Amtsgericht Göttingen
Urt. v. 02.11.2001, Az.: 53 Ds 139/01
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 02.11.2001
- Aktenzeichen
- 53 Ds 139/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40185
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Angeklagte ist des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig.
Ihm wird auferlegt, 40 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Vermittlung des Stadtjugendamtes abzuleisten.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Angewendete Vorschriften: §§ 1, 3, 10, 74, 105 JGG, 142 StGB.
Tatbestand:
Der Angeklagte stammt aus Kroatien. Die Eltern leben bereits seit über 30 Jahren in Deutschland. Alle vier Geschwister sind in Deutschland geboren. Innerhalb des Familienverbandes gibt es gute und stabile Beziehungen. Alle Geschwister leben noch zu Hause. Der Angeklagte hat im Sommer 1999 den Realschulabschluss erlangt. Seit dem befindet er sich in einer Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer. Er erhält netto etwa 850,00 DM Ausbildungsvergütung. Er kommt mit seinem Einkommen gut zurecht und hat Sparrücklagen in Höhe von etwa 8.000,00 DM. Er trainiert in der Woche zweimal wöchentlich Basketball. An den Wochenenden nimmt er an Spielen teil. Er hat seinen Führerschein im Oktober 2000 erhalten. Der Führerschein wurde im Laufe dieses Verfahrens am 01.05.2001 von der Polizei sichergestellt.
Am 29.04.2001 stieß der Angeklagte mit seinem Pkw Renault, , gegen den auf den Parkplatz in der Zimmermannstraße 62 stehenden Pkw der, und der. An diesen beiden Fahrzeugen entstand ein Schaden in Höhe von insgesamt 12.000,00 DM. Der Angeklagte entfernte sich vom Unfallort, ohne sich um den von ihm angerichteten Schaden zu kümmern.
Die Eltern des Angeklagten waren an diesem Wochenende nicht zu Hause. Der Angeklagte geriet nach dem Unfall in Panik, stellte seinen Pkw in eine Ausfahrt im Schildweg ab und lief zu einem Freund. Nach der Rückkehr seiner Eltern am Sonntagabend und entsprechenden Gesprächen ist der Angeklagte zur Besinnung gekommen. Er meldete am Montagmorgen den Unfall telefonisch der Polizei, wurde jedoch für den nächsten Tag auf den zuständigen Sachbearbeiter verwiesen.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Einlassung des Angeklagten. Er hat sich daher wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB schuldig gemacht.
Der Angeklagte war zur Tatzeit 18 Jahre und 7 Monate alt und damit Heranwachsender im Sinne des § 105 JGG. Jugendrecht war anzuwenden.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hielt die Auferlegung von Arbeitsstunden für eine ausreichende Reaktion auf die Tat des Angeklagten. Das Gericht hielt den Angeklagten trotz Vorliegen eines Regelfalles gem. § 69 Abs. 2 StGB charakterlich nicht mehr für ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Der Angeklagte überzeugte das Gericht davon, dass die Tat Ausnahmecharakter hat. Der Angeklagte hat durch seine Gewissensbisse und sein überlegtes Handeln nach seiner überstürzten Flucht gezeigt, dass ihm die erforderliche charakterliche Zuverlässigkeit nicht fehlt. Der Angeklagte hat bereits einen Tag nach dem Unfall nach Gesprächen mit seinen Eltern freiwillig die Polizei informiert. Bereits das macht deutlich, dass er schnell aus seinen Fehlern gelernt hat. Der PKW des Angeklagten war zum Unfallzeitpunkt versichert. Er hatte keinen Alkohol getrunken. Der einzige Grund für seine Flucht war die Überforderung mit der Situation. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Angeklagte den Unfall bereits früher gemeldet hätte, wenn seine Eltern zu Hause gewesen wären. In Zukunft werden solche Kurzschlussreaktionen von dem Angeklagten nicht mehr zu befürchten sein. Das nachfolgende Strafverfahren und die bestehenden Regressforderungen der Versicherung haben ihn sein Fehlverhalten bereits nachdrücklich deutlich gemacht. Die Haftpflichtversicherung hat wegen seiner Unfallflucht Regressansprüche gestellt. Der Führerschein des Angeklagten wurde am 01.05.2001 sichergestellt. Er mußte daher bereits etwa 6 Monate auf seinen Führerschein verzichten. Dies hatte für ihn und seine Familie einen erheblichen Aufwand zur Folge. Seine Arbeitsstelle befindet sich in. Wegen seiner Arbeitszeiten konnte er die öffentlichen Verkehrsmittel nicht regelmäßig nutzen. Familienmitglieder fuhren ihn zur Arbeit. Diese Einschränkung seiner Mobilität und die ständige Konfrontation mit seiner Tat aufgrund der familiären Auswirkungen haben dazu geführt, dass der Angeklagte charakterlich gereift ist. Eine panikartige Reaktion wie im vorliegenden Fall ist voraussichtlich nicht mehr zur erwarten. Das Gericht hat daher von der Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Vorliegen eines Regelfalles abgesehen und auch kein Fahrverbot gem. § 44 StGB verhängt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 JGG.