Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 28.01.2004, Az.: L 3 KA 427/03 ER
Widerruf der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung mammographischer Leistungen; Pflicht zur Ablegung einer Prüfung zum Nachweis einer geforderten Qualifikation als verhältnismäßige Maßnahme zur Qualitätssicherung im Sinne des § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V); Zulässigkeit der Entziehung einer bisher bestehenden Abrechnungsberechtigung bei Nichtbestehen einer Prüfung zum Nachweis einer geforderten Qualifikation; Zulässigkeit des Rücktritts von einer Eignungsprüfung i.S.d. § 135 Abs. 2 SGB V; Anforderungen an den Nachweis einer behaupteten Beeinträchtigung des Leistungsvermögens bei Rücktritt von einer Eignungsprüfung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.01.2004
- Aktenzeichen
- L 3 KA 427/03 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0128.L3KA427.03ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 23.09.2003 - AZ: S 16 KA 202/03 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
- § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG
- § 135 Abs. 2 SGB V
- § 9 Abs. 3 Buchst. c Anlage IV zur Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie
- § 2 Abs. 4 S. 3 Anlage IV zur Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie
- § 3 Abs. 4 Anlage IV zur Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstelle
- Breith. 2004, 275-280
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Den Partnern der Bundesmantelverträge ist es rechtlich grundsätzlich erlaubt, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung einheitliche Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen zu vereinbaren, sofern deren Ausführung, beispielsweise wegen der Neuheit des Verfahrens, besondere Kenntnisse und Erfahrungen, eine besondere Praxisausstattung oder die Erfüllung weiterer Anforderungen erfordert.
- 2.
Das Ablegen einer Prüfung kann zum Nachweis einer bestimmten Qualifikation geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sein.
- 3.
Die Entziehung einer bisher bestehenden Berechtigung zur Ausführung und Abrechnung von mammographischen Untersuchungen als kassenärztliche Versorgungsleistung ist im Falle des Nichtbestehens der in zulässiger Weise geforderten Prüfung rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.
- 4.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer bisher bestehenden Abrechnungsberechtigung kann aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten sein.
Der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat
am 28. Januar 2004
in Celle
durch
die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Dr. Günniker,
den Richter am Landessozialgericht Dr. Pfitzner und
den Richter am Landessozialgericht Pilz
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 23. September 2003 wird aufgehoben.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wird abgelehnt.
Die Kosten des erstinstanzlichen und des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts, mit dem die Antragsgegnerin die Genehmigung des Antragstellers zur Ausführung und Abrechnung mammographischer Leistungen widerrufen hat.
Der C. geborene Antragsteller ist als Facharzt für Radiologie niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Antragsgegnerin hatte ihm mit Bescheid vom 27. März 1980 - auf der Grundlage der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Radiologie und Nuklearmedizin vom 08. Dezember 1979 - die Berechtigung zur Ausführung u.a. mammographischer Untersuchungen zuerkannt. Seitdem rechnete der Antragsteller die entsprechenden Leistungen (Ziffern 5.091 bis 5.093 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen <EBM-Ä>) im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ab, wobei die hierauf entfallenden Punktzahlen im Abrechnungsjahr 2002 zwischen 11,12 % und 15,39 % der Gesamtpunktzahl ausmachten.
Ab 01. April 2002 trat eine Änderung der zwischenzeitlich auf der Grundlage des § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von den Partnern der Bundesmantelverträge abgeschlossenen Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie (im Folgenden: Vereinbarung) in Kraft. Danach müssen gemäß § 6 Abs. 4 der Vereinbarung Ärzte, die eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von mammographischen Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung beantragen, neben dem schon bisher erforderlichen Nachweis der fachlichen Befähigung an der Beurteilung einer Fallsammlung erfolgreich teilgenommen haben. Diese besteht gemäß § 2 Abs. 2 der Anlage IV zur Vereinbarung aus 200 Mammographieaufnahmen von 50 Patientinnen und muss gemäß § 2 Abs. 3 20 bis 29 Karzinome oder deren Vorstufen enthalten. Der Arzt muss gemäß § 3 Abs. 3 der Anlage IV die Mammographieaufnahmen nach den Alternativen: "mammographisch unauffällig oder Verdacht auf gutartige Veränderungen" bzw. "Verdacht auf bösartige Veränderungen" beurteilen. Gemäß § 3 Abs. 4 der Anlage IV war die Teilnahme an der Beurteilung erfolgreich, wenn die Sensitivität und die Spezifität jeweils mindestens 90 % betragen hat sowie höchstens sieben falsche, davon höchstens zwei falsch-negative Beurteilungen erfolgt sind. Ärzte, die eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung mammographischer Leistungen schon vor dem In-Kraft-Treten der neuen Vereinbarung erhalten haben, behalten diese gemäß § 9 Abs. 1 der Anlage IV, wenn sie bis zum 30. September 2003 erfolgreich an der Beurteilung der Fallsammlung teilgenommen haben. War die Teilnahme an einer ersten Beurteilung nicht erfolgreich, kann der Arzt nach Absolvierung eines Fortbildungskurses erneut an der Beurteilung der Mammographieaufnahmen teilnehmen. War diese erneut erfolglos, ist die bisherige Genehmigung gemäß § 9 Abs. 3 Buchstabe c) der Anlage IV mit der Mitteilung über die erfolglose Teilnahme zu widerrufen.
Die erste Prüfung am 16. Dezember 2002 bestand der Antragsteller nicht, nachdem er 43 Aufnahmen als positiv beurteilt hatte, wovon 18 falsch-positiv waren. Nach Absolvierung von Fortbildungsmaßnahmen nahm er am 02. Juli 2003 von 8:10 Uhr bis 10:25 Uhr erneut an einer Prüfung teil, bei der er 44 positive Befunde vermerkte. Wie sich später ergab, waren hiervon 20 falsch-positiv; außerdem war eine Angabe falsch-negativ. Um 14:15 Uhr desselben Tages erschien der Antragsteller mit seiner Ehefrau - einer Rechtsanwältin - erneut am Prüfungsort und bat darum, ihm den Bewertungsbogen und die Fallsammlung nochmals auszuhändigen, weil er sich bei den Zuordnungen zu den gut- bzw. bösartigen Befunden verzählt haben müsse. Dies wurde abgelehnt. Mit Schreiben vom 08. Juli 2003 - bei der Antragsgegnerin eingegangen am 10. Juli 2003 - erklärte er durch seinen Rechtsanwalt die "Anfechtung" der von ihm ausgefüllten Bewertungsbogen wegen Irrtums; er habe sich infolge eines plötzlich aufsteigenden tief greifenden punktuellen Unwohlseins in einem Zustand befunden, in dem er die Struktur der Bewertungsbogen nicht mehr durchschaut habe. Hierzu legte er in der Folgezeit ein Attest des Augenarztes Dr. D. vor, wonach eine fehlerhaft gefertigte Brille zu Bildunschärfen und zu Übelkeit geführt habe. Außerdem reichte er ein Attest der Klinik für Alters- und Stoffwechselerkrankungen des Kreiskrankenhauses Hameln (Dr. E.) vom 07. Juli 2003 ein, wonach er seit mehreren Jahren unter Bluthochdruck leide und denkbar sei, dass sein Konzentrationsvermögen durch die antihypertensive Therapie und die Besonderheiten der Prüfungssituation so beeinträchtigt gewesen sei, dass ihm subjektiv an einem erfolgreichen Abschließen der Prüfung erhebliche Bedenken gekommen seien.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2003 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass seine Teilnahme an der Beurteilung der Mammographieaufnahmen erneut erfolglos gewesen sei. Aus diesem Grunde widerrief sie ab sofort seine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung mammographischer Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an, woran ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, weil die betroffenen Patientinnen einen berechtigten Anspruch auf die Durchführung der Mammographien von einem hierfür qualifizierten Arzt besäßen. Würde ein etwaiger Widerspruch aufschiebende Wirkung entfalten, könne diesem Anspruch nicht Genüge getan werden. Ein mögliches Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung müsse gegenüber dem gesundheitlichen Wohl der Patientinnen zurückstehen.
Gegen den Widerruf der Genehmigung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 2003 Widerspruch ein. Außerdem hat er vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hannover am 29. Juli 2003 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Das VG hat den Verwaltungsrechtsweg mit Beschluss vom 30. Juli 2003 für unzulässig erklärt und den Rechtstreit an das Sozialgericht (SG) Hannover verwiesen. Mit Verwaltungsakt vom 31. Juli 2003 hat die Antragsgegnerin ihren ursprünglichen Bescheid dahingehend geändert, dass die Genehmigung aus Vertrauensschutzgründen nunmehr mit Wirkung zum 01. Oktober 2003 widerrufen worden ist; auch im Hinblick auf diesen Bescheid wurde die sofortige Vollziehung aus den bereits im Ursprungsbescheid genannten Gründen angeordnet. Der Antragsteller hat auch gegen diesen Bescheid (am 05. August 2003) Widerspruch eingelegt und am 06. August 2003 vor dem SG Hannover die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs beantragt.
Zur Begründung seines Antrages hat er im Wesentlichen ausgeführt, er sei ein hervorragend ausgebildeter Radiologe mit reicher Erfahrung, der sich laufend fortgebildet habe und sich in den 23 Jahren seiner Tätigkeit - mit Ausnahme eines einzigen Falls - nie einen Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst habe zu Schulden kommen lassen. Das Prüfungsergebnis sei nicht repräsentativ für sein Wissen auf dem Gebiet der Mammographie. Bei der Erstprüfung sei er nicht ausreichend vorbereitet gewesen, weil er völlig falsch auf seine Erfahrung vertraut habe, ohne zu erkennen, dass die Fallgruppenbeurteilung anderen Kriterien unterliege als seine tägliche radiologische Praxis, in der zusätzliche diagnostische Möglichkeiten gegeben seien. Schon deshalb sei auch der Rückschluss, dass derjenige, der die Fallgruppe nicht zutreffend begutachte, auch in seiner täglichen ärztlichen Praxis "Unheil anrichte", nicht zwingend. Auf die Wiederholungsprüfung habe er sich ausreichend vorbereitet, ein bis dahin in seiner Schwere und Bedeutung nicht erkannter Bluthochdruck, eine möglicherweise bestehende Herzerkrankung und eine mit falscher Dioptrienzahl gefertigte Brille hätten jedoch zu Unwohlsein, Übelkeit und Sichteinschränkungen geführt, sodass er in seiner Beurteilungssicherheit gemindert gewesen sei. Zu diesen Angaben hat er eine eidesstattliche Versicherung vom 25. Juli 2003 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 23. September 2003 hat das SG Hannover die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Widerruf seiner Genehmigung zum 01. Oktober 2003 wiederhergestellt. Die Antragsgegnerin habe bei der anzustellenden umfassenden Interessenabwägung nicht ausreichend gewürdigt, dass der Antragsteller in 23 Jahren seiner Praxistätigkeit im Wesentlichen beanstandungsfrei gearbeitet habe. Auch die Gründe für das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Prüfung seien nicht hinreichend gewürdigt worden. So falle bei näherer Betrachtung der in den Prüfungsbogen enthaltenen Erläuterungen als Unklarheit auf, dass der dehnbare Begriff des "Verdachts" auf bösartige Veränderungen als Positivkriterium angeführt worden sei, der nicht mit gesicherten Erkenntnissen gleichgesetzt werden könne. Außerdem habe der Antragsteller in der ersten Prüfung keinen einzigen und in der zweiten Prüfung nur einen falsch-negativen Befund aufgewiesen, obwohl noch zwei falsch-negative Befunde ein Bestehen der Prüfung ermöglicht hätten. Die hauptsächliche Gefahr für die Öffentlichkeit liege in einer zu hohen Zahl an falsch-negativen Befunden. Das Prüfungsergebnis des Antragstellers stelle sich so dar, dass dieser pathologische Befunde mit großer Sicherheit als Verdachtsfälle erkannt habe und in Zweifelsfällen - nach der Aufgabenstellung konsequent - jeweils einen positiv Befund angekreuzt habe.
Gegen diesen Beschluss, der der Antragsgegnerin am 26. September 2003 zugestellt worden ist, hat diese am selben Tag Beschwerde vor dem Landessozialgericht (LSG) eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Das SG verkenne, dass die mit der Vereinbarung getroffene Übergangsregelung gerade für Ärzte wie den Antragsteller geschaffen worden sei, die in langjähriger Praxistätigkeit Mammographien in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht hätten. Dass der Antragsteller die vorgesehene Beurteilung zwei Mal nicht bestanden habe, lasse darauf schließen, dass er trotz langjähriger Praxistätigkeit und aktueller Fortbildung nicht über die notwendige Qualifikation zur Durchführung von Mammographien verfüge. Außerdem seien die Anforderungen an das Bestehen der Beurteilung von ihm eindeutig nicht erfüllt worden. Wenn es den Begriff des Verdachts für dehnbar halte, übersehe das SG, dass der Mammographie eine gesicherte Erkenntnis nicht zukommen könne, der durchführende Arzt hierdurch aber in der Lage sei, den Verdacht auf eine bösartige Erkrankung auszuschließen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass jeder Verdacht auf eine bösartige Erkrankung eine weiter gehende Abklärungsdiagnostik und darüber hinaus eine immense psychische Belastung für die betroffene Patientin mit sich bringe, woraus sich ergebe, dass auch die Vermeidung falsch-positiver Befunde ein Qualitätsmerkmal der Mammographie sei und damit im besonderen Interesse Dritter stehe.
Dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist der Antrag zu entnehmen,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 23. September 2003 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es sei erst noch zu klären, ob die von ihm abgegebenen Beurteilungen falsch gewesen seien und ob das Ergebnis des zweiten Prüfungsverfahrens angesichts seiner gesundheitlichen Defizite im Zeitpunkt der Prüfung überhaupt gegen ihn verwendet werden dürfe. Die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin sei jedenfalls nicht begründet, selbst wenn er Beurteilungsschwächen bei der Eingruppierung der Verdachtsdiagnose "positiv" gezeigt habe. Die hieraus seitens der Antragsgegnerin gezogenen Schlüsse seien falsch, weil der im Prüfungsverfahren konstruierte Fall nicht richtig sei, dass sich die Beurteilung des Arztes nur und gleich am Anfang auf eine Röntgenaufnahme stütze und eine Fehlbeurteilung im Bereich "positiv" dann erst weitere Aufklärungsdiagnostik in Gang setze. Denn dem Radiologen stehe in der Praxis eine Vielzahl diagnostischer Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich Voraufnahmen, Familien- und Eigenanamnese und Sicht- und Tastbefund. Vor Äußerung des Verdachts auf eine bösartige Erkrankung führe er außerdem zunächst eine Zielaufnahme und/oder Schrägaufnahme sowie eine begleitende Ultraschalluntersuchung durch. Im Hinblick auf die Auswertung von Mammographien entspreche es langjähriger Erziehung und Übung der Radiologen in dem Bemühen, keinen Krebsfall zu übersehen, im Zweifel auf "Verdacht positiv" zu erkennen.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2003 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 24. November 2003 Klage vor dem SG Hannover erhoben.
II.
Gegenstand des Verfahrens ist vorliegend zunächst die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juli 2003 getroffene Entscheidung, die sofortige Vollziehung des ab sofort geltenden Widerrufs der bisherigen Genehmigung des Antragstellers zur Ausführung und Abrechnung mammographischer Leistungen anzuordnen. Nachdem die Antragsgegnerin den ursprünglichen Verwaltungsakt durch den weiteren Bescheid vom 31. Juli 2003 in der Weise geändert hat, dass der Widerruf nunmehr erst mit Wirkung zum 1. Oktober 2003 in Kraft getreten und auch insoweit die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, ist der Änderungsbescheid gemäß § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. In entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG ist damit auch die sich nunmehr auf den Widerruf zum 1. Oktober 2003 beziehende Anordnung der sofortigen Vollziehung Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden.
Die so verstandene Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Antragsgegnerin durch die Entscheidung des SG, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wieder herzustellen, weiterhin beschwert, auch wenn sie mittlerweile den Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2003 erlassen hat und das Widerspruchsverfahren damit beendet ist. Denn die durch einen derartigen - zeitlich nicht befristeten - Beschluss angeordnete aufschiebende Wirkung dauert bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts (vgl. BVerwGE 78, 192, 209[BVerwG 27.10.1987 - 1 C 19/85]; Senatsbeschluss vom 5. November 2002 - L 3 KA 371/02 ER).
Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu Unrecht wieder hergestellt. Der hierauf gerichtete Antrag war zwar gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig; denn die dort geregelte Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage umfasst auch die Wiederherstellung dieser Wirkung, wenn die Behörde vorher die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet hatte (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86a RdNr. 22). Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil die sofortige Vollziehung zu Recht angeordnet worden ist.
Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG kann die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet werden, wenn diese im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist. Sie muss von der Stelle angeordnet werden, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den hiergegen gerichteten Widerspruch zu entscheiden hat; außerdem muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung im Rahmen einer schriftlichen Begründung dargelegt werden. Diese formalrechtlichen Voraussetzungen werden von den in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Anordnungen der sofortigen Vollziehung erfüllt. Insbesondere hat die Antragsgegnerin unter Hinweis auf das gesundheitliche Wohl der Patientinnen und darauf, dass diese einen berechtigten Anspruch auf die Durchführung der Mammographien von einem hierfür qualifizierten Arzt besäßen, das erforderliche besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung näher dargelegt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wäre allerdings nicht gerechtfertigt, wenn die angefochtenen Verwaltungsakte offensichtlich rechtswidrig wären (Meyer-Ladewig a.a.O. RdNr. 20). Dies ist jedoch zu verneinen; die Bescheide vom 22. bzw. vom 31. Juli 2003 stehen nach summarischer Überprüfung mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung.
Die Beendigung der bisherigen Rechtsposition, mammographische Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen und abrechnen zu können, findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 3 Buchstabe c der Anlage IV zur Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie in der am 1. April 2002 in Kraft getretenen Fassung. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 135 Abs. 2 SGB V, wonach die Partner der Bundesmantelverträge einheitliche Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen vereinbaren können, die wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen sowie einer besonderen Praxisausstattung oder weiterer Anforderungen an die Strukturqualität bedürfen. § 135 Abs. 2 SGB V sowie die hierauf gestützten Vereinbarungen zur Qualitätssicherung sind grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits wiederholt entschieden hat (SozR 3-2500 § 135 Nr. 9 <Zytologie-Vereinbarung>; SozR 3-2500 § 135 Nr. 15 <Arthroskopie-Vereinbarung>). Dabei hat das BSG insbesondere auch das Ablegen einer Prüfung zum Nachweis einer geforderten Qualifikation als geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig angesehen. Auch die Entziehung (hier: "Widerruf") einer bisher bestehenden Abrechnungsberechtigung bei nicht bestandener Prüfung hat das BSG a.a.O. nicht beanstandet.
Die Voraussetzungen des Widerrufs liegen hier vor, weil die Teilnahme des Antragstellers an beiden Prüfungen erfolglos gewesen ist. Er hat in der ersten Prüfung vom 16. Dezember 2002 18 falsch-positive und in der zweiten Prüfung vom 2. Juli 2003 20 falsch-positive und eine falsch-negative Beurteilung abgegeben, obwohl zum Bestehen der Prüfungen nicht mehr als 7 falsche Beurteilungen erlaubt waren (§ 3 Abs. 4 von Anlage IV der Vereinbarung). In seiner Beschwerdeerwiderung hat der Antragsteller zwar bezweifelt, dass die Beurteilungen falsch gewesen sind. Eine substantiierte Begründung hierfür liegt jedoch nicht vor; vielmehr hat der Antragsteller im Rahmen seiner zur Antragsbegründung abgegebenen eidesstattlichen Versicherung selbst eingeräumt, er habe "kein vernünftiges Ergebnis" abgeliefert.
Im Zusammenhang hiermit teilt der Senat nicht die Auffassung des SG, bei der Beurteilung der Prüfungsergebnisse sei der Begriff "Verdacht" dehnbar, sodass auch die von der Antragsgegnerin als falsch-positiv gewertete Ergebnisse noch als Verdachtsfälle angesehen werden könnten. Vielmehr ist auf § 2 Abs. 4 Satz 3 der Anlage IV hinzuweisen, wonach bei bösartigen und bei gutartigen Veränderungen in den Mammographieaufnahmen die typischen radiologischen Merkmale auf die jeweilige Erkrankung hinweisen sollen. Danach ist davon auszugehen, dass die Verdachtsfälle unter Zugrundelegung des erforderlichen radiologischen Kenntnisstands eindeutig als solche zu qualifizieren sind, und zwar auf der Grundlage von Aufnahmen beider Mammae in jeweils 2 Ebenen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Anlage IV).
Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller darauf, er sei am 2. Juli 2003 aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen einer fehlerhaften Brille nur in eingeschränktem Maße prüfungstauglich gewesen und habe deshalb die Prüfung "anfechten" können. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein derartiger Rücktritt von der Prüfung - mit der Folge ihrer Wiederholbarkeit - erklärt werden kann, ist in der hier streitbefangenen Vereinbarung nicht geregelt. Allerdings folgt unmittelbar aus Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und dem sich hieraus abzuleitenden Recht auf Chancengleichheit, dass der Prüfling während der Prüfung keiner außergewöhnlichen erheblichen Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens ausgesetzt gewesen sein darf, weil das Prüfergebnis dann kein zutreffendes Bild seiner wirklichen Leistungsfähigkeit darstellt (BVerwGE 80, 282, 284) [BVerwG 07.10.1988 - 7 C 8/88]. Ein hierauf gestützter Rücktritt muss vom Prüfling jedoch unverzüglich erklärt werden, weil ansonsten die Gefahr bestünde, dass dieser seine Chancen gegenüber seinen Mitprüflingen gleichheitswidrig verbessert, indem er sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit schließt zwar nicht aus, dass der Prüfling die Prüfung beendet, um sich zunächst durch eine kritische Selbstprüfung Klarheit zu verschaffen, ob sein Leistungsvermögen aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt war, und diesbezüglich ärztlichen Rat einzuholen. Hat er ein entsprechendes ärztliches Attest aber erhalten, muss er den hierauf gestützten Rücktritt von der Prüfung sofort, d.h. wiederum ohne schuldhaftes Verzögern erklären (BVerwGE a.a.O., S. 288).
Diesen Anforderungen wurde das Verhalten des Antragstellers im Anschluss an die Prüfung vom 2. Juli 2003 nicht gerecht. Bereits sein in Begleitung seiner Ehefrau am Prüfungstag geäußertes Vorbringen, er habe sich bei der Prüfung verzählt, erweckt Zweifel, ob gesundheitliche Gründe für die schlechte Prüfungsleistung ausschlaggebend gewesen sind. Diese Zweifel werden verstärkt, wenn Dr. Meister in seinem Attest vom 7. Juli 2003 lediglich erklärt hat, es sei "denkbar", dass das Konzentrationsvermögen des Antragstellers durch die antihypertensive Therapie beeinträchtigt gewesen sei. Überdies hat er die "Anfechtung" der Prüfung der Antragsgegnerin gegenüber erst eine Woche nach der Prüfung, nämlich am 10. Juli 2003 erklärt. Diese Verzögerung ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass Dr. E. das Attest erst am 7. Juli 2003 erstellt hat, weil dem Prüfling bei Verzögerung der Ausstellung einer derartigen Bescheinigung zuzumuten ist, die Rücktrittserklärung sofort nach Kenntnis der medizinischen Gründe abzugeben (BVerwGE a.a.O., S. 288). Dies gilt entsprechend für den Nachweis der nicht richtig korrigierenden Brille, weil auch hier nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen keine unverzügliche augenärztliche Abklärung der angeblichen Bildunschärfen bzw. der beim Hochsehen auftretenden Übelkeit möglich gewesen sein soll, die von Dr. F. bescheinigt worden ist.
Die Antragsgegnerin ist schließlich auch zu Recht davon ausgegangen, dass die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung im öffentlichen Interesse liegt und dieses das private Interesse des Antragstellers am Aufschub der Vollziehung des Widerrufs überwiegt. Hierfür spricht maßgeblich der mit der Verschärfung der Vereinbarung zum 1. April 2002 verfolgte Normzweck (zu diesem Kriterium vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage, § 80 RdNr. 91) und die Abwägung der die betroffenen Patientinnen einerseits und den Antragsteller andererseits treffenden Folgen (zur Folgenabwägung vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. RdNr. 20). Anlass für die Neufassung der Vereinbarung waren verschiedene Untersuchungen zur Qualität von Mammographien, die "zum Teil verheerende Ergebnisse" (Woggon, Weiterentwicklung des gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramms - Erprobung eines "Mammographie-Trainings", in: KrV 1998, 207, 208) hatten; beispielsweise hatte sich im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gezeigt, dass nur 7 % der radiologischen Praxen in der Lage waren, unbeanstandet Mammographien zu erbringen (Woggon a.a.O.). Dabei ist vorliegend von besonderer Bedeutung, dass sich die Kritik von vornherein auch an den vielfach falsch-positiven Befunden entzündete. Da eine Mammographie mit positivem Ergebnis häufig die Indikation für eine Probeexzision ist, die unter Vollnarkose durchgeführt wird und in der Regel einen stationären Aufenthalt der Patientin erfordert, hatte dies zu einer Vielzahl von unnötigen operativen Eingriffen geführt (vgl. hierzu näher Lauterbach, Zu viele diagnostische Operationen, in: DÄ 2002, A 2995 ff). Vor diesem Hintergrund knüpft § 3 Abs. 4 der jetzigen Anlange IV der Vereinbarung die erfolgreiche Teilnahme an der Beurteilung nicht nur an eine 90%ige Sensitivität (Fähigkeit, Personen als Kranke zu erkennen), sondern auch an eine entsprechend hohe Spezifität (Fähigkeit, Personen als nicht Kranke zu erkennen; zu diesen Begriffen vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., unter dem jeweiligen Stichwort).
Es trifft daher nicht zu, die Vielzahl falsch-positiver Ergebnisse des Antragstellers vorliegend als wenig gravierend oder gar - positiv - als Ausdruck besonderer Vorsicht zu werten. Ein derartiges Ergebnis ist vielmehr ein Indiz dafür, dass eine größere Zahl von Patientinnen ohne klinischen Grund operiert und überdies - worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist - einer erheblichen psychischen Belastung ausgesetzt werden würde.
Da sich in der Praxis gezeigt hat, dass die Indikation zur Probeexzision hauptsächlich aufgrund der Mammographie gestellt wird (Lauterbach a.a.O., 2995), kann der Antragsteller auch nicht damit gehört werden, neben der Mammographie würden ohnehin anamnestische Angaben und Sicht- und Tastbefunde erhoben bzw. Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Die Überweisung zum Radiologen erfolgt überdies deshalb, weil der vorbehandelnde Arzt gerade dessen Rat als fachärztlicher Diagnostiker einholen will. In Übereinstimmung hiermit wird mit den in Anlage IV der Vereinbarung vorgesehenen Beurteilungen gezielt nur die Qualifikation für die radiologische Diagnostik abgefragt.
Aus alledem folgt, dass die große Zahl falsch-positiver Befundergebnisse des Antragstellers eine erhebliche Gefahr für die Patientinnen bedeutet, unnötigen diagnostischen Operationen an den Brustdrüsen ausgesetzt zu sein. Da der Schutz der Gesundheit ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist (BVerfGE 7, 377, 414 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]) [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56], kommt der Abwehr der Gefahr für die Gesundheit und körperliche Integrität der Patientinnen höheres Gewicht zu als dem beruflichen und finanziellen Interessen des Antragstellers, bis zur endgültigen Klärung der Berechtigung seines Widerspruchs bzw. seiner Klage mammographische Leistungen weiter erbringen und abrechnen zu können. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Mammographien mit weit mehr als 10 % der abgerechneten Gesamtpunktzahl einen erheblichen Anteil seiner Praxistätigkeit ausmachen. Seine hierin liegende Betroffenheit wird aber schon dadurch relativiert, dass er auch nach zweimalig erfolgloser Prüfungsteilnahme nicht endgültig von der Erbringung dieser Leistungen ausgeschlossen ist, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Buchstabe d der Anlage IV zur Vereinbarung nach Ablauf von 6 Monaten nach der Mitteilung über die vorausgegangene erfolglose Teilnahme erneut an einer Beurteilung von Mammographieaufnahmen teilnehmen kann; bei erfolgreichem Bestehen dieser Beurteilung ist ihm die jetzt widerrufene Genehmigung erneut zu erteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei hat der Antragsteller auch die im Verfahren vor dem zunächst angegangenen VG Hannover entstandenen Kosten zu übernehmen (§ 17b Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz<GVG>).
Die Festsetzung des Streitwertes bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Dr. Pfitzner
Pilz