Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.04.1993, Az.: 10 W 27/92

Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zwecks Ausweisung einer Hoferbin im Grundbuch; Wirksamkeit eines Testaments über die Übertragung des Eigentums an einem landwirtschaftlichen Hof mit Inventar; Auslegung eines Testaments wegen Fehlens eines Satzobjektes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.04.1993
Aktenzeichen
10 W 27/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 25403
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1993:0422.10W27.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bad Iburg - 29.09.1992 - AZ: 10 Lw 11/92

Fundstellen

  • FamRZ 1994, 1138 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1993, 1227 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Hoffolgezeugnis für den im Grundbuch von xxx Bd. xxx Bl. xxx eingetragenen Hof nach dem am 12. Januar 1992 verstorbenen Landwirt xxx

In der Landwirtschaftssache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 22. April 1993
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx
den Richter am Oberlandesgericht xxx,
die Richterin am Oberlandesgericht xxx und
die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Bad Iburg vom 29. September 1992 aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Bad Iburg zurückverwiesen.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - wird angewiesen, der Antragstellerin ein Hoffolgezeugnis, das sie als Hoferbin des im Grundbuch xxx Bd. xxx Bl. xxx eingetragenen Hofes nach dem am 12. Januar 1992 verstorbenen Landwirt xxx ausweist, zu erteilen.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat auch über die Kosten des Beschwerdeverfahren zu entscheiden.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 67.600,-- DM.

Gründe

1

Am 12. Januar 1992 verstarb der Landwirt xxx. Er hinterließ den im Grundbuch von xxx Bd. xxx Bl. xxx eingetragenen Hof zur Größe von 25,27 ha mit einem Einheitswert von zuletzt 16.900,-- DM. Ein von dem Erblasser am 27. März 1984 errichtetes Testament lautet wie folgt:

2

Testament:

"In meinen Todesfalle bestimme ich als Erben über mein gesamtes Eigentum Hof und Grundstück sowie lebenden und toten Inventar.

An meine Geschwistern xxx und xxx"

3

Die in dem Testament genannten Schwestern xxx - die Antragstellerin - (geb. am xxx) und xxx (geb. am xxx) habe mit dem Erblasser auf dem Hof gelebt und dort auch mitgearbeitet.

4

Die Antragstellerin hat die Erteilung eines sie als Hoferbin ausweisenden Hoffolgezeugnis beantragt und dazu die Auffassung vertreten, sowohl aufgrund des Testaments als auch aufgrund ihrer Beschäftigung auf dem Hof sei sie als Hoferbin berufen. Sie auch wirtschaftsfähig.

5

Die Antragsgegnerin hat die Versagung der Erteilung eines Hoffolgezeugnisses für die Antragstellerin beantragt. Das Testament sei unwirksam und die Antragstellerin auch nicht wirtschaftsfähig. Nach gesetzlicher Hoferbfolge sei die Antragsgegnerin als älteste Tochter des vorverstorbenen ältesten Bruders des Erblassers zu Hoferbin berufen und als Landwirtin auch wirtschaftsfähig.

6

Der Erblasser war unverheiratet und hatte keine Kinder. Die Antragstellerin ist das älteste seiner noch lebenden Geschwister.

7

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Bad Iburg hat durch Beschluß vom 29. September 1992, der in Bezug genommen wird, den Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses abgelehnt. Das Testament sei unwirksam. Es lasse einen mutmaßlichen Willen des Erblassers, die Antragstellerin als Hoferbin einzusetzen, nicht erkennen. Selbst wenn es sich nicht nur um einen Testamentsentwurf habe handeln sollen, sei nicht erkennbar, ob überhaupt und wenn ja welche der beiden Schwestern den Hof als Erbin erhalten sollte. Die Beschäftigung der Antragstellerin auf den Hof sei nicht Ausdruck ihrer Einsetzung als Hoferbin, sondern die Fortsetzung der früheren Verhältnisse auf dem Hof, die schon der Erblasser von seinem Vater übernommen habe.

8

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die ihren Antrag weiter verfolgt, wobei sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft.

9

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluß. Dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin tritt sie entgegen.

10

Die Beschwerde der Antragstellerin ist als einfache Beschwerde nach § 9 LwvG, § 19 FGG i.V.m. § 5 des Nds. Ausführungsgesetzes zum LwVG zulässig.

11

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

12

Die Antragstellerin ist allerdings nicht aufgrund des Testaments vom 27. März 1984 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 HöfO zur Hoferbin berufen. Der Senat hat zwar keine Zweifel, daß es sich bei dem angesprochenen Testament nicht nur um einen Entwurf handelt, der noch in besonders dafür freigehaltenen Lücken durch die Einsetzung des ,Namens eines Hoferbens vervollständigt werden sollte. Dies folgt u.a. daraus, daß die einzelnen Abschnitte des Schriftstücks jeweils mit einem Punkt enden. Auch hinter dem Wort "Inventar" befindet sich eindeutig ein Punkt, so daß die Annahme, dieser Satz habe noch fortgesetzt werden sollen, nicht begründet ist. Daß der Erblasser die Absicht gehabt habe, das Testament noch zu vervollständigen, folgt auch nicht aus der grammatikalischen Unvollständigkeit des ersten Satzes des Testamentes. Zwar fehlt es insoweit an einem Satzobjekt. Das gesamte Schriftstück läßt jedoch erkennen, daß der Erblasser wenig schriftgewandt war; denn auch die Worte "In meinen Todesfalle" und "lebenden und toten Inventar" sind grammatikalisch nicht richtig. Dasselbe gilt für die Worte "An meine Geschwistern".

13

Wenn demgemäß aus Rechtsschreib- und Grammatikfehlern keine Folgerungen gezogen werden dürfen, läßt das Testament den Willen des Erblassers erkennen, als Hof erben seine Geschwister xxx und xxx einzusetzen. Diese Bestimmung von mehreren Personen ist aber nach § 4 HöfO unwirksam, weil nur eine Person Hoferbe sein kann.

14

Verläßliche Anhaltspunkte für die Annahme, der Erblasse hätte, wenn er die Unwirksamkeit des Testaments gekannt hätte, die Antragstellerin zur Hoferbin bestimmt, sind nicht vorhanden.

15

Die Antragstellerin ist aber aufgrund gesetzlicher Erbfolge zur Hoferbin berufen. Miterben der ersten Hoferbenordnung sind nicht vorhanden, weil der Erblasser keine Kinder hatte. Innerhalb der allein vorhandenen Miterben der vierten Hoferbenfolge (Geschwister und deren Abkömmlinge ist die Antragstellerin nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Höfe O i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 HöfeO die zunächst als Hoferbin berufene Miterbin. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HöfeO in erster und zweiter Linie berufene Miterben sind nicht vorhanden. Der Erblasser hatte den Hof bis zu seinem Tode in eigener Bewirtschaftung. Er hat auch nicht durch Art und Umfang der Beschäftigung etwa der beiden Schwestern auf dem Hof erkennen lassen, daß eine von ihnen den Hof erben solle. Die Antragstellerin ist aber in dritter Linie als Hoferbin berufen, weil sie die Älteste der Miterben ist und in Bad Laer unstreitig Ältestenrecht gilt. Zwar ist umstritten, welcher Methode bei der Anwendung des Ältestenrechts unter Geschwistern zu folgen ist, wenn, wie hier, unter den Miterben auch Abkömmlingen vorverstorbener älterer Geschwister vorhanden sind. Der Senat schließt sich in dieser Rechtsfrage der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm in der Entscheidung vom 25. Februar 1986 (AgrR 86, 290 f) an, wonach hier das sogenannte Gradualsystem gilt und das Prinzip der Stammerbfolge zurücktritt. Wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HöfeO nicht erfüllt sind, gebietet insbesondere das Interesse an der Erhaltung des Hofes, bei der Hoferbfolge diejenigen Miterben vorzuziehen, die dem Hofe näher stehen vor denjenigen, die von ihm weiter entfernt sind. Daß Geschwister, die unmittelbar vom Hof stammen, erfahrungsgemäß enger an den Hof gebunden sind, als Geschwisterkinder der nächsten Generation, bedarf keiner Frage.

16

Die Wirtschaftsfähigkeit der Antragstellerin nach § 6 Abs. 7 HöfeO ist für den hier betroffenen Betrieb gegeben. Nach dem Bericht des Landwirtschaftsamtes Osnabrück vom 26. August 1992 ist die Antragstellerin in der Lage, den Betrieb zu führen, zumal sie sich auf die Mithilfe ihres Neffen xxx stützen kann. Im übrigen hat sie den Betrieb auch tatsächlich seit dem Tod des Erblassers der Auskunft des Landwirtschaftsamtes in dem von der Antragsgegnerin angestellten Verfahren auf Errichtung einer Nachlaßpflegschaft zufolge insgesamt ordnungsgemäß bewirtschaftet. Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes Osnabrück haben den Betrieb am 18. März 1992 und am 25. August 1992 besichtigt und dabei festgestellt, daß die Antragstellerin die landwirtschaftlichen Kenntnisse zur Führung dieses Betriebes besitzt. Insbesondere in dem letzten Bericht werden Beanstandungen hinsichtlich des Viehbestandes oder der Gebäude nicht erhoben.

17

Der Geschäftswert ergibt sich aus § 19 Abs. 4 KostO.