vergangen, so dass eine faktische Aussetzung erfolgt ist, innerhalb derer der Beklagte den Widerspruch dennoch nicht beschieden hat. In diesem Fall ist die Kammer der Auffassung, dass die Klage angesichts der nicht erfolgten Bescheidung des Widerspruchs zulässig ist, zumal der Kläger während des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, an einer Bescheidung des Widerspruchs vor einer Entscheidung der Kammer interessiert zu sein, sondern vielmehr in der Sache vorgetragen hat. Auch der Beklagte hat eine Bescheidung des Widerspruchs vom 05.10.2011 nicht in Aussicht gestellt, so dass eine Aussetzung zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens trotz des vom Kläger nach Klageerhebung eingelegten Widerspruchs hier nicht geboten erschien; vielmehr ist die Klage hier ungeachtet des offenen Widerspruchsverfahrens zulässig.

Unabhängig davon ist die Klage jedenfalls sowohl mit ihrem Haupt- als auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet, da es an der planungsrechtlichen Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens fehlt.

Der mittlerweile in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 29 schließt die Realisierung des klägerischen Vorhabens aus, da er am geplanten Standort teilweise ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Der Kläger macht zwar Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes geltend; unabhängig davon wäre das Vorhaben jedoch auch bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplanes nicht zulässig.

Die planungsrechtliche Zulässigkeit richtete sich in diesem Fall nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO.

Das Vorhabengrundstück liegt bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 29 unstreitig im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB. Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (Abs. 1 Satz 1). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Bauvorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anwendbar (Abs. 2).

Zunächst ist zu bestimmen, wie sich die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks darstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die nähere Umgebung zum einen insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst. Dabei ist zwar die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und alles außer Acht zu lassen, was die vorhandene Bebauung bzw. die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint.  Es darf jedoch nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstückes überwiegt, sondern auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstückes ist insoweit zu berücksichtigen, als sie noch prägend auf dasselbe einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 -, juris). Zu der näheren Umgebung können auch Grundstücke gehören, die sich im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes befinden, allerdings nur, soweit sie bereits tatsächlich bebaut sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.10.1975 - IV C 16.73 -, juris).

In Anwendung dieser Grundsätze zählen vorliegend zur näheren Umgebung die Grundstücke nördlich, westlich, östlich und südlich des Grundstückes in einem Bereich, der westlich des Grundstücks durch das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 25 AF. südlich durch die landwirtschaftlichen Flächen, östlich durch die AG. - dazwischen befindet sich das Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 23 W. - und nördlich durch die AH. begrenzt wird. Der N. kommt dabei nach Ansicht der Kammer aufgrund ihrer Ausgestaltung sowie der nördlich von ihr verlaufenden Bahnlinie und der sich anschließenden landwirtschaftlichen Nutzfläche trennender Charakter zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.02.2000 - 4 B 1/00 -, juris). Von einer Einbeziehung des Gebietes zwischen der Straße AI. und der AJ. hat die Kammer abgesehen, da die AK. lediglich durch einen Fußweg mit der N. verbunden ist; die Erschließung des dort befindlichen AL. Marktes sowie des AM. Marktes und der Bäckereien erfolgt ausschließlich über die AJ., und zwar über Zufahrten, die nördlich der Kreuzung von AJ. und N. liegen. Zudem befinden sich die dortigen Geschäfte nicht zuletzt wegen der trennenden Wirkung durch die N. in einer Entfernung vom Vorhabengrundstück, die dessen Prägung durch die dortige Nutzung ausschließt.

 Wie sich aus den von der Kammer herangezogenen Karten sowie den Luftbildaufnahmen, die unter „Bing Maps“ sowie „Google Maps“ im Internet verfügbar sind, ergibt, befinden sich bis auf die in den ehemaligen Fabrikhallen auf dem Vorhabengrundstück angesiedelten Unternehmen - den L. und den AN. - sowie den Autohandel an der Ecke AO. ausschließlich Wohngebäude in der oben skizzierten näheren Umgebung. Im Übrigen ist die Umgebung im beplanten Bereich der Bebauungspläne Nr. 25 und 23 trotz der im Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Festsetzung als Mischgebiet durch Wohnhäuser geprägt. Der Bebauungsplan Nr. 25 setzt das Plangebiet überdies als Allgemeines Wohngebiet fest. Auch der übrige, ausweislich der Karte nicht beplante Bereich dient ausschließlich dem Wohnen.

Das verfügbare Bild- und Kartenmaterial weist die räumlichen Gegebenheiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig aus, dass eine Ortsbesichtigung nicht erforderlich war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.06.2007 - 4 B 15/07 -, juris Rn. 10).

Damit lässt sich die nähere Umgebung des streitigen Betriebes einem Allgemeinen Wohngebiet (WA) zuordnen, die planungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich mithin nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 4 BauNVO. Der L. und der AN. auf dem ehemaligen Fabrikgelände stehen dieser Zuordnung nicht entgegen. Allein deren Existenz bzw. die Existenz der ehemaligen Fabrik im Allgemeinen lässt die Qualifizierung der näheren Umgebung als Mischgebiet nicht zu. Denn das Fabrikgelände stellt sich nach Ansicht der Kammer als Fremdkörper inmitten von Wohnnutzung dar. Als Fremdkörper können nämlich gerade auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 23/86 -, juris). Nach der zitierten Rechtsprechung des BVerwG ist das dann anzunehmen, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Derartige Anlagen können die Stellung eines "Unikats" umso eher erlangen, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist. Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägten, vom übrigen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen. So liegt der Fall hier. Wie oben beschrieben, ist die ehemalige Fabrik singulär inmitten von Wohnnutzung gelegen. Wegen der Andersartigkeit der Bebauung fällt das Vorhabengrundstück insgesamt aus der Umgebungsbebauung heraus und ist auf der anderen Seite aber auch nicht geeignet, den Gebietscharakter dahingehend zu beeinflussen, dass es „tonangebend“ wäre. Denn grundsätzlich sprechen große Qualitätsunterschiede zwischen einer einzelnen Anlage und ihrer im Wesentlichen homogenen Umgebung dafür, dass die Anlage als ein für die Eigenart der Umgebung unbeachtlicher Fremdkörper zu werten ist. Diese Regel wird nur dann durchbrochen werden können, wenn die Anlage ihre Umgebung beherrscht oder aus anderen Gründen trotz der Andersartigkeit mit ihr eine Einheit bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, a.a.O.). Hier wirkt das Vorhabengrundstück als ehemaliges Fabrikgelände allein aufgrund seiner Größe und der Art seiner Bebauung auf die Umgebungsbebauung ein, dies führt jedoch nicht dazu, dass es den durch Wohnbebauung geprägten Charakter des gesamten den Rahmen bildenden Gebiets verändert.

Der Autohandel an der Ecke X. steht dieser Annahme nicht entgegen. Ausweislich der Luftbilder handelt es sich dabei um einen kleinen Betrieb, der die umliegende Bebauung nicht prägt und sich am äußersten Ende der in den Blick genommenen näheren Umgebung befindet. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sich der Betrieb anders als die übrige zu berücksichtigende Bebauung am unmittelbaren Kreuzungsbereich der beiden stark befahrenen Straßen befindet und somit seinerseits durch den unruhigen Kreuzungsbereich, an dem auch jenseits der AJ. Gewerbegebiete liegen, geprägt wird. Schließlich schließt auch der Umstand, dass der Flächennutzungsplan diesen Bereich teilweise als Mischgebiet darstellt, die Annahme eines faktischen WA-Gebietes nicht aus.

Im faktischen Allgemeinen Wohngebiet ist die Errichtung des geplanten Verbrauchermarktes planungsrechtlich nicht zulässig, da es sich bei dem vom Kläger geplanten Vorhaben nicht um einen der Versorgung des Gebiets dienenden Laden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) handelt; das Vorhaben ist auch nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO i.Vm. § 31 Abs. 1 BauGB als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig.

Der geplante Discounter ist kein nur der Versorgung des Gebiets dienender Laden. Dafür spricht bereits seine an der Grenze zur Großflächigkeit liegende Verkaufsfläche von AP. (die angeschlossene, aber räumlich getrennte AB. außer Acht gelassen). Hinzu kommt die Anzahl von 89 Stellplätzen, die sich bereits im Bereich der Stellplatzzahlen für Verkaufsstätten i. S. des § 11 Abs. 3 BauNVO (1 Estpl. je 10 bis 20 qm Verkaufsnutzfläche gem. Nr. 3.3 der Anlage zu den Ausführungsbestimmungen zu § 47 NBauO des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in der Fassung vom 24.09.2013) bewegt.

Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage an der N. und auch der komfortablen Zufahrtsmöglichkeit von der AQ. wird der AR. erhebliche Anziehungskraft auch auf nicht fußläufig wohnende Kunden ausüben (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2011 - 11 K 8737/08 -, juris m.w.N.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 4 Rdnr. 5.2: "klassische Lebensmitteldiscounter fallen regelmäßig aus dem Begriff des Ladens im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO.").

Auch eine Zulassung des Vorhabens im Wege einer Ausnahme gem. § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB ist angesichts der folgenden Ausführungen  ausgeschlossen.

Das Vorhaben ist auch nicht als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Es ist wegen der zu erwartenden Auswirkungen auf die benachbarte Wohnbebauung unzulässig, selbst wenn man unterstellte, dass die Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebiets eingehalten werden. Die Einhaltung allein der Immissionsrichtwerte nach TA Lärm führt noch nicht zu einer Gebietsverträglichkeit eines Vorhabens. Zudem ist Lieferverkehr auch in den nach Ziff. 6.5 TA Lärm besonders schutzbedürftigen Tageszeiten zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr sowie zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr zu erwarten. Hinzu kommt, dass das Vorhaben zu einer erheblichen Verkehrszunahme auf der N. führen wird. Die nach den Angaben des Klägers positive Haltung der Nachbarn gegenüber dem Bauvorhaben ändert an dieser Einschätzung nichts.

Selbstständig tragend  - wieder unterstellt, der Bebauungsplan wäre unwirksam - ist das Vorhaben überdies in der geplanten Weise unzulässig, da es durch die vorgesehene Bebauung, die in das Flurstück AS. hineinragt, in den Außenbereich eindringt. Die vorhandene Bebauung erstreckt sich lediglich auf die Flurstücke H. und AT.. Das Flurstück AS. befindet sich bislang im Außenbereich, da die faktische Baulinie entlang der Hallen der Drahtseilfabrik verläuft. Entgegen der Ansicht des Klägers verläuft die Baulinie nicht auf Höhe des Hauses AU. eine derartige Annahme erscheint angesichts der vorhandenen Bebauung (vgl. das Luftbild Bl. 147 der GA) als willkürlich. Durch die Bebauung des Flurstücks AS. wird der Außenbereich in Anspruch genommen, so dass in diesem Zusammenhang § 35 BauGB anzuwenden ist. Ein Lebensmittelmarkt ist im Außenbereich unabhängig von seiner Größe und Ausgestaltung unzulässig, so dass die Bauvoranfrage bezüglich des Vorhabens allein aus diesem Grund keinen Erfolg haben konnte.

Aus diesen Gründen führt auch der Hilfsantrag unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der gewählten Sicherungsmittel nicht zum Erfolg der Klage, da die Voranfrage bereits vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes mangels Zulässigkeit des Vorhabens gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO bzw. § 35 BauGB nicht positiv beschieden werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3  VwGO für erstattungsfähig erklärt worden, weil sie sich durch die Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.