Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.11.2001, Az.: 8 U 176/01
Prozessführungsbefugnis eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); Verweigerung der Forderungseinziehung durch einen anderen Gesellschafter; Liquidations- oder Abwicklungsgesellschaft; Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung; Gesellschaftswidriges Verhalten; Gesamtschuldnerische Haftung bei Baumängeln zwischen Architekt und Bauunternehmer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 15.11.2001
- Aktenzeichen
- 8 U 176/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 23407
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2001:1115.8U176.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück 4 O 588/01 (61) vom 05.07.2001
Rechtsgrundlagen
- § 709 BGB
- § 426 BGB
Fundstellen
- BauR 2002, 1866-1868 (Volltext mit amtl. LS)
- BrBp 2003, 37
- DStZ 2003, 131 (Kurzinformation)
- EWiR 2002, 1081
- NZG 2002, 1056-1057
- OLGReport Gerichtsort 2002, 264-265
Amtlicher Leitsatz
Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Juli 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.
- 1.
Prozessführungsbefugnis des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenn der andere Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert.
- 2.
Gesamtschuldnerische Haftung zwischen Architekt und Bauunternehmer.
Tenor:
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Kläger ist prozeßführungsbefugt.
Der Kläger macht Ansprüche der zwischen ihm und seinem ehemaligen Mitgesellschafter A. . . stehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend. Diese Gesellschaft hat am 31. Dezember 1986 geendet. Sie besteht aber, da sie sich des Vorhandenseins von Gesellschaftsvermögens (i. e. des Anspruchs gegen die Beklagte) berühmt, als sog. Liquidations- oder Abwicklungsgesellschaft fort. Für die Abwicklungsgesellschaft gilt nach § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB der Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung; nach dem Auslegungsgrundsatz des § 714 BGB hat dies im Liquidationsstadium zur Folge, daß die ehemaligen Gesellschafter als Abwickler nur gemeinsam zur Vertretung der Gesamthand berechtigt sind (vgl. MK/Ulmer, BGB, 3. Aufl. , § 730 RdNr. 32 ff. ). Grundsätzlich können deshalb die Abwickler die Gesellschaftsforderung nur gemeinschaftlich einklagen; nur in besonders gelagerten Fällen ist die Prozeßführungsbefugnis einzelner Gesellschafter zu bejahen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGHZ 102, 152, 154 ff. [BGH 30.10.1987 - V ZR 174/86]; 39, 14, 16 ff. [BGH 10.01.1963 - II ZR 95/61] ) besteht die Prozeßführungsbefugnis eines Gesellschafters dann, wenn der andere Gesellschafter sich unter Zurückstellung der Gesellschafterinteressen im bewußten Zusammenwirken mit dem Gesellschaftsschuldner weigert, an der Geltendmachung der Gesellschaftsforderung mitzuwirken. Auf Seiten des klagenden Gesellschafters ist ein berechtigtes Interesse daran, die Gesellschaftsforderung einzuklagen, erforderlich; weitere Voraussetzung ist, daß die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. In solchen Fällen kann der klagende Gesellschafter nicht auf den umständlichen Weg verwiesen werden, zunächst den oder die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, weil dies bei Beteiligung des Gesellschaftsschuldners am gesellschaftswidrigen Verhalten ein unnötiger Umweg wäre.
Diese Grundsätze greifen im vorliegenden Fall ein. Die Beklagte steht unbestritten mit dem Mitgesellschafter A. . . mindestens in geschäftlichem Kontakt. Die Verhältnisse insgesamt und die Interessenlage der - ehemaligen - Gesellschafter sind ihr, wie aus ihrer Prozessführung und ihrem Vorbringen deutlich wird, bestens bekannt. Der Abschluß eines Verzichtsvertrages mit einem der ehemaligen Gesellschafter ist zudem ein eher ungewöhnliches und nicht häufig vorkommendes Geschäft. Daß sich dahinter ein gesellschaftswidriges Verhalten des Gesellschafters A. . . verbergen kann, liegt auf der Hand und kann ihr nicht entgangen sein; an diesem gesellschaftswidrigen Verhalten hat sie sich beteiligt. Angesichts dessen sind ihre Belange weniger schutzwürdig als die des allein klagenden Gesellschafters. Dessen Prozeßführungsbefugnis ist deshalb zu bejahen.
2.
Auf einen von dem Mitgesellschafter A. . . angeblich erklärten Verzicht auf Ansprüche gegen die Beklagte kommt es nicht an. Hat er tatsächlich mit der Beklagten einen Verzichtsvertrag abgeschlossen, so wäre dieser unwirksam.
Ansprüche gegen die Beklagte wären Gesellschaftsforderungen. Für die Abwicklungsgesellschaft gilt, wie bereits ausgeführt, der Grundsatz der Gesamtvertretung. Beide Gesellschafter hätten mithin bei Abschluss des Verzichtsvertrages gemeinschaftlich handeln müssen, es sei denn, der Kläger hätte A. . . zum Alleinhandeln ermächtigt, wofür weder etwas ersichtlich noch vorgetragen ist. Der Mitgesellschafter A. . . hat also beim Abschluß des angeblichen Verzichtsvertrages mit der Beklagten seine Vertretungsmacht überschritten. Nach einhelliger Meinung (vgl. MK/Ulmer a. a. O. , § 714 RdNr. 20) greifen in derartigen Fällen die Rechtsfolgen der §§ 177 - 179 BGB ein, was bedeutet, dass der Verzichtsvertrag nur bei Genehmigung durch den Geschäftsherrn (also die Abwicklungsgesellschaft) wirksam wäre. Eine solche - vom Willen des Klägers als Mitliquidator abhängige - Genehmigung gibt es jedoch nicht; der Kläger verweigert gerade aus durchaus nicht gesellschaftswidrigen Gründen die Mitwirkung an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluß.
3.
Ansprüche aus einer fehlerhaften Planung des Hallendaches stehen dem Kläger (bzw. der Abwicklungsgesellschaft) gegen die Beklagte nicht zu.
Der Kläger behauptet mit der Berufungsbegründung, daß die Beklagte die fehlerhafte und zu erheblichen Mängeln sowie Schadensersatzansprüchen führende Planung des Daches für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erstellt habe. Wird dies als richtig unterstellt, so haben die Beklagte und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Werkvertrag geschlossen. Grundlage eines Schadensersatzanspruchs wäre § 635 BGB. Die Werkleistung hat die Beklagte ausweislich des Bauvertrages und der Ausschreibungsunterlagen Ende 1979/Anfang 1980 erbracht. Für Schadensersatzansprüche aus Werkverträgen gilt die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 BGB. Klage erhoben hat der Kläger erst im Februar 2001. Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben. Etwaige Schadensersatzansprüche aus § 635 BGB sind deshalb verjährt.
Sollte sich der Kläger insoweit das Vorbringen der Beklagten zu eigen machen, folgt daraus ebenfalls kein Schadensersatzanspruch. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie sich zusammen mit dem Kläger bei dem Hersteller des für die Dacheindeckung vorgesehenen Materials informiert und dem Kläger Unterlagen des Herstellers übergeben habe. Weiter hat sie dem Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 19979 einen Vorschlag für den Ausschreibungstext zugesandt. Diesen Vorschlag hat der Kläger unverändert übernommen.
Legt man diesen Sachverhalt als richtig zugrunde, so kann es allenfalls um eine Haftung der Beklagten für einen Rat, eine Auskunft oder eine Empfehlung gehen. Eine Ersatzpflicht besteht in derartigen Fällen nach § 675 Abs. 2 BGB grundsätzlich nicht. Anders kann es nur dann sein, wenn die Parteien einen Auskunftserteilungsvertrag - allenfalls ein solcher kommt hier in Betracht, weil die Tätigkeit der Beklagten ersichtlich unentgeltlich war - geschlossen hätten. Nimmt man dies an, so fehlt hinreichendes Vorbringen dazu, daß die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten aus einem solchen Vertrag verletzt hätte. Die Weitergabe von Herstellerinformationen, mögen diese auch, wie sich später herausgestellt hat, technische Fehler enthalten haben, ist keine Verletzung eines Auskunftserteilungsvertrages. Im übrigen wären der Kläger und sein damaliger Mitgesellschafter A. . . als fachkundige Planer gehalten gewesen, den Vorschlag des Herstellers für die Ausschreibung zu überprüfen. Eine Haftung der Beklagten aus diesem Rechtsgrund ist damit ebenfalls nicht gegeben.
4.
Ein Ausgleichsanspruch aus einem Gesamtschuldverhältnis besteht nicht.
Zwar können Baumängel in den Verantwortungsbereich verschiedener Baubeteiligter fallen, wenn etwa der Architekt mangelhaft plant und der Unternehmen in Kenntnis oder schuldhafter Unkenntnis nach dem Planungsfehler arbeitet oder wenn der Unternehmer eine mangelhafte Leistung erbracht und der Architekt dies im Rahmen seiner Bauaufsicht schuldhaft nicht erkannt hat. In derartigen Fällen haften Architekt und Unternehmer gesamtschuldnerisch nach § 635 BGB bzw. § 13 Nr. 5 VOB/B gleichrangig auf Schadensersatz (vgl. dazu Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl. , RdNr. 1964 ff. ). Um eine solche gleichrangige Haftung der Parteien geht es hier jedoch nicht.
Die Schadensersatzpflicht des Klägers und seines Mitgesellschafters A. . . gegenüber der Gemeinde Geeste, die sie nach Vergleichsschluß am 27. September 1999 in dem Vorprozeß durch Zahlung von 70.000,00 DM erfüllt haben, beruht nämlich nicht auf § 635 BGB, sondern auf dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Davon geht auch der Kläger in der Berufungsbegründung aus. Schadensersatzansprüche der Gemeinde G. . . gegen den Kläger und A. . . waren nämlich bei Klageerhebung im Vorprozeß im November 1995 bereits verjährt. Das Bauvorhaben war offenbar bereits im Jahr 1980 abgeschlossen. Der Kläger und A. . . waren mit der Vollarchitektur beauftragt, so daß die Verjährungsfrist für Ansprüche aus § 635 BGB spätestens mit Ablauf von 5 Jahren nach der Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen die am Bau beteiligten Unternehmer ablief. Das Ende der Verjährungsfrist fiel damit spätestens in das Jahr 1990. Der Kläger und A. . . haben sich im Vorprozeß als Beklagte ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen. Für verjährungshemmende oder verjährungsunterbrechende Maßnahmen größeren Umfangs ist nichts ersichtlich.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH BauR 1978, 235 ff. ; Werner/Pastor a. a. O. , RdNr. 2398, 2404) ist der Architekt jedoch weiter verpflichtet, nach dem Auftauchen von Baumängeln den Ursachen entschieden und ohne Rücksicht auf eine mögliche eigene Haftung nachzugehen und dem Bauherrn rechtzeitig ein zutreffendes Bild der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Schadensbehebung zu verschaffen. Weiter gebietet es die dem Architekten vom Auftraggeber eingeräumte Vertrauensstellung, dem Bauherrn im Laufe der Mängelursachenprüfung ebenso Mängel des eigenen Architektenwerks zu offenbaren, so daß der Bauherr seine Rechte auch gegen den Architekten rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung wahrnehmen kann. Kommt der Architekt diesen Verpflichtungen nicht nach, haftet er dem Bauherrn aufgrund positiver Vertragsverletzung. Derartige Ansprüche verjähren innerhalb der Regelfrist des § 195 BGB erst nach 30 Jahren.
Auf dieser rechtlichen Grundlage beruht ersichtlich der Vergleichsschluß im Vorprozeß. Die Frage einer Haftung aus § 635 BGB und die Verjährung dieses Anspruchs sowie der Umstand, daß im Fall der Verjährung des Gewährleistungsanspruchs Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung bestehen würden, war umfangreich Gegenstand des Vorprozesses.
In diesem Fall fehlt es an einem für die Annahme einer Gesamtschuld wesentlichen Merkmal, daß nämlich der Gläubiger berechtigt ist, die Leistung von jedem Gesamtschuldner nach seinem Belieben ganz oder teilweise zu fordern. Die Beklagte, die als Bauunternehmerin nur nach § 635 BGB haftet, war nämlich nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, daß gegen sie oder die aus dem Kläger und A. . . bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtete Gewährleistungsansprüche nicht verjährten. Eine gesamtschuldnerische Verpflichtung und damit ein Ausgleichsanspruch entfallen dann (vgl. dazu OLG Zweibrücken, BauR 1993, 625 f. [OLG Zweibrücken 30.03.1993 - 4 U 22/93] ).
Der Kläger kann weiterhin nicht geltend machen, er und sein ehemaliger Mitgesellschafter A. . . hätten die Vergleichssumme nicht auf den Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, sondern auf den Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB gezahlt. In diesem Fall ist die Klage ebenfalls unbegründet. Denn im Vorprozess haben der Kläger und A. . . diesem Anspruch gegenüber nicht nur die Verjährungseinrede erhoben; dieser Anspruch ist auch tatsächlich verjährt. Der Kläger hätte dann auf eine verjährte Schuld geleistet, was zur Folge hat, daß er weder vom Gläubiger die Rückerstattung des Geleisteten noch von dem anderen Gesamtschuldner Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB verlangen kann (vgl. OLG Zweibrücken a. a. O. ). Auch das Innenverhältnis zwischen Gesamtschuldnern unterliegt nämlich dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, was zur Folge hat, daß es treuwidrig ist, wenn sich ein Gesamtschuldner zunächst begründetermaßen dem Gläubiger gegenüber auf Verjährung beruft, anschließend aber dennoch den verjährten Anspruch erfüllt, um von dem anderen Gesamtschuldner Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zu verlangen.
5.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.