Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.06.2019, Az.: 2 Ss (Owi) 154/19

Entscheidungserheblichkeit des Inhalts des Antrags für Beweiserhebung; Einholung Sachverständigengutachten nur bei konkretem Tatsachenvortrag; Bemessung der Einziehungshöhe anhand Schätzklausel

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.06.2019
Aktenzeichen
2 Ss (Owi) 154/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 60630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2019:0611.2SS.OWI154.19.00

Amtlicher Leitsatz

Bei der Prüfung der subjektiven Komponente des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG ist vorrangig auf das bei der Einziehungsbeteiligten vorhandene Vorstellungsbild abzustellen, wenn die Einziehungsbeteiligte Adressatin der Einziehungsanordnung ist und Gegenstand der Einziehung allein bei der Einziehungsbeteiligten entstandene Vorteile sind (Anschluss: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. März 2019 - 2 Rb 9 Ss 852/18 -, juris).

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten gegen das Urteil des Amtsgerichts wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG).

Die Einziehungsbeteiligte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen die Einziehungsbeteiligte durch Urteil vom 19. März 2019 die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 6.531,58 € angeordnet.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war die Einziehungsbeteiligte Beförderin und Frachtführerin eines am 01. März 2018 von dem Betroffenen M. durchgeführten Transportes, bei dem auf dem vom Betroffenen geführten Fahrzeuggespann insgesamt vier zweiachsige Sattelzugmaschinen von E. nach T. befördert wurden.

Für den Transport lag eine Ausnahmegenehmigung des Kreises M. 15. Februar 2018 vor, nach der die grundsätzliche Maximalhöhe der Ladung von 4 m ausnahmsweise bis max. 4,30 m überschritten werden durfte, sofern die durch die Ladung bedingte Überhöhe nicht durch eine Verschachtelung der Ladung entstand. Die zulässige Gesamthöhe von 4,00 m durfte nur insoweit überschritten werden, wie dies auch bei dem Transport eines Fahrzeugs, welches technisch so niedrig wie möglich geladen wurde, maximal notwendig wäre.

Im Rahmen einer Kontrolle auf der A7 stellte die Polizei fest, dass die Sattelzugmaschinen entgegen der Auflage verschachtelt aufgeladen waren. Die Überprüfung mittels eines geeichten Messinstruments der Genauigkeitsklasse III ergab, dass die höchste Stelle des Transportes eine Höhe von 4,3018 m aufwies. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Verschachtelung der vier Sattelzugmaschinen hat das Amtsgericht gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder Bl. 5 - 11 Bezug genommen.

Die getroffenen Feststellungen hat das Amtsgericht im Wesentlichen aufgrund der Angaben des Zeugen PK P. getroffen, dessen Angaben glaubhaft gewesen seien.

Der Fahrzeugführer, gegen den das Verfahren durch den Landkreis eingestellt wurde, habe sich des vorsätzlichen Nichtbefolgens von vollziehbaren Auflagen einer Ausnahmegenehmigung in Tateinheit mit Überschreitung der zulässigen Höhe der Ladung schuldig gemacht.

Die Einziehungsbeteiligte habe durch diese Tat den kompletten Transportlohn erlangt, der ausweislich einer per E-Mail erfolgten Mitteilung der Auftraggeberin des Transportes in einem Parallelverfahren vom 10. Juli 2018 1.814,33 € pro Sattelzugmaschine und damit 7.257,32 € insgesamt betrage. Von diesem Betrag hat das Amtsgericht 10 % aufgrund der in Polen niedrigeren Löhne in Abzug gebracht und daher den Einziehungsbetrag auf 6.531,58 € bemessen. Etwaige Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten seien aufgrund der vorsätzlichen Handlungsweise der Einziehungsbeteiligten nicht abzugsfähig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten, mit der sie mehrere Verfahrensrügen erhebt und die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1.

Zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist der Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden berufen (§ 80a Abs. 2 Satz 1 OWiG).

2.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Begründung der Rechtsbeschwerde weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Einziehungsbeteiligten auf.

Den auch gegenüber der Gegenerklärung des Verfahrensbevollmächtigten der Einziehungsbeteiligten vom 05.06.2019 zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 16.05.2019 tritt der Senat bei und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug.

3.

Der Erörterung bedarf darüber hinaus lediglich folgendes:

a) Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

aa) Die Rüge, mit der die Ablehnung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Unrichtigkeit der Messungen beanstandet wird, bleibt erfolglos. Es handelt sich bereits nicht um einen Beweisantrag i.S.d. §§ 244 Abs. 3 StPO, 77 Abs. 2 OWiG. Entscheidend für die Einordnung eines Antrags als Beweis- oder Beweisermittlungsantrag ist weder die Bezeichnung durch den Antragsteller noch die diesbezügliche Angabe im Hauptverhandlungsprotokoll. Maßstab für die rechtliche Beurteilung eines entsprechenden Antrags ist allein sein Inhalt. Um einen Beweisantrag handelt es sich nur dann, wenn er auf die Erhebung von Beweisen zu einer die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffenden Behauptung unter Benennung einer hinreichend bestimmten Beweistatsache gerichtet ist. Hieran fehlt es, wenn lediglich das Beweisziel angegeben ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 61. Auflage, Rd. 19 ff. mwN). So liegt der Fall hier. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens enthielt keine konkrete Tatsachenbehauptung, sondern zielte lediglich auf die Unrichtigkeit der Messung bzw. der erlangten Messergebnisse.

bb) Nachdem es sich aus den dargelegten Gründen lediglich um eine Beweisanregung handelte, der das Amtsgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO nachzugehen hatte, könnte die Ablehnung des Antrags nur mit einer zulässig erhobenen Aufklärungsrüge angegriffen werden. Eine solche, den Anforderungen von §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gerecht werdende Verfahrensrüge ist indes nicht erhoben, denn eine Aufklärungsrüge ist nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner muss bestimmt behauptet und konkret angegeben werden, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (Meyer-Goßner, aaO, Rd. 81 zu § 244 StPO).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht gerecht. Denn aus dem Rügevorbringen ergibt sich bereits nicht, welches konkrete Ergebnis von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erwarten gewesen wäre.

b) Die von der Einziehungsbeteiligten erhobene allgemeine Sachrüge deckt keinen sachlichrechtlichen Fehler des angefochtenen Urteils zu ihrem Nachteil auf.

a) Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen insbesondere die Annahme des vorsätzlichen Nichtbefolgens von vollziehbaren Auflagen einer Ausnahmegenehmigung in Tateinheit mit Überschreitung der zulässigen Höhe der Ladung durch den Fahrzeugführer.

Zwar weist die Rechtsbeschwerde zudem zutreffend darauf hin, dass sich den angefochtenen Urteilsgründen der sog. Referenzwert, d.h. die niedrigste Höhe, die bei der Beladung der Sattelzugmaschine technisch möglich gewesen wäre, nicht entnehmen lässt. Den Urteilsgründen ist indes in ihrer Gesamtheit hinreichend zu entnehmen, dass dieser Wert durch die Verschachtelung der Sattelzugmaschinen in jedem Fall überschritten wurde. Im Übrigen hat das Amtsgericht durch die wirksam erfolgte Bezugnahme die in der Akte befindlichen Lichtbilder des von dem Betroffenen geführten Fahrzeuggespanns zum Gegenstand der Urteilsgründe gemacht, so dass der Senat auf diese zugreifen kann. Bereits hierauf ist ohne jeden Zweifel zu erkennen, dass durch die Verschachtelung der Sattelzugmaschinen eine Ladungshöhe erreicht wurde, die die denkbar niedrigst mögliche Höhe eines der geladenen Fahrzeuge auf der niedrigsten Stelle des Transportfahrzeuges deutlich überschritt. Zutreffend stellt das Amtsgericht vor diesem Hintergrund fest, dass für den streitgegenständlichen Transport die gesetzlich zulässige Gesamthöhe lediglich 4m betrug, die im vorliegenden Fall eindeutig überschritten war. Vor diesem Hintergrund ist auch der in der Rechtsbeschwerdebegründung geltend gemachte Einwand, das Amtsgericht habe die Verkehrsfehlergrenze falsch berechnet, ohne Relevanz, denn auch nach den Berechnungen der Rechtsbeschwerdebegründung betrug die tatsächliche Ladungshöhe 4,2970m, so dass selbst im Falle der Zugrundelegung der Berechnung in der Rechtsbeschwerdebegründung eine Überschreitung der zulässigen Höhe der Ladung gegeben wäre.

b) Soweit die Einziehungsbeteiligte in der Rechtsbeschwerdebegründung sowie in ihrer Gegenerklärung unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle durchaus zutreffend darauf hinweist, dass bei der tatrichterlichen Festsetzung der Höhe der Einziehung ein Rückgriff auf die Schätzklausel des § 29a Abs. 4 Satz 1 OWiG erst in Betracht kommt, wenn der Wert des Erlangten nach Ausschöpfen aller Beweismittel, die ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten erlangt werden können, nicht genau zu bestimmen ist, wobei letzteres durch den Tatrichter näher darzulegen ist, steht außer Zweifel, dass diese Grundsätze auch im vorliegenden Fall Anwendung finden.

Indes verstößt das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht der Einziehungsbeteiligten hiergegen nicht, denn die Urteilsgründe legen dezidiert dar, dass die in einem Parallelverfahren eingeholte Auskunft des Auftraggebers der jeweiligen Transporte ergeben habe, dass die Auftraggeberin grundsätzlich 1814,33 € pro Sattelzugmaschine für die Strecke Eindhoven nach Lettland zahle. Da diese Auskunft ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe am 10. Juli 2018 erstattet wurde und damit in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der festgestellten Tatzeit der der Einziehungsentscheidung zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit stand und Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall eine andere Vergütung entrichtet worden wäre, weder vorgetragen noch ersichtlich waren, begegnet die Heranziehung der Auskunft als Bemessungsgrundlage für die Bestimmung des Umfangs und Wertes des Taterlangten keinen Bedenken.

Soweit die Rechtsbeschwerde schließlich geltend macht, das Amtsgericht sei sich des Umstandes, dass bei der Bestimmung des Wertes des Taterlangten die Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten bereits von Amts wegen zu berücksichtigen sind (§ 29a Abs. 3 OWiG), nicht bewusst gewesen, dringt auch dieser Einwand nicht durch. Das Amtsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei gem. § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG unter Hinweis auf die vorsätzliche Begehungsweise davon abgesehen etwaige Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Überladungsfahrt entstanden sein dürften, wie z.B. Benzinkosten, in Ansatz zu bringen. Entgegen dem Vortrag der Rechtsbeschwerde war sich das Amtsgericht insoweit im Übrigen nicht im Unklaren darüber, auf wen bei der Frage des Vorsatzes abzustellen war. Die Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen belegen vielmehr sowohl die Annahme einer Vorsatztat des Fahrers des Fahrzeuggespanns, als auch eine bewusste und willentliche Verstrickung der Einziehungsbeteiligten in die Überladungsfahrt. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, eine Einziehungsbeteiligte könne als juristische Person gar nicht vorsätzlich handeln, geht ersichtlich fehl, weil insoweit auf das Wissen der zum Zeitpunkt der Ausführung der Tat verantwortlichen Geschäftsführungsorgane abzustellen war, deren Kenntnisstand sich die Einziehungsbeteiligte zurechnen lassen muss (Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 17 Rn. 1118). Schließlich dringt auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, bei der Frage, ob wegen einer Vorsatztat geleistete Aufwendungen gem. § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG außer Betracht bleiben, komme es allein auf den Fahrer an, nicht durch. In Konstellationen, bei denen die Ein-ziehungsbeteiligte Adressatin der Einziehungsanordnung ist und Gegenstand der Einziehung allein bei der Einziehungsbeteiligten entstandene Vorteile sind, erscheint es vielmehr naheliegend, bei der Prüfung der subjektiven Komponente des Abzugsverbots nach § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG vorrangig auf das bei der Einziehungsbeteiligten vorhandene Vorstellungsbild abzustellen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. März 2019 - 2 Rb 9 Ss 852/18 -, juris).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V.m. 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.