Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 08.03.2018, Az.: 3 A 408/16

FARC; Kolumbien

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.03.2018
Aktenzeichen
3 A 408/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge.

Sie sind kolumbianische Staatsangehörige katholischen Glaubens; der Kläger zu 1. ist im Jahr 1972, die seit 2010 mit ihm verheiratete Klägerin zu 2. im Jahr 1978 geboren. Sie reisten am 29.09.2012 auf dem Luftweg von Bogota nach Frankfurt/Main in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 05.10.2012 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Zur Begründung trug der Kläger zu 1. unter Vorlage verschiedener Unterlagen im Wesentlichen vor, er habe als Taxifahrer gearbeitet. Ab Dezember 2011 habe er wiederholt drei Männer gefahren, die er zunächst nicht gekannt habe. Nachdem er mit den drei Männern vertrauter geworden sei, habe er aufgrund ihrer Gespräche und transportierter Gegenstände den Eindruck gewonnen, dass sie zu einer Untergrundorganisation gehören könnten. Er sei deshalb besorgt gewesen und habe das bei einer Regierungsrufnummer gemeldet. Ein Verbindungsoffizier der Regierung habe ihm gesagt, dass er zunächst so weitermachen solle wie bisher. Er habe die drei Männer weiterhin transportiert und alle Aktivitäten dem Verbindungsoffizier berichtet. Später habe er erfahren, dass die drei Männer aktive Mitglieder der FARC gewesen und festgenommen worden seien. Im Mai 2012 sei er verschiedene Male verfolgt und einmal ausgeraubt worden. Die Polizei habe den Raub nicht verfolgt. Auch habe er einen Brief von der FARC erhalten, worin er beschuldigt worden sei, dass er die drei Personen verraten habe.

Seine Frau habe er erst zu dem Zeitpunkt informiert. Sie hätten sich zu einem Umzug entschlossen, weil die FARC ihre Wohnanschrift gekannt hätte. Sie seien auf die Finca eines Freundes gezogen. Von dort aus habe er vergeblich versucht, von dem Verbindungsoffizier und anderen Organisationen Hilfe zu erhalten. Einige Zeit später seien sie nach M. zurückgekehrt; er habe in einer Autowerkstatt gearbeitet. Anfang Juli 2012 sei er von zwei bewaffneten Männern geschlagen und entführt worden; er sollte zu einem Kommandanten der FARC gefahren werden. Während der Fahrt sei es ihm gelungen zu flüchten, wobei er beschossen worden sei. Einen Tag später habe er bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Danach sei er von unbekannten Personen angerufen worden, die sich als Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft ausgegeben hätten. Dies habe jedoch nicht gestimmt. Sie seien wiederholt umgezogen, hätten jedoch weiterhin Anrufe von Unbekannten bekommen. Die Klägerin zu 2. bezog sich auch den Vortrag ihres Mannes. Aus Angst hätten sie schließlich das Land verlassen. Politisch hätten sie sich nicht betätigt. Bei einer Rückkehr nach Kolumbien befürchteten die Kläger, dass man sie umbringen werde. Auch gebe es immer noch Personen, die nach den Klägern fragen würden.

Mit Bescheid vom 03.06.2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Kläger sowie die Zuerkennung von Flüchtlingsstatus und subsidiärem Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Ferner wurden die Kläger unter Fristsetzung und Abschiebungsandrohung nach Kolumbien zur Ausreise aufgefordert und ein Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten verfügt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Sachvortrag der Kläger sei unglaubhaft. Die Aussagen seien konstruiert und oberflächlich gewesen. Allgemeine Gefahren aufgrund der Lage Kolumbien würden den Klägern im Falle ihrer Rückkehr nicht drohen.

Am 20.06.2016 haben die Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Asylverfahren und tragen ergänzend vor, die Bedrohung durch Dissidenten der FARC bestehe fort. Die nach der Entwaffnung verbliebenen Reste dieser Organisation seien weiterhin in der Lage, Racheakte gegen „Verräter“ auszuführen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2016 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen, ihnen die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, äußerst hilfsweise ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.

Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Beteiligten vorab übersandte Erkenntnismittelliste, die Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige und auch sonst statthafte Klage ist überwiegend nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf den subsidiären Schutzstatus. Lediglich dem Kläger zu 1. drohen im Fall seiner Rückkehr nach Kolumbien Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Übrigen ist der Bescheid vom 03.06.2016 rechtmäßig und verletzt die die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Kläger haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 der Vorschrift ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die vorgetragene individuelle Vorverfolgung, deren Fortsetzung die Kläger im Falle ihrer Rückkehr nach Kolumbien befürchten, knüpft nicht an eines der genannten Merkmale an. Insbesondere das Verfolgungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 a) AsylG) ist nicht gegeben. Danach müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betroffene nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Der Kläger zu 1. als Taxifahrer und Anzeigeerstatter sowie die Klägerin zu 2. als Hausfrau gehören nicht zu einer sozialen Gruppe im oben genannten Sinn, da diese Merkmale weder angeboren noch unveränderlich sind. Weil das Asylrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG insofern dieselben Voraussetzungen hat, besteht auch kein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte.

Die Kläger haben weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Nach dieser Rechtsnorm ist subsidiär schutzberechtigt, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm oder ihr im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 S. S. Nr. 1 AsylG), Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylVfG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG).

Die Kläger haben zwar - nach Ansicht des Gerichts - glaubhaft vorgetragen, dass der Kläger zu 1. von Angehörigen der FARC - einem nichtstaatlichen Akteur, von dem Verfolgung ausgehen kann, § 3c Nr. 3 AsylG - bedroht worden zu sein und auch Gewalt erfahren zu haben. Jedoch hat sich die politische Lage in Kolumbien nach den vorliegenden Erkenntnismitteln seit der Ausreise der Kläger mittlerweile dahingehend geändert, dass Kolumbiens Regierung mit der Rebellengruppe FARC im November 2016 einen Friedensvertrag geschlossen hat. Die Verhandlungen mit der FARC auf Kuba dauerten vier Jahre. Die Bevölkerung stimmte im Rahmen eines nicht bindenden Volksreferendums am 02.10.2016 zwar mit knapper Mehrheit gegen den Vertrag. Dieser ist jedoch vom kolumbianischen Kongress mittlerweile angenommen worden. Die zentralen Punkte des neuen Friedensabkommens beinhalten, dass das Vermögen der FARC offengelegt werden muss und zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden soll. Der ehemaligen FARC wird künftig politische Teilhabe durch den Erhalt von Sitzen im Senat und der Abgeordnetenkammer garantiert. Vereinbart wurde zudem ein endgültiger Waffenstillstand; die ehemaligen Kämpfer der FARC sollen ihre Waffen niederlegen und den Vereinten Nationen übergeben. Sie erhalten für zwei Jahre eine monatliche Basisrente und eine Einmalzahlung und werden von den staatlichen Sicherheitskräften beschützt. Eingesetzt wird auch eine Übergangsjustiz, die Verfahren gegen die FARC-Rebellen durchführen soll. Rund zwei Monate nach der Einigung auf einen Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der Rebellengruppe FARC sind nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) inzwischen etwa die 6.900 verbliebenen Guerillas in sogenannten Entwaffnungszonen angekommen. In den 26 Entwaffnungszonen, die im ganzen Land verstreut sind, sollen die einstigen Guerillakämpfer nicht nur vollständig entwaffnet, sondern künftig auch ihr neues ziviles Leben vorbereitet werden. Bei einer offiziellen Zeremonie in N. im Norden Kolumbiens lieferten die Kämpfer rund 2.000 Waffen ab. Die Entwaffnung der FARC ist inzwischen abgeschlossen. Allerdings haben sich mehrere hundert FARC-Rebellen dem Friedensprozess verweigert und sich entweder der ELN angeschlossen oder als Söldner der Drogenproduzenten bzw. als kriminelle Banden verselbständigt. Deshalb prägen in Kolumbien Terror und Bandenkriminalität immer noch den Alltag. Jedoch geht dieser Terror nicht mehr von der FARC aus. Sie ist hierarchisch organisiert, so dass von ihrer Führungsebene aller Voraussicht nach kein Befehl mehr an die nachgeordneten Milizen gegeben werden wird, weiterhin Privatpersonen zu töten, zu erpressen oder zu entführen. Das Gericht geht davon aus, dass sich die militanten Strukturen der FARC - bedingt durch den Wegfall der gesamten oberen Führungsebene und der nachgeordneten Ebenen - aufgelöst haben (so bereits VG Hannover, Urteil vom 23.06.2017 - 7 A 3963/17 -, m.w.N.). Als nichtstaatlicher Akteur im Sinne vom § 3c Nr. 3 AsylG existiert die FARC derzeit also nicht mehr.

Aufgrund dieser Entwicklung geht daher das Gericht davon aus, dass der Kläger zu 1. bei einer Rückkehr nach Kolumbien nicht erneut von der FARC bedroht werden würde; die Klägerin zu 2. wurde ohnehin nicht persönlich bedroht. Dies gilt auch unter Beachtung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Denn die vorstehend dargelegte aktuelle Entwicklung des Friedensprozesses stellt einen stichhaltigen Grund dar, der gegen eine erneute Bedrohung spricht.

Es kommt nicht darauf an, ob stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dem Kläger zu 1. bei einer Rückkehr nach Kolumbien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG) droht. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger im Herkunftsland von ehemaligen Mitgliedern der FARC erkannt und - soweit diese den Abschluss des Friedensabkommens nicht akzeptieren - bedroht werden bzw. späte Rache für die damalige Erstattung der Anzeige gegen drei mutmaßliche FARC-Mitglieder geübt wird. Die konkrete Beurteilung dieser Umstände kann in Bezug auf § 4 AsylG jedoch dahinstehen, denn die von der FARC abgespaltenen Gruppen sind keine Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG.

Die Kläger haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der sachliche Schutzbereich des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK über denjenigen des unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG nicht hinaus, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 13.12 – juris, Rn. 25). Da ein solches unionsrechtliches Abschiebungsverbot nicht besteht, scheidet auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK aus (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris, Rn. 79).

Allerdings besteht für den Kläger zu 1. ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für das Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gilt grundsätzlich hinsichtlich einer Bedrohung durch die FARC bzw. ehemalige FARC-Guerillas das bereits zum subsidiären Schutzanspruch Dargelegte. Allerdings kommt es hier nicht darauf an, von welchen Akteuren die Bedrohung ausgeht. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1. glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen, dass er nach der Anzeige gegen drei verdächtige Personen und deren Verhaftung Angriffen durch mutmaßliche FARC-Mitglieder ausgesetzt war, denen er sich auch durch wiederholte Wechsel des Aufenthaltsorts und des Arbeitsplatzes nicht entziehen konnte und gegen die ein wirksamer staatlicher Schutz in Kolumbien nicht zu erlangen war.

Dies belegt nach Einschätzung des Gerichts zugleich, dass es zumindest vor der Ausreise der Kläger keine innerstaatliche Fluchtalternative gab. Gemäß §§ 4 Abs. 3, 3 d und e AsylG wird einem Ausländer kein Schutz zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keiner tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder Zugang zu Schutz vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens hat, sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. An der fehlenden Fähigkeit des kolumbianischen Staates, gegen gezielte kriminelle Angriffe auf Leib und Leben seiner Bürger wirksamen Schutz gewähren zu können, hat sich seit der Ausreise der Kläger nach den vorliegenden Erkenntnismitteln nichts Wesentliches geändert. Angesichts der kurz nach dem jeweiligen Umzug der Kläger rasch wieder aufgenommenen Nachstellungen ist es nach der Einschätzung des Gerichts hinreichend wahrscheinlich, dass die in der Illegalität verbliebenden ehemaligen Mitglieder der FARC oder die Angehörigen der angezeigten drei Personen zur Ausführung von Racheakten gegen Denunzianten fortbestehende Organisationsstrukturen nutzen können, um weiterhin zurückgekehrte ehemalige Verfolgte in ganz Kolumbien zu finden, sodass der Kläger zu 1. bei einer derart starken Verfolgungsmotivation auch in größeren Städten keinen dauerhaften Schutz finden könnte. Dies gilt allerdings nicht für die Klägerin zu 2., für welche es auch vor der Ausreise aus Kolumbien keine hinreichenden Anhaltspunkte gab, dass sie in Racheakte von FARC-Angehörigen gegen ihren Ehemann einbezogen werden könnte.

Demzufolge sind sowohl die Ausreiseaufforderung als auch die Abschiebungsandrohung (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) und die Sperrfrist nach § 11 Abs. 3 AufenthG hinsichtlich des Klägers zu 1. aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Klägers zu 1. aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und hinsichtlich der Klägerin zu 2. aus § 154 Abs. 1 VwGO, im Übrigen aus § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.