Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.08.1990, Az.: 18 UF 57/90
Unterhaltsabänderungsklage nach § 323 ZPO; Berechnung der Höhe einer Unterhaltsverpflichtung unter Berücksichtigung des für Halbgeschwister gezahlten Kindergeldes; Selbstbehalt im Mangelfall; Kindergeldausgleichsanspruch der Ehefrau
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.08.1990
- Aktenzeichen
- 18 UF 57/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 10607
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0814.18UF57.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cuxhaven - 15.02.1990 - AZ: 5 F 130/89
Fundstellen
- FamRZ 1991, 853-855 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1992, 324-326 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Abänderung eines Unterhaltstitels
In dem Rechtsstreit
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.
den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht K.
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das am 15.02.1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Cuxhaven teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
- 1.
Die von dem Kläger zu Urkunde des Stadtjugendamts Cuxhaven vom 20.02.1989 (Register-Nr. 42/89) zugunsten des Beklagten anerkannte Unterhaltszahlungsverpflichtung wird für den Zeitraum ab 15.09.1989 dahin abgeändert, daß der Kläger an den Beklagten für die Zeit vom 15.09.1989 bis zum 31.12.1989 monatlich je 294,00 DM, für die Zeit vom 01.01.1990 bis zum 30.06.1990 monatlich je 304,00 DM und ab 01.07.1990 monatlich je 309,00 DM an Unterhalt zu zahlen hat.
- 2.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- II.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger 65 % und dem Beklagten 35 % zur Last. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 95 % und der Beklagte zu 5 % zu tragen.
- III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten sowie der ab 15.09.1989 über einen Betrag von monatlich je 215,00 DM hinausgehenden Unterhaltsforderungen des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.300,00 DM zuzüglich weiterer je 94,00 DM monatlich ab September 1990 abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150,00 DM abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Beide Parteien können die Sicherheit auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbefristeten, unbedingten und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank leisten.
- IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 07.12.1976 geborene Beklagte ist der Sohn des Klägers aus dessen erster, geschiedener Ehe. Er lebt bei seiner Mutter. Der Kläger ist wieder verheiratet. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Aus seiner jetzigen Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, nämlich der im Jahre 1981 geborene Sohn O. die im Jahre 1985 geborenen Zwillinge D. und N. und der im Jahre 1989 geborene Sohn C..
Der Kläger hat am 20.02.1989 zu Urkunde des Stadtjugendamts Cuxhaven (Register-Nr. 42/89) anerkannt, dem Beklagten einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 360,00 DM ab 01.01.1989 zu schulden. Im Hinblick darauf, daß nach dem vorgenannten Anerkenntnis am 13.06.1989 das vierte Kind des Klägers aus seiner jetzigen Ehe geboren worden war, hat der Kläger den Beklagten auf Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, daß er jedenfalls ab 15.09.1989 (Datum der Zustellung des Klageantrags) dem Beklagten keinen höheren Unterhalt als monatlich 215,00 DM schulde und dieses wie folgt begründet:
Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen betrage, was für das Jahr 1989 zwischen den Parteien unstreitig ist, 2.060,00 DM; nach pauschalem Abzug von 5 % berufsbedingter Aufwendungen (103,00 DM) verblieben 1.957,00 DM; hinzuzurechnen sei die Hälfte des Kindergeldes, das er, der Kläger, sowohl für den Beklagten als auch für die vier Kinder aus seiner jetzigen Ehe mit insgesamt 850,00 DM erhalte, so daß von einem anrechenbaren monatlichen Einkommen von (1.957,00 DM + 425,00 DM =) 2.382,00 DM auszugehen sei. Der weitere Kindergeldanteil von 425,00 DM stehe seiner jetzigen Ehefrau zu und sei daher bei der Unterhaltsberechnung für den Beklagten außer Ansatz zu lassen. Unter Berücksichtigung des ihm zu belassenden Selbstbehalts von monatlich 1.100,00 DM stehe daher für den Unterhalt seiner jetzigen Ehefrau sowie der fünf Kinder ein Betrag von insgesamt 1.282,00 DM monatlich zur Verfügung. Dieser Betrag reiche nicht aus, um den Unterhaltsbedarf aller sechs Unterhaltsberechtigten zu decken und sei daher verhältnismäßig auf die Unterhaltsberechtigten zu verteilen. Der Gesamtbedarf aller Unterhaltsberechtigter belaufe sich auf 2.147,00 DM (Ehefrau: 730,00 DM; Beklagter: 360,00 DM; O. 304,00 DM; D. N. und C. je 251,00 DM). Der Beklagte könne daher als Unterhalt monatlich nur 59,71 % des (Grund-)Tabellensatzes von 360,00 DM, also rund 215,00 DM an monatlichem Unterhalt verlangen.
Der Kläger, der zunächst mit seiner Klageschrift den Antrag angekündigt hatte, seine zu Urkunde des Stadtjugendamts Cuxhaven mit monatlich 360,00 DM anerkannte Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 170,00 DM herabzusetzen, hat sodann beantragt,
seine Unterhaltsverpflichtung ab 15.09.1989
auf monatlich 215,00 DM herabzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der Kläger unter Berücksichtigung des ihm gezahlten Kindergeldes wirtschaftlich in der Lage sei, jedenfalls den Mindestbedarf des Beklagten mit monatlich 360,00 DM zu decken.
Das Amtsgericht hat der Klage im Umfange des zuletzt gestellten Antrags stattgegeben. Es hat die dem Kläger zufließenden Kindergeldbeträge bei seiner Berechnung mit der Begründung unberücksichtigt gelassen, daß für die Einbeziehung des Kindergeldes in einen unterhaltsrechtlichen Ausgleichsanspruch ein rechtfertigender Grund fehle. Es ist dementsprechend davon ausgegangen, daß zur Deckung des Unterhaltsbedarfs aller sechs Unterhaltsberechtigten, deren Gesamtbedarf es wie der Kläger mit 2.147,00 DM angesetzt hat, nur die Differenz zwischen dem anrechenbaren Erwerbseinkommen von 1.957,00 DM und dem Selbstbehaltsbetrag von 1.100,00 DM (= 857,00 DM) zur Verfügung stehe, wobei auf den Beklagten lediglich ein Anteil von monatlich 170,00 DM entfalle. Nur im Hinblick auf den eingeschränkten Antrag des Klägers sei daher die von ihm in der Urkunde des Stadtjugendamts Cuxhaven vom 20.02.1989 anerkannte Unterhaltsverpflichtung im Ergebnis auf monatlich 215,00 DM herabzusetzen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung wendet sich der Beklagte dagegen, daß ihm für die Zeit vom 15.09.1989 bis zum 30.06.1990 monatlich weniger als 307,00 DM und für die Zeit ab 01.07.1990 weniger als monatlich 309,00 DM zugesprochen worden sind. Er begründet dieses wie folgt:
Neben dem (anrechenbaren) Arbeitseinkommen des Klägers in Höhe von mindestens 1.957,00 DM monatlich beziehe der Kläger 850,00 DM (ab 01.07.1990: 880,00 DM) an Kindergeld für ihn, den Beklagten, und die vier Kinder aus der jetzigen Ehe. Von diesem Kindergeld stehe seiner - des Beklagten - Mutter ein Betrag von monatlich 25,00 DM vorab zu, so daß ein Betrag von 825,00 DM auf seiten des Klägers als - weiteres - Einkommen für den Unterhalt aller sechs Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehe; das seien insgesamt 2.782,00 DM; ab Januar müsse der Kläger, was unstreitig ist, wegen der Änderung des Einkommensteuergesetzes weder Lohn- noch Kirchensteuer zahlen und habe daher nunmehr ein höheres Einkommen als im Jahr 1989. Bei einem Gesamtbedarf aller Unterhaltsberechtigten von 2.147,00 DM entfalle daher auf ihn - den Beklagten - ein Betrag von 282,00 DM und ab 01.07.1990 wegen des auf 130,00 DM monatlich erhöhten Zweitkindergeldes ein Betrag von 284,00 DM monatlich; hinzuzurechnen sei noch der seiner Mutter zustehende Kindergeldanteil von monatlich 25,00 DM.
Der Beklagte beantragt demzufolge,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit der Kläger begehrt, die Urkunde
des Stadtjugendamts Cuxhaven vom 20.02.1989 (Register-Nr. 42/89) dahingehend abzuändern, daß er dem Beklagten ab 15.09.1989 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von weniger als 307,00 DM und ab 01.07.1990 von weniger als 309,00 DM zu zahlen hat.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise:
im Falle einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, daß die Sicherheit auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, einer öffentlichen Sparkasse oder Volksbank geleistet werden kann.
Er schließt sich der Auffassung des Beklagten insoweit an, als diesem ein Teilbetrag in Höhe von monatlich 25,00 DM als anteiliges Kindergeld vorab zuzukommen habe. Im übrigen wiederholt er seine in erster Instanz vertretene Auffassung, daß von dem verbleibenden Kindergeld in Höhe von 825,00 DM die Hälfte seiner jetzigen Ehefrau zustehe, so daß der Beklagte monatlich nur einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 215,00 DM + 25,00 DM anteiliges Kindergeld = 240,00 DM habe.
Im übrigen verweist der Kläger darauf, daß er für den Kauf eines Personenwagens im März 1989 rund 1 Jahr lang Zins- und Tilgungsbeträge an die Commerzbank Cuxhaven zu zahlen hatte, wobei der Kredit jedoch mit eigenen Mitteln und mit Hilfe eines - vorerst - zins- und tilgungsfreien Kredits seiner Mutter im März 1990 abgelöst worden sei. Obwohl sein Arbeitsplatz nur ca. 3 km von seiner Wohnung entfernt liege, sei die Anschaffung notwendig, vor allem um die Haushaltsführung für die 6-köpfige Familie zu erleichtern.
Der Beklagte hält die Anschaffung des Pkws für unterhaltsrechtlich nicht relevant.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten führt weitgehend zum Erfolg, während sie im übrigen unbegründet ist.
1.
Grundlage für das Verfahren ist § 323 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hatte sich in einer nach §§ 49 Abs. 1 Ziff. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 JWG aufgenommenen Urkunde zu Unterhaltszahlungen für den Beklagten, seinem ehelichen Sohn aus erster Ehe, verpflichtet. Dieser Schuldtitel unterliegt gemäß § 323 Abs. 4 ZPO der Abänderung unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu BGH in FamRZ 1989, 173; vgl. ferner BGH in FamRZ 1984, 997, 998 f). Eine Abänderung des Schuldtitels vom 20.02.1989 kommt daher dann in Betracht, wenn sich eine Änderung der im damaligen Schuldtitel zugrundegelegten Verhältnisse ergibt; im Hinblick darauf, daß der Absatz 2 des § 323 ZPO auf Schuldtitel der vorliegenden Art. keine Anwendung findet (vgl. dazu BGH in FamRZ 1984, 997, 998), kann eine Abänderungsklage auch darauf gestützt werden, daß die dem Schuldtitel zugrundegelegten Verhältnisse schon damals nicht den Tatsachen entsprochen haben. - Auf die Frage, ob Absatz 3 des § 323 ZPO bei der Abänderung eines Schuldtitels der vorliegenden Art. Anwendung finden kann (vgl. dazu BGH-GSZ - in FamRZ 1983, 23, 24), braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil der Kläger Abänderung erst vom Zeitpunkt der Zustellung der Klage an begehrt.
2.
a)
Grundlage für die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Klägers ist sein Einkommen. Dieses betrug im Jahre 1989 unstreitig rund 2.060,00 DM netto im Monatsdurchschnitt. Im Jahre 1990 wird dieses durchschnittliche Nettoeinkommen deswegen höher ausfallen, weil der Kläger bei Steuerklasse 111/4,5 nunmehr keine Lohn- und Kirchensteuern zu zahlen hat. Sein regelmäßiges monatliches Bruttoeinkommen beläuft sich auf 2.526,00 DM; außerdem werden ihm 600,00 DM Weihnachtsgeld gezahlt. Das sind 30.912,00 DM brutto im Jahr. Hierauf hat er an Sozialversicherungsbeiträgen (Höhe des Krankenversicherungsbeitrags: 12,9 %: 2 = 6,45 %) insgesamt 17,95 % des Bruttoeinkommens = 5.548,72 DM zu zahlen, so daß 25.363,28 DM netto im Jahr verbleiben; das sind im Monatsdurchschnitt rund 2.114,00 DM.
b)
Setzt man hierfür an berufsbedingten Aufwendungen pauschal rund 5 % ab, verbleibt für das Jahr 1989 ein anrechenbares Nettoeinkommen von 1.957,00 DM und für 1990 ein solches von 2.008,00 DM.
c)
Belastungen für den Ankauf eines Wagens können hiervon nicht in Abzug gebracht werden. Die Entfernung zwischen der Arbeitsstelle des Klägers und seiner Wohnung beträgt rund 3 km. Im übrigen liegt zwar auf der Hand, daß für die Ehefrau des Klägers die Haushaltsführung, insbesondere der Einkauf von Lebensmitteln, dadurch erheblich erleichtert wird, daß sie angesichts der Sorge für ein achtjähriges, zwei dreijährige und ein einjähriges Kind bei Benutzung eines Fahrzeugs erheblich mobiler ist; angesichts der beengten Verhältnisse insbesondere auch bei dem Beklagten kann dieses jedoch nicht zu unterhaltsbezogenen Einschränkungen führen.
3.
a)
Der Unterhaltsbedarf des am 07.12.1976 geborenen, jetzt 14 Jahre alten Beklagten kann angesichts der Höhe der Einkünfte des Klägers einerseits und der Zahl der Unterhaltsberechtigten andererseits nur mit dem sich aus § 1610 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. der Regelunterhaltsverordnung ergebenden Mindestsatz von monatlich 360,00 DM angenommen werden.
b)
aa)
Hinzu kommt ein Betrag von monatlich 25,00 DM, den der Kläger im Rahmen des Kindergeldausgleichs zu zahlen hat. Der Kläger erhält das Kindergeld für die vier Kinder aus seiner jetzigen Ehe und dem Beklagten in Höhe von monatlich bisher 850,00 DM (ab Juli 1990: 880,00 DM). Der auf den Beklagten entfallende Kindergeldanteil ist zwischen seiner Mutter, die ihn tatsächlich versorgt, und dem Kläger, der für den Beklagten Barunterhaltszahlungen zu erbringen hat, im Hinblick auf § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hälftig auszugleichen (BGH in FamRZ 1978, 177 ff.; 1981, 541, 543). Dabei kann der Ausgleich ungeachtet dessen, daß nicht die Kinder, sondern ihre Eltern hinsichtlich des Kindergeldes ausgleichsberechtigt sind, in der Weise erfolgen, daß ein Abschlag bzw. (wie hier) ein Zuschlag zu dem zu zahlenden Kindesunterhalt erfolgt (BGH in FamRZ 1981, 347, 349; vgl. auch BGH in FamRZ 1982, 887, 889; 1988, 834).
bb)
Wird Kindergeld für mehrere Kinder gezahlt, ist es zwar grundsätzlich gleichmäßig nach Kopfteilen allen Kindern zuzurechnen (BGH in FamRZ 1981, 541, 542). Das gilt jedoch nur bei Vollgeschwistern. Soweit sich das einem Elternteil gezahlte Kindergeld dadurch erhöht, daß bei der Festsetzung der Höhe nicht gemeinsame Kinder berücksichtigt werden, hat ein sich hieraus ergebender sogenannter Zählkindvorteil beim Ausgleich des Kindergelds unberücksichtigt zu bleiben (BGH in FamRZ 1981, 26, 27 f.). Im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Mutter des Beklagten ist daher (unabhängig davon, daß im vorliegenden Fall der Beklagte ohnedies das älteste Kind des Klägers ist, nur das für ein Kind zu zahlende Kindergeld in Höhe von monatlich 50,00 DM zu berücksichtigen und - wie dargelegt, hälftig - auszugleichen.
4.
a)
Der Kläger kann jedoch bei der Höhe seiner Einkünfte und bei Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche der im Verhältnis zum Beklagten gemäß § 1609 Abs. 2 BGB gleichrangigen weiteren Unterhaltsberechtigten, nämlich seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern aus der jetzigen Ehe, nicht einmal den oben genannten Unterhaltsmindestsatz von monatlich 360,00 DM zahlen, ohne den eigenen Unterhalt auch unter Berücksichtigung seiner auf § 1603 Abs. 2 BGB beruhenden erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber den anderen minderjährigen Kindern zu gefährden. Setzt man den ihm für den eigenen Unterhalt monatlich zu belassenden Betrag (sogenannter Selbstbehalt) im Hinblick auf § 1603 Abs. 2 BGB mit monatlich 1.100,00 DM an, verbleiben für den Unterhalt aller sechs Unterhaltsberechtigten bis zum 31.12.1989 von dem Arbeitseinkommen des Klägers monatlich nur 857,00 DM und für die Zeit ab Januar 1990 monatlich nur 908,00 DM übrig. Berücksichtigt man ferner neben dem Bedarfssatz für den Beklagten in Höhe von monatlich 360,00 DM die in gleicher Weise berechneten Mindestbedarfssätze für den Sohn O. (304,00 DM) sowie für D. N. und C. von je 251,00 DM monatlich, ergäbe das bereits einen Gesamtunterhaltsbedarf von 1.417,00 DM; hinzu kommt noch der Unterhaltsbedarf der Ehefrau des Klägers. Das für den Unterhalt zur Verfügung stehende Einkommen ist daher nach Quoten auf alle Unterhaltsberechtigten zu verteilen (d. h. zu kürzen).
b)
In einem solchen "Mangelfall" ist jedoch nicht nur das nach Abzug des Selbstbehalts verbleibende Arbeitseinkommen des Klägers, sondern auch das ihm zustehende Kindergeld bei der Bewertung seiner Leistungsfähigkeit bis hin zur Deckung der Mindestunterhalts-Bedarfssätze aller Unterhaltsberechtigten mit einzubeziehen (BGH in FamRZ 1988, 604, 606). Dabei kann jedoch nicht das gesamte, dem Kläger zufließende Kindergeld als ihm zustehend bewertet werden.
aa)
Von der Gesamtkindergeldzahlung in Höhe von monatlich 850,00 DM (ab Juli 1990: 880,00 DM) sind zunächst die 25,00 DM abzuziehen, die der Kläger vorab zum Zwecke des Kindergeldausgleichs gegenüber der Mutter des Beklagten an diesen auszukehren hat (vgl. oben 3. b)).
bb)
Zu berücksichtigen war weiter, daß auch die Ehefrau des Klägers - ebenso wie die Mutter des Beklagten - im Hinblick auf ihre tatsächlichen Versorgungsleistungen für ihre vier Kinder einen Kindergeldausgleichsanspruch hat. Dabei war - entsprechend der Darlegung oben zu Ziff. 3 b) unter Ausschluß des Zählkindvorteils von einem Kindergeld auszugehen, das für die vier Kinder des Klägers aus seiner jetzigen Ehe ohne Berücksichtigung des Beklagten gezahlt werden würde. Das sind bis Juni 1990 (50,00 DM + 100,00 DM + 220,00 DM +240,00 DM =) 610,00 DM und ab Juli 1990 wegen der Erhöhung des Zweitkindergeldes auf 130,00 DM nunmehr insgesamt 640,00 DM. Auch für die Ehefrau des Klägers gilt der Grundsatz des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, so daß ihr als Kindergeld-Ausgleichsanspruch monatlich 305,00 DM (ab Juli 1990: 320,00 DM) zustehen.
cc)
Für den Kläger verbleibt danach von dem ihm gezahlten Kindergeld ein Monatsbetrag von (850,00 DM ./. 25,00 DM ./. 305,00 DM =) 520,00 DM bzw. ab Juli 1990 ein Betrag von (880,00 DM ./. 25,00 DM ./. 320,00 DM =) 535,00 DM. Diese Beträge sind bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Klägers wie sonstiges Einkommen der allgemeinen Verfügungsmasse zuzuschlagen.
c)
Für Unterhaltszahlungen stehen dem Kläger danach zur Verfügung:
aa)
für die Zeit vom 15.09.1989 bis zum 31.12.1989:
1.957,00 DM + 520,00 DM Kindergeld = 2.477,00 DM ./. Selbstbehalt von 1.100,00 DM = 1.377,00 DM;
bb)
für die Monate Januar bis Juni 1990:
2.008,00 DM + 520,00 DM Kindergeld = 2.528,00 DM ./. Selbstbehalt von 1.100,00 DM = 1.428,00 DM;
cc)
ab Juli 1990:
2.008,00 DM + 535,00 DM Kindergeld = 2.543,00 DM ./. Selbstbehalt von 1.100,00 DM = 1.443,00 DM.
5.
Diese Beträge sind verhältnismäßig auf alle sechs Unterhaltsberechtigten zu verteilen. Zur Feststellung der auf jeden Unterhaltsberechtigten entfallenden Quote sind auf selten der fünf Kinder die Mindestbedarfssätze gemäß § 1610 Abs. 3 Satz 2 BGB einzusetzen (vgl. dazu BGH in FamRZ 1990, 266); bezüglich der Ehefrau des Klägers erscheint es angemessen, einen entsprechend höheren Vergleichs-Bedarfssatz in die Berechnung einzustellen, den der Senat mit etwa 2/3 des dem Kläger zu belassenden Selbstbehalts von 1.100,00 DM, also mit rund 730,00 DM monatlich bemißt. Zu berücksichtigen war hier jedoch ferner, daß nach der zuvor aufgestellten Berechnung des Kindergeldausgleichs der Ehefrau ein Kindergeldanteil von monatlich 305,00 DM (ab Juli 1990: monatlich 320,00 DM) vorab zusteht; im Hinblick darauf, daß es sich hier um einen Mangelfall handelt, muß dieser Anspruch bei der Verteilung der "Verfügungsmasse" bedarfsmindernd auf selten der Ehefrau des Klägers berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats ist daher bei ihr als "Einsatzbetrag" für die Bemessung der jedem Unterhaltsberechtigten zustehenden Quote nur der Differenzbetrag zwischen dem "Grund-Einsatzbetrag" von 730,00 DM und dem ihr zustehenden Kindergeld-Ausgleichsanspruch einzusetzen.
Danach ist der dem Beklagten zustehende Unterhaltsbetrag wie folgt zu errechnen:
a) 15.09.1989-31.12.1989: | |
---|---|
Verfügungsmasse: | 1.377,00 DM; |
Bedarf aller Berechtigten: | 1.842,00 DM |
(Ehefrau: 730,00 DM ./. 305,00 DM = 425,00 DM; Kläger: 360,00 DM; O. 304,00 DM; D. N. und C. je 251,00 DM); | |
Unterhaltsanspruch des Beklagten: | |
360,00 DM × 1.377,00 DM: 1.842,00 DM = rund 269,00 DM + 25,00 DM Kindergeldanteil = | 294,00 DM; |
b) 01.01.1990-30.06.1990: | |
---|---|
Verfügungsmasse: | 1.428,00 DM; |
Bedarf aller Unterhaltsberechtigten (wie zuvor): | 1.842,00 DM; |
Unterhaltsanspruch des Beklagten: | |
360,00 DM × 1.428,00 DM: 1.842,00 DM = rund 279,00 DM + 25,00 DM Kinderanteil = | 304,00 DM; |
c) ab Juli 1990: | |
---|---|
Verfügungsmasse: | 1.443,00 DM; |
Bedarf aller Unterhaltsberechtigten: | 1.827,00 DM |
(bei der Ehefrau sind nunmehr nur 730,00 DM ./. 320,00 DM Kindergeld-Ausgleichsanspruch = 410,00 DM einzusetzen); | |
Unterhaltsanspruch des Beklagten: | |
360,00 DM × 1.443,00 DM: 1.827,00 DM = rund 284,00 DM + 25,00 DM Kindergeldanteil = | 309,00 DM. |
6.
Nach dieser Rechnung stehen den vier Kindern des Klägers aus der jetzigen Ehe ebenfalls nur - der Kürzung des Unterhaltsanspruchs des Beklagten entsprechend - gekürzte Bedarfssätze, der Ehefrau des Klägers Monatsbeträge von 623,00 DM bzw. 634,00 DM in den ersten sechs Monaten des Jahres 1990 und 644,00 DM monatlich ab Juli 1990 zu. Dieses Ergebnis steht nach Auffassung des Senats mit den dem Beklagten zugesprochenen Beträgen in einem angemessenen Verhältnis (vgl. dazu BGH in FamRZ 1981, 539, 541; 1986, 783, 786; 1990, 266, 268) [BGH 26.04.1989 - IVb ZR 64/88]. Im übrigen erscheint die Herabsetzung des Unterhalts für den Beklagten von monatlich 360,00 DM, die der Kläger in der Jugendamtsurkunde vom 20.02.1989 anerkannt hat, auch deswegen als angemessen, weil die Geburt des vierten Kindes des Klägers aus seiner jetzigen Ehe, die zu seinem Abänderungsbegehren geführt hat, bei einer Unterhalts-Mehrbelastung in Höhe des Mindest-Tabellensatzes von 251,00 DM andererseits zu einer zusätzlichen Kindergeldzahlung in Höhe von monatlich 240,00 DM geführt hat.
7.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, in welcher Weise Kindergeldzahlungen für Kinder aus verschiedenen Ehen bei gleichzeitiger Unterhaltsberechtigung der zweiten Ehefrau des Unterhaltsverpflichteten in sogenannten Mängelfällen zu berücksichtigen sind, hat der Senat gemäß §§ 621 e Abs. 2 Satz 1, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen.