Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 26.04.1994, Az.: 2 B 856/94

Folgen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis; Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung in Form der Aufenthaltserlaubnis; Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen; Vorliegen einer tatsächlichen Verbundenheit zwischen Ehegatten ; Schutzgedanke des Art. 6 Abs. 1 GG ; Notwendigkeit einer leitenden Angestellten, der Generalvollmacht oder Prokura erteilt ist

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
26.04.1994
Aktenzeichen
2 B 856/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 17927
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:1994:0426.2B856.94.0A

Fundstelle

  • InfAuslR 1994, 264 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs

Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Prozessführer

1. Frau ...
vertreten durch die Mutter ...

2. Herr ...
vertreten durch die Mutter ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

Prozessgegner

Landkreis Stade,
vertreten durch den Oberkreisdirektor,

Redaktioneller Leitsatz

Von einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 AuslG kann nur ausgegangen werden, wenn außer dem formalen rechtlichen Band der Ehe auch eine tatsächliche Verbundenheit zwischen den Ehegatten besteht und in einem überschaubaren Zeitraum wiederhergestellt wird.

In der Verwaltungsrechtssache
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Stade
am 26. April 1994
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung sowie gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vom 6. Dezember 1993 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

  2. 2.

    Der Streitwert wird auf 6.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis sowie gegen eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.

2

Die 1962 geborene Antragstellerin zu 1. besitzt wie ihr 14-jähriger Sohn, Antragsteller zu 2., die tschechische Staatsangehörigkeit.

3

Die Antragstellerin zu 1. ist seit dem 3. Februar 1992 bei der H. Firma ... und 5 ... (... & Co.) GmbH, einem Speditions- und Umschlagsunternehmen tätig; im August 1993 erzielte sie ein Brutto-Einkommen von ca. 3.000,- DM.

4

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 1994 meldete ihr Arbeitgeber die Erteilung von Prokura an die Antragstellerin zu 1. zur Eintragung in das Handelsregister an.

5

Laut Auskunft des Amtsgerichts H. - Handelsregister - ist die Prüfung zur Eintragung ins Handelsregister mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, daß einer Eintragung nichts im Wege steht.

6

Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 14. Mai 1989 beantragte die Antragstellerin zu 1. zunächst die Anerkennung als Asylberechtigte, was ihr mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. November 1989 versagt wurde.

7

Am 21.9.1990 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen ... mit dem sie zunächst in H. zusammenlebte. Daraufhin erteilte die Stadt H. der Antragstellerin zu 1. am 27.9.1990 eine bis zum 26.9.1993 befristete Aufenthaltserlaubnis. Vom Arbeitsamt H. erhielt die Antragstellerin am 8. Oktober 1990 eine bis zum 7. Oktober 1995 befristete Arbeitserlaubnis nach § 19 AFG.

8

Dem Antragsteller zu 2. wurde am 24.8.1992 eine bis zum 26.10.1993 befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt.

9

Am 1.8.1993 zog die Antragstellerin zu 1. mit dem Antragsteller zu 2. ohne ihren Ehemann nach H., von dem sie seitdem getrennt lebt und der das Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht H. betreibt.

10

Unter dem 7.9.1993 beantragte die Antragstellerin zu 1. beim Antragsgegner, die Aufenthaltserlaubnis unbefristet zu verlängern.

11

Mit Schriftsatz vom 10. November 1993 gab der Antragsgegner der Antragstellerin Gelegenheit, zu der beabsichtigten Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit gleichzeitiger Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Stellung zu nehmen, woraufhin die Antragstellerin zu 1. ein Schreiben ihres Arbeitgebers vorlegte, in dem dieser angab, daß die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit der Antragstellerin zu 1. für das Unternehmen von großer Bedeutung sei. Man befürchte mit einem Ausscheiden der Antragstellerin zu 1. den Zusammenbruch eines von der Antragstellerin zu 1. betreuten Geschäftszweiges sowie einen Verlust weiterer Arbeitsplätze.

12

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1993 lehnte der Antragsgegner die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für die Antragsteller ab und förderte sie zugleich zur Ausreise binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung auf. Für den Fall, daß die Ausreise nicht freiwillig erfolgt, wurde die Abschiebung angedroht. Ferner wurde bezüglich der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung die sofortige Vollziehung angeordnet.

13

Dagegen erhoben die Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30. Dezember 1993 Widerspruch, der sich ausdrücklich auch gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung richtete; über diesen Widerspruch wurde bislang noch nicht entschieden.

14

Zugleich beantragten die Antragsteller gemäß § 80 Abs. 4 VwGO bei der Antragsgegnerin, "hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung" die aufschiebende Wirkung herzustellen.

15

Hinsichtlich dieses Antrages teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Schriftsatz vom 7. März 1994 ohne nähere Begründung mit, daß die Vollziehung der Verfügung vom 6. Dezember 1993 nicht ausgesetzt wird.

16

Mit einem am 7. April 1994 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz haben die Antragsteller um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

17

Sie vertreten den Standpunkt, daß der Antragsgegner den Wirkungsbereich von Art. 6 Abs. 1 GG verkenne. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinen Entscheidungen die umfassende Aufgabe des Staates definiert, auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch die öffentlich-rechtliche Gewalt zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Grundsätzlich folge daraus, daß sich die öffentlich-rechtliche Gewalt an dem Ob der Ehe - mithin also an dem Bestand derselben - zu orientieren habe, nicht aber dem Wie, das heißt an dem Getrenntleben. Nicht umsonst habe der Gesetzgeber bei der Eherechtsreform im Jahre 1991 das Trennungsjahr zum Diktum für die Zulässigkeit der Ehescheidung gemacht, auch und gerade in der Erwartung, daß die Ehegatten ihre Entscheidung, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht fortsetzen zu Wollen, reflektieren. Das Getrenntleben beende jedenfalls deshalb nicht schon die Grundrechtsverbürgung des Familienschutzes.

18

Die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis stelle sich deshalb als eine rechtswidrige Maßnahme dar, weil sie als einfachrechtliche Verwaltungsmaßnahme nach dem Ausländergesetz in die Bestandsschutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG eingreife.

19

Darüber hinaus habe der Antragsgegner ermessensfehlerhaft entschieden, da er seine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über den Aufenthalt nicht im Lichte der arbeitserlaubnisfreien Tätigkeit nach der AEVO und unter Berücksichtigung von § 8 AAV getroffen habe. Bei ordnungsgemäßer Tätigkeit sei der Antragsgegner verpflichtet gewesen, den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 AAV der Bezirksregierung vorzulegen, was erkennbar nicht geschehen sei. Dem Antragsgegner sei bekannt, daß dem Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1. für die Arbeitsstelle der Antragstellerin zu 1. kein stellungsloser Deutscher oder ihm gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer nominiert werden könne, da ein Arbeitsloser mit den erforderlichen Qualifikationen nicht zur Verfügung stehe.

20

Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30.12.1993 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6.12.1993 anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

21

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, daß die Antragstellerin zu 1. durch das Getrenntleben von ihrem Ehemann die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 2 AuslG nicht gegeben seien. Daran ändere sich auch dadurch nichts, daß die Antragstellerin zu 1. zu einer Scheidung nicht bereit sei. Ferner müsse die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 8 Arbeitsaufenthaltsverordnung nicht in Betracht, da von der obersten Landesbehörde oder von der von ihr bestimmten Stelle jeweils im Benehmen mit dem Landesarbeitsamt keine Feststellungen dahingehend getroffen seien, daß ein besonderes öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse die Beschäftigung der Antragstellerin zu 1. erfordere. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Voraussetzungen für eine solche Feststellung erfüllt seien. Aus seiner Sicht sei weder ein regionales noch ein arbeitsmarktpolitisches Interesse an der langjährigen Beschäftigung der Antragstellerin zu 1. im Bundesgebiet noch ein wirtschaftliches öffentliches Interesse an ihrer Weiterbeschäftigung bei der Firma ... und ... festzustellen. Soweit sich durch das Ausscheiden der Antragstellerin aus der Firma Personalprobleme ergeben sollten, seien diese rein privatlicher Natur. Besondere öffentliche Interessen i.S. des § 8 AAV seien damit nicht angesprochen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

24

II.

1.)

Der Antrag ist zulässig und begründet.

25

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die - in diesem Fall gemäß § 72 Abs. 1 AuslG entfallende - aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen den Antragsteller belastenden Verwaltungsakt anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt.

26

Bei einer Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Maßnahme gegen das Interesse der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur Entscheidung in der Hauptsache abzuwägen. Für diese Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von Bedeutung.

27

Ergeben sich bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme, kann es nicht im öffentlichen Interesse liegen, sie zu vollziehen.

28

Im vorliegenden Fall läßt sich aufgrund der summarischen Prüfung bereits eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis feststellen. Nach dem derzeitigen Sachstand ergeben sich insofern Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 6.12.1993 als der Bescheid hinsichtlich der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis keine Ausführungen zu § 7 Abs. 1 AuslG enthält und insbesondere den Anforderungen von § 10 AuslG i.V.m. § 6 AAV nicht gerecht wird.

29

Nach § 7 Abs. 1 AuslG kann Ausländern, die in das Bundesgebiet einreisen oder sich im Bundesgebiet aufhalten wollen, auf Antrag eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, soweit kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung besteht. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragstellerin zu 1. auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung in Form der Aufenthaltserlaubnis richten sich nach den §§ 13 Abs. 1, 23 Abs. 2, 3 AuslG, 19 Abs. 1 AuslG. Dabei kann die Antragstellerin zu 1. § 23 Abs. 2 S. 2 AuslG nicht für sich in Anspruch nehmen, da die familiäre Lebensgemeinschaft seit dem Auszug der Antragstellerin zu 1. aus der ehelichen Wohnung und der daran anschließenden Trennung über mehrere Monate hinweg keinen Bestand hat. Darüber hinaus hat die Antragstellerin zu 1. auch keinen Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Gemäß §§ 23 Abs. 3, 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ist die Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter der Voraussetzung zu verlängern, daß die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens vier Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Ferner wird die Aufenthaltserlaubnis nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Von einer ehelichen Lebensgemeinschaft i.S. dieser Vorschrift kann nur ausgegangen werden, wenn außer dem formalen rechtlichen Band der Ehe auch eine tatsächliche - regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommende - Verbundenheit zwischen den Ehegatten besteht und in einem überschaubaren Zeitraum wiederhergestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Mai 1987, NJW 1988, 626 [BVerfG 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83]). Eine tatsächliche Verbundenheit der Antragstellerin zu 1. mit ihrem Ehemann kann in diesem Sinne nach der nunmehr seit 9 Monaten andauernden Trennung der häuslichen Gemeinschaft nicht mehr angenommen werden, so daß die eheliche Lebensgemeinschaft hier aufgehoben ist. Dennoch sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AuslG nicht erfüllt, denn die eheliche Lebensgemeinschaft der Eheleute im Bundesgebiet hat von der Heirat der Antragstellerin zu 1. am 21. September 1990 bis zur Trennung Anfang August 1993 angedauert, jedoch nicht wie gefordert mindestens vier bzw. drei Jahre.

30

Liegen die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 AuslG somit nicht vor, kommt ein Rechtsanspruch der Antragstellerin zu 1. auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG bereits aus diesem Grund nicht in Betracht (VGH Mannheim, Urt. v. 6.5.1991 - NVwZ-RR 91, 430).

31

Wie sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG ergibt, wird die Aufenthaltserlaubnis, falls die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegen, als eigenständiges unabhängiges Aufenthaltsrecht nur für ein Jahr verlängert. Erst nach dieser einjährigen Verlängerung kommt die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in Betracht, solange die Voraussetzungen für die unbefristete Verlängerung nicht vorliegen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG).

32

Daraus folgt, daß zunächst die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 AuslG für eine Umwandlung des zweckgebundenen, akzessorischen Aufenthaltsrechts in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht vorliegen müssen, bevor eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Betracht kommt. Andernfalls würden die Voraussetzungen, von denen § 19 Abs. 1 AuslG den Rechtsanspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft abhängig macht, leerlaufen.

33

Darüber hinaus scheitert die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 AuslG daran, daß die Antragstellerin zu 1. nicht wie in § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG festgelegt seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Da § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG auch im Rahmen von § 25 Abs. 3 S. 2 AuslG i.V.m. § 25 Abs. 2 AuslG zu beachten ist, muß auch eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 S. 2 AuslG ausscheiden.

34

Wenn damit auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis derzeit nicht gegeben ist, stellt sich jedoch die Frage, ob die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 1 AuslG Aussicht auf Erteilung einer nach pflichtgemäßem Ermessen zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis hat. Zu § 7 Abs. 1 AuslG bzw. zu daran anschließenden Ermessenserwägungen des Antragsgegners finden sich jedoch im Bescheid vom 6.12.1993 keine Ausführungen, so daß es nicht ausgeschlossen erscheint, daß der Bescheid wegen einer insoweit nicht erfolgten Ermessensausübung ermessensfehlerhaft ist.

35

Ob der Bescheid vom 6. Dezember 1993 diesbezüglich letztlich an einem solchen Ermessensfehler leidet (vgl. dazu OVG NRW, Beschl. v. 28.5.1991, DVBl. 1991, S. 1098; Hessischer VGH, Beschl. v. 12.8.1991, ZAR 1991, S. 1989; OVG Saar-Louis, Beschl. v. 6. August 1991, InfoAuslR 1992, S. 10; VGH Baden-Württemberg, InfoAuslR 1993, S. 62), kann im vorliegenden Verfahren ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage, ob der Schutzgedanke des Art. 6 Abs. 1 GG bei einer ggfs. nach § 7 Abs. 1 AuslG zu treffenden Ermessensentscheidung maßgeblich zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen ist, denn der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung nicht in ausreichendem Maße eine mögliche Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 10 Abs. 2 AuslG i.V.m. § 6 Abs. 1 AAV in Betracht gezogen. Nach § 6 AAV kann einem Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilt werden, für er keiner Arbeitserlaubnis bedarf. Gemäß § 9 Nr. 1 AEVO bedürfen u.a. leitende Angestellte, denen Generalvollmacht oder Prokura erteilt ist, keiner Arbeitserlaubnis.

36

Der Antragstellerin zu 1. ist mittels ausdrücklicher Erklärung gemäß § 48 HGB Prokura erteilt worden. Die diesbezügliche Eintragung in das Handelsregister ist rein deklaratorischer Natur (vgl. Baumbauch-Duden-Hopt, Kommentar zum HGB, § 53 Rndr. 1). Ob die Antragstellerin zu 1. letztlich aufgrund ihrer Tätigkeit eindeutig als leitende Angestellte, die unternehmerische Funktionen ausübt und unternehmerische Teilaufgaben wahrnimmt, bezeichnet werden kann, kann im vorliegenden Verfahren angesichts der summarischen Prüfung beim derzeitigen Sachstand nicht in vollem Umfang überprüft werden. Jedenfalls spricht aufgrund der vorliegenden Informationen überwiegendes dafür, daß die Antragstellerin zu 1. bei ihrem Arbeitgeber zumindest, was die Abwicklung der In- und Exportsendungen eines großen Spediteurs aus Tschechien angeht, maßgebliche Leitungsfunktionen innerhalb des Betriebsablaufs einnimmt. Den Schilderungen des Arbeitgebers ist zu entnehmen, daß die Antragstellerin zu 1. eine berufliche Position einnimmt, die den üblichen Umfang einer kaufmännischen Angestelltentätigkeit übersteigt.

37

Mithin bedarf die Antragstellerin zu 1. nach dem derzeitigen Verfahrensstand gemäß § 9 AEVO nicht der Arbeitserlaubnis, so daß nach § 6 AAV die Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über die Gewährung einer Aufenthaltsgenehmigung eröffnet ist. Diese Ermessensausübung wird auch nicht durch § 6 Abs. 2 Nr. 3 AAV ausgeschlossen, da die Antragstellerin nach der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auskunft des Arbeitgebers unbefristet beschäftigt ist.

38

Eine diesbezügliche Ermessensausübung ist jedoch weder dem Bescheid des Antragsgegners vom 6. Dezember 1993 zu entnehmen noch ist sonstwie erkennbar, daß eine solche Ermessensausübung durch den Antragsgegner erfolgt ist. Daraus folgt, daß die Entscheidung vom 6. Dezember 1993 bereits wegen Nichtausübung des durch § 6 AAV eingeräumten Ermessens ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig ist. Aus diesem Grund konnte die Kammer dahingestellt sein lassen, ob der Antragsgegner darüber hinaus auch die Anforderungen des § 8 AAV in hinausreichendem Maße beachtet hat.

39

Wenngleich dem Antragsgegner einzuräumen ist, daß die Erteilung von Prokura erst nach Erlaß des fraglichen Bescheides erfolgte, so ist doch festzuhalten, daß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung heranzuziehen ist, denn wenn, wie hier, die Widerspruchsentscheidung noch aussteht, hat das Gericht im Aussetzungsverfahren Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 9. Februar 1993, NVwZ-RR 1993, S. 437 (439) [OVG Schleswig-Holstein 09.02.1993 - 4 M 146/92]).

40

Im übrigen ist auch zu bedenken, daß bezüglich der Überprüfung von Ermessensentscheidungen im Hauptsacheverfahren regelmäßig auf den Zeitpunkt eines hier noch zu erlassenen Widerspruchsbescheides abzustellen ist.

41

Insgesamt war daher zunächst die gemäß § 72 Abs. 1 AuslG entfallende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen. Da im vorliegenden Fall mehrere komplexe Rechtsfragen in weiteren Verwaltungsverfahren eine Rolle spielen, sieht die Kammer davon ab, die aufschiebende Wirkung auf den Abschluß des Widerspruchsverfahrens zu befristen. Vielmehr wirkt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 1 VwGO bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des angefochtenen Bescheides vom 6. Dezember 1993 (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.10.1987 - BVerwG 1 C 1985 -, Buchholz 402.24, § 7 Nr. 27).

42

Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung gegenstandslos, denn unabhängig von der Frage, ob mit der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG wiederhergestellt wird (strittig vgl. dazu Gemeinschaftskommentar AuslR § 69 Rdnr. 55 m.w.N.), ist jedenfalls die Vollziehbarkeit einer etwaigen Ausreisepflicht gemäß § 42 AuslG entfallen. Demnach war bezüglich der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung des erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen.

43

Da die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für den Antragsteller zu 2. sowie die ihn betreffende Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung von der rechtlichen Situation der Antragstellerin zu 1. abhängig ist, war bezüglich des Antragstellers zu 2. gleichfalls die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Bei der Festsetzung des Streitwertes nach § 13 Abs. 1, 20 Abs. 1 GKG war für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von einem für das Hauptsacheverfahren zugrunde liegenden Wert von 8.000,- DM für die Antragstellerin zu 1. und für den Antragsteller zu 2. von einem Betrag von 4.000,- DM auszugehen, der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jeweils auf die Hälfte zu reduzieren war.

Der Streitwert wird auf 6.000,- DM festgesetzt.

Dr. von Kunowski
Dr. Pfitzner
Wermes