Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.07.2015, Az.: 14 K 111/14
Bestimmung des Betriebsgrößenmerkmals bei Einbringung eines Teilbetriebs mit Buchwerten in eine neu gegründete Gesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.07.2015
- Aktenzeichen
- 14 K 111/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 23153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2015:0730.14K111.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1c EStG
- § 52 Abs. 23 S. 5 EStG
Fundstellen
- EFG 2015, 1793-1795
- PFB 2015, 321
- PFB 2015, 324
- StuB 2016, 396-397
Amtlicher Leitsatz
Bestimmung des Betriebsgrößenmerkmals im Sinne des § 7g EStG 2009 bei Einbringung eines Teilbetriebs mit Buchwerten in eine neu gegründete Gesellschaft.
Tatbestand
Die Klägerin wurde mit Sozietätsvertrag vom 1. September 2009 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Gesellschafter der Klägerin waren die Steuerberater A und B.
Die Gesellschafter der Klägerin waren zuvor Gesellschafter der Sozietät A, C & Kollegen (Sozietät). Mit Gesellschafterbeschluss vom 29. September 2009 wurde der Austritt der Gesellschafter der Klägerin aus der Sozietät mit Wirkung zum 31. Oktober 2009 genehmigt. Gem. § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin wurden das bisher in der Steuerberaterabteilung der Sozietät befindliche Sachanlagevermögen, das sonstige Vermögen und der Mandantenstamm zum 1. November 2009 zu Buchwerten von der Klägerin übernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 1. September 2009 und den Gesellschafterbeschluss der Sozietät vom 29. September 2009 verwiesen.
Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Gegenüber dem Beklagten erklärte sie für 2009 festzustellende Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von ... EUR. Davon entfielen auf den Gesellschafter A ... EUR und auf den Gesellschafter B ... EUR. B hatte einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) gemäß § 7g EStG in Höhe von ... EUR für die Anschaffung eines Pkw mit voraussichtlichen Anschaffungskosten in Höhe von ... EUR als Sonderbetriebsausgaben abgezogen.
Der Beklagte folgte den Angaben über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 erklärungsgemäß. Der Bescheid stand gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte davon aus, dass die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG 2009 festgelegte Gewinngrenze in Höhe von 200.000 EUR unter Berücksichtigung des Gewinns der Klägerin in der Zeit von November und Dezember 2009 von ... EUR und Einbeziehung des Gewinns der Sozietät in der Zeit von Januar bis Oktober 2009 in Höhe von ... EUR überschritten sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Außenprüfung bei der Klägerin vom 19. Juli 2013 (...) verwiesen. Mit Änderungsbescheid vom 31. Juli 2013 stellte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen ohne Berücksichtigung des IAB fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihr habe es sich um eine Neugründung gehandelt. Daher dürfe bei der Bestimmung der Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c EStG i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG 2009 keine Zusammenrechnung des erzielten Gewinns mit dem der Sozietät erfolgen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gewinnanteil des Mitunternehmers B um den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG in Höhe von ... EUR zu mindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der IAB sei nicht zu berücksichtigen, weil die maßgebliche Gewinngrenze in Höhe von 200.000 EUR überschritten sei. Werde wie im Fall der Klägerin ein (Teil-)Betrieb im Laufe eines Wirtschaftsjahres zu Buchwerten übertragen, seien für die Bestimmung der Gewinngrenze des Betriebes nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c EStG der anteilige Gewinn oder Verlust des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers zusammenzufassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Investitionsabzugsbetrag ist nicht zu gewähren, weil die maßgebliche Gewinngrenze gem. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG 2009 in Höhe von 200.000 EUR überschritten ist.
1. Nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens bis zu 40 v.H. der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abgezogen werden (IAB).
a) Dieser Abzugsbetrag kann neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen, nach Satz 2 Ziffer 1 der Regelung nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet. Für das Streitjahr 2009 lag die Gewinngrenze ohne Berücksichtigung des IAB bei Betrieben, die wie der der Klägerin der selbständigen Arbeit dienen und die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, gem. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG 2009 bei 200.000 EUR. Für neu gegründete Betriebe galt die Gewinngrenze nicht (BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182 [BFH 25.04.2002 - IV R 30/00]).
b) Aus der gesetzlichen Maßgabe in § 7g Abs. 7 EStG, dass die Gesellschaft oder Gemeinschaft "an die Stelle des Steuerpflichtigen" tritt, folgt für die betriebsbezogene Betrachtung ferner, dass die Personengesellschaft oder Gemeinschaft für die Zwecke des § 7g EStG über einen einheitlichen Betrieb verfügt, der sowohl das gesamthänderisch gebundene Betriebsvermögen als auch das Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter oder Gemeinschafter umfasst.
2. Für die Bestimmung des Betriebsgrößenmerkmals nach Maßgabe des § 7g EStG 2009 sind die Gewinne der Sozietät und die der Klägerin zusammenzurechnen. Eine Neugründung der Klägerin im Sinne des § 7g EStG liegt nicht vor.
a) Die Einbringung des Teilbetriebs der Steuerberatungsabteilung der Sozietät in die Klägerin erfolgte unstreitig unter Ansatz der Buchwerte gemäß § 24 UmwStG 2006. Erfolgt eine Einbringung wie im Streitfall zum Buchwert, findet ein umfassender Eintritt in die Rechtsstellung des Einbringenden statt. Rechtsfolge des Buchwertansatzes bei der Klägerin als übernehmender Personengesellschaft ist nach §§ 24 Abs. 4, 23 Abs. 1 UmwStG 2006 eine entsprechende Geltung der §§ 4 Abs. 2 Satz 3 und 12 Absatz 3 Satz 1 UmwStG 2006. Für diesen Fall ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19. Mai 2010 I R 70/09, BFH/NV 2010, 2072 [BFH 19.05.2010 - I R 70/09]) wie im Falle des § 6 Abs. 3 EStG von einer unveränderten Betriebsfortführung auszugehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. März 2011 VIII R 28/08, BFHE 233, 434, BStBl II 2014, 299 [BFH 29.03.2011 - VIII R 28/08]; vgl. ferner BMF vom 20. November 2013 IV C 6-S 2139-b/07/10002, 2013/1044077, BStBl I 2013, 1493 Tz 14). Eine Divergenz zwischen den Senaten des BFH besteht insoweit nicht (vgl. die umfassende und vollständige Darstellung der hierzu vorliegenden Rechtsprechung, Literatur und Kommentierung im Vorlagebeschluss des BFH vom 22. August 2012 (X R 21/09, BFHE 238, 153, BStBl II 2014, 447 [BFH 22.08.2012 - X R 21/09]). Auf die vom X. Senat formulierte Vorlagefrage an den Großen Senat des BFH, ob eine Ansparabschreibung nach § 7g EStG in der bis zum Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 geltenden Fassung auch dann vorgenommen werden darf, wenn im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung beim Finanzamt bereits feststeht, dass der Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird, kommt es für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht an.
b) Der Senat schließt sich der Rechtsprechung an, wonach im Falle der Einbringung eines Teilbetriebs mit Buchwerten von einer unveränderten Betriebsfortführung auszugehen ist. Damit trat die Klägerin hinsichtlich des eingebrachten Teilbetriebs auch im Sinne der Voraussetzungen des § 7g EStG in die steuerliche Rechtsstellung der Sozietät ein, mit der Folge, dass nach dem BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 (a.a.O.) in diesem Fall nicht von einer Neugründung des Betriebes auszugehen ist, die eine Förderung durch einen neu gebildeten IAB unabhängig von dem Gewinn des vorangegangenen Betriebs - hier der Sozietät - rechtfertigen würde. Diese Rechtsprechung entspricht der Rechtsprechung des BFH zur Anwendung des Betriebsgrößenmerkmals in Fällen unentgeltlicher Betriebsübertragungen (BFH-Beschluss vom 28. August 2001 VIII B 54/01, BFH/NV 2002, 24), in der er den umfassenden Eintritt des Betriebsübernehmers in die steuerliche Rechtsposition des Übergebers sowie den Gesichtspunkt der unveränderten Fortführung des Betriebs betont (vgl. auch BFH Urteil 29. März 2011 VIII R 28/08, BFHE 233, 434, BStBl II 2014, 299 [BFH 29.03.2011 - VIII R 28/08]. Der anteilige Gewinn oder Verlust des Rechtsvorgängers und derjenige des Rechtsnachfolgers sind für die Prüfung der Gewinngrenze zusammen zu fassen (Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, § 7g Rdn. B 18; Handzik, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 7g Rdn. 33b). Diese Rechtsauffassung findet auch auf den IAB Anwendung (vgl. Vorlagebeschluss des BFH vom 22. August 2012 a.a.O.).
c) Die für die Überprüfung der Gewinngrenze zusammen zu rechnenden Gewinne aus dem Teilbetrieb der Sozietät mit dem der Klägerin ergibt einen Gesamtgewinn in Höhe von ... EUR. Da dieser Betrag die Grenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 c i.V.m. § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG 2009 von 200.000 EUR überschreitet, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des IAB nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.