Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 15.08.2003, Az.: 2 B 49/03
Ammoniak; Ammoniakeintrag; Ammoniakemission; Anhörung; Ausnutzbarkeit; Außenbereich; Belästigung; Drittschutz; Durchschnittsbetrachter; Einwand; Einzelfallprüfung; Emission; Erheblichkeitsgrenze; Genehmigung; Geruchsbelästigung; Geruchsimmission; Grenzwert; Immission; Interessenabwägung; Luftverunreinigung; Nachbar; Nachbarrechtsverletzung; Nachbarwiderspruch; Neufassung; Nutzpflanze; Pflanze; Richtlinienabstand; Richtwert; Schutzgebot; Schweinemaststall; Schädigung ; Stallanlage; Stickstoffdeposition; Umwelt; Vollziehungsanordnung; Vorhaben; Vorsorgegebot; Zumutbarkeit; Zumutbarkeitsschwelle; ökologischer Landbau; Ökosystem
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 15.08.2003
- Aktenzeichen
- 2 B 49/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48186
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 BImSchG
- § 3 Abs 2 BImSchG
- § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG
- Nr 4.4.2 TA Luft 2002
- Nr 4.5.1 TA Luft 2002
- Nr 4.8 TA Luft 2002
- Nr 3471 VDIRL
- § 80 Abs 2 Nr 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ordnet die Behörde auf einen Nachbarwiderspruch hin nachträglich die sofortige Vollziehung der Genehmigung an, muss sie den betroffenen Nachbarn/Widerspruchsführer zuvor nicht anhören.
2. Bei Einhaltung des vollen Richtlinienabstandes nach der VDI-Richtlinie 3471 ist nicht mit unzumutbaren Geruchsbelästigungen zu rechnen; besondere "Empfindlichkeiten" des Nachbarn oder etwaiger künftiger Bewohner des Nachbargrundstücks sind regelmäßig nicht zu berücksichtigen.
3. Die TA Luft (in der seit dem 01.10.2002 geltenden Fassung) enthält keine Grenz- oder Richtwerte hinsichtlich möglicher Schädigungen von Pflanzen und Böden durch Ammoniakemissionen. Eine Einzelfallprüfung nach Nr. 4.8 der TA Luft ist - bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte - nur insoweit vorgesehen, als es mögliche Schädigungen "empfindlicher" Pflanzen und Ökosysteme betrifft; dazu gehören landwirtschaftliche Nutzpflanzen auf benachbarten Grundstücken nicht.
4. Für die Frage einer etwaigen Nachbarrechtsverletzung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung abzustellen; der erst nach diesem Zeitpunkt erhobene Einwand des Nachbarn, eine künftig beabsichtigte anderweitige Nutzung seines Grundstücks werde durch das genehmigte Vorhaben vereitelt, ist deshalb unerheblich.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 14.11.2002 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen - nach Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens - unter Beifügung zahlreicher Auflagen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Schweinemaststalles mit 745 Mastplätzen und 184 Ferkelaufzuchtplätzen sowie zur Errichtung von drei Futtermittelsilos auf dem im Außenbereich der Stadt Melle gelegenen Flurstück 137, Flur 3, Gemarkung E.. Der Standort der geplanten Anlage liegt östlich der Hofstelle des Beigeladenen - auf der dieser bereits bislang Schweinemast bzw. Sauenhaltung betreibt - und südöstlich des im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücks F. Straße 58, auf dem sich ebenfalls eine - derzeit allerdings offenbar in erster Linie zu Wohnzwecken genutzte - landwirtschaftliche Hofstelle befindet. Das zu dieser Hofstelle gehörende Wohnhaus ist von dem geplanten Schweinemaststall rd. 230 m entfernt; der Antragstellerin gehören darüber hinaus weitere landwirtschaftliche Nutzflächen (Flurstücke 27/0, 74/1, 135 und 144/1), die zum großen Teil näher an dem vorgesehenen Anlagenstandort liegen. Nach einer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vom Antragsgegner unter dem 13.11.2002 durchgeführten immissionsschutzrechtlichen Bewertung muss die geplante Anlage bei einem Tierbesatz von rd. 93,3 anrechenbaren Großvieheinheiten und einer Bewertung der Stalltechnik mit 100 Punkten auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 3471 einen Abstand von 226 m (bzw. auf der Grundlage der TA Luft von 227 m) zum nächstgelegenen Wohngebiet einhalten; zum nächstgelegenen Wald beläuft sich der erforderliche Mindestabstand danach auf 270 m. Zu fast identischen Ergebnissen kommt eine zuvor vom Beigeladenen selbst vorgelegte Stellungnahme der Landwirtschaftskammer G. vom 28.08.2002, wonach der erforderliche Mindestabstand zum nächstgelegenen Wohngebiet 225 m bzw. zum nächstgelegenen (Einzel-)Wohnhaus im Außenbereich 112 m beträgt.
Die Antragstellerin erhob gegen die Genehmigung vom 14.11.2002 Widerspruch, den die Bezirksregierung G. mit Bescheid vom 28.04.2003 zurückwies.
Die Antragstellerin hat daraufhin Klage erhoben (2 A 84/03) und anschließend, nachdem der Antragsgegner unter dem 06.06.2003 auf Antrag des Beigeladenen die sofortige Vollziehung der Genehmigung angeordnet hatte, um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie macht geltend, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage schon deshalb wiederherzustellen sei, weil sie vor Erlass der Vollziehungsanordnung vom Antragsgegner nicht angehört worden sei. Die angefochtene Genehmigung sei aber auch in der Sache selbst offensichtlich rechtswidrig, weil verschiedene, sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der TA Luft ergebende Genehmigungsvoraussetzungen weder vom Beigeladenen dargelegt noch vom Antragsgegner hinreichend überprüft worden seien. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob das genehmigte Vorhaben so betrieben werden könne, dass schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Ammoniakimmissionen, die gerade mit Schweinemastbetrieben in erhöhtem Umfang verbunden seien, vermieden bzw. die insoweit maßgeblichen Grenzwerte eingehalten würden. Insoweit hätte der Antragsgegner vor Erteilung der Genehmigung prüfen müssen, ob und ggf. in welcher Weise die von dem geplanten Stall ausgehenden Ammoniakemissionen direkt auf die Blätter von Pflanzen und Bäumen einwirkten und dadurch Schäden hervorriefen oder ob sich das Ammoniak auf Pflanzen und Böden ablagere und sich damit indirekt nachteilig auf den Boden auswirke. Zu einer derartigen Prüfung habe hier im Übrigen schon deshalb Anlass bestanden, weil ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen sämtlich in der Nähe des geplanten Anlagenstandorts lägen bzw. teilweise sogar unmittelbar an diesen angrenzten; angesichts dessen bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Flächen bzw. die darauf befindliche Vegetation erheblichen Ammoniakbelastungen und daraus resultierenden Schädigungen ausgesetzt seien. Ebenso wenig sei berücksichtigt worden, dass sie auf ihren landwirtschaftlichen Flächen künftig ökologischen Landbau betreiben und in diesem Zusammenhang Gemüse und Kartoffeln anbauen, ggf. auch Grünpflanzen produzieren wolle; insoweit habe sie zwischenzeitlich unter dem 03.04.2003 auch einen entsprechenden Antrag bei der Landwirtschaftskammer Weser-Ems auf Förderung des ökologischen Anbauverfahrens gestellt. Diese Planungen würden durch die mit dem genehmigten Vorhaben verbundenen Immissionen erheblich erschwert, wenn nicht gar vereitelt, weil mit Ammoniak belastete Produkte nicht mehr als „ökologisch“ verkauft werden könnten; dadurch werde sie gleichzeitig in ihrem Eigentumsrecht verletzt. Auf derartige nachteilige Auswirkungen hätte auch schon im Laufe des vorliegenden Genehmigungsverfahrens eingegangen werden müssen, weil insoweit auch künftige Nutzungen auf den Nachbargrundstücken zu berücksichtigen seien. Letzteres gelte auch insoweit, als sie bereits seit September 2001 beabsichtige (und diese Planungen derzeit forciere), das auf ihrem Grundstück befindliche Anwesen in ein Wohnheim für psychisch Kranke mit angeschlossener Arbeitstherapie umzuwandeln; für ein derartiges Vorhaben aber müssten besondere Anforderungen hinsichtlich des Schutzes der künftigen Bewohner vor schädlichen Umwelteinwirkungen gelten. Schließlich sei die angefochtene Genehmigung auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner entgegen der ihm obliegenden Verpflichtung etwaige nachteilige Auswirkungen des genehmigten Vorhabens auf einen nördlich davon gelegenen Flusslauf nicht geprüft habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Genehmigung des Antragsgegners vom 14.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2003 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt unter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin,
den Antrag abzulehnen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gegen eine einem Dritten erteilte Genehmigung, deren sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung bedarf es insbesondere einer Abwägung zwischen dem Interesse des Genehmigungsempfängers an der sofortigen Ausnutzbarkeit der erteilten Genehmigung und dem Interesse des davon betroffenen Antragstellers (Nachbarn) an einer vorläufigen Stilllegung des Vorhabens bzw. Nutzungseinstellung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung im Hauptsacheverfahren, bei der auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Bei der hier gegebenen Anfechtung einer Genehmigung durch Dritte kommt entscheidend hinzu, dass diese nur dann Erfolg haben kann, wenn die Genehmigung - ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit in objektiver Hinsicht - unter Verletzung drittschützender Rechtsnormen erteilt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192). Diese Interessenabwägung fällt hier zulasten der Antragstellerin aus, weil bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar ist, dass sie durch die angefochtene Genehmigung vom 14.11.2002 in ihren eigenen Rechten (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt wird.
Eine derartige Rechtsverletzung folgt zunächst nicht schon daraus, dass die Antragstellerin vor Erlass der Vollziehungsanordnung vom 06.06.2003 vom Antragsgegner nicht angehört worden ist. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung - und in Übereinstimmung mit der insoweit herrschenden Meinung - die Auffassung, dass es einer Anhörung des Betroffenen vor Erlass einer Vollziehungsanordnung zugunsten des Genehmigungsempfängers nicht bedarf. Denn unabhängig davon, dass es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes bereits nicht um einen - in § 28 Abs. 1 VwVfG vorausgesetzten - belastenden Verwaltungsakt, sondern um ein verfahrensrechtliches Instrument eigener Art handeln dürfte, ist das die Vollziehungsanordnung betreffende Verfahren in § 80 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 bzw. § 80 a Abs. 1 VwGO ausdrücklich in anderer, nämlich in der Weise geregelt, dass regelmäßig lediglich eine schriftliche Begründung der Vollziehungsanordnung, nicht dagegen eine vorherige Anhörung des Betroffenen erforderlich ist. Damit aber handelt es sich insoweit um eine spezielle und abschließende Verfahrensvorschrift, die einen Anspruch des Betroffenen auf vorherige Anhörung ausschließt (vgl. u.a. Nds. OVG, B. v. 28.04.1989 - 1 OVG B 114/88 -, DVBl. 1989, 887; B. v. 20.06.1994 - 6 M 3026/94 -; B. v. 31.01.2002 - 1 MA 4216/01 -, NVwZ-RR 2002, 822; B. v. 11.07.2003 - 12 ME 250/03 -; weitere Nachw. - auch zur abweichenden Auffassung - bei Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdn. 82; Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdn. 41). Der abweichenden - auch von der Antragstellerin zitierten - Rechtsprechung des 7. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts (B. v. 10.06.1992 - 7 M 3839/91 -, NVwZ-RR 1993, 585) folgt die Kammer daher nicht. Abgesehen davon ist der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt mit dem des vorliegenden Verfahrens jedenfalls insoweit nicht vergleichbar, als in jenem Verfahren - anders als hier - längere Zeit vor Erlass der angegriffenen Vollziehungsanordnung vom Vorhabenträger bereits ein (anschließend allerdings nicht weiter verfolgter) Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gestellt worden war. Im Übrigen hat die Antragstellerin sowohl im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als auch im vorliegenden gerichtlichen Aussetzungsverfahren hinreichend Gelegenheit gehabt, ihr Anliegen bzw. ihre Argumente gegen das angegriffene Vorhaben im Einzelnen vorzutragen. Allein der Umstand, dass zwischen der Erteilung der Genehmigung am 14.11.2002 und dem Erlass der Vollziehungsanordnung am 06.06.2003 mehrere Monate lagen, rechtfertigt es nicht, der Antragstellerin einen zusätzlichen Anhörungsanspruch vor Erlass der Vollziehungsanordnung zuzubilligen; denn diese zeitliche Verzögerung beruhte nach Aktenlage in erster Linie darauf, dass die Antragstellerin ihren (bereits am 18.12.2002 eingelegten) Widerspruch selbst erst mehrere Monate später, nämlich mit Schreiben vom 22.04.2003, begründet hat.
Die in der Sache erhobenen Einwände der Antragstellerin rechtfertigen einen Erfolg ihres Aussetzungsantrags ebenfalls nicht.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die angefochtene Genehmigung sei deshalb rechtswidrig, weil hinreichende Anhaltspunkte für nachteilige Auswirkungen des genehmigten Vorhabens auf einen nördlich davon gelegenen Flusslauf bestünden, ist dieser Einwand von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten darzutun, weil es sich insoweit ausschließlich um einen allgemeinen öffentlichen Belang bzw. ein Interesse der Allgemeinheit handelt, durch den/das einzelnen Privatpersonen regelmäßig kein Drittschutz vermittelt wird. Entsprechendes gilt für die weitere Rüge der Antragstellerin, die angefochtene Genehmigung hätte schon deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil „das Vorliegen verschiedener Genehmigungsvoraussetzungen nach dem BImSchG bzw. der TA Luft - insbesondere im Hinblick auf die von dem genehmigten Vorhaben ausgehenden Ammoniakemissionen und deren Auswirkungen auf die Umwelt - vom Antragsgegner nicht hinreichend überprüft (bzw. vom Beigeladenen selbst nicht dargelegt) worden sei“. Auch dieser Vortrag ist - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - nicht geeignet, eine Rechtsverletzung gerade der Antragstellerin zu belegen, sondern könnte allenfalls Zweifel an der objektiven Genehmigungsfähigkeit des angegriffenen Vorhabens begründen; die Beachtung bzw. Durchsetzung der objektiven Genehmigungsvoraussetzungen obliegt jedoch nicht der Antragstellerin, sondern allein dem Antragsgegner als Genehmigungsbehörde.
Nachbarschutz könnte die Antragstellerin hier deshalb allein aus dem Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG herleiten, wonach schädliche Umwelteinwirkungen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen, zu vermeiden sind. Soweit es dabei um die Frage geht, ob die mit dem Betrieb eines Schweinemaststalles verbundenen Geruchsimmissionen „erheblich“ in diesem Sinne und damit für den Nachbarn im Ergebnis nicht mehr zumutbar sind, kann mangels entsprechender normativer Vorgaben regelmäßig auf die Aussagen der VDI-Richtlinie 3471 (Tierhaltung Schweine), insbesondere die darin enthaltenen Abstandsregelungen, zurückgegriffen werden, da diese auf entsprechenden Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und deshalb ungeachtet ihres fehlenden Rechtsnormcharakters auch für die Gerichte eine gewichtige, die Erheblichkeitsgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gesetzeskonform absteckende Entscheidungshilfe darstellen (vgl. u.a. BVerwG, U. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, DVBl. 1993, 652; Nds. OVG, U. v. 04.11.1997 - 1 L 7648/95 -, Nds. VBl. 1997, 259). Insoweit ergibt sich aus den im Laufe des Genehmigungsverfahrens eingeholten - und von der Antragstellerin letztlich selbst nicht angezweifelten - immissionsschutzrechtlichen Stellungnahmen des Antragsgegners vom 13.11.2002 bzw. der Landwirtschaftskammer G. vom 28.08.2002, dass der geplante Schweinemaststall unter Berücksichtigung eines Tierbesatzes von rd. 93 anrechenbaren Großvieheinheiten und einer Bewertung der Stalltechnik mit 100 Punkten auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 3471 gegenüber einem Wohngebiet einen Mindestabstand von 227 bzw. 225 m einhalten muss. Dieser Abstand wird hier gegenüber dem von der genehmigten Anlage rd. 230 m entfernten Wohnhaus der Antragstellerin eingehalten; lediglich ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass dieser Abstand gegenüber - wie hier - einzelnen Wohnhäusern im Außenbereich, die insoweit regelmäßig nicht dasselbe Maß an Schutz wie innerhalb einer geschlossenen Wohnsiedlung gelegene Gebäude genießen, gemäß Ziff. 3.2.3.2 der VDI-Richtlinie 3471 sogar bis auf die Hälfte verringert werden dürfte. Allein die Einhaltung des (vollen) Richtlinienabstandes aber gewährleistet, dass die mit den genehmigten Ställen verbundenen Geruchsbelästigungen nicht den Grad einer „erheblichen“ und damit für den Nachbarn unzumutbaren Belästigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erreichen; dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass das Anwesen der Antragstellerin westlich des genehmigten Anlagenstandorts und damit nicht in der Hauptwindrichtung liegt. An dieser Einschätzung ändert auch der (jetzige) Einwand der Antragstellerin nichts, sie habe - und zwar schon seit September 2001 - die Absicht, das auf ihrem Grundstück befindliche Anwesen in ein Wohnheim für psychisch Kranke umzuwandeln. Denn unabhängig davon, ob dieser - bislang lediglich in ihrer Widerspruchsbegründung vom 22.04.2003 enthaltene, ansonsten aber nicht „aktenkundige“ - Hinweis im Rahmen des vorliegenden Verfahrens rechtlich überhaupt noch relevant ist und darüber hinaus auch unabhängig davon, woraus sich die in der Widerspruchsbegründung geltend gemachte „besondere Schutzbedürftigkeit“ etwaiger künftiger Bewohner eines solchen Wohnheims gegenüber bestimmten Umwelteinwirkungen konkret ergeben soll, ist die Frage der Erheblichkeit bzw. Zumutbarkeit von (Geruchs-)Immissionen regelmäßig allein aus der Sicht eines objektiven, gegenüber derartigen Immissionen nicht besonders empfindlichen oder gar „allergisierten“ Durchschnittsbetrachters zu beantworten (vgl. u.a. BVerwG, B. v. 05.03.1984 - 4 B 20.84 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 99).
Die Antragstellerin wird sich aller Voraussicht nach auch nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass von der genehmigten Stallanlage Luftverunreinigungen (in Form von Ammoniakemissionen) in einer Konzentration ausgehen, die Gefahren oder erhebliche Nachteile im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für ihre in der näheren Umgebung gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen hervorrufen. Zwar fallen auch die auf diesen Flächen (derzeit) vorhandenen Pflanzen unter den Schutz des Immissionsschutzrechts (vgl. § 3 Abs. 2 BImSchG); dieser Schutz beginnt jedoch erst dort, wo der Erfahrungsschatz der Biologie und Bodenkunde hinreichend verlässliche Aussagen über die Gefährlichkeit bestimmter Umwelteinwirkungen - hier der mit dem Vorhaben des Beigeladenen verbundenen Ammoniakemissionen - zulässt (vgl. Nds. OVG, B. v. 27.07.2001 - 1 MB 2587/01 -, NVwZ-RR 2002, 19 [OVG Rheinland-Pfalz 20.08.2001 - 1 A 10382/01]; B. v. 06.12.1993 - 6 M 4691/93 -, DVBl. 1994, 297); während bloße Vermutungen oder Befürchtungen insoweit nicht ausreichen. Unter Berücksichtigung dessen bestehen hier nach dem derzeit überschaubaren Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine die Zumutbarkeitsschwelle des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG überschreitende Gefährdung bzw. Schädigung der fraglichen Flächen der Antragstellerin.
Verbindliche Grenz- oder Richtwerte, die Auskunft über mögliche Schäden für Pflanzen und Böden durch Ammoniakeintrag - sei es durch direkte Einwirkung von Ammoniak auf Pflanzen und Böden, sei es durch indirekte Auswirkungen eines möglichen Ammoniakeintrags in Form einer Versauerung des Bodens o.ä. - geben könnten, existieren bislang nicht; daran hat sich - worauf sogleich noch einzugehen ist - auch durch die seit dem 01.10.2002 geltende Neufassung der TA Luft nichts geändert. Zur Bestimmung eines etwaigen, den Schutz der Pflanzenwelt hinreichend sicher gewährleistenden Abstandes zwischen einer (Intensiv-)Tierhaltungsanlage und benachbarten Vegetationsflächen kann auch nicht auf den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft n.F. vorgesehenen Mindestabstand von 150 m zurückgegriffen werden. Denn zum einen bezieht sich der dort für erforderlich gehaltene Abstand ausschließlich auf stickstoffempfindliche Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme (z.B. Heide, Moor, Wald), während im vorliegenden Fall nach Aktenlage und mangels abweichenden Sachvortrags der Antragstellerin davon auszugehen ist, dass die fraglichen Flurstücke der Antragstellerin lediglich mit „normalen“, gegenüber entsprechenden Ammoniakemissionen weitgehend „unempfindlichen“ landwirtschaftlichen Nutzpflanzen bewachsen sind. Zum anderen ist dieser Abstand allein mit Blick auf das Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG festgesetzt worden und sagt deshalb nichts darüber aus, ob die Zumutbarkeitsschwelle des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hier ggf. zulasten der Antragstellerin überschritten wird (vgl. - zur Vorgängerfassung der TA Luft - Nds. OVG, B. v. 27.07.2001, aaO; U. v. 06.03.1998 - 7 L 4594/96 u.a. -, Nds. Rpfl. 1998, 299); das Vorsorgegebot hat jedoch keinen nachbarschützenden Charakter (vgl. BVerwG, U. v. 18.05.1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313). Auch im Übrigen enthält die Neufassung der TA Luft in Nr. 4.4-4.8 nunmehr zwar ins Einzelne gehende Regelungen über den Schutz der Vegetation und Ökosysteme vor erheblichen Nachteilen (insbesondere vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch luftverunreinigende Stoffe), setzt jedoch für die hier interessierenden Einwirkungen durch Ammoniak bzw. Stickstoffdepositionen keine - das Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisierende - Immissionswerte fest (vgl. Nr. 4.4.2 u. 4.5.1); vielmehr ist in Nr. 4.4.2 (a.E.) lediglich vorgesehen, dass die Frage, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, nach Nr. 4.8 zu prüfen ist. Nr. 4.8 wiederum erfordert in derartigen Fällen - Gleiches gilt für die Frage etwaiger Stickstoffdepositionen - eine Prüfung, ob durch eine bestimmte Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, lediglich dann, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der auf den fraglichen Flächen der Antragstellerin vorhandene Bewuchs - wie bereits dargelegt - nicht aus „empfindlichen“ Pflanzen oder Ökosystemen (etwa Baumschulen oder Kulturpflanzen bzw. Heide, Moor oder Wald), sondern aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen besteht. Derartige Pflanzen aber dürften nach den vom Antragsgegner in seiner Antragserwiderung zitierten Hinweisen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft zur Neufassung der TA Luft - die grundsätzlich ebenfalls als sachverständige Entscheidungshilfe herangezogen werden können - auch im Nahbereich gegenüber Einwirkungen durch Ammoniak weitgehend unempfindlich sein, so dass jedenfalls für das vorliegende Eilverfahren hinreichend verlässlich davon ausgegangen werden kann, dass es sowohl bezüglich des bis auf 15 m an den genehmigten Schweinemaststall heranreichenden Flurstücks 135 als auch (erst recht) hinsichtlich der deutlich weiter, nämlich zwischen ca. 115 und 190 m entfernten Flurstücke 64/1, 74/1 und 144/1 nicht zu direkten Schädigungen der dort vorhandenen Vegetation kommt. Demgemäß bestehen auch keine „hinreichenden Anhaltspunkte“ im Sinne der Nr. 4.8 der TA Luft dafür, dass die genehmigte Anlage in dieser Hinsicht schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft und der Antragsgegner deshalb eine entsprechende Einzelfallprüfung hätte vornehmen müssen. Gleiches gilt - mangels Festsetzung entsprechender Depositionswerte in der TA Luft (vgl. Tabelle 8 zu Nr. 4.8) und substantiierten Sachvortrags der Antragstellerin - auch für die Frage möglicher Stickstoffdepositionen im Boden. Allein die in der Antragsbegründung allgemein - ohne konkrete Übertragung auf den vorliegenden Einzelfall - getroffene Feststellung, „Ammoniak könne in höheren Konzentrationen zur Versauerung der Böden führen“ bzw. die daran anknüpfende Vermutung der Antragstellerin, dass „dies hier so sein werde“, rechtfertigt es nicht, das angegriffene Vorhaben einstweilen stillzulegen.
Das Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist schließlich auch nicht deshalb verletzt, weil die Antragstellerin - ihren jetzigen Angaben zufolge - auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen künftig ökologischen Landbau betreiben möchte und diese Planungen durch das dem Beigeladenen genehmigte Vorhaben gefährdet sieht. Ob ein Nachbar durch die Genehmigung eines bestimmten Vorhabens in seinen Rechten verletzt wird, ist regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zu beurteilen; daraus folgt gleichzeitig, dass sich etwaige nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage regelmäßig nicht (mehr) zulasten des Genehmigungsempfängers auswirken (vgl. BVerwG, U. v. 14.01.1993, aaO; U. v. 14.04.1978 - 4 C 96 u. 97.76 -, DVBl. 1978, 614) und in Fällen der vorliegenden Art allenfalls - bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen - nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG in Betracht kommen, die sich auf die Rechtmäßigkeit bzw. den Bestand der erteilten Genehmigung als solcher jedoch nicht auswirken. Unter Berücksichtigung dessen kann die Antragstellerin mit ihrem diesbezüglichen Einwand, den sie nach Aktenlage erstmals in ihrer Widerspruchsbegründung vom 22.04.2003 - und damit mehrere Monate nach Erteilung der angefochtenen Genehmigung - erhoben hat, nicht (mehr) gehört werden; für die Richtigkeit der in ihrer Widerspruchsbegründung enthaltenen Behauptung, sie habe dem Antragsgegner ihre Absicht, die fraglichen Flächen künftig zum Zwecke des ökologischen Landbaus zu nutzen, bereits im September 2001 mitgeteilt, ergeben sich aus dem der Kammer vorliegenden Verwaltungsvorgang keinerlei Anhaltspunkte. Dass schließlich auch die Regelungen in Nr. 4.8 der TA Luft, die die Antragstellerin auch in diesem Zusammenhang für sich in Anspruch nimmt, im vorliegenden Fall schon grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten eingreifen, wurde bereits weiter oben dargelegt.