Landgericht Göttingen
Urt. v. 08.03.2018, Az.: 5 KLs 53 Js 899/14 (14/16)
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 08.03.2018
- Aktenzeichen
- 5 KLs 53 Js 899/14 (14/16)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74568
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Ein Inhaltsverzeichnis befindet sich am Entscheidungsende.
Tenor:
Die Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Die Staatskasse ist verpflichtet, die Angeklagte für die am 27. März 2014 durchgeführte Durchsuchung der Kanzleiräume zu entschädigen.
Gründe
Die Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, sie ist hinsichtlich des Anklagevorwurfes nicht überführt.
A. Anklagevorwurf
Mit Strafbefehl vom 28. Juli 2016 hat die Staatsanwaltschaft Göttingen der Angeklagten zu Last gelegt, aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses mit dem gesondert Verfolgten ... (im Folgenden: C...) - ihrem Ehemann - unter dem Briefkopf ihrer Rechtsanwaltskanzlei im Namen angeblicher Mandanten eine Vielzahl von Firmen für die elektronische Übersendung von unerwünschter Werbung abgemahnt zu haben, obwohl ein Mandatsverhältnis tatsächlich nicht bestanden habe.
Hierzu habe der gesondert Verfolgte C... im Namen der Angeklagten zunächst sogenannte „Dispute-Einträge“ bei der DENIC eG veranlasst, um an Domainnamen zu gelangen. So habe er - ohne von den Zeugen ... hierzu beauftragt worden zu sein - die Freigabe der Domains „f.de“ und „e.de“ beantragt, was dadurch möglich geworden sei, dass die Zeugen zuvor jeweils im Zusammenhang mit einem anderen Mandat der Kanzlei ihre Personalausweise zur Verfügung gestellt hätten, welche der gesondert Verfolgte C... bei der DENIC eG vorgelegt habe. Überdies habe er bei der DENIC eG unter anderem die Domains „b.de“, „e.de“, „k.de“ und „k.de“ beantragt, welche er ebenfalls auf real existierende Personen angemeldet habe, ohne hierzu beauftragt worden zu sein und deren Wohnsitz er fälschlicherweise mit ..., ... und später ... angegeben habe.
Nach dem Zuspruch einer Domain habe der gesondert Verfolgte C... - angeblich im Auftrag der Domaininhaber - Abmahnungen an verschiedene Firmen verfasst, die auf eben eine solche Domain unerwünschte Werbung wie Newsletter oder Infobriefe versandt hätten.
Die Angeklagte habe die Abmahnschreiben anschließend unterzeichnet, um sich damit eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Wie von der Angeklagten beabsichtigt, hätten die angeschriebenen Firmen überwiegend strafbewährte Unterlassungserklärungen abgegeben und - in der Annahme, dass die Gebühren tatsächlich angefallen seien - Abmahngebühren in Höhe von insgesamt 6.493,09 € auf das Konto der Rechtsanwaltskanzlei bei der Sparkasse ... überwiesen.
Die Angeklagte habe sich dadurch wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 20 Fällen gemäß §§ 263 Abs. 1 und Abs. 3, 25 Abs. 2, 53 StGB strafbar gemacht.
B. Feststellungen
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
...
II. Feststellungen zur Sache
1. Vorgeschichte
Die Angeklagte, die in ihrer Rechtsanwaltskanzlei in ... als Einzelanwältin tätig war, bearbeitete zu Beginn der Kanzleigründung zunächst ausschließlich sozialrechtliche Mandate. Im Rahmen der Entwicklung des Geschäftsfeldes der Kanzlei kam es schließlich dazu, dass zu dem Bereich der Bearbeitung sozialrechtlicher Mandate auch Mandanten im Internet akquiriert wurden. Im Jahr 2005 bearbeitete die Angeklagte erstmals ein Mandat aus dem Bereich des Urheberrechts. Ausgehend hiervon erweiterte sich die Kanzleitätigkeit inhaltlich u.a. in diesem Bereich und in den Bereichen der unerwünschten E-Mail-Werbung sowie Domainstreitigkeiten immer mehr, wobei maßgeblich hierfür deren Internetpräsenz war.
Der gesondert Verfolgte C... unterstützte die Angeklagte beim Aufbau ihrer Kanzlei, insbesondere hinsichtlich der Buchführung und der Erstellung und Pflege der Internetpräsenz. Daneben war er zunächst als Mitarbeiter der Straßensozialarbeit in ... tätig und sodann der „A. K. e. V.“. In der Folgezeit übernahm er weitere Tätigkeiten in der Kanzlei der Angeklagten und arbeitete jedenfalls ab 2009 auch inhaltlich bei der Bearbeitung von Mandaten mit. Er hatte zwar das erste juristische Staatsexamen bestanden, darüber hinaus aber keinen weiteren juristischen Abschluss erlangt, insbesondere verfügte er auch nicht über eine Zulassung als Rechtsanwalt.
Die Tätigkeit des gesondert Verfolgten C... stellte sich im Tatzeitraum zwischen Juli 2011 und Oktober 2013 so dar, dass er in ganztägiger Arbeit in einem Büroraum in der Kanzlei der Angeklagten in den im Rahmen der Kanzleientwicklung gerade durch die Internetpräsenz der Kanzlei immer weiter erschlossenen Bereichen Filesharing, Domainrecht, Urheberrecht und sonstige Abmahnangelegenheiten, wie auch dem Bereich der unerlaubten Werbung, tätig war.
Dabei entwickelte sich der Bereich der Mandate, die Filesharing betrafen, also die Weitergabe von Dateien zwischen Benutzern des Internets (etwa Musikdownloads), in den Fallzahlen zu einem Bearbeitungsschwerpunkt. In diesem Bereich und im Bereich der Abmahnung unerwünscht erhaltener E-Mail-Werbung bestand der Kern der Tätigkeit darin, Schreiben nach Textbausteinen zu erstellen bzw. für den Bereich der Abmahnschreiben ebenfalls vorhandene Textbausteine inhaltlich an den jeweiligen Mandanten und die Daten der unerwünscht übersandten E-Mail anzupassen.
Im Zuge seiner Tätigkeit führte der gesondert Verfolgte C... auch Telefonate mit Mandanten und fertigte Entwürfe für außergerichtliche Schriftsätze an oder ließ sie nach seinen Vorgaben von Kanzleikräften - insbesondere den Zeuginnen ... und ... - anfertigen. Die vorbereiteten Entwürfe anwaltlicher Schriftsätze wurden stets der Angeklagten zugeleitet und die Unterschriften durch sie selbst geleistet. Soweit Rechtsstreitigkeiten in das gerichtliche Verfahren übergingen, wurden diese von der Angeklagten betreut.
In den Bereichen Filesharing und auch sonstigen Abmahnangelegenheiten erfolgte eine Mandatsanbahnung regelmäßig dergestalt, dass sich Rechtssuchende über ein elektronisch auf der Internetseite der Kanzlei zur Verfügung gestelltes Kontaktformular an die Kanzlei der Angeklagten wenden konnten. Mitarbeiter der Kanzlei setzten sich daraufhin mit dem jeweils Anfragenden in Verbindung und ließen sich im Falle einer Mandatierung eine entsprechende Vollmacht für die Kanzlei der Angeklagten erteilen, wobei die Angeklagte in diese Mandatsanbahnung nicht involviert war.
Auf Grundlage dieser allgemeinen Kanzleiorganisation, im Rahmen derer die „massenhafte“ Bearbeitung von standardisierten Verfahren - insbesondere durch die Internetakquise von Mandaten - einen erheblichen Umfang eingenommen hatte, bearbeitete die Kanzlei der Angeklagten im Jahr 2011 insgesamt 1.954 Vorgänge, von denen 1.510 die Bereiche betrafen in denen der C... mitwirkte, im Jahr 2012 insgesamt 1.561 Vorgänge, von denen 1.155 in dessen Mitwirkungsbereich fielen und im Jahr 2013 insgesamt 1.065 Vorgänge, von denen 826 diese Bereiche betrafen, wobei der weitaus größte Anteil der Vorgänge aus dem Bereich Filesharing stammte.
2. Erlangung von Domains
Ab dem Frühjahr 2009 veranlasste der gesondert Verfolgte C... die Stellung mehrerer Anträge auf Vornahme sogenannter Dispute-Einträge bei der DENIC eG.
Diese verwaltet als zentrale Registrierungsstelle alle Domains mit der Länderkennung „.de“. Zum Zwecke der Rüge der Verletzung eigener Marken- oder Namensrechte durch eine .de-Domain mit dem Ziel der Freigabe und Erlangung bzw. Übertragung der Domain, besteht die Möglichkeit bei der DENIC eG einen Antrag auf Vornahme eines Dispute-Eintrages zu stellen. Im Falle einer Domainlöschung durch den gegenwärtigen Inhaber wird die Person, die den Dispute-Eintrag hat vornehmen lassen, neuer Domaininhaber. Für diese Anträge stellt die DENIC eG Formulare zur Verfügung. In diese (einseitigen) Formulare, die auch in elektronischer Form ausgefüllt werden können, ist die Domain einzutragen, der Name und die Adressdaten der Person zugunsten derer der Eintrag erfolgen soll und ggf. ein administrativer Ansprechpartner. Zudem ist eine Kopie des Personalausweises der einzutragenden Person zu übersenden.
Im Einzelnen wurden auf Veranlassung des gesondert Verfolgten C... für die Domains „e.de“, „b.de“, „f.de“, „k.de“, „s.de“ und „k.de“ derartige Dispute-Einträge bewirkt und schließlich auch eine Übertragung der Domains erreicht. Der gesondert Verfolgte C... verlinkte sodann die erlangten Domains (als Subdomains) auf die Domain „n.de“, auf die er selbst Zugriff hatte. Hierdurch war es ihm möglich, die auf den erlangten Domains eingehenden E-Mails direkt zu empfangen.
Die in den Anträgen angegebenen Antragstellerdaten stammten - bis auf die Domain „s.de“ - von real existierenden Personen, die jedoch keinen Auftrag zur Domainsicherung erteilt und hiervon auch keinerlei Kenntnis hatten. Auch hinsichtlich der Domain „s.de“ lag keine Auftragserteilung vor.
In den Formularen für die Beantragung der Dispute-Einträge wurden auf Veranlassung des gesondert Verfolgten C... unzutreffende Wohnsitzangaben gemacht und zwar entweder die Anschrift „...“ in ...- einem Mehrparteienhaus, welches im Eigentum des gesondert Verfolgten C... steht - oder „...“, wo sich die Anlaufstelle des Projekts „K. e. V.“ (mit der Möglichkeit einer dortigen Wohnsitznahme für Obdachlose) befindet, für das der gesondert Verfolgte C... vormals gearbeitet hatte.
Die Personaldaten und die zur Antragstellung erforderlichen Kopien der Personalausweise hatte der gesondert Verfolgte C... entweder aufgrund einer vormaligen tatsächlichen Mandatierung der Kanzlei in anderweitigen Rechtsangelegenheiten (so bzgl. der Daten der Zeugen ...) oder über seine Tätigkeit bei der Anlaufstelle „K. e. V.“ (so bzgl. der Daten der Zeugen ...) oder auf andere, nicht näher zu klärende Wege (Zeuge ...) erlangt.
Die vorzunehmenden Eintragungen in den Anträgen an die DENIC eG wurden durch die Kanzleimitarbeiterinnen auf Anweisung des gesondert Verfolgten C... erledigt, diesem sodann vorgelegt und im Anschluss - jedenfalls in einigen Fällen - von der Angeklagten unterzeichnet, die jedoch keine Kenntnis davon hatte, dass den Dispute-Einträgen keine entsprechenden Mandatsverhältnisse zugrunde lagen.
3. Tatvorwürfe im engeren Sinne
a.) Organisatorischer Ablauf der Bearbeitung der Abmahnmandate
Ausgehend von auf diesem Wege empfangenen E-Mails betreffend die vorgenannten Domains wurden bei Eingang von Werbemails, Newslettern oder Infobriefen von diversen Firmen im angeblichen Auftrag der Domaininhaber anwaltliche Abmahnschreiben versandt, in denen anwaltliche Gebühren als Schadenersatz geltend gemacht wurden, wobei in den verfahrensgegenständlichen Fällen auch jeweils eine Zahlung erfolgte.
In den - von der Angeklagten unterzeichneten - Abmahnschriftsätzen wurde jeweils die Beauftragung durch den eingetragenen angeblichen Mandaten mitgeteilt und die Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Ferner wurde angegeben, dass der Mandant Inhaber einer bestimmten Domain sei und unter der Domain an eine näher bezeichnete E-Mail-Adresse ohne vorherige Aufforderung bzw. Einwilligung von dem Empfänger der Schreiben eine E-Mail mit werblichem Inhalt versandt worden sei. Den Schreiben lag eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bei, ferner eine in den Text des Abmahnschreibens mit aufgenommene Gebührenrechnung der zugleich geltend gemachten Abmahnkosten (1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 3.000,- € nebst Auslagenpauschale i.H.v. 20,- €), wobei hierzu - mangels Bestehen eines tatsächlichen Mandatsverhältnisses - wahrheitswidrig behauptet wurde, dass diese Kosten dem Mandanten als Schaden durch die anwaltliche Beauftragung entstanden und von dem Empfänger zu tragen seien.
Der organisatorische Ablauf in der Bearbeitung solcher Abmahnmandate stellte sich dabei im Einzelnen wie folgt dar:
Der gesondert Verfolgte C... ließ bei Eingang von E-Mails des vorgenannten Inhalts zunächst durch die Kanzleimitarbeiter Handakten anlegen und dann den Entwurf eines Abmahnschreibens erstellen. Dies erfolgte wie folgt:
Die Kanzleikräfte erstellten die Entwürfe auf der Grundlage von in der Kanzleisoftware elektronisch hinterlegten Textbausteinen, die durch Eintragung der Daten des vermeintlichen Mandanten und der abzumahnenden Firma sowie Beifügung der empfangenen Werbemail nur noch individuell angepasst werden mussten. Die Textbausteine hatte der gesondert Verfolgte C... auf der Grundlage von Ausarbeitungen der Angeklagten erstellt, die diese im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines früheren Mandates recherchiert hatte. Bei diesem Mandat handelte es sich um die erstmalige Bearbeitung einer Rechtsangelegenheit aus dem Bereich des Urheberrechts durch die Kanzlei der Angeklagten und insbesondere durch die Angeklagte selbst. Die Angeklagte hatte zur Bearbeitung dieses Mandats ein Abmahnschreiben verfasst, das als Vorlage für weitere Abmahnungen diente und im Laufe der Zeit an die unterschiedlichen Rechtsbereiche und Fallkonstellationen angepasst wurde.
Jedenfalls bezüglich der Domains „e.de“ und „f.de“ waren im Kanzleisystem bereits konkrete für diese (vermeintlichen) Mandanten abrufbare Textbausteine hinterlegt, in denen auch deren angebliche Wohnanschriften bereits voreingetragen waren.
Diese von den Kanzleikräften vorbereiteten Schreiben wurden dem gesondert Verfolgten C... vorgelegt, der sie kontrollierte und - ggf. mit kleineren Änderungen, etwa der eingesetzten Zahlungsfrist- an die Kanzleikräfte zurückleitete. Diese bereiteten sodann auf Kanzleipapier die zu unterzeichnende Endversion der Abmahnschreiben vor und leiteten sie noch einmal dem gesondert Verfolgten C... zu, der sie erneut durchsah und in der Regel am Ende des Schriftsatzes neben die Unterschriftszeile als Zeichen seiner abschließenden Kontrolle ein kleines Häkchen setzte. Das so vorbereitete Schriftstück wurde dann in eine Postmappe gelegt und die Postmappen von den Kanzleimitarbeiterinnen - regelmäßig gegen Ende eines Arbeitstages - entweder der Angeklagten persönlich übergeben oder in ihr Zutragsfach gelegt.
Die Angeklagte hatte im Tatzeitraum aus ihrem eigenen (ausschließlichen) Bearbeitungsbereich und aus den Bereichen, in denen der gesondert Verfolgten C... tätig war, mehrere Postmappen täglich - zum Teil bis zu 6 Mappen - zu bearbeiten und die darin befindlichen Schreiben zu unterzeichnen. Dabei waren die zu den jeweiligen Schreiben gehörigen Handakten der entsprechenden Postmappe in einem gesonderten Stapel beigefügt. Hinsichtlich der durch oder auf Veranlassung des gesondert Verfolgten C... entworfenen Schreiben wurden diese in den Postmappen vorgelegt und sofern es sich um mehrseitige Schreiben handelte, waren diese teilweise derart in die Postmappe eingelegt, dass die zu unterzeichnende Seite als oberste Seite in der Mappe bzw. dem jeweiligen Registerblatt lag oder sich an der Stelle, an der eine Unterzeichnung erfolgen sollte, ein „post-it“-Zettel befand.
Die Angeklagte unterschrieb die Abmahnschreiben, nachdem sie die jeweiligen Schreiben kurz überflogen und erkannt hatte, dass es sich um die standardisierten Abmahnschreiben der Kanzlei handelte, die aus den ihr bekannten und von ihr nachvollzogenen kanzleiinternen Textbausteinen zusammen gestellt waren. Dabei war ihr der Bereich der Abmahnungen rechtlich bekannt, nicht zuletzt daraus, dass sie sich zu Beginn dieser Mandate selbst - auch rechtlich - eingearbeitet und Abmahnschreiben entworfen hatte. Den Inhalt des jeweiligen Schreibens wollte sie sich mit Unterzeichnung zu Eigen machen und für diesen auch haftungsrechtlich einstehen.
Dabei war der Angeklagten nicht bewusst, dass hinsichtlich der Abmahnungen für die (vermeintlichen) Mandanten ... tatsächlich keine Mandatsverhältnisse bestanden.
b.) Einzelne Fälle
aa.) Insgesamt unterzeichnete die Angeklagte in 14 Fällen entsprechende Abmahn-schreiben, woraufhin es durch die abgemahnten Firmen zu nachfolgenden Zahlungen auf das Kanzleikonto der Angeklagten bei der Sparkasse ... kam:
(1.) Am 18.10.2013 zahlte die Firma ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 04.10.2013 einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 1. des Strafbefehls; „e.de“).
(2.) Am 28.05.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.05.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 3 des Strafbefehls; „b.de“).
(3.) Am 06.06.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 10.05.2013 einen Betrag in Höhe von 403,87 € (Ziffer 4. des Strafbefehls; „f.de“).
(4.) Am 02.07.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 18.06.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 5. des Strafbefehls; „f.de“).
(5.) Am 26.07.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.06.2013 einen Betrag in Höhe von 157,68 € (Ziffer 6. des Strafbefehls; „f.de“).
(6.) Am 28.06.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 24.06.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 9. des Strafbefehls; „f.de“).
(7.) Am 27.06.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.06.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 10. des Strafbefehls; „f.de“).
(8.) Am 18.06.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.06.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 11. des Strafbefehls; „f.de“).
(9.) Am 15.08.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.06.2013 einen Betrag in Höhe von 404,83 € (Ziffer 12. des Strafbefehls; „f.de“).
(10.) Am 29.05.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.05.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 13. des Strafbefehls; „f.de“).
(11.) Am 23.05.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.05.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 14. des Strafbefehls; f.de“).
(12.) Am 29.05.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 10.05.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 15. des Strafbefehls; „f.de“).
(13.) Am 17.06.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahnschreibens vom 13.06.2013 einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 16. des Strafbefehls; „f.de“).
(14.) Am 11.11.2013 zahlte die ... aufgrund eines Abmahn-schreibens vom 24.10.2013 einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 18. des Strafbefehls; „k.de“).
bb.) Darüber hinaus zahlte die ... am 19.08.2013 einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 17 des Strafbefehls; „f.de“) auf das Kanzleikonto der Angeklagten aufgrund eines Abmahnschreibens vom 07.08.2013, welches jedoch Rechtsanwalt ... der in der Kanzlei als freier Mitarbeiter tätig war, in Vertretung der Angeklagten unterschrieben hatte.
cc.) Zudem kam es zu den nachfolgenden weiteren Zahlungen von Firmen, bei denen jedoch nicht geklärt werden konnte, ob den Zahlungen von der Angeklagten unterzeichnete Abmahnschreiben zugrunde lagen:
(1.) Am 25.09.2013 zahlte die ... einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 2. des Strafbefehls; „b.de“).
(2.) Am 26.09.2013 zahlte die Firma ... einen Betrag in Höhe von 201,71 € (Ziffer 7. des Strafbefehls; „f.de“).
(3.) Am 04.12.2013 zahlte die ... einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 8. des Strafbefehls; „f.de“).
(4.) Am 29.07.2013 zahlte die ... einen Betrag in Höhe von 316,18 € (Ziffer 19 des Strafbefehls; „s.de“).
dd.) Abweichend von den vorgenannten Serienabmahnschreiben kam es im Zusammenhang mit der Sicherung der Domain „...“ am 08.07.2011 zu einer Zahlung der Firma ... in Höhe von 489,45 € (Ziffer 20. des Strafbefehls; „k.de“). Der Zahlung vorausgegangen war ein vom gesondert Verfolgten C... erstelltes und von der Angeklagten unterzeichnetes anwaltliches Schreiben vom 22.06.2011 mit dem die Verletzung von Namensrechten des Zeugen ... geltend gemacht wurden und eine anwaltliche Gebührenrechnung beigefügt war (1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 5.000,- € nebst Auslagenpauschale i.H.v. 20,- €), wobei auch in diesem Schreiben - mangels Bestehen eines tatsächlichen Mandatsverhältnisses - wahrheitswidrig behauptet wurde, dass diese Kosten dem Mandanten als Schaden durch die anwaltliche Beauftragung entstanden und von dem Empfänger zu tragen seien. Auch diesbezüglich lag dem Schreiben eine entsprechende Mandatierung nicht zugrunde und der Zeuge ... hatte auch keinerlei Kenntnis einer entsprechenden Tätigkeit der Kanzlei. Auch hinsichtlich dieses Schreibens nahm die Angeklagte den Inhalt zumindest kursorisch zur Kenntnis und machte ihn sich mit Unterzeichnung zu Eigen und wollte für diesen auch haftungsrechtlich einstehen.
C. Feststellungsgrundlagen und Beweiswürdigung zur Sache
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
Die Feststellungen zur den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf deren glaubhaften Angaben sowie dem eingeführten Bundeszentralregisterauszug.
II. Feststellungen zur Sache
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie auf dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme.
1. Einlassung der Angeklagten
Die Angeklagte hat sich umfassend zur Sache eingelassen und die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche sowie organisatorischen Abläufe in der Kanzlei einschließlich der Erstellung von Schriftsätzen im Tätigkeitsbereich des C... sowie die Umstände deren Unterzeichnung weitestgehend wie festgestellt geschildert.
Dass sie Kenntnis vom Nichtvorliegen von Mandatsverhältnissen gehabt hat, hat die Angeklagte indes in Abrede genommen und hierzu angegeben, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass der gesondert Verfolgte C... die den Abmahnungen zugrundeliegenden Mandatsverhältnisse erfunden und die entsprechenden Domains vorab für sich und nicht für Mandanten gesichert habe.
Im Rahmen ihrer zu Verfahrensbeginn abgegebenen schriftlich vorbereiteten und auf Nachfrage ergänzten Einlassung hat sie zunächst ausgeführt, dass der gesondert Verfolgte C... die Tätigkeitsbereiche der Kanzlei Domainrecht, Filesharing, sonstiges Urheberrecht und Abmahnangelegenheiten weitestgehend eigenständig bearbeitet habe und auch die entsprechenden Schreiben entworfen und die Korrespondenz mit den Mandanten und der Gegenseite geführt habe. Ihr sei weder bei der Unterzeichnung von Anträgen auf Vornahme von Dispute-Einträgen noch bei der Unterzeichnung von Abmahnschreiben aufgefallen, dass als vermeintliche Anschrift der Mandanten die ... - einem im Eigentum ihres Mannes stehenden Mietshaus - angeführt gewesen sei. Aufgrund der Vielzahl der ihr im Tatzeitraum vorgelegten Schriftstücke habe sie diese „unbesehen“ unterzeichnet. Sie habe dem gesondert Verfolgten C... absolut vertraut, der die Schreiben zuvor bereits überprüft und einen entsprechenden Haken an die Unterschriftszeile gesetzt habe. Sie habe keinerlei Veranlassung gehabt, davon auszugehen, dass hinsichtlich der Mandatsverhältnisse „etwas nicht stimme“.
Daneben hat sie in ihrer schriftlich vorbereiteten und mündlich abgegebenen Erklärung zur Entwicklung des Geschäftsfeldes der Kanzleitätigkeit mitgeteilt, dass sie ursprünglich lediglich Mandate aus dem Bereich des Sozialrechts angenommen habe und sich erstmals im Jahr 2005 mit den Bereichen Urheberrecht und Abmahnrecht befasst habe. Eine Mandantin habe sie damit beauftragt eine Abmahnung auszusprechen, da ein von ihr verfasstes Gedicht im Internet ohne ihre Einwilligung verbreitet worden sei. Sie habe daher die rechtlichen Hintergründe recherchiert und sich in die Materie eingearbeitet. Im Rahmen dieses Mandats habe sie dann ein Abmahnschreiben verfasst, welches im Weiteren auch in anderen Fällen kanzleiinterne Verwendung gefunden habe. Die Textbausteine in den Abmahnfällen habe ihr Ehemann erstellt. Seitdem sei die Kanzlei - und auch sie selbst - mit Urheberrechtsstreitigkeiten befasst gewesen, wobei ihr Ehemann damals noch nicht inhaltlich in der Kanzlei mitgewirkt habe.
Auf einen Hinweis der Kammer, dass auch eine Strafbarkeit wegen Betruges aufgrund einer konkludenten Täuschung über die Vornahme von tatsächlich nicht erbrachten - und damit auch nicht nach dem RVG abrechenbaren - anwaltlichen Leistungen in Betracht kommen könnte, hat die Angeklagte ihre Einlassung u.a. dahingehend ergänzt bzw. präzisiert, dass ihr Ehemann die Textbausteine, die als Grundlage der Abmahnschreiben verwandt worden seien in die Anwaltssoftware eingepflegt/eingegeben habe und hinterlegte Texte in derartige Dateien umgewandelt habe, was er im Übrigen auch hinsichtlich anderer Textbausteine getan habe.
Hinsichtlich der Herkunft des Inhalts dieser Textbausteine hat sie des Weiteren angegeben, dass es sich in den Abmahnmandaten so verhalten habe, dass diese auf ursprünglich von ihr im Zusammenhang mit anderen Mandaten erstellten Schriftsätzen oder verfassten Artikeln erstellt worden seien. Im Verlauf der Verwendung der Textbausteine, auch und insbesondere in anderen Bereichen, etwa im Bereich der Domainsicherung, sei es auch so gewesen, dass ihr Ehemann rechtliche Ausführungen aufgrund der Erlangung weiterer Erkenntnisse bzw. gerichtlicher Entscheidungen in diese Textbausteine eingearbeitet habe. Zu den von ihr als Ausgangspunkt der Textbausteine in Abmahnmandaten - von ihr als „Grundabmahnschreiben“ bezeichnet - angeführten Fällen hat sie weiter ausgeführt, dass diese einerseits das vorgenannte Mandat der Verfasserin eines Gedichts betroffen hätten im Rahmen dessen die Kanzlei erstmals als „Abmahner“ tätig geworden sei. Ein weiterer Fall habe ein Mandat des Bruders ihres Ehemannes betroffen im Zuge dessen eine Abmahnung wegen wiederholten Falschparkens ausgesprochen worden sei. Darüber hinaus habe es auch Mandate gegeben, in denen die Mandanten unerwünschte Schreiben erhalten hätten; auch in diesem Zusammenhang seien Abmahnschreiben entworfen worden auf die dann später zurückgegriffen worden sei und eventuell fallspezifische Anpassungen vorgenommen worden seien. Ihr seien diese Textbausteine dem Inhalt nach bekannt gewesen und die Kanzleikräfte hätten sie nach Anweisung des gesondert Verfolgten C... nur angepasst. Sie habe dann die in die Postmappen eingelegten Schreiben kurz überflogen und lediglich ohne genauere Prüfung des Inhalts unterschrieben, da sie dem gesondert Verfolgten C... vertraut habe und davon ausgegangen sei, dass die Abmahnschreiben ordnungsgemäß erstellt worden seien. Auch ohne genaue inhaltliche Prüfung der Schreiben habe sie jedoch erkannt, was für Schreiben sie unterzeichnet habe; insbesondere wenn es sich um standardisierte Abmahnschreiben gehandelt habe.
Soweit ihr Ehemann im Rahmen seiner Tätigkeit relativ selbständig tätig gewesen sei und ausgehend davon bei Mandanten oder auch der gegnerischen Partei teilweise der Eindruck entstanden sei, dass dieser Rechtsanwalt sei, habe sie insoweit zwar standesrechtliche Bedenken gehabt. Seitens der Kanzlei sei jedoch dann stets darauf hingewiesen worden, dass der gesondert Verfolgte C... kein Rechtsanwalt, sondern lediglich „juristischer Mitarbeiter“ sei. Sie habe auch nicht gewollt, dass dieser Eindruck entstehe, denn sie habe angenommen, dass wenn sie das Entstehen eines solchen Eindrucks zulasse, dies im Hinblick auf ihre eigene Zulassung als Rechtsanwältin problematisch sein könne. Zudem habe sie sich darüber geärgert, dass die betreffenden Personen offenbar bereits aufgrund des Umstandes, dass er ein Mann sei, angenommen hätten, dass es sich um einen Rechtsanwalt handele. Bezogen auf die anwaltliche Vergütung sei sie stets davon ausgegangen, dass sie eigene anwaltliche Leistungen erbracht habe und diese auch nach dem RVG abrechnen dürfe. Schließlich sei ihr stets bewusst gewesen, dass sie für Fehler ihres Ehemannes nach außen als Berufsträgerin hafte, wozu sie auch bereit gewesen sei.
2. Feststellungsgrundlagen und Beweiswürdigung zur Sache
a.) Objektive Feststellungen zur Vorgeschichte, Erlangung von Domains und den Tatvorwürfen im engeren Sinne
aa.) Vorgeschichte
Die Feststellungen zur Entwicklung - auch des Geschäftsfeldes - der Kanzlei der Angeklagten und der Tätigkeiten des gesondert Verfolgten C... sowie der Mandatsanbahnung in den Bereichen Filesharing und sonstiger Abmahnangelegen-heiten sowie der hierzu aufgeführten Fallzahlen beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben der Angeklagten. Daneben haben die Zeuginnen ... die inhaltliche Entwicklung des Geschäftsfeldes der Kanzlei, die Tätigkeiten des gesondert Verfolgten C... und die Abläufe zur Mandatsanbahnung wie festgestellt bestätigt. Die Zeugin ... hat überdies bestätigt, dass der Bereich des Filesharing den Bereich der Abmahnmandate deutlich überwog.
bb.) Erlangung von Domains
Die Stellung der Dispute-Anträge und Übertragung der verfahrensgegenständlichen Domains folgt aus den eingeführten Dispute-Anträgen und Mitteilungen der ... Dass der gesondert Verfolgte C... die Domains als Subdomains der Domain „...“ angelegt hat, ergibt sich aus der Domain-Auskunft der 1&1 Internet AG und den Angaben des Ermittlungsführers POK ..., der darüber hinaus bekundet hat, dass die Domain „...“ auf den gesondert Verfolgten C... registriert gewesen sei und dieser Zugriff auf diese gehabt habe.
Die Zeugen ... haben übereinstimmend bekundet, keinen Auftrag zur Domainsicherung erteilt zu haben, gleiches ergibt sich aus den verlesenen Angaben des Zeugen Els. Aus den Bekundungen der Zeugen ergeben sich zudem deren - von den Eintragungen in den Anträgen abweichende - Wohnanschriften.
Ausweislich der eingeführten Domainauskunft war die Domain „...“ auf eine „...“ registriert. Nach den durch den Zeugen ... bekundeten polizeilichen Ermittlungen konnte eine Person dieses Namens nicht ermittelt werden. Ausgehend davon und unter Berücksichtigung der glaubhaften Angaben der Angeklagten zu dem Namen ... wonach sie und der gesondert Verfolgte C... im Rahmen ihrer juristischen Ausbildung Seminare bei einem Prof. ... gehabt hätten, schließt die Kammer, dass der gesondert Verfolgte C... diese Personalien erfunden hat.
Dass es sich bei dem Haus in der „...“ in ... um ein im Eigentum des gesondert Verfolgten C... stehendes Haus handelt, hat die Angeklagte bestätigt.
Die Erlangung der Kopien der Personalausweise folgt aus den Angaben des Zeugen ..., der bestätigt hat, im Rahmen eines anderen Mandats eine Kopie seines Personalausweises zur Verfügung gestellt zu haben. Auch der Zeuge ... hat dies in seiner polizeilichen Vernehmung so bekundet. Den Zeugen ... war nicht erinnerlich eine Kopie ihres Personalausweises zur Verfügung gestellt zu haben bzw. nicht erklärlich, wie diese in den Zugriffsbereich des gesondert Verfolgten C... gelangt sind. Dass der gesondert Verfolgte C... die Kopien der Personalausweise betreffend die Zeugen ... aufgrund seiner Tätigkeit bei der Anlaufstelle „K.“ - möglicherweise sogar von diesen unbemerkt - erlangt hat, schließt die Kammer daraus, dass er dort - wie von der Angeklagten glaubhaft angegeben - tätig war, die Kopien vorgelegt hat und sich keine Anhaltspunkte für eine andere Zugriffsmöglichkeit auf diese Dokumente ergeben haben. Zudem waren die vorgenannten Zeugen nach den glaubhaften Angaben der Angeklagten, die mitgeteilt hat, dies bei dem Leiter der Anlaufstelle erfragt zu haben, auch Klienten der Anlaufstelle. Die Zeugen ... haben auch bestätigt, den gesondert Verfolgten C... über diese Stelle zu kennen. Der Zeuge ... hat jedenfalls bekunden können, am jetzigen Sitz der Kanzlei in der ... einmal für ein paar Monate gewohnt zu haben, sodass es nahe liegt, dass der gesondert Verfolgte C... über seine Vermietertätigkeit an das Personaldokument gelangt ist.
Die Durchführung der Eintragungen hat die Zeugin ... nach Inaugenscheinnahme der Unterschriften wie festgestellt bekundet. Hinsichtlich mehrerer in Augenschein genommener Anträge hat die Zeugin demgegenüber aber auch mit Bestimmtheit bekundet, dass der gesondert Verfolgte C... im Auftrag unterzeichnet habe bzw. angegeben, dass es sich nicht um die Unterschrift der Angeklagten handele. In Übereinstimmung hiermit hat auch die Angeklagte angegeben, einige - jedoch nicht sämtliche - der Anträge unterzeichnet zu haben.
cc.) Tatvorwürfe im engeren Sinne (--Organisatorischer Ablauf der Bearbeitung der Abmahnmandate (Ziffer B II. a.)) und einzelne Fälle (Ziffer B II. b.))
Die Inhalte der Abmahnschreiben und des Schreibens vom 22.06.2011 zur Domainsicherung nebst Gebührenrechnung ergeben sich aus diesen eingeführten Schreiben. Die festgestellten Zahlungsbeträge beruhen auf den Kontounterlagen.
Dass in den angeklagten Fällen keine Mandatsverhältnisse bestanden, beruht auf den Angaben der Zeugen ... sowie den verlesenen Angaben des Zeugen ... sowie den eingeführten Unterlagen betreffend die Domain „...“ und der Einlassung der Angeklagten hierzu.
Die Feststellungen zu den Organisationsstrukturen der Kanzlei, den Arbeitsabläufen bei der Bearbeitung von Abmahnmandaten und insbesondere der Arbeitsaufteilung zwischen der Angeklagten und dem gesondert Verfolgten C... sowie der Art und Weise der konkreten Erstellung der Abmahnschreiben aus elektronisch abgelegten Textbausteinen und deren Kontrolle durch den gesondert Verfolgten C... sowie die konkrete Art und Weise deren Vorlage beruhen auf den Angaben der Zeuginnen .... Die Zeuginnen haben zudem übereinstimmend auch glaubhaft ausgesagt, dass sie die Schriftsätze auf Weisung des gesondert Verfolgten C... gefertigt haben und dass dieser auch das Anlegen der Handakten mit den (vermeintlichen) Mandanteninformationen veranlasst hat, die Angeklagte mithin bis zur Vorlage der Schreiben an sie nicht mit den Vorgängen befasst war.
Die Zeugin ... hat darüber hinaus glaubhaft bekundet, dass es bezüglich der Domains „...“ und „...“ Textbausteine mit voreingetragenen Wohnanschriften gab. Dass die Angeklagte bis zu 6 Postmappen am Tag zu bearbeiten hatte, folgt ebenso aus den Angaben der vorgenannten Zeuginnen.
Daneben beruhen die Feststellungen auf der Einlassung der Angeklagten soweit ihr gefolgt werden konnte.
Soweit die Angeklagte sich ursprünglich abweichend zu den Feststellungen dahingehend eingelassen hat, dass die Schriftsätze von ihr unbesehen unterschrieben worden seien, folgt die Kammer dem nicht:
Ihre Einlassungen waren - sowohl vor als auch nach Erteilung des rechtlichen Hinweises - ersichtlich davon geprägt, sich hinsichtlich des jeweiligen Tatvorwurfes zu entlasten. So hat die Angeklagte ausgehend von dem zunächst allein im Raum stehenden Vorwurf der Kenntnis des Fehlens von Mandatsverhältnissen versucht, die tatsächlichen Verhältnisse in den organisatorischen Abläufen der verfahrensgegen-ständlichen Mandate so darzustellen, dass sie selbst quasi de facto nicht oder kaum eingebunden war, ihrem Ehemann sinngemäß - „blind“ vertraut habe. Hiervon zeugen insbesondere ihre Angaben, die vom gesondert Verfolgten C... verfassten Schreiben „unbelesen“ unterschrieben zu haben.
Ungeachtet des Umstandes, dass auch die weitere Einlassung der Angeklagten auf den rechtlichen Hinweis der Kammer prozessual für die Angeklagte günstiger war und die Angeklagte auch ein Motiv gehabt hätte, falsch auszusagen, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Angeklagte in dem festgestellten Umfang eingebunden war.
Die Kammer folgt ihren Angaben soweit sie nunmehr angegeben hat, die Schreiben zumindest „überflogen“ und jeweils zur Kenntnis genommen zu haben, was für Schriftstücke sie unterschrieben hat.
Dass die Angeklagte ihr aus dem Tätigkeitsbereich des gesondert Verfolgten C... vorgelegte Schriftstücke zur Kenntnis genommen hat und zumindest kurz überflogen hat, haben nämlich auch die Zeuginnen ... glaubhaft bestätigt. So hat die Zeugin ... bekundet, dass die Angeklagte sich auch die seitens des gesondert Verfolgten C... vorgelegten Schreiben angesehen habe und auch über ihr vorgelegte Textbausteine länger „drüber geschaut“ habe. In Übereinstimmung hiermit hat die Zeugin ... geschildert, dass die Angeklagte über die Schriftsätze kurz „drüber gelesen“ und unterschrieben habe. Nach ihrem Eindruck, so die Zeugin ..., habe die Angeklagte dabei gesehen, was sie unterzeichnet habe und dies überschlägig durchgelesen. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass die Zeugin ... in der Kanzlei der Angeklagten nicht mehr tätig ist und daher kein Motiv besteht, aus Furcht vor dem eigenen Arbeitgeber und eventueller Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis falsch auszusagen.
Ausgehend von dem Umstand, dass die standardisierten Abmahnschreiben der Kanzlei der Angeklagten auch bekannt waren und von ihr ursprünglich entworfen worden sind und daher deren Inhalt schnell zu erfassen war, liegt es auch fern, dass sie diese ohne (jegliche) Kenntnis deren wesentlichen Inhalts unterzeichnet hat. Danach stellen sich ihre ursprünglichen Angaben hierzu als bloße Schutzbehauptungen dar.
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die Textbausteine - wie festgestellt - zwar von dem gesondert Verfolgten C... erstellt worden sind, jedoch auf Grundlage einer Ausarbeitung der Angeklagten ausgehend von früheren Mandaten, im Rahmen dessen sie sich inhaltlich wie von ihr geschildert in die Thematik eingearbeitet hatte. Denn soweit die Angeklagte bereits vor Erteilung des rechtlichen Hinweises angegeben hat, dass die Textbausteine im verfahrensgegenständlichen Abmahnbereich von dem gesondert Verfolgten C... erstellt worden seien, hat sie hierzu bereits zu diesem Zeitpunkt - in ihrer schriftlich vorbereiteten Einlassung und ergänzenden mündlichen Befragung - geschildert, sich im Rahmen eines früheren Mandats in den Bereich „Abmahnung“ - damals unter einem urheberrechtlichen Gesichtspunkt - inhaltlich eingearbeitet zu haben und auch einen entsprechenden anwaltlichen Schriftsatz entworfen zu haben. Dass auf Seiten der Angeklagten eine inhaltliche Befassung mit dem Tätigkeitsbereich des gesondert Verfolgten C... erfolgte, ergibt sich schließlich auch daraus, dass die Angeklagte - wie von ihr von Anfang an mitgeteilt - bei Übergang der Mandate in das gerichtliche Verfahren, die gerichtliche Vertretung übernahm.
Zwar hat die Angeklagte - nach Erteilung des rechtlichen Hinweises - ihre Einlassung auch im Hinblick auf die inhaltliche Erarbeitung von Textbausteinen erkennbar wiederum daran orientiert, sich zu entlasten. Ihre Angaben zur Entstehung der so von ihr bezeichneten „Grundabmahnschreiben“, welche als Grundlage für die Textbausteine verwandt worden seien, stehen aber im Einklang mit ihren Angaben vor dem Hinweis der Kammer. So hat die Angeklagte wiederum u.a. Bezug genommen auf das von ihr bereits zuvor geschilderte urheberrechtliche Mandat und insoweit ergänzend plausibel - wie aufgeführt - geschildert, dass und wie es zur weiteren Verwendung dieser Ausarbeitungen gekommen ist. Dass auf derartige Ausarbeitungen bei ähnlichen Sachverhaltskonstellationen erneut zurückgegriffen wird, ist gerade in den standardisierten „Abmahnfällen“ auch lebensnah.
b.) Keine weiteren Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat (aa.), hinsichtlich der Fälle gem. Ziffer 2, 7, 8, 17 und 19 fehlt es überdies bereits an einer feststellbaren Täuschungshandlung der Angeklagten (bb.).
aa.) Die Kammer hat unter Würdigung der Gesamtumstände nicht feststellen können, dass die Angeklagte Kenntnis davon hatte, dass in den angeklagten Fällen tatsächlich keine Mandatsverhältnisse bestanden; ihre dahingehende Einlassung ist nach Würdigung der Kammer nicht widerlegt. Es bestehen nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten begründete Zweifel, sodass die Kammer den Schluss auf die Kenntnis nicht gezogen hat.
Im Einzelnen:
aaa.) Die organisatorischen Abläufe der Mandatsbearbeitung legen den Schluss auf eine Kenntnis der Angeklagten von tatsächlich nicht bestehenden Mandatsverhältnissen nicht nahe. Denn danach war die Angeklagte nur insoweit eingebunden, als sie - wie festgestellt - Entwürfe anwaltlicher Schriftsätze unterzeichnete. Es hat auch nicht festgestellt werden können, dass die Angeklagte in den verfahrensgegenständlichen Vorgänge Korrekturen der Schriftsätze durchgeführt hat oder Verfügungen getroffen hat oder etwa Rückfragen an den gesondert Verfolgten C... gerichtet hat. Insoweit hat die Zeugin ... glaubhaft bekundet, dass sofern sie Postmappen zugetragen habe, ihr nicht erinnerlich sei, dass die Angeklagte Rückfragen gestellt oder Änderungswünsche gehabt habe. Dass die Angeklagte hinsichtlich der Abmahnschreiben weder - wie von ihr angegeben - die Notwendigkeit einer besonderen Kontrollbedürftigkeit gesehen hat, noch tatsächlich Rückfragen gestellt hat, ist angesichts des Umstandes, dass es sich um ihr bekannte standardisierte aus Textbausteinen gefertigte Schreiben handelte auch ohne weiteres nachvollziehbar.
Soweit sich in den eingeführten Unterlagen handschriftliche Notizen befunden haben, sind diese nach den übereinstimmenden glaubhaften Angaben der Zeuginnen ..., denen diese Notizen vorgehalten wurden, von dem gesondert Verfolgten C... erstellt worden.
Die Angeklagte hat in Übereinstimmung mit den Schilderungen der vorgenannten Zeuginnen auch keine Einsicht in ihr vorgelegte Handakten genommen, aus denen sich etwa das Fehlen von Vorschussanforderungen hinsichtlich anwaltlicher Gebühren bzw. ein diesbezüglicher Zahlungseingangsvermerk oder ähnliche Schreiben, die auf das tatsächliche Bestehen eines Mandatsverhältnisses hätten hindeuten können, hätte ergeben können.
bbb.) Auch der Umstand, dass die Angeklagte die Abmahnschreiben und weitere in diesem Zusammenhang gefertigte Schreiben inhaltlich - zumindest kursorisch - zur Kenntnis genommen und unterschrieben hat, führt nicht zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte die Abmahnschreiben in der Kenntnis unterschrieben hat, dass die zugrundeliegenden Mandatsverhältnisse nur fingiert waren.
Weder aus den in den von ihr unterzeichneten Schreiben verwandten Adressen (1.), noch aus der Anzahl der Schreiben oder der Frequenz der Vorlage oder der Häufigkeit der Abmahnungen im Auftrage eines angeblichen Mandanten (2.) musste sich der Angeklagten aufdrängen, dass es sich nicht um tatsächliche Mandate handelte.
(1.) Die 15 verfahrensgegenständlichen Abmahnschreiben weisen entweder die Adresse ... - dem Haus des gesondert Verfolgten C... - in ... oder ... in ... auf. Dabei wurde betreffend die angeblichen Mandanten ... die Adresse ... verwandt, betreffend die Zeugin ... die Adresse im .... Bezüglich des angeblichen Mandanten ... ist in dem anwaltlichen Schreiben vom 22.06.2011 und der Gebührenrechnung keine Adresse aufgeführt, betreffend die Domain „...“ ist kein Abmahnschreiben vorhanden.
Die Angeklagte hat auf Vorhalt der Adresse ... - ohne Umschweife - erklärt, dass dies ein im Eigentum ihres Mannes stehendes Mietshaus sei, ihr die Adresse indes in den von ihr unterzeichneten Schreiben nicht aufgefallen sei. Diese Einlassung ist nach Würdigung der Kammer nicht widerlegt:
Die Angeklagte hatte im Tatzeitraum täglich eine Vielzahl von Schriftstücken zu unterzeichnen und es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sie gerade die für den Tatvorwurf relevanten Schreiben derart zur Kenntnis genommen hat, dass ihr diese Adresse aufgefallen ist oder zwingend hätten auffallen müssen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich die Anzahl der Abmahnschreiben im Verhältnis zum Gesamtarbeitsaufkommen der Kanzlei eher als geringer Anteil des Arbeitsaufkommens in Form von mehreren täglich zu unterzeichnenden Postmappen darstellte und im Übrigen korrespondierend hiermit auch als geringer Anteil des erzielten Umsatzes. So hat die Angeklagte angegeben, dass der Schwerpunkt der ihr aus dem Tätigkeitsbereich des gesondert Verfolgten C... vorgelegten Fälle den Bereich des Filesharing betroffen habe. Auch die Zeugin ... hat in Übereinstimmung hierzu bekundet, dass der Bereich des Filesharing den Bereich der unerwünscht übersandten Nachrichten überwog.
Wie von der Angeklagten angegeben und von den Zeuginnen ... bestätigt, hat die Angeklagte die Schreiben zwar kurz überflogen und zumindest kursorisch inhaltlich zur Kenntnis genommen, sich mit diesen aber angesichts des Umstandes, dass es sich um ihr bekannte standardisierte Schreiben handelte, darüber hinaus nicht intensiver befasst.
Selbst wenn der Angeklagten die Adresse aufgefallen wäre, hätte sich ihr überdies noch nicht der Schluss aufdrängen müssen, dass den Abmahnschreiben kein ordnungsgemäßes Mandatsverhältnis zugrunde lag. Denn bei dem Haus in der ... handelte es sich um ein Mietshaus mit mehreren Wohneinheiten, in denen auch Wohngemeinschaften bestanden, sodass es ohne weiteres möglich erscheinen konnte, dass mehrere Personen unter derselben Wohnanschrift wohnen. Hinzu tritt, dass zu dem Mandantenkreis der Kanzlei tatsächlich auch Mieter des gesondert Verfolgten C... gehörten, sodass es sich aus Sicht der Angeklagten nicht als ungewöhnlich darstellen musste, dass mit Personen dieser Wohnanschrift Mandatsverhältnisse bestanden.
Soweit sich aus den Anträgen auf Vornahme eines Dispute-Eintrages bei der DENIC eG der Name und die Anschrift der vermeintlichen Mandanten ergaben, handelte es sich wie bei den Abmahnschreiben um Vorgänge, die vom gesondert Verfolgten C... bearbeitet und der Angeklagten nur zur Unterschrift vorgelegt wurden. Vor dem Hintergrund der festgestellten Kanzleiorganisation ist es naheliegend, dass gerade diese von der DENIC eG vorformulierten und als Formular zur Verfügung gestellten Anträge - sofern sie überhaupt von der Angeklagten unterzeichnet wurden - von der Angeklagten nur kursorisch gelesen wurden.
Zu dem Haus im ... bestanden bereits keine Verbindungen, aufgrund derer der Angeklagten die Adresse besonders hätte auffallen können. Auch dieses Haus ist zudem ein Mehrfamilienhaus in dem Wohneinheiten für Mandanten des Vereins „K.“ zur Verfügung gestellt werden, wo der gesondert Verfolgte C... auch früher gearbeitet hat.
(2.) Auch der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen nicht auf tatsächlich bestehenden Mandatsverhältnissen beruhenden Abmahnschreiben überwiegend in den Monaten Mai bis Juli 2013 angefallen waren, legt nicht nahe, dass dies der Angeklagten aufgefallen sein muss, denn diese machten nur einen Bruchteil im Verhältnis zum Gesamtarbeitsaufkommen der Kanzlei aus.
Gleiches gilt soweit angebliche Mandanten mehrfach unerlaubte E-Mail-Werbung erhielten und es damit mehrere Mandatsaufträge gab. Dies kann auch dem Umstand geschuldet sein, dass die betroffene Domain tatsächlich in mehreren Werbeverteilern oder Newslettern „gelistet“ ist, was hier auch tatsächlich der Fall war, denn die Zusendung der Mails ist nicht „provoziert“ worden, sondern vielmehr nur der Empfang derselben „umgeleitet“ worden.
Die Domainsicherung gehörte auch zu den „Echtgeschäften“ der Kanzlei, sodass sich allein daraus für die Angeklagte keine planmäßige Sicherung als Vorbereitung betrügerischen Handelns ergeben musste. Auch erfolgte die Unterzeichnung der Dispute-Einträge in zeitlichem Abstand zu der Unterzeichnung der Abmahnschreiben.
ccc.) Dafür, dass die Angeklagte keine Kenntnis davon hatte, dass der gesondert Verfolgte C... die den Abmahnschreiben zugrundeliegenden Mandatsverhältnisse nur fingiert und die entsprechenden Domains vorab für eigene Zwecke und nicht im Auftrag von Mandanten gesichert hatte, spricht auch mit Gewicht die Aussage des Zeugen POK ..., der glaubhaft und nachvollziehbar geschildert hat, dass die Angeklagte bei der Durchsuchung ihrer Kanzleiräume den Eindruck vermittelt habe, „keinerlei Ahnung“ zu haben, worum es bei den Ermittlungen gehe und aus welchem Grund bestimmte Kanzleiakten nicht aufgefunden werden konnten. So habe der gesondert Verfolgte C..., der wie die Angeklagte zu der Durchsuchung hinzugerufen worden sei, völlig entspannt gewirkt, nicht hektisch und auch ebenso wenig verwundert, als wäre es klar, dass sie - die Polizei - da seien, er damit gerechnet habe und als wäre bekannt, was sie „wollten“. Demgegenüber sei die Angeklagte aufgeregt und „verdutzt“ gewesen, dass sie „auftauchten“, als wäre sie nicht „im Bilde“, worum es gehe und wisse nicht, warum die Polizei zugegen sei. Dieser Eindruck, den die Angeklagte vermittelt habe, habe auch nicht gespielt gewirkt. Sämtliche Ermittlungsergebnisse, insbesondere die überprüften Domains, der Bezug zu den vermeintlichen Mandanten sowie deren vermeintliche Anschrift in der ... und im ... hätten auf eine Täterschaft des gesondert Verfolgten C... hingewiesen. Dabei sei stets dieser in Erscheinung getreten. Die Angeklagte habe er indes nicht „im Fokus“ gehabt; gegen diese seien die Ermittlungen geführt worden, da sie sämtliche Abmahnschreiben und sonstige Schriftsätze unterschrieben habe.
Im Einklang mit den Schilderungen des Zeugen ... steht auch die Einlassung der Angeklagten zum Verhalten ihres (noch) Ehemannes, wonach dieser bereits im Vorfeld der Durchsuchung die gemeinsame Wohnung nicht mehr zum Schlafen genutzt habe und in einer ihm gehörigen Mietswohnung übernachtet habe, unter Hinweis darauf, „Abstand“ zu benötigen. Nach der Durchsuchung und Kenntnis von den polizeilichen Ermittlungen gehe sie davon aus - so die Angeklagte -, dass dieser aufgrund der Ermittlungen im Umfeld seines Hauses in der ... bereits befürchtet habe, dass sein Vorgehen entdeckt würde und daher offenbar eine „Politik der verbrannten Erde“ betrieben und sich von ihr bereits zu diesem Zeitpunkt distanziert habe.
ddd.) Die Bekundungen des Zeugen ... führen die Kammer nicht zu dem Schluss, dass die Angeklagte in Kenntnis des Nichtbestehens der Mandatsverhältnisse handelte.
Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, dass er mit der Angeklagten nach Eingang des Abmahnschreibens telefoniert habe und die Angeklagte ihm angeboten habe, einen Nachlass auf die Anwaltsgebühren zu gewähren, wenn er den reduzierten Betrag „bar in einen Umschlag stecken“ und an sie übersenden würde. Dies habe er jedoch abgelehnt, da er ohne Rechnung und ohne Nachweis eines Zahlungseingangs nicht habe zahlen wollen.
Denn auch wenn die Angeklagte ein derartiges Geschäftsgebaren gezeigt hätte, spräche das zwar für eine Bereitschaft zum Rechtsbruch, wäre aber kein Hinweis darauf, dass sie um das Fehlen eines Mandats wusste. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Angeklagte - nicht widerlegbar - angegeben hat, dass hinsichtlich der in den Abmahnfällen üblicherweise anfallenden Rechtsanwaltsgebühren ein Entgegenkommen stets im Ermessen der Kanzlei gestanden habe und die Mandanten nicht hinsichtlich der Differenz in Anspruch genommen worden seien, sondern vielmehr im Falle einer Einigung auf einen geringeren Betrag der Restbetrag auf der anwaltlichen Gebührennote storniert worden sei, mithin ein Verhandeln über Gebührennachlässe auch im „normalen“ Kanzleigeschäft vorkam.
fff.) Gegen eine Kenntnis der Angeklagten vom Vorgehen des gesondert Verfolgten C... spricht indiziell auch, dass sie sich wie von ihr geschildert - und von den Zeuginnen ... bestätigt - nach Bekanntwerden desselben im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen, von diesem getrennt hat.
ggg.) Zusammenfassend hat die Kammer unter Berücksichtigung aller Indizien nicht behebbare Zweifel daran, dass die Angeklagte Kenntnis davon hatte, dass in den angeklagten Fällen tatsächlich keine Mandatsverhältnisse bestanden.
bb.) Soweit die ... einen Betrag in Höhe von 334,75 € (Ziffer 17 des Strafbefehls) auf das Kanzleikonto der Angeklagten zahlte, erfolgte dies aufgrund eines Abmahnschreibens, welches Rechtsanwalt ... in Vertretung der Angeklagten unterschrieben hatte. Betreffend die Fälle (gem. Strafbefehl) Ziffer 2, 7, 8 und 19 waren gar keine Abmahnschreiben vorhanden. Ausgehend von dem Umstand, dass auch eine anwaltliche Vertretung durch den Kanzleikollegen ... stattgefunden hat, kann nicht festgestellt werden, dass diese Schreiben von der Angeklagten unterzeichnet worden sind.
D. Rechtliche Würdigung
Die Angeklagte hat sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt strafbar gemacht.
I. Betrug durch Täuschung über das Bestehen eines Mandatsverhältnisses
Soweit der Angeklagten im Hinblick auf die von ihr unterzeichneten Abmahnschreiben vorgeworfen wurde, dass sie hierdurch einen Betrug zum Nachteil der abgemahnten Firmen begangen habe, indem sie über die vermeintlichen Mandatsverhältnisse, die Zusendung der Werbemails an diese Mandanten und einen durch eine Mandatierung entstandenen Schadensersatzanspruch in Höhe angefallener anwaltlicher Gebühren getäuscht habe, so tragen die getroffenen Feststellungen eine entsprechende Verurteilung nicht.
Für den Fall der Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung hat der Bundesgerichtshof entschieden (BGH, Urt. v. 22.02.2017, Az.: 2 StR 573/15), dass auch in der Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch besteht, eine schlüssige Täuschung über Tatsachen liegen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Erklärung über die Äußerung einer Rechtsauffassung hinausgeht, die als Werturteil nicht Gegenstand einer Täuschung sein kann, und zugleich einen greifbaren, dem Beweis zugänglichen „Tatsachenkern“ enthält. Dies ist der Fall, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird.
Die Abmahnschreiben gingen hinsichtlich der geltend gemachten anwaltlichen Gebühren über die Äußerung einer bloßen Rechtsauffassung über das Bestehen eines Anspruchs hinaus. Mit den Schreiben wurde als den Anspruch begründende Tatsache miterklärt, dass die Empfänger der Schreiben einem Mandanten unerlaubt Werbung oder andere Inhalte übersandt hätten und dieser einen Anwalt mit der Abmahnung beauftragt und aufgrund anwaltlicher Tätigkeit Gebühren nach dem RVG abgerechnet werden können. Die über diese tatsächlichen Umstände getäuschten Empfänger der Abmahnschreiben glaubten, dass Mandatsverhältnisse bestanden und verfügten aufgrund dieses Irrtums über ihr Vermögen, indem sie die geforderte Zahlung erbrachten, wodurch auch ein Schaden in Höhe der jeweils gezahlten Beträge entstand.
Der Angeklagte handelte jedoch hinsichtlich der Täuschung ohne Vorsatz, denn ihr war nicht bewusst, dass tatsächlich keine Mandatsverhältnisse bestanden.
II. Betrug durch Täuschung über das Erbringen tatsächlich nicht erbrachter abrechenbarer anwaltlicher Leistungen
Auch eine Strafbarkeit wegen Betruges durch eine konkludente Täuschung über die Vornahme abrechenbarer anwaltlicher Leistungen kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
Die Angeklagte hat hinreichend anwaltliche Leistungen erbracht, die im Falle eines tatsächlichen Mandatsverhältnisses auch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hätten abgerechnet werden dürften, sodass eine entsprechende Täuschung nicht vorliegt.
Nach dem RVG ist eine Vergütung dann geschuldet, wenn eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 RVG erbracht wurde. Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, die von ihm geschuldeten Hauptleistungspflichten des Anwaltsvertrages in Person zu erbringen. Zu den anwaltlichen Hauptleistungspflichten zählt neben den Mandantengesprächen auch die Fertigung von Schriftsätzen. Zur Erledigung von Vor- und Zuarbeiten kann sich ein Rechtsanwalt jedoch auch Hilfspersonen bedienen.
Indem die Angeklagte ihre Kanzlei derart organisiert hat, dass in den standardisierten Abmahnverfahren die Schriftsätze und insbesondere die Abmahnschreiben auf Weisung des gesondert Verfolgten C... von den Kanzleimitarbeiterinnen aus Textbausteinen gefertigt wurden, ihr die Inhalte der Textbausteine bekannt waren, diese auf ihren eigenen rechtlichen Recherchen beruhten und sie sich mit ihrer Unterschriftsleistung die von ihr nachvollzogenen Inhalte zu eigen gemacht und die Verantwortung auch in haftungsrechtlicher Hinsicht übernommen hat, hat sie eigene anwaltliche Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 RVG erbracht.
Überdies könnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagte die Möglichkeit der -nach Auffassung der Kammer nicht gegebenen - fehlenden Abrechenbarkeit erkannt hat.
Ihre dahingehende Einlassung zwar standesrechtliche Bedenken gehabt zu haben, im Hinblick auf eine Vergütung jedoch stets davon ausgegangen zu sein, dass sie eigene anwaltliche Leistungen erbracht habe und diese auch nach dem RVG abrechnen zu dürfen, erscheint überaus naheliegend. Denn der Verdacht auf ein strafbares Verhalten durch Täuschung über das Erbringen tatsächlich nicht erbrachter abrechenbarer anwaltlicher Leistungen - in etlichen, möglicherweise gar tausenden Fällen - ergab sich im Verlaufe des Verfahrens allein aus ihrer eigenen Einlassung. Es wäre nicht verständlich, dass die Angeklagte um den Vorwurf einer Strafbarkeit durch Täuschung über die vermeintlichen Mandats-verhältnisse zu entkräften zugleich einen Sachverhalt einräumen sollte, der zugleich eine Strafbarkeit in sämtlichen vom gesondert Verfolgten C... betreuten Mandaten begründen könnte, wenn sich die Angeklagte der Strafbarkeit eines solchen Verhaltens bewusst gewesen wäre. Sie hätte dann dem Gericht sehenden Auges tausende weitere Straftaten in erheblichem Schadensumfang „präsentiert“ um sich wegen des verfahrensgegenständlichen im Vergleich dazu geringen Schadensumfanges zu entlasten. Es wäre ihr dabei auch ein Leichtes gewesen, eine geringfügig abweichende - wahrheitswidrige - Einlassung abzugeben, die ihr - da sie insbesondere betreffend eigener Kontrolltiefe und inhaltlicher Prüfung innere Tatsachen betroffen hätte - voraussichtlich auch nicht zu widerlegen gewesen wäre. Hinzu tritt, dass eine anwaltliche Leistung nach den gängigen Standardkommentaren auch durch Kanzleimitarbeiter erbracht werden kann und auch das Anfertigen von Schriftsätzen durch Mitarbeiter zulässig ist, sofern sich ein Anwalt durch Unterzeichnung den Inhalt zu Eigen macht und die zivilrechtliche Haftung übernehmen will, sodass es nicht fernliegend erscheint, dass die Angeklagte für sich den von ihr behaupteten Schluss der Abrechenbarkeit gezogen hat. Auch das Verhalten der Angeklagten bei der polizeilichen Durchsuchung der Kanzleiräume spricht gegen ein Bewusstsein einer möglichen Strafbarkeit. Wenn der Angeklagten die Möglichkeit bewusst gewesen wäre, dass die gesamte Kanzleiorganisation derart ausgerichtet war, dass in beinahe sämtlichen Verfahren die Mandanten und oder die Gegenseite über die Gebührenpflicht getäuscht worden wäre, so wäre aufgrund der drohenden - auch massiven wirtschaftlichen - Folgen eine andere Reaktion zu erwarten gewesen. Zudem spricht auch die glaubhaft geschilderte Trennung der Angeklagten von ihrem Ehemann aufgrund der angeklagten Taten gegen eine Erkenntnis möglichen gemeinsamen strafbaren Verhaltens.
E. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
Wegen des Freispruchs ist nach § 2 Abs. 2 StrEG festzustellen, dass die Staatskasse verpflichtet ist, der Angeklagten für die Durchsuchung ihrer Kanzleiräume Entschädigung zu gewähren.
Sonstiger Langtext
Inhaltsverzeichnis
Seite | |
---|---|
A. Anklagevorwurf | 4 |
B. Feststellungen | 5 |
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen | 5 |
II. Feststellungen zur Sache | 5 |
1. Vorgeschichte | 5 |
2. Erlangung von Domains | 7 |
3.) Tatvorwürfe im engeren Sinne | 9 |
a.) Organisatorischer Ablauf der Bearbeitung der Abmahnmandate | 9 |
b.) Einzelne Fälle | 11 |
C. Feststellungsgrundlagen und Beweiswürdigung | 14 |
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen | 14 |
II. Feststellungsgrundlagen und Beweiswürdigung zur Sache | 14 |
1. Einlassung des Angeklagten | 14 |
2. Feststellungsgrundlagen und Beweiswürdigung | 17 |
a.) Objektive Feststellungen zur Vorgeschichte, Erlangung von Domains | 17 |
aa.) Vorgeschichte | 17 |
bb.) Erlangung von Domains | 17 |
cc.) Tatvorwürfe im engeren Sinne (Organisatorischer Ablauf der Bearbeitung | 19 |
b.) Keine weiteren Feststellungen zum Nachteil der Angeklagten | 21 |
D. Rechtliche Würdigung | 27 |
E. Kosten | 30 |