Landgericht Oldenburg
Urt. v. 13.05.1981, Az.: 4 O 562/80

Forderung

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
13.05.1981
Aktenzeichen
4 O 562/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 23060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1981:0513.4O562.80.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 1981 unter Mitwirkung des Richters ... des Richters ... des Richters ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 3.600,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch aus einer Feuerversicherung geltend. Er ist Mitgesellschafter der Firma .... Die Gesellschaft war im Wege einer Zwangsversteigerung Eigentümerin eines Grundstücks in Hannover geworden, auf dem sich unmittelbar aneinandergrenzend ein Silo-Gebäude, ein Lager-Gebäude (I) und ein weiteres Lager-Gebäude (II) mit Büro befanden. Am 29. Sept. 1979 wurde das Lager-Gebäude II mit Büro durch einen Brand völlig vernichtet und das Lager-Gebäude I beschädigt. Die Beklagte hat im Rahmen der Feuerversicherung, nachdem sie eine Unterversicherung festgestellt hatte, bei einem Gesamtschaden von 160.070,- DM einen Betrag von 41.677,- DM zuzüglich 5.000,- DM Aufräumungskosten erstattet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnung wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

2

Der Kläger trägt vor, sein Mitgesellschafter ... habe vor Abschluß des Vertrages mit der Beklagten deren Versicherungsvertreter, den Zeugen das Interesse der Fa. ... wissen lassen, die bisherige Versicherung des besagten Gebäudekomplexes bei der ... zu lösen und zu günstigeren Bedingungen eine Feuerversicherung dieses Gebäudekomplexes bei der Beklagten anzustreben. Die hieraus auf Seiten der Beklagten entstandene und durch deren Vertreter wahrzunehmen gewesene Verpflichtung zu einer günstigeren Ausgestaltung der Versicherungsrisiken für die einzelnen Teile des Gebäudekomplexes sei nach Maßgabe der Schadensabrechnung der Beklagten verletzt worden, wobei sich die Beklagte auch ein schuldhaftes Verhalten ihres Vertreters ... im Zuge einer falschen Beratung zurechnen lassen müsse. Außerdem sei auch die Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsvertrag unzutreffend errechnet.

3

Der Kläger macht eine weitere der Fa. ... von der Beklagten versagte Versicherungsleistung mit der Behauptung geltend, der betreffende Anspruch sei von der Vertragspartnerin der Beklagten an ihn abgetreten worden.

4

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 54.404,11 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. März 1980 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie trägt vor, ihre durch ihren Vertreter ... wahrzunehmen gewesene Aufgabe bei Abschluß des Versicherungsvertrages mit der Fa. ... habe sich darauf beschränkt, die bei der Magdeburger Feuerversicherung zuvor bestandenen Versicherungsbedingungen unverändert zu übernehmen. Der. Fa. ... sei es mit dem Wechsel der Versicherung ausschließlich darum gegangen, ihre gesamten Versicherungen bei ihr, der Beklagten, zu konzentrieren.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

8

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift über den Haupttermin vom 1. April 1981 (Bl. 79-83 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

9

Die Klage ist nicht begründet.

10

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Versicherungsleistung.

11

Ist ein Versicherungsnehmer durch einen Versicherungsagenten mangelhaft beraten worden, hat der Versicherer diesen Versicherungs nehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles so zu stellen, wie dieser bei sachgerechter Beratung gestanden haben würde. Ein entsprechender Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers geht über die Grundsätze der Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß hinaus (BGH 40, 22; in VersR 68, 467; Prölss/Martin VVG 22. Aufl. 1980, § 43, Anm. 7). Eine allgemeine und allumfassende Aufklärungs- und Beratungspflicht des bei Vertragsschluß tätig werdenden Agenten des Versicherers besteht jedoch nicht, nicht jedes Unterlassen von Hinweisen auf Umfang und Besonderheiten des Versicherungsschutzes und seine Voraussetzungen begründet daher sogleich eine Erfüllungshaftung des Versicherers bei Eintritt des Schadensfalles. Vielmehr muß der Versicherungsnehmer selbst grundsätzliche die einzelnen von ihm etwa als aufklärungsbedürftig betrachteten Punkte zur Sprache bringen oder aber in einer für den Agenten erkennbaren Weise über den einen oder anderen Punkt eine irrige Vorstellung haben. Erst dann und auch nur im Rahmen der ihm erkennbaren Aufklärungsbedürftigkeit ist der Versicherungsagent zu aufklärenden Hinweisen und Richtigstellungen gehalten (BGH 40, 22; 47, 101). Im übrigen hat sich der Versicherungsnehmer selbst über Inhalt und Umfang des abzuschließenden Vertrages zu unterrichten und Zweifel zu einzelnen Punkten hierüber durch Rückfrage beim Agenten oder dem Versicherer selbst zu klären (BGH a.a.O. sowie in MDR 59, 553; Prölss/Martin a.a.O., § 43, Anm. 7 a). Dementsprechend ist auch auf dem hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag ausdrücklich vermerkt, daß der Antragsteller allein für die Richtigkeit der Angaben verantwortlich ist, die in dem Antrag auf Abschluß eines Versicherungsvertrages aufgenommen werden (vgl. Bl. 43 d.A.). Geht es dem Versicherungsnehmer erkennbar im wesentlichen um eine Übernahme von Versicherungsbedingungen eines Vorversicherers, ist es nicht Aufgabe des Versicherungsagenten, die günstigen Bedingungen für den Versicherungsnehmer und insbesondere die optimale Versicherungssumme für die einzelnen zu versichernden Risiken zu ermitteln und hierüber den Versicherungsnehmer aufzuklären. In einem derartigen Fall erschöpft sich die Verpflichtung des Versicherungsagenten vielmehr in der "Umschreibung" der bisherigen Bedingungen auf das neue Versicherungsvertragsverhältnis. Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des im vorliegenden Fall abgefaßten und von der Fa. ... auch angenommenen Vertragstextes indiziert zunächst einmal die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten zu dem für ihren Agenten ... erkennbar gewordenen Beweggrund der Fa. ..., eine Feuerversicherung des ersteigerten Gebäudekomplexes in Hannover bei der Beklagten herbeiführen zu wollen, im übrigen aber keine Veränderungen zu erstreben.

12

Diese Vermutungswirkung hat der Kläger mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu widerlegen vermocht.

13

Einzuräumen ist dem Kläger zwar, daß ein gewisses Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits bei der Bewertung der Zeugenaussagen, auch für den Versicherungsagenten ... nicht vernachlässigt werden darf. Die Glaubwürdigkeit der Darstellung des Zeugen ... wird jedoch nicht nur durch den unstreitigen Umstand erhärtet, daß die schon auf den ersten Blick in allen entscheidenden Punkten offensichtliche und umfassende Übereinstimmung der Ausgestaltung des Versicherungsschutzes in dem schriftlichen Vertrag mit der Beklagten mit Art und Umfang der Vorversicherung bei der ... Feuerversicherung ohne Widerspruch der Fa. ... geblieben ist. Gestützt wird die Darstellung des Zeugen auch noch durch dessen Bekundung zu einem aus seiner Sicht den Vertragsschluß endgültig herbeiführenden Gespräch mit dem Mitgesellschafter des Zeugen ... Danach die ging es der Fa. ... ersichtlich in erster Linie nicht um einen prämienmäßig günstigeren Versicherungsschutz bei der Beklagten im selben Umfange, in dem er bei der ... Feuerversicherung bestanden hatte; ausschlaggebender Beweggrund für den Wechsel der Versicherung zur Beklagten war danach vielmehr eine persönliche Beziehung des Gesellschafters zu dem damaligen Generalvertreter des betreffenden Bezirks der Beklagten, Carstens. Dieses Motiv für den Versicherungswechsel zugunsten der Beklagten war zumindest für den Gesellschafter ... derart bedeutsam, daß er deshalb sogar ein gegenüber der Beklagten in der Prämie um etwa 200,- DM günstigeres Konkurrenzangebot einer anderen Versicherung nicht angenommen, sondern stattdessen sich für die insoweit ungünstigeren Bedingungen der Beklagten entschieden hat. Es erscheint der Kammer abwegig, diese von dem Zeugen ... wiedergegebene Äußerung des Gesellschafters als von dem Zeugen frei erfunden zu betrachten. Dieser Zeuge muß immerhin mit der Möglichkeit rechnen, mit dieser Bekundung eine Überprüfung seiner eigenen Glaubwürdigkeit durch eine anschließende Parteivernehmung des Gesellschafters ... herausgefordert zu haben. Die durch diesen Umstand in erheblichem Maße indizierte Richtigkeit der Aussage des Zeugen ... in diesem Punkt spricht aber mit ganz erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Darstellung dieses Zeugen auch insgesamt zutrifft. Damit erscheint seine. Schilderung auch insoweit zuverlässig, als er erklärt hat, auf ausdrückliche Frage nach einem Ausreichen der Versicherungssummen des Vertrages mit der ... Feuerversicherung von seinem Verhandlungspartner ... ausdrücklich erklärt bekommen zu haben, daß diese Summen so bleiben und übernommen werden sollten. Für die Richtigkeit dieser Erklärung des Zeugen ... gegenüber dem Zeugen ... spricht im übrigen ein Teil der Aussage des Zeugen ... selbst auch noch. Hatte dieser Zeuge zunächst davon gesprochen, der zu versichernde Gebäudekomplex in Hannover habe nach einer ausdrücklichen Erklärung des Agenten ... an Ort und Stelle eingeschätzt werden sollen, hat der Zeuge diese Aussage am Fuße seiner Gesamtdarstellung wieder abzuschwächen versucht, indem er klargestellt hat, keinesfalls habe etwa ein Sachverständiger zur Wertermittlung des zu versichernden Gebäudekomplexes tätig werden sollen. Dies wirft an den Zeugen ... die Frage auf, wenn nicht durch einen Fachkundigen, auf welche Weise dann eine von den Versicherungssummen der ... Versicherung abweichende und obendrein in der Frage eines optimalen Versicherungsschutzes sachgerechtere Bemessung der Versicherungssummen für die einzelnen Teilabschnitte des Gesamtgebäudekomplexes habe erzielt werden sollen. Diese Frage dürfte auf der Grundlage der Darstellung des Zeugen ... und derjenigen des Klägers keine befriedigende Antwort finden.

14

Der Kläger kann auch keinen seine Forderung teilweise befriedigenden Anspruch nach der von ihm vorgenommenen Auslegung des Versicherungsvertrages auf Zahlung eines Betrages von mindestens noch 13.635,50 DM durchsetzen.

15

Das gemäß §§ 133, 157 BGB gebotene Verständnis des Versicherungsvertrages zwingt zu der Annahme, daß die Versicherungsnehmerin alle unmittelbar aneinander grenzenden Gebäude hat versichern wollen. Die von dem Kläger aufbereitete Abrechnung würde aber da zu führen, daß das mittlere Lager-Gebäude (ohne Büro) des einheitlichen Lagerkomplexes unversichert geblieben wäre. Dies kann bei Vertragsschluß vernünftigerweise nicht dem Interesse der Versicherungsnehmerin entsprochen haben. Vielmehr ist davon auszugehen, daß alle Teile des Gebäudekomplexes für den Eintritt eines jeweils beschränkten Schadensfalles selbständig hatten versichert sein sollen. Bei dieser interessengerechten Sachlage ist aber auf der Grundlage der von der ... Feuerversicherung unverändert übernommenen Ausgestaltung der Versicherungssummen die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung nicht zu beanstanden. Wegen der Einheitlichkeit der Bauartklassen beider Lager-Gebäudeabschnitte war für den Agenten ... auch aus versicherungstechnischen Gründen eine trennende Neugestaltung der auf den Lagerkomplex insgesamt entfallenden Versicherungssumme nicht erforderlich.

16

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.