Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.05.2007, Az.: 1 Ws 279/07

Statthaftes Rechtsmittel des Nebenklägers im Wiederaufnahmeverfahren gegen die Unterbrechung der Strafvollstreckung; Vergütung eines Pflichtverteidigers in einem Verfahren zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.05.2007
Aktenzeichen
1 Ws 279/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 38237
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2007:0530.1WS279.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 16.05.2007 - AZ: 3 AR 4/07

Fundstelle

  • StraFo 2007, 336 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Sexueller Missbrauch von Kindern
hier nur: Pflichtverteidigervergütung

Amtlicher Leitsatz

Dem Nebenkläger steht im Wiederaufnahmeverfahren kein Rechtsmittel gegen die

Unterbrechung der Strafvollstreckung zu.

In der Strafsache
...
hat die Strafkammer 46 - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Berlin
am 17. August 2007
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Erinnerung gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 02. März 2007 wird verworfen.

  2. 2.

    Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

  3. 3.

    Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Pflichtverteidigervergütung in einem Verfahren zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, bei dem der Untergebrachte extramural wohnhaft war.

2

Der Verurteilte ist seit dem 13. Juni 2000 untergebracht. Vom Krankenhaus des Maßregelvollzuges wurde er sodann im Wege von Vollzugslockerungen am 01. November 2005 in die so genannte "offene Unterbringung" überführt, nämlich in das "Privat-Hospital ... Straße", Psychiatrisches Pflegeheim, ... Straße ..., ... Berlin. In diesem privaten Pflegeheim wurde er von dem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. ... K..., ...damm ..., ... Berlin, betreut. Die medizinische Leiterin des Pflegeheimes, die Ärztin für Allgemeinmedizin ... M..., berichtet unter dem 03. Mai 2007 (Bl. 268 VH), dass der in der dortigen stationären Pflegeeinrichtung "wohnhafte" Verurteilte von Beginn an sehr autark war und seinen Tagesablauf und seine aushäusigen Aktivitäten selbst gestaltet hat und es Beschränkungen seitens der Heimleitung nicht gab.

3

Mit Verfügung vom 07. Juni 2006 (Bl. 221 VH) bestellte der Vorsitzende die Erinnerungsführerin zur Pflichtverteidigerin. Am 18. Dezember 2006 fand ein Anhörungstermin statt, an dem die Erinnerungsführerin teilnahm (Bl. 235 VH).

4

Mit Festsetzungsantrag vom 20. Januar 2007 (Bl. 244 VH) beantragte die Erinnerungsführerin neben der Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr auch eine Grundgebühr Nr. 4101 sowie alle drei Gebühren mit Zuschlag.

5

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02. März 2007 sprach die Rechtspflegerin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr nur ohne Zuschlag und die Grundgebühr gar nicht zu. Der Untergebrachte habe Mandantenbesuche bei der Verteidigerin absolvieren können. Zweck des Haftzuschlages sei es, die besonderen Erschwernisse des Verteidigers beim Kontakt mit dem Inhaftierten (Untergebrachten) abzugelten, sie seien daher nicht zu gewähren, wenn der Mandant den Verteidiger, gegebenenfalls nach Terminabsprache, aufsuchen könne.

6

Gegen den am 07. März 2007 übersandten Beschluss legte die Verteidigerin am 22. März 2007 Erinnerung ein (Bl. 261 VH). Die Grundgebühr und die Haftzuschläge seien entstanden. Die Maßregel sei noch nicht zur Bewährung ausgesetzt. Daher könne sich der Mandant trotz offener Unterbringung nicht frei bewegen. Sie habe den Verurteilten in der Unterbringungseinrichtung aufgesucht. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig.

7

Der Vorsitzende als nach der internen Geschäftsverteilung für Kostensachen zuständige Einzelrichter hat die Sache durch Verfügung vom 25. April 2007 (Bl. 266 VH) wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 33 Abs. 8 RVG auf die Kammer übertragen.

8

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.

9

Eine Grundgebühr steht der Erinnerungsführerin nicht zu, weil sich die Vergütung im Überprüfungsverfahren gemäß § 67e StGB nicht nach Nrn. 4100 ff., sondern nach Nrn. 4200 ff. des Vergütungsverzeichnisses des RVG bemisst (Kammergericht, Beschluss vom 31. Januar 2005, NStZ-RR 2005, 127; ebenso Kammergericht, Beschluss vom 29. September 2005, 5 Ws 485/05, Juris sowie Kammergericht, Beschluss vom 25. Oktober 2005, 5 Ws 528/05). Hierauf ist die Erinnerungsführerin bereits mehrfach aufmerksam gemacht worden.

10

Haftzuschläge (Gebühren Nr. 4201 bzw. 4203 gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 4 des Teiles 4 des Vergütungsverzeichnisses des RVG) stehen der Erinnerungsführerin ebenfalls nicht zu, denn im Sinne dieser Vorschrift befand sich der Verurteilte auf freiem Fuß.

11

Allerdings geht der Hinweis der Erinnerungsgegnerin auf den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 08. März 2006 (Juris und bei Burhoff) fehl. Dort handelte es sich um einen Strafgefangenen im offenen Vollzug, der nach Terminsabsprachen und entsprechenden Genehmigungen bei seinem Verteidiger erscheinen konnte. Hiergegen hat jedoch das Kammergericht (Beschluss vom 29. Juni 2006, 4 Ws 76/06 sowie Beschluss vom 05. Dezember 2006, 3 Ws 213/06) bereits entschieden, dass die vorgenannte Vorbemerkung mit ihrem klaren Wortlaut eine generelle, gerade nicht auf den Einzelfall bezogene, zwingende Regelung enthalte, die ohne Ausnahmen oder Einschränkungen ihrer Anwendung gelte, und es deshalb für die Entstehung des Anspruchs auf die Gebühr mit Zuschlag nicht darauf ankomme, ob im Einzelfall aufgrund der Inhaftierung Umstände gegeben seien, die zu konkreten Erschwernissen der Tätigkeit der Rechtsanwältin geführt haben. Dem ist zu folgen, wenn sich der Verurteilte grundsätzlich in einer Justizvollzugsanstalt oder im Krankenhaus des Maßregelvollzuges befindet. Eine Abgrenzung anhand des konkreten Lockerungsstatus im Einzelfall erscheint praktisch schwer möglich und ist vom Gesetz nicht vorgesehen.

12

Hier jedoch war der Untergebrachte gar nicht mehr im Krankenhaus des Maßregelvollzuges wohnhaft. Er hatte dort kein Zimmer mehr, sondern war vielmehr in einem externen, privaten Pflegeheim wohnhaft und dort zwar medizinisch und pflegerisch betreut, in seiner Bewegungsfreiheit jedoch nicht beschränkt. In einem solchen Fall kann nach Ansicht der Kammer im kostenrechtlichen Sinne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sich der Verurteilte "nicht auf freiem Fuß" befindet.

13

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 33 Abs. 9 i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG.

14

Die Zulassung der Beschwerde folgt aus § 33 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich daraus, dass im Maßregelvollzug Untergebrachte häufig vor ihrer formellen Entlassung auf Bewährung längere Zeit in einem betreuten Wohnen, also extramural und ohne unmittelbaren staatlichen Zugriff, aufhältlich sind.