Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.08.2014, Az.: 5 B 2809/14

Abgaswegeuntersuchung; Besitzer; Betretensrecht; Bezirksschornsteinfeger; Bevollmächtigter; Duldungsverfügung; Immissionsschutzmessung; Mieter

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
28.08.2014
Aktenzeichen
5 B 2809/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Rechtsgrundlage für eine ordnungsbehördliche Verfügung an den Mieter zur Duldung einer zwangsweise gebotenen Abgaswegeüberprüfung und Immissionsschutzmessung von Feuerungsanlagen durch den Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger sind §§ 25 Abs. 2 und 4, 13 und 1 Abs. 3 SchfHwG in entsprechender Anwendung. Eines Rückgriffs auf allgemeines Ordnungsrecht bedarf es nicht.

2. Wenn schon der vorrangig verpflichtete Eigentümer nach den genannten Vorschriften aufgrund eines sog. Zweitbescheides sofort vollziehbare Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung seiner Pflichten zu Überprüfungen nach u.a. § 1 Abs. 4 und Anlage 1 der Kehr und Überprüfungsordnung (KÜO) oder wiederkehrenden Messungen nach § 15 der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) der vom kontrollbefugtem Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger eingeschalteten zuständigen Ordnungsbehörde einschließlich des Zutritts zu den Feuerungsanlagen hinnehmen muss, gilt dies erst recht für den Besitzer seiner Feuerungsanlagen in einer vermieteten oder verpachteten Unterkunft.

Tenor:

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 225,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2014, mit dem diese ihr aufgegeben hat, am 03. September 2014 um 10.00 Uhr in ihrer Mietwohnung in Oldenburg die gesetzlich vorgeschriebene Abgaswegeüberprüfung und die gesetzlich vorgeschriebene Immissionsschutzmessung der Feuerungsanlage durch den (bereits vom Eigentümer eingeschalteten) Bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger XX vornehmen zu lassen und die gleichzeitige - mit Änderungsbescheid vom 27. August 2014 ergänzte - Androhung der Ersatzvornahme. Sie habe nicht willentlich die gesetzlich vorgeschrieben Schornsteinfegerarbeiten abgelehnt. Weder vom Bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger XX noch von der Antragsgegnerin habe sie zuvor Mitteilungen über die anstehenden Arbeiten erhalten.

Das sinngemäße Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs (richtigerweise einer noch zu erhebenden Klage, weil hier ein Widerspruchsverfahren entgegen der anderslautenden Rechtsbehelfsbelehrung nicht stattfindet, vgl. unten) gegen diesen Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. August 2014 anzuordnen, ist zwar statthaft, bleibt aber ohne Erfolg.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, weil der Widerspruch (richtigerweise: eine unmittelbar zu erhebende Klage) gegen die sinngemäße Duldungsverfügung nebst Androhung der Ersatzvornahme entsprechend § 25 Abs. 4 des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes - SchfHwG - in der Fassung vom 26. November 2008 (BGBl. I 2008, S. 2242), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05. Dezember 2012 (BGBl. I 2012, S. 2467), von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten würde; eine streitige Verfügung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz liegt bei verständiger Würdigung (dazu unten) nicht vor, so dass es einer Anordnung und Begründung der sofortigen Vollziehung nicht bedurfte.

Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer noch fristgerecht möglichen Klage anordnen, wenn dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Antragstellerin geboten ist. Insofern erfolgt eine Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufgrund einer Interessenabwägung, die sich grundsätzlich im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs orientiert. Lässt sich die Rechtmäßigkeit eines streitigen Verwaltungsakts nicht befriedigend klären, ist das öffentliche Vollzugsinteresse sorgfältig mit den privaten Belangen des Antragstellers abzuwägen. Danach bleibt der Antragstellerin der Erfolg versagt, weil die angefochtenen Bescheide nach der hier lediglich kursorisch möglichen Prüfung rechtmäßig sind und auch sonst die öffentlichen Belange am Sofortvollzug der Duldungsverfügung die privaten Belange der Antragstellerin überwiegen.

Rechtsgrundlage für die hier der Sache nach ausgesprochene Duldungsverfügung als Mieterin sind nicht die in dem Bescheid vom 16. Juli 2014 oder der Antragserwiderung in den Vordergrund gestellten Vorschriften, sondern §§ 25 Abs. 2 und 4, 13 und 1 Abs. 3 SchfHwG in entsprechender Anwendung, wie dem gebundenen Verwaltungsakt jedenfalls im Wege der Umdeutung (§ 47 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NdsVwVfG) entnommen werden kann. Wenn schon der vorrangig verpflichtete Eigentümer nach den genannten Vorschriften aufgrund eines sog. Zweitbescheides sofort vollziehbare Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung seiner Pflichten - zu Überprüfungen nach u.a. § 1 Abs. 4 und Anlage 1 der Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO) oder wiederkehrenden Messungen nach § 15 der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) - der vom kontrollbefugtem Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger eingeschalteten zuständigen Ordnungsbehörde einschließlich des Zutritts zu den Feuerungsanlagen hinnehmen muss, gilt dies erst recht für den Besitzer seiner Feuerungsanlagen. Eine ausdrückliche Regelung für Fälle wie diesen, in denen der Eigentümer seinen Überprüfungs- und Messpflichten nach § 1 Abs. 1 SchfHwG i.V.m. § 1 Abs. 4 und § 3 KÜO bzw. § 15 der 1. BImSchV gegenüber dem nach § 13 SchfHwG kontrollbefugten Bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger und der Ordnungsbehörde nachkommen möchte (er etwa entsprechend den Vorgaben des Feuerstättenbescheides fristgemäß einen Schornsteinfegerbetrieb beauftragt hat), die Durchführung der Überprüfungs- und Messarbeiten aber an der fehlenden Mitwirkung des Mieters der Wohnung als Besitzer der Feuerungsanlagen unterbleibt, findet sich in den einschlägigen Vorschriften nicht. Weil im Interesse des effektiven Schutzes vor schädlichen Immissionen durch Kleinfeuerungsanlagen nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber ein anderes Vorgehen vorgesehen hat als in den Fällen, in denen der Eigentümer die Feuerungsanlagen unmittelbar besitzt, bietet sich die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften als Grundlage für eine Duldungsverfügung gegen den Besitzer an.

Deren Voraussetzungen liegen hier auch unstreitig vor. Insbesondere ist es dem Eigentümer der Feuerungsanlage (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben - BIMA) in der von der Antragstellerin gemieteten Wohnung nicht gelungen, binnen der im Feuerstättenbescheid genannten Fristen die von ihm geschuldete Einhaltung von Überprüfungen und Messungen gegenüber dem nach § 13 SchfHwG kontrollbefugten Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger nachzuweisen bzw. die Arbeiten von ihm durchführen zu lassen. Damit lagen die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG zum Erlass eines Zweitbescheides grundsätzlich vor, der neue Fristen zur Durchführung der geschuldeten Schornsteinfegerarbeiten setzt und die Androhung der Ersatzvornahme durch den Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger enthalten soll. § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG verpflichtet bei solchen Kontrolltätigkeiten i.S.v. § 13 SchfHwG neben dem Eigentümer auch den Besitzer von Räumen, dem Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger Zutritt zur Feuerungsanlage zu verschaffen. Eines solchen Zweitbescheides an die BIMA bedurfte es hier indessen nicht, weil auch sie gerade gewillt ist, ihren Überprüfungs- und Messpflichten mit Hilfe des von ihm ausgewählten Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger XX nachzukommen; er wäre unverhältnismäßig. Einwendungen gegen Art, Umfang oder Zeitpunkt der Pflichten hat die BIMA nicht ansatzweise erhoben. Dies hat auch die Antragstellerin im hiesigen Verfahren nicht getan und könnte dies im Übrigen auch nicht, weil sie als Besitzerin der Feuerungsanlagen insoweit weder Rechte noch Pflichten aus den schornsteinfegerrechtlichen Vorschriften hat. Sie verkennt in diesem Zusammenhang ferner, dass die Durchführung der geschuldeten Überprüfungs- und Messarbeiten nicht mit irgendwelchen Versäumnissen ihrerseits zu tun hat. Schützenswerte Belange als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft über die Feuerungsanlagen hat sie ebenso wenig unterbreitet.

Die der Sache nach angeordnete Duldung der von der BIMA geschuldeten (und zu bezahlenden) Schornsteinfegerarbeiten, notfalls durch Ersatzvornahme am 3. September 2014, erweist sich auch deshalb als verhältnismäßig, weil die Antragsgegnerin es ihr gleichzeitig anheimgestellt hat, binnen etwa sechs Wochen ggf. einen anderen, ihr besser passenden Termin mit dem Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger XX abzustimmen. Noch in der Antragserwiderung weist sie großzügig darauf hin, auf sämtliche Verwaltungsgebühren zu verzichten, falls die Antragstellerin zuvor die Arbeiten einvernehmlich durchführen lässt. Auf eine solche unmittelbare Abstimmung hatte auch das Gericht bereits in seiner Eingangsverfügung vom 18. August 2014 hingewiesen und angeraten, auf diesem Weg eine streitige Entscheidung zu vermeiden. Bedauerlicherweise kam das amtliche Schreiben mit dem Vermerk „Briefkasten überfüllt‘ zurück, so dass sie hiervon offenbar keine Kenntnis genommen hat. Es fällt aber in ihren Verantwortungsbereich, dafür zu sorgen, dass sie amtliche Schriftstücke und Benachrichtigungen auch erreichen, zumal sie unter geltend gemachter Dringlichkeit um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachgesucht hatte.

Auch die Androhung der Ersatzvornahme ist der Sache nach rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht richtigerweise auf §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 26 SchfHwG, die den genannten §§ 66 und 70 Nds. SOG entsprechen, aber als Spezialvorschriften vorgehen. Die formellen Voraussetzungen für die angedrohte Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme liegen vor. Der Bescheid vom 16. Juli 2014 ist vollstreckbar, zumal auch das Gericht keinen Grund sieht, den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug auszusetzen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin - wenn auch erst im Ergänzungsbescheid - die voraussichtlichen Kosten für die Ersatzvornahme mit vorläufig geschätzten 450,-- Euro nachvollziehbar angegeben. Die Ersatzvornahme als Zwangsmittel ist gesetzlich vorgegeben und auch nicht unverhältnismäßig. Sie erscheint vielmehr als das einzige angemessene und zumutbare Mittel zur Durchsetzung der im öffentlichen Interesse zur Gefahrenabwehr notwendigen Pflichten. Auch die der Antragstellerin gesetzte Frist von mehr als 6 Wochen zur Ermöglichung und Duldung der genannten Schornsteinfegerarbeiten ist nicht unangemessen.

Bei der im Übrigen gebotenen Interessenabwägung deuten bereits die Konzeption und die gesetzgeberische Risikobewertung aus §§ 25 Abs. 2 und 4, 13 und 1 Abs. 3 SchfHwG auf den Vorrang eines schnellen und konsequenten behördlichen Handelns hin. Demgegenüber vermochte die Antragstellerin keine gewichtigen inhaltlichen Belange zu benennen, die für eine Aussetzung der Maßnahmen sprechen. Nach wie vor steht es ihr frei, in der verbleibenden Zeit mit terminlichen Wünschen an die Antragsgegnerin oder den Bevollmächtigen Bezirksschornsteinfeger XX heranzutreten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO).