Arbeitsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.10.2001, Az.: 4 Ca 1567/01
Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung, aus der sich die gesetzlichen Abzüge ergeben; Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; Anspruch auf Abrechnungserteilung; Tarifliche Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften; Anwendbarkeit eines Tarifvertrags; Tarifliche Übernahme gesetzlicher Kündigungsfristen
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Lüneburg
- Datum
- 22.10.2001
- Aktenzeichen
- 4 Ca 1567/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 27103
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGLG:2001:1022.4CA1567.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 611 BGB
- § 17 des Manteltarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbein Niedersachsen i.d.F.v. 28.6.2000
- § 3 Abs. 3 EFZG
Fundstelle
- NZA-RR 2003, 203 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 22.10.2001
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 339,57 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz ab dem 25.07.2001 zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über den Betrag unter Ziffer 1 eine Lohnabrechnung zu erteilen.
- 3.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 4.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
- 5.
Der Streitwert wird auf DM 1.517,00 festgesetzt.
- 6.
Die Berufung wird für die Klägerin zugelassen, für die Beklagte wird die Berufung nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Entgeltansprüche, insbesondere um die Frage eines Anspruches der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Klägerin war bei der Beklagten, welche eine Autobahnraststätte betreibt, vom 15.06. bis 11.07.2001 als Küchenhilfe mit einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 2.700,- DM monatlich beschäftigt.
In Ziff. 1.) des Arbeitsvertrages heißt es:
Die Beklagte wird "gemäß dem jeweils geltenden Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Niedersachsen" eingestellt, "sofern nachstehend nichts anderes vereinbart ist".
In Ziff. 10 "Zusätzliche Vereinbarungen" ist geregelt:
a)
Der Arbeitgeber leistet Entgeltfortzahlung nach den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen.b)
Parteien sind sich einig, dass dieser Vertrag ohne Änderungskündigung tarifvertraglichen Vereinbarungen angepasst wird, soweit sie Allgemeinverbindlichkeit erlangen.c)
Ergänzend gelten für diesen Arbeitsvertrag die Regelungen des Manteltarifvertrages für das niedersächsische Hotel- und Gaststättengewerbe vom 01.01.1991 sowie die gesetzlichen Bestimmungen.
In der Zeit vom 28.06. bis 19.7.2001 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
Für den Monat Juni 2001 zahlte die Beklagte an die Klägerin 765,- DM brutto.
Für den Monat Juli 2001 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abrechnung über weitere 765,- DM brutto, erbrachte an die Klägerin aber keine Zahlungen.
Mit Schreiben vom 24.07.2001 machte die Berufsorganisation der Klägerin, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Hamburg die anteilige Abrechnung der Monate Juni und Juli auf der Basis von 2.700,- DM brutto geltend. Diesen Anspruch wies der Dehoga Landesverband Niedersachsen, dessen Mitglied die Beklagte ist, mit Schreiben vom 26.07.2001 zurück.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter, die sie wie folgt beziffert:
- 15. bis 30.06.2001: 1.350,- DM brutto
- 01.06. bis 11.07.2001: 981,82 DM brutto
- Gesamt: 2.331,82 DM brutto
- Gezahlt: 765,00 DM brutto
- Rest: 1.566,82 DM brutto
Soweit es den Anspruch auf Entgeltfortzahlung angeht beruft sich die Klägerin auf den für allgemein verbindlich erklärten Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Niedersachsen vom 28.06.2000 (im Folgenden: MTV).
Sie ist der Auffassung, dass sich abweichend von der gesetzlichen Regelung aus der Vorschrift des § 17 MTV ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses ergebe.
Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
"§ 17 Entgeltzahlung in Krankheitsfällen
1.
Bei Erkrankung, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden ist, haben Beschäftigte den Arbeitgeber unverzüglich zu benachrichtigen und die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer durch Vorlegung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung innerhalb von drei Tagen anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Vorlegung eines amtsärztlichen Zeugnisses auf seine Kosten verlangen.2.
Bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers infolge unverschuldeter Krankheit (einschließlich Berufskrankheit und Arbeitsunfall) ist das Entgelt für die Dauer der Arbeitsunterbrechung bis zur Dauer von 6 Wochen weiterzuzahlen.3.
Für Anspruchsfälle nach § 45 SGB V wird die Entgeltzahlung ausgeschlossen.4.
Bei Tätigkeitsverboten gemäß §§ 17 und 38 Bundesseuchengesetz besteht kein Anspruch im Rahmen des § 616 BGB. Gemäß § 49 Absatz 4 Bundesseuchengesetz ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, bei Tätigkeitsverboten nach §§ 17 und 38 Bundesseuchengesetz für die zuständige Behörde die Entschädigung an die Beschäftigten vorzulegen und auszuzahlen."
Ferner beansprucht die Klägerin Erteilung einer Lohnabrechnung über die ihr tatsächlich zustehende Vergütung für Juni und Juli 2001.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.566,82 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf 801,82 DM seit dem 25.07.2001 sowie auf weitere 765,00 DM ab dem 02.08.2001 zu zahlen,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den Betrag unter Ziffer 1) eine Lohnabrechnung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 01.10. und 22.10.2001 verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Arbeitsvertrag der Parteien Anspruch auf weitere Vergütung für den Zeitraum 15.6. bis 27.6.2001 in Höhe von 339,57 DM brutto sowie auf Erteilung einer entsprechenden Gehaltsabrechnung über diesen Betrag.
1.
Der Zeitraum 15.6. bis 27.6.2001 umfasst - ausgehend von der tariflichen Fünf-Tage-Woche (§ 5 Abs. 1 MTV) - neun Arbeitstage (montags bis freitags), während im gesamten vertraglichen Zeitraum vom 15. bis 30.11.2001 insgesamt 11 Arbeitstage liegen. Hieraus folgt bei einer vereinbarten monatlichen Vergütung in Höhe von 2.700,00 DM brutto für den Monat Juni 2001 eine durchschnittliche arbeitstägliche Vergütung von 122,73 DM brutto, für neun Arbeitstage mithin von 1.104,57 DM brutto.
Kalendertäglich berechnet - so wie die Klägerin ihren Anspruch für Juni offensichtlich beziffert - betrüge der Anspruch sogar 1.170,- DM brutto (2.700 ./. 30 × 13).
Hierauf hat die Beklagte lediglich 765,- DM brutto gezahlt. Der Restanspruch für den Zeitraum 15. bis 27.6.2001 beläuft sich damit auf weitere 339,57 DM brutto. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 286, 288 BGB aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
2.
Die Klägerin hat Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung aus der sich die gesetzlichen Abzüge ergeben über den unter Ziff. I.1. für den Monat Juni 2001 weiter zugesprochenen Bruttobetrag gegen die Beklagte. Der Anspruch folgt als Nebenpflicht der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis.
II.
Die weitergehende Klage ist unbegründet.
Für die Dauer ihrer Erkrankung ab dem 28.06.2001 bis zum 11.7.2001 hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit entfällt auch ein entsprechender Anspruch auf Abrechnungserteilung.
1.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien sowie § 17 MTV.
a.
Die Parteien haben in Ziff. 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass sich die Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen richtet.
Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sind für den Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes vom 26.05.1994 (EFZG).
Gemäß § 3 Abs. 1 EFZG besteht bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen. Nach § 3 Abs. 3 EFZG entsteht der Anspruch nach vierwöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses. Da das Arbeitsverhältnis insgesamt nicht mehr als vier Wochen bestand steht der Klägerin kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung "nach den gesetzlichen Bestimmungen zu".
b.
Der Anspruch folgt nicht als vertraglicher Anspruch aus den von den Parteien in Ziff. 10 c) "ergänzend" vereinbarten Regelungen des MTV. Mit der Vereinbarung der ergänzenden Geltung der Regelungen des MTV sind dessen Vorschriften über den Gehalt der gesetzlichen Regelungen hinaus Vertragsinhalt geworden, soweit die Parteien nicht ausdrücklich abweichendes vereinbart haben.
Die Parteien haben die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausdrücklich allein den "gesetzlichen Bestimmungen" unterworfen, also auch § 3 Abs. 3 EFZG.
Dem Parteiwillen ist deshalb nicht zu entnehmen, dass der ausdrücklich nach Inhalt und Reichweite geregelte vertragliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch die Verweisung in Ziff. 10 c) des Arbeitsvertrages auf weitergehende tarifliche Ansprüche ausgedehnt werden sollte.
2.
Ein Anspruch folgt nicht aus der für allgemein verbindlich erklärten Regelung des § 17 MTV.
a.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der MTV nicht bereits gemäß § 4 Abs. 1 TVG kraft beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis kraft mit Rückwirkung zum 28.12.2000 ausgesprochener Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 08.02.2001 (Bundesanzeiger Nr. 58 vom 23.03.2001) Anwendung.
(1)
Der Tarifvertrag findet räumlich Anwendung, da der Betrieb der Beklagten im Land Niedersachsen liegt und keine der genannten räumlichen Ausnahmen i.S. des § 1 Nr. 1 MTV bzw. der Allgemeinverbindlichkeitserklärung vorliegt.
(2)
Der Tarifvertrag ist fachlich einschlägig (§ 1 Nr. 2 MTV). Die von der Beklagten betriebene Autobahnraststätte ist eine Gaststätte i.S. des Gaststättengesetzes.
(3)
Der Tarifvertrag findet persönlich auf die Klägerin Anwendung, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum in dem Gaststättenbetrieb der Beklagten beschäftigt war.
b.
Die Vorschrift des § 17 MTV gewährt keinen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall während der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses.
Soweit es die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall angeht hat das BAG bereits entschieden, dass § 17 MTV keine konstitutive Regelung enthält (BAG 30.08.2000, 5 AZR 117/99).
§ 17 MTV gewährt auch nicht abweichend von der gesetzlichen Regelung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bereits während der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses.
(1)
Der Regelungsgehalt der Vorschrift des § 17 MTV ist nach den Grundsätzen für die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen zu ermitteln, mit denen sich das Bundesarbeitsgericht sowohl bei der Frage der Kündigungsfristen als auch der Höhe der Entgeltfortzahlung mehrfach befasst hat. So heißt es unter anderem in der Entscheidung des BAG vom 21.10.1998, 5 AZR 92/98, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gaststätten:
"In seiner Rechtsprechung zur tariflichen Übernahme gesetzlicher Kündigungsfristen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts folgenden Auslegungsgrundsatz entwickelt: "Werden einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einen umfangreichen Tarifvertrag aufgenommen, so handelt es sich um deklaratorische Klauseln, wenn der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Tarifregelung im Tarifvertrag keinen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat" (BAGE 40, 102 [BAG 27.08.1982 - 7 AZR 190/80] = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 74, 167 [BAG 16.09.1993 - 2 AZR 697/92]; 81, 76 [BAG 05.10.1995 - 2 AZR 1028/94][BAG 21.09.1995 - 6 AZR 18/95]= AP Nr. 42, 48 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 201/95 - AP Nr. 50 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 166/95 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie; Urteil vom 29. Januar 1997 - 2 AZR 370/96 - NZA 1997, 726; zuletzt Urteil vom 6. November 1997 - 2 AZR 707/96 - juris). Hinsichtlich tariflicher Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften gilt nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts dieselbe Auslegungsregel wie bei der wörtlichen oder inhaltlich unveränderten Aufnahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften in ein Tarifwerk. Danach sind auch Verweisungen im Zweifel deklaratorisch, wenn nicht der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Norm im Tarifvertrag einen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden hat (BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Beschluss vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - und Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - AP Nr. 24, 40 zu § 622 BGB; vgl. auch BAG Urteil vom 12. November 1964 - 5 AZR 507/63 - AP Nr. 4 zu § 34 SchwBeschG 1961).
(...)
Zumindest für den Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist zu unterscheiden zwischen der wortgleichen oder inhaltsgleichen Übernahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften und Tarifbestimmungen, die nur auf die gesetzlichen Vorschriften oder das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. das Entgeltfortzahlungsgesetz verweisen. Da die Tarifvertragsparteien mit allgemeinen oder umfassenden Verweisungen auf ohnehin anwendbare gesetzliche Vorschriften typischerweise ihren fehlenden Regelungswillen zum Ausdruck bringen, bedarf es in solchen Fällen besonders deutlicher Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl ein Regelungswille bestand. Anders verhält es sich bei wortgleicher oder inhaltsgleicher Übernahme einschlägiger gesetzlicher Vorschriften eines Tarifvertrags ohne Nennung des Gesetzes. (...) Da aber in derartigen Fällen nicht schon der Wortlaut des Tarifvertrags gegen das Bestehen eines Regelungswillens spricht, sind insoweit weniger strenge Anforderungen an den Ausdruck dieses Willens zu stellen."
(2)
Danach gilt Folgendes:
(a)
§ 17 Abs. 2 MTV regelt die Dauer der Entgeltfortzahlung inhaltsgleich mit § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Die Vorschrift enthält allerdings insoweit ein konstitutives Element als der Anspruch an "ärztlich nachgewiesene" Arbeitsunfähigkeit anknüpft. Ferner ist - ebenfalls abweichend von der gesetzlichen Regelung - der Anspruch ausdrücklich auf Fälle der Berufskrankheit und der Arbeitsunfähigkeit ausgedehnt. Für eine konstitutive Regelung hinsichtlich der Anspruchsdauer von sechs Wochen spricht auch die gegenüber dem Gesetz abweichende Wortwahl.
Die Vorschrift des § 17 MTV trifft außerdem in Absatz 1 von § 5 EFZG abweichende Regelungen über die Form des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit als dort auch die Möglichkeit der Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses geregelt ist.
(b)
Der konstitutive Charakter eines Teils eines zusammenhängenden Regelungsbereichs lässt indes noch keinen Schluss auf den Charakter des übrigen Teils der auszulegenden Bestimmung zu. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, von ihrer Regelungsbefugnis nur in Teilbereichen Gebrauch zu machen und in anderen auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen (BAG vom 21.10.1998, 5 AZR 92/98, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gaststätten: vgl. auch BAG Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 166/95 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie, zu II 4 b der Gründe).
Dies ist hier der Fall.
§ 17 MTV trifft eine lediglich lückenhafte Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Regelungslücken sind im Wege der Auslegung dadurch zu schließen, dass im übrigen die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden.
Da § 17 Abs. 2 MTV allein den Grundtatbestand der Dauer der Entgeltfortzahlung regelt, über das zeitliche Einsetzen des Anspruches hingegen schweigt, kommt der Vorschrift insoweit keine konstitutive Bedeutung zu.
Aus dem lückenhaften Charakter der Regelungen des § 17 MTV zur Frage der Entgeltfortzahlung folgt im Wege der Auslegung, dass die Tarifvertragsparteien allein denjenigen Gegenständen der Entgeltfortzahlung besondere Tarifgeltung verschaffen wollten, die sie für gesondert Regelungsbedürftigkeit hielten. Soweit nichts geregelt wurde, haben die Tarifvertragsparteien die Regelung dem Gesetzgeber überlassen.
Zwar enthält § 17 MTV keine Regelung dergestalt, dass "im übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen" verwiesen wird.
Soweit eine tarifliche Regelung ohnehin lückenhaft ist bedarf es eines solchen Verweises dann nicht, wenn die tarifliche Regelung nur durch die gesetzlichen Regelungen sinnvoll ergänzt werden kann.
Die Vorschrift des § 17 MTV ist bereits insoweit lückenhaft, als sie nur den Grundtatbestand der Entgeltfortzahlung "bis zur Dauer von 6 Wochen" regelt.
Eine vom Gesetz abweichende Regelung dahin, dass der Anspruch anders als der gesetzliche Anspruch bereits ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gelten soll, findet im Wortlaut keinen Niederschlag. Ferner trifft die Vorschrift weder eine Aussage für den Fall der erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit noch für die Problematik, in welchen Fällen eine auf Sterilisation oder Schwangerschaftsabbruch beruhende Arbeitsunfähigkeit als "nicht verschuldet" gilt (§ 3 Abs. 2 EFZG). Ein der Vorschrift des § 7 EFZG entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers findet ebenso wenig wie der gesetzlich geregelte Anspruchsfall des § 8 Abs. 1 EFZG in der tariflichen Regelung seinen Niederschlag.
Schließlich zeigt sich die lediglich fragmentarische Regelung des § 17 Abs. 2 MTV auch darin, dass die Vorschrift keine eigenständige Anspruchsgrundlage zur Frage der Höhe des Entgelts enthält (vgl. insoweit BAG 30.08.2000, 5 AZR 117/99). Das BAG hat in der zitierten Entscheidung betont, dass maßgebliche Aussage des § 17 Abs. 2 MTV die Dauer der zu leistenden Entgeltfortzahlung sei (a.a.O. unter I.1.c der Entscheidungsgründe).
Die - im Gesetz nicht vorgesehene - Ausschlussvorschrift des § 17 Abs. 3 MTV spricht ebenso wie die den § 616 BGB abbedingende Regelung in § 17 Ziff. 4 MTV allein für die konstitutive Wirkung der Regelung des § 17 Abs. 2 MTV hinsichtlich der Anspruchsdauer. Gerade die im EFZG nicht erwähnten und hier ausdrücklich geregelten Sondertatbestände belegen den fragmentarischen Charakter der tariflichen Regelung.
(c)
Gegen den - hinsichtlich der Frage des Zeitpunktes des Einsetzens des Anspruches - lediglich konstitutiven Charakter des § 17 Abs. 2 MTV spricht nicht die Tarifgeschichte:
Bereits der Vorschrift des zeitlich unmittelbar vorhergehenden MTV vom 28.08.1991 (im Folgenden: MTV 1991) kann für die Frage des zeitlichen Einsetzens des Anspruches auf Entgeltfortzahlung keine eigenständige Regelung entnommen werden.
Die entsprechende Vorschrift über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall des MTV 1991 lautet:
"§ 17 - Entgeltzahlung in Krankheitsfällen
1.
Bei Erkrankung, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden ist, hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich zu benachrichtigen und die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer durch Vorlegung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung innerhalb von drei Tagen anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Vorlegung eines amtsärztlichen Zeugnisses auf seine Kosten verlangen.2.
Bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers infolge Krankheit (einschließlich Berufskrankheit und Arbeitsunfall) ist das Entgelt für die Dauer der Arbeitsunterbrechung bis zur Dauer von 6 Wochen weiterzuzahlen.3.
Für Anspruchsfälle nach § 185 c RVO wird die Entgeltzahlung ausgeschlossen.4.
Bei Tätigkeitsverboten gemäß §§ 17 und 38 Bundesseuchengesetz besteht kein Anspruch im Rahmen des § 616. Gemäß § 49 Abs. 4 Bundesseuchengesetz ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, bei Tätigkeitsverboten nach §§ 17 und 38 Bundesseuchengesetz für die zuständige Behörde die Entschädigung an die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer vorzulegen und auszuzahlen."
Die Abweichungen des Wortlautes des MTV gegenüber dem MTV 1991 sind im wesentlichen redaktioneller Natur. Sie bestehen in § 17 Abs. 1 in der Bezeichnung "Beschäftigte" statt "Arbeitnehmer". § 17 Abs. 2 MTV ist durch das Wort "unverschuldeter" ergänzt. § 17 Abs. 3 MTV hat eine aufgrund Änderung der sozialrechtlichen Grundlagen erforderliche redaktionelle Anpassung erfahren. Im übrigen ist der Wortlaut der Vorschrift unverändert geblieben.
Der Vergleich des unterschiedlichen Tarifwortlautes mit der im Jahr 1991 bestehenden Gesetzeslage zeigt, dass die Tarifvertragsparteien auch zu einem Zeitpunkt, als statt des EFZG noch die Vorschriften des § 617 BGB (für Angestellte) und des § 1 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) vom 27.07.1969 (für Arbeiter) galten, hinsichtlich des Anspruchsbeginnes keine ausdrückliche abweichende Regelung geschaffen haben.
Den Grundtatbestand einer sechswöchigen Dauer der Entgeltfortzahlung enthielten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages sowohl die Vorschrift des § 617 BGB (für Angestellte) als auch des § 1 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27.07.1969 (für Arbeiter). Das LFZG regelte darüber hinaus ebenso wie das EFZG weitergehende Voraussetzungen sowie Ausschlusstatbestände, die im MTV 1991 ebenfalls keinen Niederschlag finden.
Insbesondere enthielt § 1 Abs. 3 LFZG - ähnlich wie § 3 Abs. 3 EFZG - für Arbeiter/innen weitere Ausschlusstatbestände, so in Nr. 1 für Probearbeitsverhältnisse bis zur Dauer von vier Wochen, in Nr. 2 für geringfügig Beschäftigte sowie in Nr. 3 für den Fall des Bezuges von Mutterschaftsgeld.
Dem - im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Regelungen der Entgeltfortzahlung für Angestellte und Arbeiter im Jahr 1991 - nur fragmentarischen Regelungsgehalt des § 17 MTV 1991 ist damit zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien allein den Grundsatz der Entgeltfortzahlung - nämlich die Festschreibung der Anspruchsdauer auf "bis zu sechs Wochen" für Arbeiter und Angestellte einheitlich regeln wollten. Aufgrund der gegenüber den einzelnen gesetzlichen Regelungen bestehenden Lückenhaftigkeit enthält § 17 MTV 1991 ebenso wenig wie der MTV vom 28.06.2000 keine für Arbeiter und Angestellte einheitliche, umfassende und abgeschlossene Regelung aller Anspruchs- und Ausschlusstatbestände der Entgeltfortzahlung. Insoweit gilt ebenso wie bei der Auslegung des § 17 MTV, dass die Regelungslücken mangels ausdrücklicher Regelung durch die - seinerzeit für Arbeiter und Angestellte unterschiedlichen - gesetzlichen Regelungen zu schließen sind.
III.
Die Kosten des Rechtsstreites waren nach den Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 91, 92 ZPO). Der Streitwert entspricht dem Wert der Klageforderung. Der Abrechnungsanspruch war gemäß § 3 ZPO mangels besonderer Schwierigkeit der Abrechnungserteilung nicht gesondert zu bewerten.
Die Berufung war für die Klägerin gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbGG zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Berufung für die Beklagte bestehen nicht.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf DM 1.517,00 festgesetzt.