Landgericht Hannover
Beschl. v. 02.02.2015, Az.: 96 Qs 6/15
Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Rechtsanwalts bei Notwendigkeit der Zuziehung zur Rechtsverteidigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 02.02.2015
- Aktenzeichen
- 96 Qs 6/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 24164
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2015:0202.96QS6.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hameln - 11.12.2014 - AZ: 11 Cs 11/14
Rechtsgrundlagen
- § 14 RVG
- § 91 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- InfAuslR 2015, 263-264
- ZAR 2015, 23
In der Strafsache
XXX
wegen Urkundenfälschung
hat die -19. große Strafkammer - des Landgerichts Hannover auf die sofortige Beschwerde d. Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hameln vom 11.12.2014 (11 Cs 11/14) nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Hannover am 02.02.2015 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abgeändert, dass dem Angeklagten über den in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag hinaus weitere 114,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2014 von der Landeskasse zu erstatten sind.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Sie ist in Höhe von 114,72 Euro begründet. Darüber hinaus ist sie jedoch unbegründet. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hannover hat zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Angeklagten am 25.08.2014 wie folgt Stellung genommen:
Bei Rahmengebühren ist die Gebühr im Einzelfall gemäß § 14 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände zu bestimmen. Es ist in jedem Fall die gesamte Breite des Gebührenrahmens zu berücksichtigen. Lediglich in den Fällen, in denen alle zu berücksichtigenden Umstände dem Durchschnitt entsprechen, ist ein Betrag angemessen, der dem Mittelwert des Gebührenrahmens entspricht (= Mittelgebühr). So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht.
Für die Beurteilung des Kriteriums "Bedeutung" kommt es sowohl auf eine tatsächliche als auch auf eine ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder eine rechtliche Bedeutung an. Dabei sind auch mittelbare Auswirkungen mitbeachtlich. Der hier behandelte Tatvorwurf ist - gemessen am Strafmaß - allenfalls von durchschnittlicher Bedeutung. Unstreitig hätte eine Verurteilung für den Betroffenen persönlich - insbesondere im Hinblick auf eine eventuelle Abschiebung - eine weitaus höhere Bedeutung gehabt.
Diese rein subjektive Bedeutung tritt jedoch gegenüber den objektiven Merkmalen zurück. Zusammenfassend kann man hier deshalb weiterhin nur von einer allenfalls durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit ausgehen.
Bei dem Kriterium Umfang ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt auf die Sache verwenden muss, also z. B. der Zeitaufwand der nötig ist, um die Akten zu studieren und um die Sache mit dem Auftraggeber zu besprechen. Das Verfahren an sich war wenig umfangreich. Die Akte umfasste bis zur Beendigung des Verfahrens lediglich rund 150 Seiten. Eine schriftliche Einlassung zur Sache wurde durch den Verteidiger nicht abgegeben. Der Einspruch gegen den Strafbefehl wurde nicht begründet. Die Hauptverhandlungstermine am 19.02.2014 und 04.06.2014 waren mit 15 bzw. 4 Minuten sehr kurz. Es wurden keine Zeugen vernommen. Verglichen mit anderen ähnlich gelagerten Verfahren kann der zeitliche Aufwand des Rechtsanwalts hier daher weiterhin nur als unterdurchschnittlich eingestuft werden.
Das Kriterium der Schwierigkeit bezieht sich auf die Intensität der anwaltlichen Arbeit. Bei diesem Kriterium ist der Grad der rechtlichen und tatsächlichen Probleme zu berücksichtigen. Dabei muss man vom tatsächlichen Ablauf des Verfahrens ausgehen. Schwierig ist die Tätigkeit, wenn über dem Durchschnitt liegende Probleme sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich auftreten.
Auch wenn man davon ausgeht, dass Strafverfahren auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes in der Regel als schwierig gelten, so handelt es sich hier insgesamt betrachtet nur um einen vergleichsweise einfach gelagerten Sachverhalt. Dem nunmehr Freigesprochenen wurde der Straftatbestand der Urkundenfälschung vorgeworfen, um so eine Duldung bzw. Aufenthaltserlaubnis für sich zu erlangen.
Auch im tatsächlichen Bereich haben sich für den Verteidiger hier wegen der Spezialisierung der beteiligten Rechtsanwälte auf Straf-, Migrations- und Asylrecht keine besonderen Schwierigkeiten ergeben. Insgesamt betrachtet kann die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hier daher weiterhin nur als unterdurchschnittlich eingestuft werden.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Freigesprochenen sind nicht bekannt und können daher nicht als Bewertungskriterium herangezogen werden.
Zu der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Bezirksrevisorin wie folgt Stellung genommen:
Die Entscheidung der Ermittlungsbehörde, ob sie ein Strafverfahren einstellt oder weiterbetreibt, ist für sich allein gesehen noch kein Indiz für die Einfachheit oder Schwierigkeit des dem (Ermittlungs-)Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts.
Hinsichtlich der Reise- und Abwesenheitskosten ändere ich nach Würdigung des neuen Sachvortrags des Verteidigers meine Rechtsauffassung für diesen speziellen Einzellall. Nach §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 ZPO sind die Reise- und Abwesenheitskosten eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Verteidigers dann erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Eine solche Notwendigkeit besteht grundsätzlich nur, wenn für die Verteidigung ein Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen erforderlich ist und ein solcher sich im Gerichtsbezirk nicht finden lässt.
So liegt der Fall tatsächlich auch hier. Der Anklagevorwurf basiert auf Ausländerrecht. Dem Angeschuldigten dürfte daher ein Strafverteidiger mit einschlägigen Kenntnissen auf diesem speziellen Rechtsgebiet zuzugestehen sein. Nach Auskunft der Rechtsanwaltskammer in Celle gibt es keinen Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Ausländerrecht in Hameln. Aus diesem Grund werden von hier aus in diesem speziellen Einzelfall keine Einwendungen mehr gegen die Erstattung der zur Festsetzung angemeldeten Reisekosten des auswärtigen Verteidigers in Höhe von insgesamt 114,72 € (= 28,20 € + 20,00 € + 28,20 € +20,00 € + 18,32 € Umsatzsteuer) erhoben.
Die Kammer schließt sich nach eigener Sachprüfung den Stellungnahmen der Bezirksrevisorin in vollen Umfang an.
Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht zulässig (§ 310 Abs. 2 StPO).