Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.12.2016, Az.: 2 A 263/15

Beeinträchtigung; faktisches Vogelschutzgebiet; Rotmilan; Vogelschutzgebiet V19; Windenergie

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.12.2016
Aktenzeichen
2 A 263/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für insgesamt fünf Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) des Types E101 mit einer Nabenhöhe von je 149 m, einer Gesamthöhe von je 199,5 m sowie einer Nennleistung von je 3.000 kW; die Anlagen sollen auf verschiedenen Flurstücken in den Gemarkungen R. und S. errichtet werden.

Die streitige Fläche ist seit der 2. Änderungsfassung des Flächennutzungsplans der Gemeinde T. vom 18. November 1999 als Sondergebiet „Windenergie“ ausgewiesen. Dies entsprach einer entsprechenden Festlegung im seinerzeitigen Regionalen Raumordnungsprogramm des Beklagten. Die Fläche ist vollständig umschlossen von derjenigen des zu den Natura 2000-Gebieten gehörenden Vogelschutzgebietes V19 „Unteres Eichsfeld“. Die Abstände der geplanten WEA zum Vogelschutzgebiet betragen zwischen 50 und 260 m.

Dieses Vogelschutzgebiet mit der Gebietsnummer 4426-401 weist eine Fläche von 13.710,00 ha auf. Der Rotmilan ist eine wertbestimmende Art für das Gebiet. Weitere hier nicht bedeutsame wertbestimmende Vogelarten sind der Wanderfalke und der Mittelspecht. Sowohl 2002 (vgl. Anlage 1 zu Nr. 1 der Bekanntmachung des MU vom 23. Juli 2002 (Nds. Min.-Blatt 35/2002)) als auch 2009 (vgl. Anlage zu Nr. 1 der Bekanntmachung des MU vom 28.07.2009 (Nds. Min.-Blatt 35/2009)) ist die Fläche von diesem Vogelschutzgebiet ausgenommen worden.

Aus den vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - NLWKN - mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 übersandten Unterlagen ergibt sich, dass die Herausnahme der streitgegenständlichen Flächen auf folgenden Erwägungen beruhte:

Der Gebietsvorschlag des Nds. Umweltministeriums von Juli 2000 sah zunächst ein Vogelschutzgebiet unter Einbeziehung der streitbefangenen Fläche vor (Anlage A zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2016). Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden mehrere Stellungnahmen zur Gebietsabgrenzung eingeholt (Anlage B zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2016). Dabei äußerte sich die Gemeinde T. wie folgt:

„Vorgeschlagene Osterweiterung der Ortschaft U. V. sowie der Vorrangstandorte für Windkraftanlagen (bereits im rechtskräftigen F-Plan verankert) sowie die Optionsfläche für Windkraftanlagen (im Erläuterungsbericht des F-Planes genannt, Entlassung aus dem LSG beim Lkr. Göttingen beantragt) sollten aus dem Vorschlaggebiet herausgenommen werden.“

In der Einzelauswertung dieses Einwandes heißt es sodann:

„Die geplante Nutzung als Standort für Windkraftanlagen (Vorranggebiet für Windenergienutzung lt. RROP des Landkreises Göttingen und Bestandteil der 2. F-Planänderung der Gemeinde T.) liegt innerhalb des Vorschlagsgebietes und steht dem Vogelartenschutz - hier dem Rotmilan als Großvogel, der weite, offene Bereiche benötigt, entgegen. Ich bitte zu prüfen, ob es sich um eine rechtlich verfestigte Planung handelt. Ich bitte um Herausnahme des Bereichs. Die Prüfung über die Notwendigkeit einer VP ist damit nicht ausgeräumt. Die Herausnahme einer Optionsfläche innerhalb des Vorschlagsgebiets befürworte ich nicht. Hier ist dennoch auf Landesebene eine Entscheidung notwendig, wie mit solchen Flächen umgegangen werden soll!“

Auch der Beklagte regte seinerzeit unter Hinweis auf den geänderten Flächennutzungsplan der Gemeinde T. und sein Regionales Raumordnungsprogramm die Herausnahme der Fläche aus dem Gebietsvorschlag an.

Die Bezirksregierung Braunschweig votiert zusammenfassend im April 2001 wie folgt:

„Weiterhin schlage ich das im RROP des Landkreises Göttingen festgesetzte Vorranggebiet für Windenergienutzung, das in den rechtskräftigen Flächennutzungsplan der Gemeinde T. übernommen wurde, zur Herausnahme vor, bitte aber um entsprechende Prüfung der Vereinbarkeit mit den Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie. Aufgrund seiner Lage im Zentrum des Vorschlagsgebiets stellt die Umsetzung der Ziele der Raumordnung eine Beeinträchtigung für den Lebensraum der wertbestimmenden Vogelart Rotmilan dar, dessen Anspruch nach einem zusammenhängenden, großflächigen Jagdrevier nicht mehr gewährleistet zu sein scheint.“

Aus einer vom NLWKN mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 vorgelegten e-mail vom 11. April 2002 ergibt sich schließlich, dass die Fläche vom MU in Abstimmung mit StK-RO (Anm. des Gerichts: Gemeint ist offenbar die Staatskanzlei) im Rahmen der Ressortabstimmung aus dem Vogelschutzgebiet auf der Grundlage der Stellungnahme der Bezirksregierung Braunschweig herausgelassen worden ist. Die Meldung des Gebiets an die Europäische Kommission erfolgte 2001 mit dem von den Beteiligten als „Loch“ bezeichneten weißen Fleck.

Jedenfalls im Jahre 2002 gehörte das gesamte Areal unter Einschluss der hier streitbefangenen Fläche zur “International Birdlife Area“, Datazone DE374 „Unteres Eichsfeld“. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der für das Gebiet angegebenen Gesamtflächen. In der überarbeiteten und aktualisierten Gesamtliste der Important Bird Areas (bedeutende Vogelschutzgebiete) in Deutschland, Stand 01.07.2002 (vgl. Sudfeldt u.a.) wird für das Vogelschutzgebiet „Unteres Eichsfeld“ mit dem nCODE NI120 eine Fläche von 14.633,00 ha angegeben, wohingegen als Vogelschutzgebiet nur 13.710,00 ha ausgewiesen worden waren. Bestätigt wird dies durch die vom Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Karte des W. -X. -Instituts “Important Bird Areas in Niedersachsen“, die für das Gebiet Ni120 eine weiße Fläche nicht darstellt.

Diese Gesamtliste beruht nach Sudfeldt auf einem im Sommer 2000 nach mehr als zweijähriger Recherche vom NABU Niedersachsen und der Niedersächsischen ornithologischen Vereinigung publizierten Verzeichnis (Melter u.a., „Wichtige Brut - und Rastvogelgebiete in Niedersachsen - eine kommentierte Gebiets- und Artenliste als Grundlage für die Umsetzung der europäischen Vogelschutzrichtlinie). Die für dieses Vogelschutzgebiet maßgeblichen IBA-Kriterien sind diejenigen von C6 und C7. Ein C6-Gebiet erfasst in der EU gefährdete Vogelarten; das Gebiet ist eines der fünf wichtigsten Gebiete in der betreffenden europäischen Region für Arten oder Unterarten, die in der EU als gefährdet betrachtet werden. Die Kategorie C7 erfasst andere ornithologische Kriterien; es geht hier um Gebiete, die in der Europäischen Union entsprechend der Vogelschutzrichtlinie als SPA (Special protection areas) notifiziert oder als „candidate“-SPA auf der Basis ornithologischer Kriterien ausgewählt worden sind (vgl. zum Ganzen Doer, u.a., Anwendung der ornithologischen Kriterien zur Auswahl von Important Bird Areas in Deutschland).

Die Ableitung des Gebietes „Unteres Eichsfeld“ als IBA-Gebiet aus den im Jahre 2000 durchgeführten Untersuchungen ist nach dem Schriftsatz des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz nicht zutreffend. Denn bei Melter u.a. taucht, das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig, die hier streitbefangene Fläche nicht als IBA-Gebiet auf. Offenbar beruhte ihre Aufnahme in die IBA-Liste auf der zwischenzeitlich erfolgten Meldung des Gebiets als Vogelschutzgebiet.

Nach telefonischer Auskunft des zuständigen Referatsleiters im Nds. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz ist beabsichtigt, dieses „Loch“ der Europäischen Kommission als zum Vogelschutzgebiet V 19 gehörende Fläche nachzumelden. Das Gebiet sei eines von insgesamt 17, die sich derzeit in der Ressortabstimmung befänden und die im Januar 2017 dem Kabinett mit dem Ziel vorgelegt werden sollen, die Freigabe für die Beteiligung der Verbände und Träger öffentlicher Belange zu erteilen. Zur Begründung der Flächenänderung sei angegeben, dass es einen Fehler in der Flächenabgrenzung, konkret eine nicht fachgerechte Ausgrenzung der streitbefangenen Fläche aus dem Vogelschutzgebiet V 19 gegeben habe.

In Vollzug der Gebietsausweisung ist die streitige Fläche auch aus dem Geltungsbereich der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Y.“ in der Fassung der Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 11. Juli 2012 ausgenommen.

Am 28. November 2011 stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für die Errichtung von seinerzeit sechs WEA mit einer etwas geringeren Höhe. Dieses Begehren war auf die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit unter Ausklammerung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet. Nach Durchführung eines Klageverfahrens vor der erkennenden Kammer (2 A 604/12) erklärte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2013 das Vorhaben wie beantragt für bauplanungsrechtlich zulässig.

Schon am 14. Januar 2013 hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin für insgesamt sechs WEA einen Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung bei dem Beklagten gestellt.

Am 20. März 2014 verständigten sich Vertreter der Rechtsvorgängerin der Klägerin und des Beklagten darauf, im Genehmigungsverfahren eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3 c UVPG sowie eine FFH-Vorprüfung basierend auf den vorgelegten Antragsunterlagen durchzuführen. Ferner sollte das Ergebnis der im Jahr 2013 durch Z. durchgeführten avifaunistischen Untersuchung durch den Gutachter ausführlicher dargestellt und bewertet werden. In der Folge stellte sich als problematisch heraus, dass die WEA 1, 5 und 6 mit ihren Rotoren die Fläche des ausgewiesenen Vorranggebietes verlassen und in das Landschaftsschutzgebiet Y. und damit auch in das Vogelschutzgebiet V19 „Unteres Eichsfeld“ hineinragen sollten. Daraufhin beantragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 2. September 2014 die Abspaltung des Genehmigungsantrages zur Errichtung und Betrieb für die Windenergieanlage WEA1 und die Fortführung für die verbleibenden Windenergieanlagen 2 bis 6, wobei die Anlagen WEA5 und WEA6 soweit nach Westen verlagert werden sollten, dass ihr Rotorüberstrich innerhalb der Vorrangfläche verblieb. Der Beklagte erklärte sich mit diesem Vorgehen einverstanden.

Am 19. Januar 2015 stellte nunmehr die Klägerin einen entsprechend geänderten Antrag für eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. In diesem Verfahren wurden u.a. ein landschaftspflegerischer Begleitplan (Beiakten 005), eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (Beiakten 006) und ein Fachbeitrag Artenschutz (Beiakten 007) erstellt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen gingen ein in die Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG vom 20. Januar 2015 (Beiakten 013, Abschnitt 14). Diese Vorprüfung endete mit der fachlichen Einschätzung, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen durch den Bau und Betrieb des geplanten Windenergiestandortes R. in Bezug auf die in der Anlage 2.3 des UVPG aufgeführten Schutzkriterien seien voraussichtlich nicht zu erwarten. Es ergebe sich daher kein Erfordernis für eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Dem lag u.a. der Fachbeitrag Artenschutz vom 20. Januar 2015 zugrunde, der die Auswirkungen der Windenergieanlagen unter dem Gesichtspunkt des Tötungsverbotes nach § 44 BNatSchG untersuchte. Dieser Fachbeitrag kam zu dem Ergebnis, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Fledermäuse und Vögel, insbesondere den Milan, nicht bestehe, wenn bestimmte Ablenk- und Vermeidungsmaßnahmen getroffen würden.

Die daneben erstellte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung vom 20. Januar 2015 beschäftigte sich mit den Auswirkungen des Windenergiestandortes R. auf das EU-Vogelschutzgebiet V19 „Unteres Eichsfeld“ am Maßstab des § 34 BNatSchG. Auch diese Untersuchung gelangte zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Schutzgebietes bei Beachtung bestimmter Ablenk- und Vermeidungsmaßnahmen nicht gegeben sei.

Unter dem 30. April 2015 bescheinigte der Beklagte der Klägerin die Vollständigkeit der Antragsunterlagen.

Es folgten Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten insbesondere darüber, welche Nebenbestimmungen zu einer Genehmigung formuliert werden sollten. Nachdem der Beklagte den NLWKN um seine Meinung zum beantragten Vorhaben der Klägerin befragt hatte, nahm dieser Ende August 2015 ablehnend Stellung. Er verwies u.a. auf das Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebiets und darauf, dass die von der Klägerin vorgeschlagenen Ablenkungs- und Vermeidungsmaßnahmen nicht geeignet seien, das Tötungsrisiko nach § 44 BNatSchG und eine Beeinträchtigung des Habitatschutzes nach § 34 BNatSchG zu vermeiden. Im Folgenden schloss sich die untere Naturschutzbehörde diese Kritik an und untermauerte sie.

Mit Schreiben vom 29. September 2015 hörte der Beklagte die Klägerin daraufhin zur Ablehnung ihres Genehmigungsantrages an. Die Klägerin trat den Argumenten des Beklagten im Wesentlichen unter Hinweis auf die Feststellungen der von ihr beauftragten FFH-Verträglichkeitsprüfung und die dort beschriebenen Vermeidungsvorkehrungen entgegen. Die Argumentation des Beklagten beruhe im Wesentlichen auf der Berücksichtigung pauschaler Abstände zwischen Brutplätzen des Rotmilans und Windenergieanlagen. Auf solche komme es in einem Genehmigungsverfahren anders als in einem Planverfahren jedoch nicht an.

Am 9. November 2015 hat die Klägerin (Untätigkeits-) Klage erhoben.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 den Antrag der Klägerin vom 07.01.2013 (richtig wohl 14. Januar 2013) auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und Betrieb eines Windparks in der Gemeinde T., in den Gemarkungen R. und S., ab. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen an, der Erteilung einer Genehmigung stünden insbesondere Belange des Naturschutzes entgegen. So handele es sich bei der Fläche, auf der die Windenergieanlagen errichtet werden sollten, um ein faktisches Vogelschutzgebiet. Es handele sich bei der Fläche um ein IBA-Gebiet, eine Meldung zum Vogelschutzgebiet sei jedoch nicht erfolgt. Zudem verstießen die Windenergieanlagen gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und das darin verankerte Tötungsverbot. Die von der Klägerin vorgelegte Raumnutzungsanalyse und die übrigen Gutachten würden die besondere Situation des Rotmilans verkennen.

Schließlich sei wohl auch ein Raumordnungsverfahren erforderlich gewesen, aber nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin bezieht diesen Bescheid in ihre Klage ein und trägt in der Sache zur Begründung wie folgt vor:

Bei der streitbefangenen Fläche handele es sich nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet. Mit der Meldung von insgesamt 71 EU-Vogelschutzgebieten in Niedersachsen sei die Grundlage für die Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes entfallen. Die Annahme, dass die Nichtmeldung von Flächen auf sachwidrigen Erwägungen beruhe, greife nicht. Maßgeblich sei insoweit nicht der Zeitpunkt des Erlasses des Flächennutzungsplanes der Gemeinde T., sondern der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da hier eine Genehmigung und nicht ein Flächennutzungsplan in Rede stehe. Die vom NLWKN mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 übersandten Unterlagen ließen nur den Schluss zu, dass die Herausnahme der streitbefangenen Fläche allein auf fachgerechten, das heißt ornithologischen Erwägungen beruhte.

Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG existiere nicht. Die von ihr vorgelegten Fachgutachten belegten dies; die gegenteilige Meinung des Beklagten sei nicht durch wissenschaftliche Maßstäbe gedeckt. Dies untermauerte die Klägerin durch Vorlage einer ergänzenden fachlichen Stellungnahme ihres Planungsbüros mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2016.

Schließlich bedürfe es eines Raumordnungsverfahrens nicht, da eine Genehmigung nach § 4 BImSchG nicht erforderlich sei. Vielmehr sei hier ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG durchzuführen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Dezember 2015 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 7. März 2013, geändert am 19. Januar 2015, auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windenergieanlagen des Typs E101 mit einer Nabenhöhe von 149 m und einer Nennleistung von 3.000 kW auf den Grundstücken Flur 1, Flurstück 16/1, 17/2 und Flur 2, Flurstück 79 der Gemarkung R. sowie Flur 10, Flurstück 30, Flurstück 35 und Flur 11, Flurstück 24, Flurstück 29 der Gemarkung S. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

hilfsweise,

die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligte meinen, es handele sich bei der für das Vorhaben vorgesehenen Fläche um ein faktisches Vogelschutzgebiet. Die Fläche sei nicht lediglich aus rein fachlichen, ornithologischen Gründen nicht Bestandteil des EU-Vogelschutzgebietes V19 „Unteres Eichsfeld“ geworden.

Beide Beteiligte wiederholen und bekräftigen zudem ihre Rechtsauffassung zu einer Verletzung der §§ 44 und 34 BNatSchG durch das klägerische Vorhaben.

Schließlich wäre ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen gewesen, und nicht das vereinfachte Genehmigungsverfahren. Auch das Gericht dürfe in diesem Fall auf eine Verpflichtungsklage hin nicht zusprechen. Zudem sei eine Dokumentation des Ergebnisses des Vorprüfungsverfahrens nach § 3 c Satz 6 UVPG nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere bedarf es eines Widerspruchsverfahrens nicht.

Erlässt die Behörde nach Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO den bisher unterbliebenen Bescheid zu Lasten des Klägers, bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn die Klage bei Klageerhebung zulässig gewesen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, § 75 Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 21.12.1995 - 3 C 24/94 -).

Die Frist von drei Monaten nach Antragstellung des § 75 Satz 2 VwGO hält die am 9. November 2015 erhobene Klage ohne weiteres ein. Der Beklagte hat auch i.S.v. § 75 Satz 1 VwGO über den Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 14. Januar 2013 (von der Klägerin fälschlich mit dem Datum 7. März 2013 versehen) in der geänderten Fassung vom 19. Januar 2015 ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden.

Maßstab dafür, welche Frist hier beachtlich ist, bildet § 10 Abs. 6a Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG -. Danach beträgt die Entscheidungsfrist der Immissionsschutzbehörde im vereinfachten Verfahren, wie es hier durchgeführt worden ist, drei Monate ab Vollständigkeit der Antragsunterlagen (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Auflage, § 10 Rn. 117). Nach § 10 Abs. 6a Satz 2 BImSchG besteht für die Behörde eine Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate. Gemäß § 7 Abs. 2 der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes - 9. BImSchV - ist die Vollständigkeit der Antragsunterlagen mitzuteilen. Eine derartige Mitteilung hat der Beklagte der Klägerin am 30. April 2015 gemacht. Dies bedeutet, dass der Beklagte spätestens bis zum 1. November 2015 eine Entscheidung hätte getroffen haben müssen. Die Fristen des § 10 Abs. 6a BImSchG berücksichtigen schon von Gesetzes wegen die Anwendung einer komplexen Rechtsmaterie. Dies kann daher entgegen der Auffassung des Beklagten kein Grund dafür sein, die gesetzliche Frist des § 10 Abs. 6a BImSchG zu überschreiten.

Die am 9. November 2015 erhobene Klage war daher zulässig. Ein Widerspruchsverfahren war deshalb vor Klageerhebung nicht durchzuführen.

Die somit zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Das Begehren der Klägerin beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung; die Rechtsgrundlage für die begehrte Genehmigung ergibt sich aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die von der Klägerin beantragten Windenergieanlagen (im Folgenden WEA) sind gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV zu beurteilen. Es handelt sich um Anlagen zur Nutzung von Windenergie mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Da es um weniger als 20 WEA geht, ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren durchzuführen gewesen.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die Genehmigung u.a. dann zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Damit muss die Anlage insbesondere auch die Vorschriften des Bauplanungsrechts erfüllen.

Die Errichtung von WEA im Außenbereich, wie sie die Klägerin plant, ist gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert.

Dem Vorhaben der Klägerin stehen jedoch öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB entgegen.

Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Gemeinde T. eine positive Zuweisungsentscheidung für Windenergieanlagen getroffen und dabei - mutmaßlich - auch naturschutzrechtliche Belange abgewogen hat. Die Folge einer Ausweisung von Vorranggebieten ist, dass die gesetzgeberische Privilegierungsentscheidung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, die Nutzung der Windenergie dem Außenbereich zuzuweisen, nunmehr nach Maßgabe der gemeindlichen Planungsvorstellungen zum Tragen kommt. Das bedeutet, dass den öffentlichen Belangen, denen an sich erst auf der Stufe der Vorhabenzulassung Rechnung zu tragen ist, schon auf der Ebene der Flächennutzungsplanung rechtliche Bedeutung zukommt. Die Gemeinde, die von der Ermächtigung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Gebrauch macht, hat die öffentlichen Belange, die nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB erheblich sind, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB gegen das Interesse Bauwilliger abzuwägen, den Außenbereich für die Errichtung von Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB in Anspruch zu nehmen. Ist die Planung wirksam, weil die Abwägung frei von Fehlern ist oder Abwägungsmängel nach dem Fehlerfolgenregime des § 214 BauGB unbeachtlich sind, dürfen diese Belange bei der Entscheidung über die Vorhabenzulassung nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert werden (BVerwG, Urteil vom 20.05.2010 - 4 C 7/09 -, zitiert nach juris, Rn. 46; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Auflage, Rn. 85).

Dies gilt jedoch nicht, wenn und soweit zwingende, im Wege der Ausnahme oder Befreiung nicht überwindbare Verbotstatbestände nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden und zu beachten sind. Nur derartige Verbotstatbestände werden von dem Beklagten und dem Beigeladenen hier geltend gemacht. Es sind dies der europarechtlich unmittelbar anwendbare Verbotstatbestand eines faktischen Vogelschutzgebietes, das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und der dem Habitatschutz dienende § 34 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie des Rates vom 02. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) (ABl. L 103/1 vom 25.4.1979) in der kodifizierten Fassung der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 (ABl. L 20/7vom 26.01.2010) - Vogelschutzrichtlinie - VRL -.

Vor allem geht es inhaltlich um den Schutz des Rotmilans (milvus milvus). Dieser ist eine europäische Vogelart i.S.d. Art. 1 Abs. 1 und 2 der VRL. Er ist unter Nr. 45 im Anhang 1 zur VRL aufgeführt, was zur Folge hat, dass auf diese Art besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. Die Notwendigkeit des Artenschutzes für den Rotmilan leitet sich insbesondere auch daraus ab, dass diese Art in Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens vom 3. März 1973 aufgeführt ist. Gleiches gilt für seine Aufnahme in den Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels. Demzufolge handelt es sich bei dem Rotmilan gleichzeitig um eine besonders geschützte Art i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG. Dieser Schutz erstreckt sich nicht nur auf den Handel mit diesen Tieren, sondern auch auf den Schutz ihrer Lebensräume und -bedingungen in- und außerhalb für sie festgesetzter oder faktischer Gebiete. Etwa 60 % des gesamten Rotmilanbestandes lebt in Deutschland, davon etwa 10 % in Niedersachsen.

Zu Recht hält der Beklagte dem Vorhaben der Klägerin entgegen, es solle in einem faktischen Vogelschutzgebiet errichtet werden, was rechtlich unzulässig sei.

Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VRL legt fest, dass hinsichtlich der in Anhang I. der Richtlinie aufgeführten Arten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sind insbesondere verpflichtet, die für die Erhaltung dieser Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären. Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der VRL treffen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel in den Schutzgebieten zu vermeiden. Nur überragende Gemeinwohlbelange, wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit, sind geeignet, das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der VRL zu überwinden [BVerwG, Urteil vom 01.04.2004 - 4 C 2/03- zitiert nach juris Rn. 40; Urteil vom 14.11.2002 - 4 A 15/02 -, BVerwGE 117, 149 (152 f.); OVG Lüneburg, Urteil vom 10.04.2013 - 1 KN 33/10 -, zitiert nach juris Rn. 85].

Die Mitgliedstaaten haben das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot auch dann zu beachten, wenn sie das betreffende Gebiet nicht zum Vogelschutzgebiet erklärt haben, obwohl dies hätte geschehen müssen. Denn andernfalls könnten die Schutzziele nicht erreicht werden. Kommt ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten nicht nach, erfahren solche Gebiete als sog. faktische Vogelschutzgebiete bis zu ihrer ordnungsgemäßen Unterschutzstellung den strengen Schutz des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der VRL. Faktische Vogelschutzgebiete umfassen Lebensräume und Habitate, die für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat beitragen und damit zum Kreis der im Sinne des Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete gehören. Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL eröffnet den Mitgliedstaaten einen fachlichen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der zu schützenden Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig“ am geeignetsten sind. Gleichzeitig begrenzen diese fachlichen Gesichtspunkte den Beurteilungsspielraum. Die Nichtmeldung eines Gebiets ist nicht zu beanstanden, wenn sie fachwissenschaftlich vertretbar ist (BVerwG, Urteil vom 27.03.2014 - 4 CN 3/13- zitiert nach juris Rn. 20; OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 78). In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrolldichte. Der Umstand, dass ein Land die Auswahl seiner „Natura 2000“-Gebiete abgeschlossen hat, steht der rechtlichen Existenz „faktischer“ Vogelschutzgebiete grundsätzlich nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - a.a.O. S. 154). Ob die Ausweisungs- und Meldepflichten erfüllt worden sind, unterliegt grundsätzlich der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Ein Land kann die Diskussion um die Existenz „faktischer“ Vogelschutzgebiete folglich nicht dadurch beenden, dass es sein Gebietsauswahlverfahren für abgeschlossen erklärt.

Erst nach Erklärung eines Vogelschutzgebiets zu einem besonderen Schutzgebiet findet gemäß Art. 7 FFH-RL ein Regimewechsel hin zu Art. 6 FFH-RL statt. In diesem Fall wird es dem Mitgliedstaat ermöglicht, aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art einen Plan oder ein Projekt durchzuführen, auch wenn sie ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen können, sofern eine Alternativlösung nicht vorhanden und durch Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt ist, dass die globale Kohärenz des „Natura 2000“-Netzes geschützt ist. Unterlässt der Mitgliedstaat die gebotene Schutzgebietsausweisung, bleibt es aber bei dem strengen Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL. Diese Dualität der anwendbaren Regelungen sieht der Europäische Gerichtshof als gerechtfertigt an, weil ein Mitgliedstaat aus der Missachtung seiner unionsrechtlichen Pflichten keinen Vorteil ziehen soll (EuGH, Urteil vom 07.12.2000 - Rs.C - 374/98 - Slg. 2000, I.-10799 Rn. 50 ff.).

Infolge des fortgeschrittenen Gebietsauswahl- und Meldeverfahrens für Vogelschutzgebiete kommt die gerichtliche Anerkennung eines faktischen Vogelschutzgebietes nur in Betracht, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass die Nichteinbeziehung bestimmter Gebiete in ein gemeldetes Vogelschutzgebiet auf sachwidrigen Erwägungen beruht. Das gilt selbst dann, wenn die betreffenden Gebiete im IBA-Verzeichnis aufgeführt sind (BVerwG, Urteil vom 27.03.2014, a.a.O. Rn. 24).

Über die fachliche Abgrenzung dieser Gebiete gibt u.a. eben dieses aktualisierte IBA-Verzeichnis Aufschluss. Es ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. EuGH, Urteil vom 19.05.1998 - Rs. C-3/96 -, NuR 1998, 538 Rn. 68 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts [Urteil vom 22.01.2004 - 4 A 32/01 -, BVerwGE 120, 87 (102) ] ein bedeutsames Erkenntnismittel. Es hat zwar keinen Rechtsnormcharakter, spielt aber als gewichtiges Indiz für die Zugehörigkeit eines Gebiets zu den i.S.d. Art. 4 der VRL geeignetsten Gebieten eine maßgebliche Rolle. Seine Indizwirkung kann nur entkräftet werden, wenn der Mitgliedstaat wissenschaftliche Beweise dafür vorlegt, dass die Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 der VRL durch andere als die in diesem Verzeichnis aufgeführten Gebiete erfüllt werden können (EuGH, Urteil vom 13.12.2007 - Rs. C-418/04 - Slg. 2007, I.-10947, Rn. 51).

Hier war die streitbefangene Fläche im IBA-Verzeichnis Stand 2000 durch Melter u.a. noch nicht erfasst. Sie konnte deshalb keine Indizwirkung für die Meldung des Vogelschutzgebiets V19 „Unteres Eichsfeld“ entfalten, die im Jahre 2001 erfolgte. Allerdings ist die Fläche unter Einschluss des “Loches“ im IBA-Verzeichnis von Sudfeldt aus dem Jahre 2002 aufgeführt. Dies folgt aus dem Flächenvergleich zwischen gemeldetem Vogelschutzgebiet einerseits (13.710,00 ha) und IBA-Flächengröße andererseits (14.633,00 ha). Die Differenzfläche von 923 ha entspricht in etwa der Größe des im Flächennutzungsplan als Vorrangfläche ausgewiesenen „Loches“. Die mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 geäußerte Auffassung des NLWKN, die Fläche sei auch 2002 nicht im IBA-Verzeichnis enthalten gewesen, teilt die Kammer ausdrücklich nicht. In diesem Fall war also nicht die IBA-Liste für die Anmeldung von Vogelschutzgebieten maßgeblich, sondern eher bestimmten die von der Naturschutzverwaltung als meldepflichtig ermittelten Flächen (s. dazu im Folgenden) die Ausweisung als IBA-Gebiet. Ob der IBA-Liste bei einem solchen Verfahrensablauf derselbe Indizwert für die fachlich zutreffende Ausweisung von Vogelschutzgebieten zukommt, wie bei der umgekehrten Reihenfolge, mag offen bleiben. Fest steht jedenfalls, dass nach der fachlich ornithologischen Einschätzung des IBA-Verzeichnisses nach dem Stand 2002 die gesamte Fläche der Vogelschutzrichtlinie unterfällt.

Diese Einschätzung wird aktuell durch die Planungen der zuständigen Fachbehörde, dem Nds. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, bestätigt. Danach ist nunmehr beabsichtigt, die Fläche als Vogelschutzgebiet an die Europäische Kommission nachzumelden. Wenngleich dies im derzeitigen Verfahrensstand der interministeriellen Abstimmung anders als nach einer erfolgten Meldung nicht eo ipso zu einem faktischen Vogelschutzgebiet führt (vgl. dazu Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 2 BNatSchG vor § 31 Rn. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerwG und anderer Obergerichte), so stellt es doch ein weiteres gewichtiges Indiz für die fachlich gerechtfertigte Annahme eines Vogelschutzgebietes für das “Loch“ dar. Denn die zuständige Fachbehörde, der insoweit nach dem oben Gesagten ein fachlicher Beurteilungsspielraum zukommt, hat mit der Einleitung des Verfahrens zu erkennen gegeben, dass sie die betroffene Fläche nach fachlichen Kriterien für schutzwürdig hält. Sie hat dies nach der fernmündlichen Auskunft ihres Mitarbeiters AA. vom 30. November 2016 ausdrücklich damit begründet, die Ausgrenzung der hier streitigen Fläche aus dem Meldegebiet sei nicht fachgerecht erfolgt. Etwas anderes könnte man in Anbetracht der oben beschriebenen Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten nur annehmen, wenn das Meldeverfahren nicht auf sachgerechten Kriterien beruht, sondern allein der Verhinderung eines bestimmten Vorhabens zu dienen bestimmt ist. Dafür liegen Anhaltspunkte nicht vor.

Diesen für die Annahme eines faktischen Vogelschutzgebietes sprechenden fachlichen Indizien wird ihre Überzeugungskraft nicht durch das seinerzeitige Meldeverfahren aus dem Jahre 2001 genommen. Vielmehr ist die Kammer der Überzeugung, dass auch schon damals fachlich ornithologische Gründe für die Einbeziehung der streitigen Fläche in das Meldegebiet gesprochen haben und die Herausnahme des “Loches“ auf anderen, nicht fachlichen Erwägungen beruht hat.

Aus den vom NLWKN mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 übersandten Unterlagen ergibt sich, dass die Herausnahme der streitgegenständlichen Flächen erkennbar auf Planungswünschen der Gemeinde T. und dem Gesichtspunkt der entgegenstehenden Raumordnungsplanung des Beklagten beruht hat.

Der Gebietsvorschlag des Nds. Umweltministeriums von Juli 2000 sah zunächst ein Vogelschutzgebiet unter Einbeziehung der streitbefangenen Fläche vor (Anlage A zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2016). Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden mehrere Stellungnahmen zur Gebietsabgrenzung eingeholt. Dabei äußerte sich die Gemeinde T. (ähnlich der Beklagte) wie folgt:

„Vorgeschlagene Osterweiterung der Ortschaft U. V. sowie der Vorrangstandorte für Windkraftanlagen (bereits im rechtskräftigen F-Plan verankert) sowie die Optionsfläche für Windkraftanlagen (im Erläuterungsbericht des F-Planes genannt, Entlassung aus dem LSG beim Lkr. Göttingen beantragt) sollten aus dem Vorschlaggebiet herausgenommen werden.“

In der Einzelauswertung dieses Einwandes heißt es sodann:

„Die geplante Nutzung als Standort für Windkraftanlagen (Vorranggebiet für Windenergienutzung lt. RROP des Landkreises Göttingen und Bestandteil der 2. F-Planänderung der Gemeinde T.) liegt innerhalb des Vorschlagsgebietes und steht dem Vogelartenschutz - hier dem Rotmilan als Großvogel, der weite, offene Bereiche benötigt, entgegen. Ich bitte zu prüfen, ob es sich um eine rechtlich verfestigte Planung handelt. Ich bitte um Herausnahme des Bereichs. Die Prüfung über die Notwendigkeit einer VP ist damit nicht ausgeräumt. Die Herausnahme einer Optionsfläche innerhalb des Vorschlagsgebiets befürworte ich nicht. Hier ist dennoch auf Landesebene eine Entscheidung notwendig, wie mit solchen Flächen umgegangen werden soll!“

In dem zusammengefassten Votum der Bezirksregierung Braunschweig aus April 2001 zu diesem Gebietsvorschlag heißt es:

„Weiterhin schlage ich das im RROP des Landkreises Göttingen festgesetzte Vorranggebiet für Windenergienutzung, das in den rechtskräftigen Flächennutzungsplan der Gemeinde T. übernommen wurde, zur Herausnahme vor, bitte aber um entsprechende Prüfung der Vereinbarkeit mit den Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie. Aufgrund seiner Lage im Zentrum des Vorschlagsgebiets stellt die Umsetzung der Ziele der Raumordnung eine Beeinträchtigung für den Lebensraum der wertbestimmenden Vogelart Rotmilan dar, dessen Anspruch nach einem zusammenhängenden, großflächigen Jagdrevier nicht mehr gewährleistet zu sein scheint.“

Aus einer vom NLWKN mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 vorgelegten e-mail vom 11. April 2002 ergibt sich schließlich, dass die Fläche vom MU in Abstimmung mit StK-RO (Anm. des Gerichts: Offenbar der Staatskanzlei) im Rahmen der Ressortabstimmung aus dem Vogelschutzgebiet auf der Grundlage der Stellungnahme der Bezirksregierung Braunschweig herausgelassen worden ist.

Es haben mithin fachlich-ornithologische Überlegungen bestanden, die Fläche in das der EU-Kommission zu meldende Vogelschutzgebiet einzubeziehen, und ebensolche Bedenken, sie aus der Meldung herauszunehmen. Als Grund für die Herausnahme der Fläche ist allein die Raumordnungsplanung des Beklagten und die Flächennutzungsplanung der Gemeinde T. genannt. Bei beiden Gesichtspunkten handelt es sich nicht um fachliche im Sinne der Vogelschutzrichtlinie. An keiner Stelle sind ornithologische Gründe für die Herausnahme angeführt worden. Dies wäre jedoch in Anbetracht der dezidiert von der seinerzeit noch existierenden Bezirksregierung Braunschweig geäußerten fachlichen Zweifel und der fachlichen Voreinschätzung des MU zu erwarten gewesen. Stattdessen wird die Fläche ohne weitere Begründung aus dem Meldegebiet herausgenommen.

Die Kammer teilt nicht die gegenteilige Einschätzung der Klägerin.

Die Formulierung der Bezirksregierung Braunschweig, sie befürworte die Herausnahme einer Optionsfläche innerhalb des Vorschlagsgebiets nicht und hier sei dennoch auf Landesebene eine Entscheidung notwendig, wie mit solchen Flächen umgegangen werden solle, bedeutet nicht gleichsam, dass sich das Fachministerium mit der streitbefangenen Fläche unter fachlichen Gesichtspunkten noch einmal beschäftigt hat. Dies schon deshalb nicht, weil sich diese Stellungnahme nur auf die Optionsflächen des Flächennutzungsplanes der Gemeinde T. bezieht, wie sie etwa in der Nähe von AB. geplant waren. Hier geht es jedoch um die als Vorrangfläche formell ausgewiesene Fläche.

Auch mit der Bitte der Bezirksregierung Braunschweig, die Vereinbarkeit der Herausnahme mit der Vogelschutzrichtlinie noch einmal zu überprüfen, weil aufgrund der Lage des “Loches“ im Zentrum des Vorschlagsgebiets mit diesem eine Beeinträchtigung für den Lebensraum der wertbestimmenden Vogelart Rotmilan verbunden sei, dessen Anspruch nach einem zusammenhängenden, großflächigen Jagdrevier nicht mehr gewährleistet zu sein scheine, trägt die Klägerin keinen Ablauf vor, der das Gericht zu der Überzeugung führt, es hätten ausschließlich fachliche Gesichtspunkte zur Herausnahme der Fläche geführt. Bis dahin waren die Argumente nur solche der Planungshoheit der Gemeinde T. und des Beklagten, also solcher, die für die Ausweisung von Vogelschutzgebieten unbeachtlich sind. Auch und gerade insoweit hätte es nicht nur nahe gelegen, sondern wäre geradezu zwingend gewesen, dass sich das Ministerium vor einer abschließenden Entscheidung über die Meldekulisse Gedanken über die Meldung der hier interessierenden Fläche macht. Diese Gedanken hätten zwingend schriftlich niedergelegt werden müssen, auch und vor allem deshalb, um der Europäischen Kommission die Möglichkeit zu geben, die Sachgerechtigkeit der Gebietsabgrenzung überprüfen zu können.

Was bleibt ist die Vermutung, dass die Herausnahme der Fläche politisch motiviert gewesen ist; sachgerechte Gründe, die vor der Vogelschutzrichtlinie Bestand haben können, finden sich in den Akten nicht. Der Sachverhalt stellt sich mithin ähnlich dar wie in dem vom OVG Lüneburg mit Urteil vom 10.04.2013 entschiedenen Fall (a.a.O. Rn. 64 ff., insbesondere Rn. 75).

Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang gestellte Beweisantrag war abzulehnen, weil er einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag darstellt und ungeeignet ist.

Die Klägerin möchte mit ihrem Antrag durch Vorlage des bei der Europäischen Kommission am 03. September 2002 vorgelegten Fachkonzeptes bzw. der vorgelegten fachlichen Kriterien des Landes Niedersachsen bewiesen wissen, dass die Herausnahme der Fläche ausschließlich mit avifaunistischen Erwägungen begründet worden sei. Sie nimmt hiermit Bezug auf die von ihr in mündlicher Verhandlung vorgelegte mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommission gerichtet an die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung von Art. 4 VRL vom 04. April 2006 [K(2006)1085]. Sie unterstellt, dass die vom NLWKN mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 vorgelegten Unterlagen nicht vollständig sind und die bei der Europäischen Union geführten Akten ihren Vortrag bestätigen. Hierfür hat die Kammer keine Anhaltspunkte. Mit gerichtlicher Verfügung vom 22. November 2016 hat der Berichterstatter vom NLWKN als der zuständigen Fachbehörde in Niedersachsen sämtliche dort vorhandenen Vorgänge angefordert, die das Gebietsauswahl- und -meldeverfahren für das Vogelschutzgebiet V19 betreffen. Insbesondere war die Behörde aufgefordert, eine etwaige Begründung für die Herausnahme der hier streitbefangenen Fläche aus dem Meldegebiet vorzulegen. Dem ist sie mit der Übersendung der Unterlagen zum Schriftsatz vom 08. Dezember 2016 (Beiakten 014) nachgekommen. Es besteht für das Gericht kein Anlass zu der Annahme, dass die übersandten Unterlagen unvollständig gewesen sind. Hätte es weitere Unterlagen im Zusammenhang mit dem Beanstandungsverfahren gegeben, wären diese Gegenstand der Übersendung gewesen. Solche Anhaltspunkte lassen sich auch nicht aus der von der Klägerin überreichten Unterlage entnehmen. Dies wäre nur der Fall, wenn sich aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission ergeben würde, dass die Meldung des Vogelschutzgebiets V19 „Unteres Eichsfeld“ fachlich einwandfrei erfolgt wäre. Dies ist nicht der Fall. Zwar findet dieses Gebiet in Abschnitt IV.2.c) bb) Erwähnung; aus dem Umstand, dass hier die Gebietsabgrenzung zum Schutz des Rotmilans z.B. im Solling beanstandet wird, kann im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass die Meldung des Gebiets V19 beanstandungsfrei bleibt. Denn in dem folgenden Unterabschnitt cc) führt die Kommission ausdrücklich aus, dass die (teilweisen) Rücknahmen von Schutzgebieten im Rahmen der niedersächsischen Meldekulisse gesondert geprüft und gegebenenfalls verfolgt würden. Dies zeigt, dass das hier interessierende Problem der Herausnahme einer Fläche aus einem ursprünglich für meldewürdig erachteten Gebiet nicht Gegenstand des von der Klägerin in Bezug genommenen Beanstandungsverfahrens gewesen ist. Folglich ist Erhellendes zu der hier interessierenden Frage auch nach klägerischem Vorbringen durch die Beweiserhebung nicht zu erwarten, so dass der Beweisantrag auch ungeeignet ist.

Es liegt eine Beeinträchtigung dieses faktischen Vogelschutzgebietes vor.

Nach dem somit unmittelbar anwendbaren Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL treffen die Mitgliedstaaten in den Schutzgebieten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzung dieses Artikels erheblich auswirken, zu vermeiden. Mit diesen Anforderungen erschöpft sich Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL nicht in der Normierung einer Dauerpflicht, sondern bildet zugleich den Maßstab für die Zulässigkeit von Infrastrukturvorhaben im Einzelfall vergleichbar dem Zulassungstatbestand des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL (BVerwG, Urteil vom 03.05.2013 - 9 A 16/12 -, zitiert nach juris Rn. 52; Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2/03 -, zitiert nach juris Rn. 42). Vorhaben dürfen nur zugelassen werden, wenn sie nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen und Störungen führen. Die Schwelle der Erheblichkeit ist dabei nicht erst dann erreicht, wenn die Verwirklichung von Erhaltungszielen unmöglich oder unwahrscheinlich gemacht wird. Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Art. 3 und 4 VRL bestehen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits, bevor eine Verringerung der Anzahl von Vögeln oder die konkrete Gefahr des Aussterbens einer geschützten Art nachgewiesen wird (EuGH, Urteil vom 2. August 1993 - Rs. C-355/90 - Slg. 1993 I-4272 Santoña Rn. 15). Diese Entscheidung aufgreifend führt das BVerwG in seinem Urteil vom 01.04.2004 aus, die Verkleinerung eines besonderen Schutzgebiets durch den Bau einer Straße, die zum Verlust von Rückzugs-, Ruhe- und Nistgebieten der zu schützenden Vogelvorkommen führt, sei jeweils für sich betrachtet als erhebliche Beeinträchtigung der Richtlinienziele gewertet, ohne der Frage nachzugehen, ob diese Eingriffe jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit geeignet gewesen wären, die Erhaltungsziele in dem über 40 ha großen Sumpfgebiet zu vereiteln oder Kernbestandteile des Gebiets unwiederbringlich zu zerstören (ähnlich BVerwG, Urteil vom 03.05.2013, a.a.O. Rn. 52; ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 10.04.2013, a.a.O. Rn. 85).

Dies zugrunde gelegt, nimmt der von der Klägerin geplante Windpark mit seinen fünf WEA eine erhebliche Fläche in Anspruch. Die Baugrundstücke haben eine Fläche von 23,0344 ha. Diese Fläche kann vom Rotmilan nicht mehr als Jagd- und Nahrungsgebiet genutzt werden. Allein diese Flächenverkleinerung und der damit einhergehende Verlust eines Nahrungshabitats stellt eine erhebliche Beeinträchtigung im eben dargestellten Sinne dar. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei Windkraftanlagen nicht lediglich, wie bei Straßen, um zweidimensionale, sondern um dreidimensionale Objekte handelt. Hieraus folgt eine unmittelbare Beeinflussung des Hauptlebensraumes von Vögeln, der Luft.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihren abweichenden Rechtsstandpunkt auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.01.2014 (Az. 9 A 4/13, zitiert nach juris, Rn. 48 ff.).

Der Klägerin ist allerdings zuzugestehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die erhebliche Beeinträchtigung von verschiedenen Vogelarten in einem faktischen Vogelschutzgebiet anhand des Maßstabs prüft, ob die Populationen dieser Arten durch das Vorhaben unmittelbar gefährdet werden. Es verneint dies anhand der im Verfahren eingeholten gutachterlichen Feststellungen, die ihrerseits ein besonderes anlagenbedingtes (hier ging es um den Bau einer Straße) Kollisionsrisiko verneinten. Das Gericht würdigte dabei auch von den Gutachtern vorgeschlagene Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen. Auf den ersten Blick scheint das Gericht hier eine ähnliche Prüfung wie beim artenschutzrechtlichen Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG oder beim Habitatschutz nach § 34 Abs. 2 BNatSchG vorzunehmen. Dies wäre allerdings eine derart grundlegende Abkehr von der bisherigen eigenen Rechtsprechung, der Rechtsprechung des EuGH und aller Oberverwaltungsgerichte, dass man mit einer Auseinandersetzung hiermit hätte rechnen dürfen. Das erkennende Gericht versteht die Entscheidung indes so, dass das Bundesverwaltungsgericht meint, im Bereich des Vorhabens gebe es keine Habitate für die hier betroffenen Vogelarten „Ziegenmelker“, „Schwarzspecht“ sowie „Rot- und Schwarzmilan“, so dass ein Verlust an Rückzugs-, Ruhe- oder Nisthabitaten nicht eintreten könne. Dies ist hier in Bezug auf den Rotmilan grundlegend anders, dessen Lebensraum durch das Vorhaben der Klägerin beeinträchtigt wird. Denn das avifaunistische Gutachten von Z. vom 20. Januar 2015 gelangt zu dem Ergebnis, dass die streitbefangene Fläche durchaus zum Nahrungshabitat des Rotmilans gehört. In der durch das Genehmigungsvorhaben verursachten Verkleinerung der Fläche liegt deshalb eine erhebliche Beeinträchtigung dessen Lebensraumes.

Handelt es sich um ein faktisches Vogelschutzgebiet und liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor, sind nur überragende Gemeinwohlbelange wie etwa der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit geeignet, das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der VRL zu überwinden. Diese strengen Ausnahmevoraussetzungen sind, wenn es um die Errichtung von Windenergieanlagen geht, nicht gegeben (vgl. Gatz, a.a.O. Rn. 64). Die Nutzung umweltfreundlicher, CO2 -freier Energie ist zwar wünschenswert, aber nicht in dem Sinne zum Schutz der Gesundheit von Menschen zwingend erforderlich.

Da die Klage erfolglos bleibt, folgt die Kostenentscheidung aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspricht der Billigkeit, weil er einen Antrag gestellt und sich so einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Kammer von einer obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (§ 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).