Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.08.2023, Az.: 7 W 8/23

Streitwert; Beschwerde; Hilfsaufrechnung; wirtschaftliche Identität; Streitwert bei Hilfsaufrechnung mit Wertersatzanspruch nach Widerruf eines Leasingvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.08.2023
Aktenzeichen
7 W 8/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 33072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2023:0822.7W8.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 20.12.2022 - AZ: 10 O 4066/21 (353)

Fundstelle

  • JurBüro 2023, 531-532

Amtlicher Leitsatz

Zwischen der Forderung eines Leasingnehmers auf Rückzahlung geleisteter Leasingraten nach einem Widerruf des Leasingvertrages und der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung des Leasinggebers auf Wertersatz in Höhe der gezahlten Leasingraten besteht wirtschaftliche Identität i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG.

In der Beschwerdesache
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Beschwerdeführer,
gegen
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig am 22. August 2023 durch die Richterin am Oberlandesgericht xxx als Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägervertreter vom 27.05.2023 gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 20.12.2022 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Streitwertbeschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere auch fristgerecht eingelegt worden. Gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 GKG beträgt die Beschwerdefrist sechs Monate, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat. Endet das Verfahren - wie hier - durch einen Prozessvergleich, kommt es insoweit auf dessen bestandkräftiges Zustandekommen an. Dabei ist in den Fällen des § 278 Abs. 6 ZPO der Eingang der letzten Annahmeerklärung maßgeblich; dem anschließenden Feststellungsbeschluss kommt insoweit nur eine deklaratorische Bedeutung zu (vgl. nur Jäckel in BeckOK Kostenrecht, 41. Edition, Stand 01.04.2023, § 63 GKG, Rn. 31 a.E.). Die letzte Annahmeerklärung ist hier durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06.12.2022 erfolgt. Die Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG endete demnach am 06.06.2023. Die Beschwerde ist am 27.05.2023 und damit noch innerhalb dieser Frist bei Gericht eingegangen.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses des Landgerichts Braunschweig vom 30.06.2023 (Bl. 267 f. d.A.) verwiesen, als darin ausgeführt wird, es bestehe wirtschaftliche Identität zwischen der Klagforderung und der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung der Beklagten. Ergänzend ist auszuführen:

a) Grundsätzlich ist bei der abschließenden Streitwertfestsetzung gem. §§ 63 Abs. 2, 45 Abs. 3, Abs. 4 GKG der Wert eines im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenanspruches schon dann zum Streitwert der Klagforderung zu addieren, wenn er - wie hier - von einem zwischen den Parteien zustande gekommenen Vergleich mitgeregelt wird. Eine Ausnahme davon ist aber gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG dann zu machen, wenn hilfsweise mit einem mit der Klagforderung wirtschaftlich identischen Anspruch aufgerechnet wird. Ob "derselbe Gegenstand" i.S. dieser Vorschrift gegeben ist, ist dabei - unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand - anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bestimmen. Hierfür kommt es darauf an, ob zwischen den Ansprüchen eine wirtschaftliche Identität besteht, die dann gegeben ist, wenn sie nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (vgl. nur BGH 11.03.2014 - VIII ZR 261/12, in Juris Rz. 4-6 -; Toussaint / Elzer, Kostenrecht, 5. Aufl., Rz. 13 zu § 45 GKG). Das ist insbesondere der Fall, wenn faktisch ein "Gleichlauf" von Beklagten-Hauptvortrag gegen die Klagforderung und Hilfsaufrechnung vorliegt, so dass wirtschaftlich gesehen die Hilfsaufrechnung und die primäre Verteidigung der Beklagtenseite als eine einheitliche Verteidigung gegen den Klaganspruch anzusehen sind (Toussaint / Elzer, Kostenrecht, 53. Aufl., Rz. 47 zu § 45 GKG m.w.N.).

So liegt etwa keine Streitwerterhöhung vor, wenn der auf Zahlung von Anwaltshonorar in Anspruch genommene Beklagte hilfsweise einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von dieser Honorarforderung wegen Verstoßes gegen § 49b Abs. 5 BRAGO einwendet (BGH JurBüro 2010, 368 - in Juris Rz. 3 -; Hellstab / Schneider / Otto, GKG / FamGKG, Streitwertkommentar alphabetisch, Rz. 11 Abs. 2 s.v. "Aufrechnung"). Denn in einem solchen Falle liegt wirtschaftliche Identität der beiderseitigen Ansprüche vor; es geht letztlich nur darum, ob der Rechtsanwalt seine Vergütung erhält oder nicht.

b) So aber steht die Sache auch im vorliegenden Fall. Denn der von der Beklagten hilfsweise aufgerechnete Anspruch auf Wertersatz sollte sich nach ihrem ausdrücklichen Vorbringen auf die Höhe der von der Klägerin gezahlten Leasingraten und nicht nur auf einen auf einen laufleistungsbezogenen Anteil des Bruttokaufpreises belaufen, weil in entsprechender Anwendung des § 357a Abs. 2 S. 4 BGB dem Wertersatzanspruch des Unternehmers die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen sei (Klagerwiderung S. 58 Bl. 98 d.A.). Damit jedoch ist die von der Beklagten zur Hilfsaufrechnung gestellte Forderung wirtschaftlich identisch mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erstattung sämtlicher Leistungen für die Nutzung des geleasten Pkws, nämlich eben sämtlicher Leasingraten. Auch unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung der Beklagten hat sich der vorliegende Rechtsstreit schlicht darum gedreht, ob die Beklagte die von der Klägerin gezahlten Leasingraten behalten darf oder nicht.

c) Ob wirtschaftliche Identität auch in einem Fall des Darlehenswiderrufs zwischen dem eingeklagten Anspruch des Darlehensnehmers und Käufers des Fahrzeugs auf Rückerstattung seiner Leistungen und dem mit der Hilfswiderklage verfolgten Anspruch auf Ersatz des am finanzierten Fahrzeug durch die Nutzung entstandenen Wertverlusts besteht (so OLG Frankfurt a.M. 24.11.2021 - 17 U 111/20, in Juris Rz. 10-15 - sowie wohl auch die dort Rz. 12 a.E. zitierten, in Juris nicht veröffentlichten Entscheidungen; auch OLG Braunschweig 30.12.2021 - 4 U 643/21, in Juris Rz. 2-5, 9-28 -; 07.01.2022 - 4 U 602/21, in Juris Rz. 37-60 -; a.M. mit Begründungen wie vorstehend zum Leasingvertrag vertreten etwa OLG Düsseldorf 09.12.2021 - 16 W 43/21, in Juris Rz. 14-22, bes. 17 -; 18.10.2021 - 6 U 418/20, in Juris Rz. 10 -; OLG Nürnberg NJW-RR 2018, 1338, - in Juris Rz. 7-13 -; KG NJW-RR 2015, 319 - in Juris Rz. 3f -), kann im Ergebnis dahinstehen. Denn anders als in den dort behandelten Fällen eines Darlehenswiderrufs und der Beteiligung des Darlehensnehmers auch am Kaufvertrag hat die Klägerin hier nur den streitgegenständlichen Leasingvertrag geschlossen und später widerrufen, während sie am Kaufvertragsschluss unbeteiligt war. Dementsprechend geht es hier nach dem Widerruf des Leasingvertrages und der Rückgabe des Fahrzeugs in der Hauptforderung der Klägerin, dem Hauptvorbringen der Beklagten dagegen und in ihrer hilfsweisen Aufrechnung wirtschaftlich allein darum, wem die von der Klägerin gezahlten Leasingraten (und ggf. die sonstigen vom Leasingnehmer erbrachten Leistungen) für die Fahrzeugnutzung verbleiben. So hat die Klägerin die Rückerstattung sämtlicher Ratenzahlungen auf den Leasingvertrag verlangt. Demgegenüber hat die Beklagte die Zahlung mit ihrem Hauptvorbringen verweigert und mit ihrer Hilfsaufrechnung Wertersatz in gleicher Höhe verlangt, beides mit dem wirtschaftlichen Ziel, eben diese Ratenzahlungen der Klägerin insgesamt behalten zu dürfen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.