Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 05.02.2019, Az.: 2 A 159/16

Agrarförderung; Agrarumweltmaßnahme; Cultanverfahren; Verwaltungspraxis; Verwaltungsvorschrift

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
05.02.2019
Aktenzeichen
2 A 159/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Richtlinie NiB-AUM handelt es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Sie unterliegt keiner eigenständigen richterlichen Auslegung. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996 -11 C 5/95 -, juris, Rn. 21). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die zuständige Landwirtschaftskammer als Cultanverfahren im Sinne der Richtlinie NiB-AUM nur solche Düngeverfahren ansieht, bei denen Flüssigdünger eingesetzt wird.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Düngung mittels des Granulats Diammoniumphosphat ein förderungsfähiges Cultanverfahren im Sinne der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Niedersächsische und Bremer Agrarumweltmaßnahmen (NiB-AUM) darstellt.

Die Klägerin betreibt Landwirtschaft und begeht die Gewährung von Zuwendungen nach der Richtlinie NiB-AUM für die Antragsjahre 2015 und 2016. Die Richtlinie NiB-AUM basiert auf Unionsrecht und bot die Fördermaßnahme „AL 3, Cultanverfahren zur Ausbringung von Mineraldünger (Förderkulisse)“ für die Förderperiode ab 2015 erstmals als Agrarumweltmaßnahme an. Die Klägerin beantragte am 06.05.2014, ergänzt am 16.05.2014, die Teilnahme an verschiedenen Fördermaßnahmen der Richtlinie, darunter an der Maßnahme AL 3 mit einer Mindestfläche von 80 Hektar Ackerland.

Mit Bescheid vom 29.12.2014 bewilligte die Beklagte ihr dem Grunde nach eine Zuwendung in Höhe von jährlich maximal 2.720,00 Euro für die Teilnahme an der Agrarumweltmaßnahme AL 3 im fünfjährigen Verpflichtungszeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2019. Die Bestimmungen der Richtlinie NiB-AUM bezog sie in den Bescheid ein.

Am 29.04.2015, ergänzt am 29.07.2015, beantragte die Klägerin die Auszahlung des Jahresbetrages 2015 für die Maßnahme AL 3. Sie gab an, die betroffenen Flächen mit dem Düngemittel DAP (= Diammoniumphosphat) bzw. einer „DAP-Mischung“ gedüngt zu haben. Dabei handelt es sich um ein Granulat (Feststoff). Die Ausbringung erfolgte mit einer Maisdrillmaschine mit Unterfußdüngeeinrichtung. Dadurch wurde das Düngemittel zugleich mit der Aussaat unterhalb des Saatgutes und seitlich versetzt in das Erdreich eingebracht. Es handelt sich um ein im Maisanbau standardmäßig eingesetztes Verfahren.

Ausweislich der in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen E-Mails vom Oktober 2014 und Mai 2015 gelangte die zuständige Fachabteilung der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium zu der Auffassung, dass eine „klassische“ Unterfußdüngung mit Diammoniumphosphat nicht die Voraussetzungen für das Cultanverfahren im Sinne der Agrarumweltmaßnahme AL 3 erfülle. Im Zuständigkeitsbereich der Bewilligungsstelle Northeim hatten lediglich zwei (externe) Beratungsringe dazu geraten, bei Feststoffdüngung die Teilnahme an der Fördermaßnahme zu beantragen. Die Verwendung von Feststoffdünger wurde bei Vor-Ort-Kontrollen von den Prüfern beanstandet.

Mit Bescheid vom 21.04.2016 lehnte die Beklagte daher den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des Jahresbetrags 2015 ab (Ziffer 1) und widerrief ihren Bewilligungsbescheid vom 20.12.2014 mit Wirkung für die Vergangenheit (Ziffer 2). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die wesentlichen Förderungsauflagen nicht eingehalten. Der Förderungszweck sei nicht erreicht bzw. dies sei nicht nachgewiesen worden. Förderungsgegenstand bei der Maßnahme AL 3 sei die Anwendung einer Ammoniumdüngerinjektionstechnik als Unterfußdüngung im Rahmen der überbetrieblichen Maschinenverwendung. Beim Cultanverfahren, d.h. der kontrollierten Langzeitammoniumernährung, gehe es um eine Injektion von Stickstoff-Flüssigdüngern mit Depotwirkung. Dabei seien spezielle Maschinen und spezieller Dünger erforderlich. Da die Klägerin Granulatdünger verwendet habe, habe sie nicht die förderungsfähige Technik verwendet. Die Bewilligung sei vollständig aufzuheben, weil der Zuwendungszweck verfehlt worden sei. Die Klägerin habe die Bewirtschaftungsauflagen, die über den gesamten fünfjährigen Verpflichtungszeitraum einzuhalten seien, schon im ersten Jahr nicht erfüllt. Gründe für eine abweichende Entscheidung seien nicht ersichtlich oder vorgetragen. Bei unionsrechtswidrig gewährten Förderungen überwiege das öffentliche Interesse an der Aufhebung des Bewilligungsbescheids das Individualinteresse an der Auszahlung.

Am 12.05.2016 (Eingang bei der Beklagten) stellte die Klägerin den Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2016. Unter Nr. 9.1. (Auszahlung Agrarumweltmaßnahmen für bestehende Verpflichtungen) listete sie die Maßnahme AL 3 nicht auf. Soweit sie die Maßnahme AL 3 als neue Agrarumweltmaßnahme beantragte, handelte es sich um andere als die bisher betroffenen Flächen im Umfang von 300 ha, für die sie den Antrag am 29.09.2016 zurückzog.

Am 31.10.2016 beantragte die Klägerin die Auszahlung des Jahresbetrags 2016 und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es sei mit der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Antragssoftwäre („ANDI“) nicht möglich gewesen, die Fortsetzung der Maßnahme AL 3 bzw. die diesbezügliche Auszahlung auszuwählen.

Mit Bescheid vom 04.01.2017 lehnte die Beklagte sowohl die Auszahlung des Jahresbetrags für 2016 als auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Zur Begründung berief sie sich auf ihren Bescheid vom 21.04.2016. Darüber hinaus sei der Antrag auf Auszahlung des Jahresbetrags 2016 für die Maßnahme AL 3 nicht fristgerecht gestellt worden. In dem fristgerecht eingereichten Sammelantrag sei die Auszahlung der jährlichen Förderung für die Maßnahme AL 3 nicht beantragt worden. Außerdem seien in der Anlage 2 zum Sammelantrag nicht die Flächen, auf denen die Maßnahme durchgeführt werden solle, angegeben. Innerhalb der Antragsfrist und der Nachfristen habe die Klägerin diese Angaben auch nicht in anderer Weise gemacht. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei abzulehnen, da die Klägerin die Fristen schuldhaft versäumt habe. Zwar sei die Maßnahme AL 3 auf der der Klägerin zur Verfügung gestellten Software (ANDI-DVD) nicht vorbelegt gewesen, weil die Bewilligung aufgehoben gewesen sei. Nicht vorbelegte Maßnahmen könnten jedoch beantragt werden, indem sie als neue bzw. übernommene Maßnahme gekennzeichnet würden (Ankreuzfeld 9.2). Abgesehen davon hätte die Klägerin den Antrag bei Softwareproblemen formlos stellen können.

Im Auszahlungsjahr 2017 gewährte die Bewilligungsstelle der Beklagten in Northeim lediglich einem Antragsteller eine Förderung für die Maßnahme AL 3. Niedersachsenweit wurden 48 Fälle gefördert.

Die Klägerin hat am 18.05.2016 gegen den Bescheid vom 21.04.2016 Klage erhoben. Am 24.01.2017 hat sie ihre Klage auf den Jahresbetrag für 2016 erweitert.

Sie meint, sie habe ein Cultanverfahren angewendet. Dieses sei dadurch gekennzeichnet, dass der Dünger unterirdisch statt oberirdisch ausgebracht werde. Bei dieser Form der Stickstoffdüngung werde der Dünger durch eine bestimmte Injektionstechnik unterhalb des Saathorizonts in den Boden eingebracht. Es sei unerheblich, ob der Dünger flüssig oder feststofflich sei. Die Beklagte hätte die von ihr vorgenommene Differenzierung, die für Landwirte nicht vorhersehbar sei, früher mitteilen müssen. Auch der Einsatz von festem Dünger in Depotform diene dem Förderungsziel des Boden- und Wasserschutzes. Für den Sammelantrag 2016 habe die Beklagte außerdem die Möglichkeit der Auswahl der Maßnahme AL 3 vorhalten müssen. Abgesehen davon habe sie, die Klägerin, dort durch Ankreuzen der Nummer 9.1 die Auszahlung der Agrarumweltmaßnahmen in allen bestehenden Förderungspflichten beantragt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 21.04.2016 und 04.01.2017 zu verpflichten, ihr für die Jahre 2015 und 2016 Fördermittel in Höhe von jeweils 2.720,00 Euro jährlich zu nebst Zinsen in Höhe von 0,5 % monatlich seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihren Bescheiden trägt die Beklagte vor, der niedersächsische Richtliniengeber sei im Hinblick auf die förderungsfähige Cultantechnik von der Injektion von Flüssigdünger ausgegangen. Dies sei schon dem Begriff „Injektionstechnik“ zu entnehmen, der die aufwändige „Spornrad“-Technik meine. Außerdem sei es Sinn und Zweck der Richtlinie NiB-AUM, den Mehraufwand von Verfahren zu fördern, der über die übliche Praxis hinausgehe. Die Förderung sei verfahrensbezogen, nicht ergebnisbezogen. Dementsprechend werde eine AL 3-Förderung für die Anwendung der DAP-Granulatdüngung nach ihrer Verwaltungspraxis nicht gewährt. Anderslautende Einschätzungen und Informationen habe sie - die Beklagte - nicht gegeben. Wenn der Begriff des Cultanverfahrens missverständlich gewesen sein sollte, hätte die Klägerin sich erkundigen müssen, ob die Unterfußdüngung den Zuwendungsanforderungen entspreche. Wäre die Unterfußdüngung dem Grunde nach förderungsfähig, könnte die Fördermaßnahme voraussichtlich nicht mehr angeboten werden, weil dann die Fördermittel verbraucht wären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Im Hinblick auf den Jahresbetrag für 2016 liegt eine zulässige Klageänderung nach § 91 VwGO vor, weil sich die Beklagte schriftsätzlich auf die geänderte Klage eingelassen hat und die Änderung sachdienlich ist. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Fördermitteln für die Teilnahme an der Agrarumweltmaßnahme AL 3 in den Jahren 2015 und 2016 nebst Zinsen; die dieses Begehren ablehnenden Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).


I. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des Jahresbetrags 2015 betreffend die Maßnahme AL 3 in Ziffer 1 des Bescheids vom 21.04.2016 zu Recht abgelehnt.

Die Förderung des Einsatzes von Cultanverfahren beruht auf Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 487; mehrfach geändert; im Folgenden VO (EU) 1305/2013) i. V. m. mit der seit dem 01.01.2015 geltenden Richtlinie NiB-AUM (Fassung vom 15.07.2015, Nds. MBl. 2015, 909, mehrfach geändert; vgl. dort Nr. 1.1). Sie gehört zu den Agrarumweltmaßnahmen zur Förderung des ländlichen Raums.

Die Gewährung der Zuwendung setzt voraus, dass die Maßnahme AL 3 während eines fünfjährigen Verpflichtungszeitraums durchgeführt wird (Nr. 6.1, 4.1.3 der Richtlinie NiB-AUM). Mit der Agrarumweltmaßnahme AL 3 wird die Anwendung des Cultanverfahrens zur Ausbringung von Minderaldünger gefördert (Nr. 37 der Richtlinie NiB-AUM). Die mineralische Stickstoffdüngung darf auf den betreffenden Flächen ausschließlich mit Cultanverfahren erfolgen. „Cultanverfahren“ im Sinne der Richtlinie NiB-AUM ist eine Unterfußdüngung mittels Ammoniumdüngerinjektionstechnik, bei der der gesamte Dünger als Depot in dem Boden abgelegt wird. Der Einsatz des Cultanverfahrens muss im Rahmen der überbetrieblichen Maschinenverwendung durch einen Maschinenring oder einen Lohnunternehmer erfolgen (Nr. 40.1 bis 40.3 der Richtlinie NiB-AUM).

An der Einschätzung der Beklagten, durch den Einsatz eines feststofflichen Düngers im Jahr 2015 habe die Klägerin wesentliche Förderungsauflagen nicht erfüllt und der Förderungszweck sei nicht erreicht, ist nichts zu erinnern. Die Beklagte hat beanstandungsfrei angenommen, dass die von der Klägerin angewandte Düngemethode nicht förderungsfähig ist, weil Cultanverfahren im Sinne der Richtlinie NiB-AUM nur solche seien, bei denen Flüssigdünger eingesetzt werde. Diese Einschränkung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Bewilligungsbescheid oder den einschlägigen Rechtsgrundlagen. Es handelt sich jedoch um ein vertretbares Auslegungsergebnis.

Bei der Richtlinie NiB-AUM handelt es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Wie bei Subventionen üblich besteht kein Anspruch auf Gewährung der Zuwendung, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde auf Grund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (vgl. Nr. 1.2 der Richtlinie NiB-AUM). Deshalb ist die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einschlägig, wonach ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften keiner eigenständigen richterlichen Auslegung unterliegen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind. Das gilt besonders für Fälle, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift unklar und darum auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996 - 11 C 5/95 -, juris, Rn. 21).

Aus den im Verwaltungsvorgang niedergelegten internen Abstimmungen sowie dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten in ihren Schriftsätzen und der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass sie auf Grundlage der Richtlinie NiB-AUM nur solche Cultanverfahren fördert, bei denen Flüssigdünger in den Boden injiziert wird. Düngeverfahren, bei denen feststofflicher Granulatdünger eingesetzt wird, fördert die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis nicht. Dies ist unter Berücksichtigung der Begrenztheit der Fördermittel auch nachvollziehbar.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese ständige Verwaltungspraxis willkürlich oder europarechtswidrig ist - falls es darauf überhaupt ankommen sollte. Die europarechtliche Agrarumwelt- und Klimamaßnahme dient dazu, umwelt- und klimaschonende Verfahren in der Landwirtschaft einzuführen und beizubehalten, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Dies ist typischerweise nicht der Fall bei längst etablierten Verfahren im Maisanbau. Die VO (EU) 1305/2013 bestimmt, dass die Agrarumwelt- und Klimamaßnahme auf die Erhaltung sowie auf die Förderung der notwendigen Änderungen der landwirtschaftlichen Verfahren abzielt, die sich positiv auf die Umwelt und das Klima auswirken (Art. 28 Abs. 1 Satz 2). Die Agrarumwelt- und Klimazahlungen beziehen sich nur auf diejenigen Verpflichtungen, die über die einschlägigen obligatorischen Grundanforderungen anderer Verordnungen und sonstige einschlägige verpflichtende Anforderungen des nationalen Rechts hinausgehen (Art. 28 Abs. 3 Satz 1). Die Zahlungen dienen zur Deckung der Gesamtheit oder eines Teils der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste, die den Begünstigten infolge der eingegangenen Verpflichtungen entstehen (Art. 28 Abs. 6 Satz 1; Erwägungsgrund Nr. 22).

Auf die Frage der vorherigen Erkennbarkeit dieser Verwaltungspraxis für die Klägerin kommt es nicht an.

II. Der Widerruf des Bewilligungsbescheids über die Fördermaßnahme AL 3 in Ziffer 2 des Bescheids vom 21.04.2016 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 49 Abs. 3 VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).

Dabei gilt § 49 Abs. 3 VwVfG nicht uneingeschränkt, wenn es um die Rückabwicklung einer nach Maßgabe des Europarechts gewährten Zuwendung geht, sondern nur soweit das Europarecht nicht selbst vorrangige Regelungen zur Rückabwicklung enthält (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 21.04.2015 -10 LB 37/13 -, juris, Rn. 49).

Die Förderungen nach der Richtlinie NiB-AUM basiert nicht nur auf der VO (EU) 1305/2013, sondern erfolgt darüber hinaus auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549; mehrfach geändert; im Folgenden VO (EU) 1306/2013) und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11.03.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance (ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 48; mehrfach geändert; im Folgenden Del. VO (EU) 640/2014).

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VwVfG liegen vor.

Bei dem Bescheid vom 29.12.2014 handelt es sich um einen rechtmäßigen Verwaltungsakt, der Voraussetzung für eine laufende Geldleistung ist, nämlich die jährliche Auszahlung der Fördersumme nach Vorlage der erforderlichen Nachweise. Wie ausgeführt, hat die Klägerin Bewirtschaftungsauflagen bereits im ersten Jahr des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums nicht eingehalten, wodurch der Zuwendungszweck verfehlt wurde.

Der Widerruf ist ermessensfehlerfrei ergangen.

Die unionsrechtlichen Vorschriften räumen der Beklagten kein Ermessen ein. Denn nach Art. 63 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1306/2013 und Art. 35 Abs. 1 der Del. VO (EU) Nr. 640/2014 sind Beihilfen zurückzunehmen, wenn sich herausstellt, dass der Begünstigte die Förderkriterien für die Beihilfe nicht erfüllt. Diese Voraussetzungen liegen vor; ein Ausnahmefall ist nicht gegeben. Es kommt nicht darauf an, ob die Verwendung von Granulatdünger einen Verstoß gegen Europarecht darstellt oder lediglich gegen nationale Verwaltungsvorschriften. Denn entscheidend ist, dass die Finanzierung mit Mitteln der Europäischen Union erfolgt. Wenn man dies anders sehen würde, wäre aber auch ein Verstoß gegen Art. 28 der VO (EU) 1305/2013 gegeben. Denn die Förderung dient der Unterstützung spezieller und mit besonderen Kosten verbundener Verfahren, nicht aber der Unterstützung standardmäßiger Düngeverfahren.

Wegen der vorrangigen unionsrechtlichen Rückabwicklungsregelung ist der Widerruf vorliegend zwingend, steht also nicht im Ermessen der Beklagten. Außerdem genügt die Zweckverfehlung in einem Jahr, um die Förderung für den gesamten fünfjährigen Verpflichtungszeitraum zu widerrufen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 21.04.2015 - 10 LB 37/13 -, juris, Rn. 60 ff., 82 ff. m.w.N.). Selbst wenn man aber von einem verbleibenden Ermessen ausginge, hat die Beklagte dieses Ermessen hier vor dem Hintergrund des Art. 3 GG rechtmäßig ausgeübt und dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung zu Recht Vorrang eingeräumt.

Die einjährige Widerrufsfrist des § 49 Abs. 3 S. 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG hat die Beklagte ebenfalls eingehalten, sofern sie sie überhauptbeachten musste. Die Beklagte hat frühestens am 29.04.2015 durch den Auszahlungsantrag der Klägerin von den den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen (Düngung mit Granulat) erfahren. Den Widerruf verfügte sie binnen eines Jahres ab diesem Zeitpunkt.

III. Aus den genannten Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Förderung für die Maßnahme AL 3 für das Jahr 2016.

IV. Mangels Hauptanspruch besteht kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen nach § 14 Abs. 2 MOG i.V.m. §§ 236 Abs. 1, 238 AO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.