Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 28.01.1985, Az.: 14 C 673/84
Haftung der Bank für einfache Fahrlässigkeit bei Verstößen gegen die ihr obliegende Prüfungspflicht bei der Einlösung gefälschter Schecks; Inhaltliche Anforderungen und Konkretisierung der Prüfungspflicht der Bank; Annahme eines Mitverschuldens des Bankkunden im Falle des Vorliegens eines Scheckdiebstahls
Bibliographie
- Gericht
- AG Osnabrück
- Datum
- 28.01.1985
- Aktenzeichen
- 14 C 673/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 30760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGOSNAB:1985:0128.14C673.84.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 3 ScheckG
Fundstellen
- NJW 1986, 999 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 1986, 41-42 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Januar 1985
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 520,- DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 26.11.1984 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger fordert von der Beklagten, bei der er ein Girokonto unterhält, Schadensersatz für die Einlösung gefälschter Schecks. Im April 1984 entwendete der arbeitlose ..., ein Wohnungsnachbar des Klägers, aus dessen Wohnung, in der er sich besuchsweise aufhielt, Scheckformulare. Diese stellte er am 17.4.1984 und am 25.4.1984 über 280,- bzw. 240,- DM aus, versah sie mit der nachgemachten Unterschrift des Klägers und legte sie der Osnabrücker Volksbank vor. Die Schecks wurden nach Prüfung durch die Beklagte eingelöst. Im Juni brachte ... auf die gleiche Weise weitere Schecks an sich und reichte diese nach Ausfüllung bei der Kreissparkasse ein. Auf diese Weise wurden zwei weitere Schecks über 315,- DM vom 29.6.1984 und über 300,- DM vom 2.7.1984 zum Nachteil des Klägers eingelöst. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen, weil ihr bei sorgfältiger Überprüfung charakteristische Abweichungen der gefälschten Unterschrift nicht hätten entgehen dürfen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.135,- DM nebst 10,5 % Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich darauf, daß nach ihren allgemeinen Bedingungen ihre Haftung wirksam ausgeschlossen sei. Sie habe die fraglichen Scheck durch eine Angestellte überprüft und sei damit ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen. Der Kläger sei für das Abhandenkommen der Schecks selbst verantwortlich und habe zur Entstehung des Schadens auch noch dadurch beigetragen, daß er den Verlust der Schecks erst im Juli 1984 der Beklagten gemeldet habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die bis zur letzten mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Beweisantritten Bezug genommen. Die Akten der Staatsanwaltschaft 5 Ls 3 Js 792/84 (I 242/84) waren X auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat die Unterschriften auf den gefälschten Schecks und die Unterschriften des Klägers auf der von der Beklagten im Termin vorgelegten Unterschriftsprobe in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Beklagten ist nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einlösung der Schecks vom 17.4.1984 und vom 25.4.1984 entstanden ist. Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf einen in ihren Geschäftsbedingungen vereinbarten Haftungsausschluß berufen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner von beiden Parteien zitierten Entscheidung vom 21.5.1984 (NJW 1984, 2530) darauf hingewiesen, daß die Haftung der Bank für die Verletzung der ihr obliegenden Prüfungspflicht bei der Einlösung gefälschter Schecks in Ziff. 11 der allgemeinen Geschäftsbedingungen vorausgesetzt und in Ziff. 4 nicht auf den Fall grober Fahrlässigkeit beschränkt werde. Dieser rechtlichen Beurteilung schließt sich das erkennende Gericht mit der Maßgabe an, daß die Wirksamkeit der allgemeinen Geschäftsbedingungen im übrigen nicht bezweifelt werden kann. Die Beklagte hat danach dem Kläger im Rahmen ihrer Prüfungspflicht auch für einfache Fahrlässigkeit einzustehen. Bei der Bemessung der an die Beklagte zu stellenden Anforderungen ist zu berücksichtigen, daß der täglich anfallende Massenverkehr mit Schecks eine rasche Abwicklung erfordert, die angesichts der außerordentlichen Variabilität der Unterschriften einer Person mit der eingehenden, fachwissenschaftlich fundierten Untersuchung jeder vorgelegten Unterschrift nicht zu vereinbaren wäre. Es ist deshalb in der Rechtssprechung weitgehend anerkannt, daß die Prüfung sich darauf beschränken kann, ob die Unterschrift auf dem vorgelegten Scheck nach dem äußeren Gesamtbild in charakteristischer Weise von der hinterlegten Unterschriftsprobe abweicht. Die Untersuchungspflicht der kontoführenden Stelle hat sich dabei stets auf einen Vergleich mit der hinterlegten Unterschriftsprobe zu erstrecken (Vgl. Baumbach-Hefermehl, Wechsel- u. Scheckgesetz, 14. Aufl., Rd-Note 14 zu Art. 3 Scheckgesetz). Bei einem solchen Vergleich hätte im vorliegenden Fall einer hinreichend geschulten Fachkraft indessen auffallen müssen, daß die Unterschriften aus den gefälschten Schecks in mehreren typischen Merkmalen von der hinterlegten Unterschriftsprobe abwichen (allgemeine Schräglage, Einleitung der Anfangsbuchstaben, breite Schleifen der kleinen Buschstaben 1, f und k). Auch wenn der überprüfende Bankbeamte kein berufsmäßiger Schriftsachverständiger sein muß, so darf doch erwartet werden, daß er im Rahmen seiner Berufsausbildung oder beruflichen Fortbildung mit den einfachsten Kriterien für die Beurteilung einer Schriftprobe vertraut gemacht wird, daß ihm mithin ein geeigneter Beurteilungsmaßstab für den Unterschriftenvergleich an die Hand gegeben wird. Eine Kontrolle unterhalb dieser Schwelle wäre praktisch wirkungslos und könnte einer zumutbaren Anspannung der Sorgfaltspflichten nicht entsprechen. Da ein mitwirkendes Verschulden des Klägers im Hinblick auf die Schecks vom 17.4.1984 und vom 25.4.1984 nicht ernsthaft in Betracht kommt, muß die Beklagte dem Kläger X den insoweit entstandenen Schaden ersetzen.
Anders ist indessen die Rechtslage bei den Schecks vom 29.6.1984 und vom 2.7.1984 zu beurteilen. In diesem Punkt ist das erkennende Gericht nicht an die in einem vorläufigen Verfahren geäußerte tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Beschwerde, im Beschluß vom 1.11.1984 gebunden. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dabei sogar unterstellt werden, daß der Kläger den zweiten Scheckdiebstahl, der erst im Juni 1984 stattgefunden hat, nicht ohne schuldhafte Verspätung der Beklagten angezeigt hat. Es fällt jedoch in die in Ziff. 11 der allgemeinen Ertragsbedingungen umschriebene Risikosphäre des Klägers, daß er die bereits im April erfolgten unberechtigten Abhebungen von seinem Konto nicht früher bemerkt hat, obwohl die monatliche Übersendung von Kontoauszügen nicht zuletzt auch diesem Zweck dient. Es liegt auf der Hand, daß der Kläger bei der Überprüfung dieser Kontoauszüge die fehler haften Buchungsvorgänge hätte bemerken und im Zusammenwirken mit der Beklagten bereits vor Ausübung des zweiten Diebstahls dem Abhandenkommen der Schecks auf die Spur hätte kommen können und müssen. Er hätte dann nicht nur einer Wiederholung des Diebstahls vorbeugen müssen, sondern durch seine Mitteilung die Beklagte zu einer schärferen Kontroll bewegen, durch die die weiteren Abbuchungen verhindert worden wären. Es gibt keine einleuchtenden Gründe dafür, weshalb der Kläger so naheliegende Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Berücksichtigt man weiter, daß die Beklagte durch die Untätigkeit des Klägers zu der Annahme verführt werden konnte, die Schecks mit abweichenden Unterschriften würden vom Kläger nicht beanstandet, so wird man zu dem Schluß kommen müssen, daß hier ein Fall gegeben ist, in dem die Verantwortlichkeit für den Schadenseintritt vorwiegend aus dem Bereich des Klägers kommt, so daß die Haftung der Beklagten zurücktritt. Hinsichtlich des weiteren Schadens kann die Klage mithin keinen Erfolg haben.
Der Zinsanspruch ist unbestritten geblieben. Die Beklagte ist insbesondere nicht der Behauptung des Klägers entgegengetreten, sie berechne dem Kläger auf seinem in Höhe der Klageforderung überzogenen Konto Zinsen in Höhe von 10,5 %.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11 und 713 ZPO.