Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 16.07.2012, Az.: 6 B 57/12
Obdachlosigkeit; Benutzungsgebühr; Vollstreckung; Unterbringungsfähigkeit; Unterbringungswilligkeit; Zuweisungsbedingung; Zahlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 16.07.2012
- Aktenzeichen
- 6 B 57/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 55 S 2 VwVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Zuweisung einer Unterkunft darf auch bei zahlungsunwilligen Obdachlosen nicht von der Zahlung von Benutzungsgebühren abhängig gemacht werden.
Die Kommune ist auf die Durchsetzung ihrer Forderung nach den Bestimmungen des Nds.
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes verwiesen. Ihren Belangen hat der Gesetzgeber mit
§ 55 S. 2 NVwVG Rechnung getragen.
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Beklagten die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft. Sie ist obdachlos und bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von ca. 691,05 € brutto / 622,98 € netto (so Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 22.7.2009 für die Zeit ab dem 1.7.2009). Daneben besteht kein Anspruch auf Leistungen nach SGB XII (so Bescheid der Beklagten vom 23.7.2010).
Sie ist von der Beklagten ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge wiederholt in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen, so von Mai bis August 2009, im März 2010 und sodann ab dem Dezember 2010. Zwischenzeitliche Mietverhältnisse währten nur begrenzte Zeit; zuletzt ging die Antragstellerin am 13.7.2010 durch Räumung der Mietwohnung verlustig.
Auf ihren Antrag vom 13.7.2010 erhielt sie von der Beklagten den Zuweisungs- und Kostenbescheid vom 22.7.2010. Danach wurde sie befristet bis zum 31.10.2010 eingewiesen in die Obdachlosenunterkunft E.. Zugleich wird für eine mit 20,15 qm bemessene Fläche ein Nutzungsentgelt von monatlich 183,28 € festgesetzt.
Mit Vermerk vom 13.10.2010 hielt die Antragsgegnerin fest, dass die Antragstellerin die Gebühr für ihre Unterkunft nicht zahle, eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze von 989,99 € in Höhe des Wohnraumkostenanteils von 320,00 € nicht in Betracht komme, da sich aufgrund der Höhe der Rente von 622,98 € kein pfändbarer Betrag ergebe, und andere Möglichkeiten der Beitreibung nicht möglich seien.
Zum 1.11.2010 verließ die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorgangs die Obdachlosenunterkunft. Ihr weiterer Aufenthalt war zunächst unbekannt. Doch beantragte sie am 16.12.2010 erneut die Gewährung einer Obdachlosenunterkunft, denn sie benötige einen Schlafplatz. Dabei gab sie an, bislang bei ihrem Sohn gewohnt zu haben, was jedoch nicht mehr möglich sei. Handschriftlichen Zusätzen zum Antragsformular ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin befristet bis zum 19.12.2010 in die Obdachlosenunterkunft F. eingewiesen wurde. Hierfür setzte die Antragsgegnerin ein Nutzungsentgelt von täglich 3,13 € an und ermittelte unter Absetzung eines gezahlten Betrags für die Zeit vom 16.12.2010 bis einschließlich Januar 2011 eine Forderung in Höhe von 133,78 €. Ein diesbezüglicher Bescheid findet sich nicht.
Am 6.1.2011 ließ sich die Antragsgegnerin von der Antragstellerin eine mit „Unterkunft vom 6.1. - 17.1.2011“ überschriebene „Erklärung“ unterschreiben, mit der diese bestätigte, ihr sei bekannt, „für die 33,20 € lediglich das Zimmer … bis zum 17.1.2011 nutzen“ zu können. Ferner erklärt die Antragstellerin darin, wenn sie „am 18.11.2011 noch ein Zimmer benötige“, habe sie für die Zeit bis zum Monatsende „noch 43,88 € am 18. Jan. 2011 zu zahlen“.
Gemäß Vermerk der Antragsgegnerin vom 19.1.2011 weigerte sich die Antragstellerin trotz dieser Erklärung den weiteren Betrag zu zahlen und wollte entgegen mehrfacher Aufforderung das Zimmer und das Haus nicht verlassen. Nachdem die Antragsgegnerin die Polizei zu Hilfe gerufen hatte, zahlte die Antragstellerin den Restbetrag von 43,88 € „für die Anmietung des Zimmers bis zum 31. Jan. 2011“. Weiter führt der Vermerk aus: „Durch die Zahlung konnte Fr. G. ihre Obdachlosigkeit verhindern.“. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie am 1.2.2011 weitere 94,03 € für Februar zu zahlen habe, falls sie dann noch ein Zimmer benötige.
Den Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab sofort unentgeltlich eine Obdachlosenwohnung zur Verfügung zu stellen, lehnte das Gericht mit Beschluss vom 6.1.2011 - 6 B 2/11 - ab; auf die Begründung dieser Entscheidung wird Bezug genommen. Die Antragstellerin machte im Klageverfahren - 6 A 115/11 - geltend, sie benötige ihre ganze Rente, da sie sich ständig um eine passende Wohnung bemühe, und forderte bereits geleistete Zahlungen von der Antragsgegnerin zurück. Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 11.8.2011 wurde die Klage abgewiesen.
Mit Zuweisungs- und Kostenbescheid vom 11.3.2011 wies die Antragsgegnerin der Antragstellerin die von ihr ausweislich des Bescheids seit dem 1.3.2011 genutzte Obdachlosenunterkunft F. zu und erhob für eine anteilige Wohnfläche von 9,65 qm ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 94,03 €. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks hatte die Antragstellerin diese Gebühr zuvor nicht gezahlt und gab an, ihre Rente verloren zu haben.
Auf einem an die Antragstellerin gerichteten Hinweisschreiben vom 3.5.2011 vermerkte die Antragsgegnerin, die Gebühr 05/11 sei zum Soll gestellt und eine Verlängerung erfolge jeweils für einen Monat, wenn die Gebühr gezahlt worden sei. Entsprechend vermerkte sie auf einem Schreiben vom 8.6.2011, eine Verlängerung erfolge erst, „wenn Gebühr 07/2011 gezahlt wurde!“.
Mit Schreiben vom 14.6.2011 trug die Antragstellerin im Klageverfahren - 6 A 115/11 - vor, die Klägerin habe zwar einen Anspruch auf Unterbringung, jedoch habe sie keinen Anspruch auf kostenlose Unterbringung; dieser lasse sich aus ihrer Satzung nicht herleiten. Nach ihrer Einschätzung sei davon auszugehen, dass die geltend gemachte finanzielle Notlage selbstverschuldet sei und bewusst in Kauf genommen worden sei.
Am 13.7.2011 wurde die Antragstellerin inhaftiert. Die Antragsgegnerin ermittelte eine Restforderung in Höhe von 40,75 € und stellt „den Fall“ zum 14.7.2011 ein.
Nach Haftentlassung beantragte die Antragstellerin am 4.10.2011 erneut die Gewährung einer Obdachlosenunterkunft. Die Antragsgegnerin wies sie befristet bis zum 10.10.2011 wieder in die Obdachlosenunterkunft F. ein. Mit einem irrtümlich auf den 2.9.2011 datierten Vermerk hielt die Antragsgegnerin hierzu fest, dass die monatliche Gebühr 10/2011 von 113,17 €, das Schlüsselpfand und der Rückstand 04/2011 gezahlt wurden. Weiter ist darin festgehalten:
„Da die Zahlungsmoral von Frau G. ziemlich schleppend ist wird Frau G. die Unterkunft zunächst mündlich zugewiesen sobald sie die Gebühr für den jeweiligen Monat gezahlt hat.
Sollstellung der monatlichen Gebühr erfolgt jeweils nach Zahlung.“
Mit Schreiben vom 5.1.2012 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass sie sich widerrechtlich in der Wohnung aufhalte, weil sie die Gebühr für Dezember 2011 und Januar 2012 nicht gezahlt habe. Sofern der Rückstand nicht bis zum 12.1. gezahlt werde, sei ein weiterer Verbleib n der Unterkunft nicht möglich.
Am 21.6.2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie in der Unterkunft nicht bleiben könne, weil sie das Nutzungsentgelt nicht zahle. Gleichen Tags vermerkte die Antragsgegnerin, die Antragstellerin halte sich seit mehreren Monaten widerrechtlich in der Obdachlosenunterkunft auf. Sie habe eine Einweisungsverfügung nicht erhalten, da das Nutzungsentgelt seit Dezember 2011 nicht gezahlt worden sei. Da sie die Unterkunft immer mehr verunreinige, die Herdplatten in der Gemeinschaftsküche nicht ausschalte und anscheinend inkontinent sei, habe man den Sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet. Dieser habe keine Möglichkeit zu einer Zwangseinweisung gesehen.
Die Antragstellerin beantragte am folgenden Tag die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und erklärte, sie befürchte nicht mehr in die Unterkunft gelassen zu werden, ohne dass ihr ein Bescheid erteilt worden sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen.
Die Antragsgegnerin wurde unmittelbar nach Antragstellung vom Berichterstatter telefonisch von Antrag und Begründung in Kenntnis gesetzt. Sie bestätigte, dass der Antragstellerin keine Unterkunft mehr gegeben werde, weil diese kein Nutzungsentgelt zahle. Nachdem der Berichterstatter erkennen ließ, dass dieses Vorgehen auf rechtliche Bedenken stoßen könnte, machte sie geltend, die Antragstellerin sei wegen ihres Verhaltens nicht länger tragbar, weil sie z.B. die Herdplatten unbeaufsichtigt brennen lasse.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, die Antragstellerin habe seit Dezember 2011 keine Zahlungen mehr geleistet. Angesichts der bekannten schleppenden Zahlungsweise sei ihr die Unterkunft zunächst mündlich zugewiesen worden und man habe auf einen formellen Zuweisungsbescheid verzichtet. Unstreitig sei, dass sie verpflichtet sei, Obdachlosenunterkünfte zur Unterbringung von obdachlosen Personen zur Verfügung zu stellen. Die Antragstellerin stelle jedoch durch ihr Handeln eine massive Eigen- und Fremdgefährdung dar. Mitbewohner hätten Angst und wollten andere Unterkünfte. Die Antragstellerin rauche trotz Verbots in ihrem Bett, obwohl sie an einer Schlafkrankheit leide. Auch stelle sie - teils bewusst, teils unbewusst - regelmäßig sämtliche Platten sowie den Backofen des E-Herdes in der Gemeinschaftsküche auf maximale Hitze und verlasse die Küche. Trotz ständiger Ermahnungen halte sie sich nicht an die Hausordnung. Sie behandele ihren Raum nicht pfleglich, beteilige sich nicht an der Reinigung der Gemeinschaftsräume, befördere Abfälle nicht in die Behälter und nötige Mitbewohner, ihr Essen oder Zigaretten „zu spenden“. Am Wochenende der 24. Kalenderwoche habe sie mehrfach in der Annahme die Polizei gerufen, die Bewohner des Hauses würden vergast. Die weitere Unterbringung sei ihr - der Antragsgegnern - nicht zumutbar, denn es fehle an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit der Antragstellerin. Schlussendlich sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin trotz anderslautender Beteuerung keinerlei Benutzungsgebühren entrichte. Auch aus diesem Grund sei ihr der Verbleib der Antragstellerin nicht mehr zuzumuten. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Das auf vorläufige Zuweisung einer solchen Obdachlosenunterkunft gerichtete Begehren beurteilt sich nach § 123 VwGO; insoweit hat die Antragstellerin Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen sind nach gegenwärtiger Sachlage gegeben. Die Antragstellerin hat selbst in Ansehung der von der Antragsgegnerin erhobenen Einwände Anspruch darauf, dass ihr von der Antragsgegnerin eine Obdachlosenunterkunft gewährt wird und es bedarf auch der gerichtlichen Anordnung, da die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Unterbringung verweigert und diese dadurch obdachlos geworden ist.
Die Antragsgegnerin ist gemäß § 97 Abs. 1 Nds. SOG die zur Gefahrenabwehr berufene Behörde. Örtlich zuständig ist sie, weil in ihrem Stadtgebiet die zu schützenden Interessen, insbesondere Leben und Gesundheit der Antragstellerin gefährdet werden ( vgl. § 100 Abs. 1 S. 2 Nds. SOG). Insoweit hat sie gemäß § 11 Nds. SOG nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine konkrete Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird (§ 2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG), abzuwehren.
Der Zustand unfreiwilliger Obdachlosigkeit wird im Hinblick auf die damit typischerweise verbundene Gefährdung insbesondere von Gesundheit und Leben, d.h. der körperlichen Integrität des Obdachlosen, als eine Störung der öffentlichen Sicherheit angesehen. Im Rahmen ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr hat die Antragsgegnerin daher die unfreiwillige Obdachlosigkeit in ihrem Stadtgebiet nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 4 Nds. SOG) zu beseitigen. Insoweit ist sie regelmäßig verpflichtet, zur Behebung der unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen.
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge bestehen an der unfreiwilligen Obdachlosigkeit der Antragstellerin keine Zweifel. Dies sieht auch die Antragsgegnerin so, die der Antragstellerin nach mehrfachen Unterbrechungen bei deren anderweitigem Unterkommen zuletzt zum fünften Mal Obdach gewährt hatte. Deren „Zahlungsmoral“ hinsichtlich der Benutzungsgebühren weckt keine Zweifel, dass die Antragstellerin, die bereits versucht hat, einen Anspruch auf unentgeltliche Unterkunftsgewährung gerichtlich durchzusetzen, unfreiwillig obdachlos ist, und unmissverständlich Obdach begehrt, ohne dass ihr Verhalten insoweit widersprüchlich erschiene. Die Antragsgegnerin ist indessen der fehlsamen Rechtansicht, sie könne bei der Gefahrbekämpfung der Antragstellerin die Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft vorenthalten, weil oder solange diese die für die Obdachlosenunterkunft von ihr erhobenen Benutzungsgebühren nicht entrichtet.
Für die rechtliche Beurteilung einschlägig ist die Satzung über die Benutzung und die Gebühren der Obdachlosenunterkünfte in der Stadt Osnabrück vom 20.3.2007 in der Fassung der Änderung vom 5.5.2009. Danach betreibt die Antragsgegnerin die Obdachlosenunterkünfte als öffentliche Einrichtung (§ 1 Abs. 1 der Satzung). Das Benutzungsverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 2 Abs. 1 S. 1 der Satzung). Für die Benutzung werden von den untergebrachten Personen Gebühren erhoben (§ 8 der Satzung). Zum Gebührenmaßstab trifft § 9 der Satzung die einschlägigen Regelungen. Nach § 10 Abs. 1 der Satzung beginnt die Gebührenpflicht mit dem Bezug der Räume und endet mit dem Tag der Räumung. Die monatliche Benutzungsgebühr (§ 10 Abs. 2 der Satzung) wird bei der Berechnung nach Kalendertagen mit 1/30 der monatlichen Gebühr für jeden Tag der Benutzung berechnet (§ 10 Abs. 3 der Satzung). Zu erhebende Benutzungsgebühren müssen durch Gebührenbescheid gegenüber der untergebrachten Obdachlosen festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 S. 1 der Satzung) und sind erst zwei Wochen nachdem dieser der Bescheid bekannt gegeben wurde fällig und zu entrichten (§ 11 Abs. 1 S. 2 der Satzung). Ausnahmebestimmungen hierzu sieht die Satzung der Antragsgegnerin nicht vor. Der im vorhergehenden Abschnitt II. der Satzung bezüglich des Benutzungsverhältnisses normierte § 7 der Satzung ist bei systematischer Auslegung der Satzung für das im nachfolgenden Abschnitt III. geregelte Gebührenschuldverhältnis nicht einschlägig, gibt aber mit seiner Vollstreckungsregelung nach § 70 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz – Nds. VwVG - i.V.m. §§ 64 ff. Nds. Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - für eine Abweichung von den Bestimmungen des Abschnitts III. auch inhaltlich nichts her.
Die Antragsgegnerin ist vielmehr von Gesetzes wegen darauf verwiesen, die ihr nach § 5 NKAG auf satzungsrechtlicher Grundlage zustehenden Gebühren gemäß § 11 NKAG i.V.m. den Bestimmungen des Nds. VwVG zu vollstrecken. Die Voraussetzungen der Vollstreckung normiert insoweit § 3 Abs. 1 Nds. VwVG. Danach muss die Gebührenforderung insbesondere fällig (Nr. 2), angemahnt (Nr. 3) und die Zahlungsfrist fruchtlos verstrichen (Nr. 4) sein. Diesen gesetzlichen Vorgaben trägt § 11 der Satzung Rechnung. Eine („Vorkasse“-) Befugnis der Antragsgegnerin, bei nicht zahlungsfähigen oder nicht zahlungswilligen Obdachlosen die nicht nur in dessen eigenen, sondern gerade im öffentlichen Interesse zur Gefahrbeseitigung gebotene Gewährung einer Obdachlosenunterkunft von der Entrichtung der Benutzungsgebühren abhängig zu machen, gibt es daher nicht. Die von der Antragsgegnerin geübte Verfahrensweise, der Antragstellerin nur gegen Zahlung von Benutzungsgebühren eine Unterkunft zu gewähren und ihr die Unterkunft bei Nichtzahlung zu verweigern, ist mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr nicht zu vereinbaren, widerstreitet den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen und ist deshalb rechtswidrig. Dies gilt auch für die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zum Zweck der Erzeugung eines anhaltenden Zahlungsdrucks auf die Antragstellerin geübte Praxis, dieser die Obdachlosenunterkunft nur mündlich und jeweils nur für kurze Zeitabschnitte - regelmäßig monatlich - zuzuweisen. Eine derartige Verwaltungspraxis ist ermessensfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin diese unter Hintanstellung der ihr obliegenden effizienten Wahrnehmung einer Gefahrenabwehraufgabe entgegen den Beitreibungs- und Vollstreckungsregelungen allein an der Realisierung ihrer Gebührenforderungen ausgerichtet hat, obwohl für derartige Überlegungen im Rahmen des § 11 Nds. SOG i.V.m. § 4 Nds. SOG kein Raum ist.
Im Übrigen wird der rechtswidrigen Vorgehensweise der Antragsgegnerin eine auch in anderer Hinsicht rechtsfehlerhafte Annahme zugrunde liegen. Ausweislich der Vermerke hat sich die Antragsgegnerin zu ihrer Vorgehensweise nämlich entschlossen, um die gesetzlichen Pfändungsschutzregelungen zu umgehen, weil sie zu der Auffassung gelangte, eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenze in Höhe des Wohnraumkostenanteils komme nicht in Betracht und andere Möglichkeiten der Beitreibung seien nicht gegeben (so der Vermerk vom 13.10.2010). Dies spricht dafür, dass die Antragsgegnerin die vom Gesetzgeber gerade für die wegen Obdachlosenunterbringung zu zahlenden Nutzungsentschädigungen geschaffene Bestimmung des § 55 S. 2 Nds. VwVG nicht in den Blick genommen hat, wonach die Vollstreckungsbehörden den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c der Zivilprozessordnung vorgesehene Beschränkung bestimmen kann. Nach § 54 Abs. 4 SGB I wird auch die Rente der Antragstellerin wegen voller Erwerbsminderung als Anspruch auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet (vgl. auch BGH, B. v. 10.10.2003 - IXa ZB 180/03 -, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: http://www.bundesgerichtshof.de).
Die der Antragsgegnerin danach im öffentlichen Interesse obliegende Aufgabe, die mit einer Obdachlosigkeit der Antragstellerin verbundenen Gefahren zu bekämpfen, dieser mithin eine menschenwürdige Obdachlosenunterkunft zur Verfügung zu stellen, steht nach derzeitiger Sachlage voraussichtlich auch nicht eine anhaltende fehlende Unterbringungsfähigkeit und Unterbringungswilligkeit der Antragstellerin (vgl. VG München, B. v. 24.10.2002 - M 22 E 02.2459 u.a. -, juris; zust. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage, Abschnitt F, Rn. 815) entgegen. Soweit die Antragsgegnerin insoweit darauf abhebt, die Antragstellerin habe Herdplatten brennen lassen und rauche im Bett, erreichen deren Verhaltensweisen ausweislich der Verwaltungsvorgänge selbst nach Einschätzung des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Antragsgegnerin nicht das Ausmaß einer erheblichen Eigen- oder Fremdgefährdung. Auch sind die von der Antragsgegnerin angeführten Umstände ausschließlich in einem auf den Vortag zur Antragstellung im vorliegenden Verfahren datierten Vermerk zur Rechtfertigung des verweigerten weiteren Aufenthalts in der Obdachlosenunterkunft festgehalten, ohne dass sich dies - wie es im Fall gravierender Vorfälle indes zu erwarten wäre - zuvor in Verwaltungsvorgängen niedergeschlagen hätte. Nach Einschätzung der Kammer ist deshalb voraussichtlich jedenfalls nicht ein derart gravierendes Fehlverhalten der Antragstellerin gegeben, dass es dieser an der Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit mangelte, so dass der Antragsgegnerin deren Unterbringung nicht länger möglich wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verweigerung der Obdachlosenunterbringung wegen fehlender Unterbringungsfähigkeit und -willigkeit die ultima ratio der Gefahrenabwehrbehörde darstellt, so dass an deren Nachweis besonders hohe Anforderungen zu stellen sind.