Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 23.04.1974, Az.: 5 U 130/71
Uneingeschränkter Beseitigungs- und Abwehranspruch wegen der durch einen Bullenmastbetrieb verursachten Einwirkungen ; Duldungspflichten im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses ; Wesentlichkeit einer Grundstücksbeeinträchtigung, wenn das Wohnen auf dem Grundstück für einen durchschnittlich empfindenden Menschen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert gemindert wird; Gewicht und Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen für die Benutzung der Grundstücke ; Ortsüblichkeit der Beeinträchtigungen durch einen Mastbetrieb; Umfang des Abwehranspruchs bei Bestandsschutz des Störers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 23.04.1974
- Aktenzeichen
- 5 U 130/71
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1974, 11605
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1974:0423.5U130.71.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- Landgericht ... - 22.07.1971 - AZ: 4 O 177/70
Rechtsgrundlagen
- § 1004 BGB
- § 906 BGB
Verfahrensgegenstand
Unterlassung
Prozessführer
1. Landwirt Herr ...,
2. Landwirt Herr ...
Prozessgegner
1. Werkschutzmann Herr ... Straße ...
2. Ehefrau ... Straße ...
3. Lagerarbeiter Herr ... Straße ...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach der einhelligen Meinung in Lehre und Rechtsprechung kommt es für die Frage der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung nicht auf eine etwaige Überempfindlichkeit eines gestörten Nachbarn sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen an, wobei Natur und Zweckbestimmung des von den Einwirkungen betroffenen Grundstücks von entscheidender Bedeutung sind.
- 2.
Eine Grundstücksbeeinträchtigung ist dann wesentlich, wenn das Wohnen auf dem Grundstück für einen durchschnittlich empfindenden Menschen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert gemindert wird.
Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 1974
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts ... vom 22. Juli 1971 abgeändert und zur Klarstellung insgesamt, wie folgt, neu gefaßt:
Die Beklagten werden verurteilt, die Beeinträchtigung der Kläger durch Zuführung von Gerüchen und Lärm aus dem Grundstück ... auf die Grundstücke der Kläger in ... Straße ... und ... Straße ... dadurch abzustellen, daß sie
- 1)
das Tor in der Südwestecke ihres Grundstücks für jeden Fahrverkehr schließen,
- 2)
entlang der Südgrenze des Grundstücks den Fahrweg beseitigen und die Anpflanzung einer Hecke von 8 bis 10 Jahre alten Fichten, die im Abstand von je 2 m und in einer Breite von etwa 4 m zu setzen sind, vornehmen,
- 3)
Fahrverkehr auf dem Gehöft südlich neben dem Stall überhaupt unterlassen,
- 4)
den 305 cbm großen Siloraum an der Nordgrenze des Gehöftes beseitigen,
- 5)
den Westteil des Stalles dicht schließen sowie den Auslauf im Osten allseits ummauern und mit einem Pultdach überdecken,
- 6)
den täglich anfallenden Dung nicht mehr im Freien sondern in einem geschlossenen Dunghaus etwa an der nordöstlichen Stallecke bis zur Abfuhr aufbewahren,
- 7)
die notwendige Tagesmenge an Rübenblattsilage ebenfalls in einem noch anzulegenden geschlossenen Raum lagern.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- II.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
- III.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen den Beklagten zu 3/4 und den Klägern zu 1/4 - jeweils als Gesamtschuldner - zur Last.
- IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagten betreiben auf einer in ... belegenen landwirtschaftlichen Hofstelle gemeinschaftlich eine Bullenmästerei; sie bewirtschaften etwa 32 ha gepachtetes Ackerland. Das Hofgrundstück, das im Eigentum des Erstbeklagten und dessen Ehefrau steht, hat eine Größe von 0,5 ha mit Abmessungen von etwa 52 × 85 m. Es liegt am Ende der ... straße, die in der etwa im rechten Winkel abgehenden Straße ihre Fortsetzung findet.
An dem nördlich und zum Teil auch westlich an die Hofstelle angrenzenden Nachbargrundstück betreibt der Landwirt ... eine Schweinezucht. An der etwa 85 m langen Südseite des Gehöftes der Beklagten schließen, unterbrochen durch einen 1,15 m breiten Fußweg parallel verlaufend die Bergarbeitersiedlungshäuser nachfolgend bezeichneter Grundstückseigentümer bzw. Bewohner in der Reihenfolge der ungeraden Nummern der ... Straße an:
Nr. 1 | Frau ... |
---|---|
Nr. 3 | Eheleute ... und ... |
Nr. 5 | Eheleute ... und ... die Kläger zu 1. und 2. |
Nr. 7 | Eheleute ... (Kläger zu 3.) und ... |
Nr. 9 | ... |
Nr. 11 | Rentner ... |
Die Grundstücke sind jeweils 8 bis 9 m breit, sie sind am westlichen Ende zur Straße hin mit 1 1/2 geschossigen Wohnhäusern bebaut.
Als die landwirtschaftlichen Gehöfte ... und ... im Jahre 1947 als Fuhr- und landwirtschaftliche Nebenbetriebe eingerichtet wurden, lagen sie noch 100 m außerhalb der Gemeinde ..., die im Zuge des fortschreitenden Braunkohlenabbaues durch die Braunschweigischen Kohlenbergwerke für das eingeebnete Dorf ... 1935 errichtet und als Bergarbeitersiedlung weiter ausgebaut wurde.
In den Jahren um die Währungsreform hielten die dort angesiedelten Bergleute Kleinvieh (Ziegen, Schafe, Schweine, Hühner) und bewirtschafteten Pachtland. Die Landwirte ... und ... waren in Lohnarbeit für die Siedler bei der Bestellung deren damaligen Pachtlandes von etwa 400 Morgen tätig. Die gemeindeeigene Dreschmaschine stand auf dem ... Hof. Die mit der Zeit nachlassende Nachfrage der angesiedelten Bergarbeiter nach landwirtschaftlichen Fuhrleistungen infolge Besserung der Lebensmittelversorgung führte 1953 durch Förderung der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft zur Umstellung des Betriebes auf eine landwirtschaftliche Vollerwerbssiedlung. Die zunächst mit 50 Stück Milchvieh und Bullen gemischte Viehhaltung wurde schließlich seit 1967/68 unter Aufgabe der Milchwirtschaft ausschließlich auf Bullenmast ausgerichtet. Die Beklagten halten seitdem etwa 120 bis 150 Bullen, die in offenen Ställen untergebracht sind.
Nach dem durch den Rat der Gemeinde am 20.6.1968 beschlossenen und durch den Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks unter dem 10.12.1968 genehmigten Bebauungsplan wurde ... als allgemeines Wohngebiet im Sinne des Bundesbaugesetzes unter Einbeziehung der beiden Gehöfte ... und ausgewiesen. Entsprechend dem Änderungsbeschluß des Rates der Gemeinde ... vom 22. Mai 1969 wurden die Gehöftflächen ... und zum "Dorfgebiet" umgestuft. Diese 1. Änderung des Bebauungsplanes ist mit Verfügung des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks vom 18.3.1971 mit der Auflage gemäß § 5 Abs. 3 BNVO sind in den Gebieten nur solche Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher und sonstiger Betriebe zulässig, die sich auf das benachbarte allgemeine Wohngebiet weder durch unzumutbare Geräusche noch durch Gerüche störend oder belästigend auswirken genehmigt.
Die Kläger behaupten, daß sie in der Benutzung ihrer Grundstücke durch den von der Bullenmästerei der Beklagten ausgehenden unerträglichen Gestank nach Mist und der zum Füttern verwendeten Rübenblattsilage sowie durch Lärm, nämlich dem Gebrüll der in offenen Laufställen gehaltenen Tiere und das Geräusch der zum Misten und Füttern eingesetzten Trecker schwer beeinträchtigt würden. Außerdem werde durch die Viehhaltung eine allgemeine Ungeziefer-Spatzen- und Fliegenplage verursacht.
Mit der im August 1970 erhobenen Klage haben sie beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, die Zuführung von Gerüchen und Lärm aus dem Grundstück ... auf die Grundstücke der Kläger in ..., Straße ... und ... zu unterlassen, als diese die Benutzung der Grundstücke wesentlich beeinträchtigen und nach den örtlichen Verhältnissen in ... ungewöhnlich sind.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.
Sie bestreiten, daß die Kläger durch den ordnungsgemäß nach modernen Grundsätzen geführten Bullenmastbetrieb belästigt würden und halten die Klagebehauptungen, die auch von anderen Anwohnern der ... Straße nicht geteilt würden, für weit übertrieben, abgesehen davon, daß etwaige Gerüche auch von der Schweinezüchterei ... ausgehen könnten. Sie berufen sich weiter darauf, daß sie in ihren täglich gesäuberten Ställen geruchsmildernde Mittel und Präparate zur Fliegenbekämpfung verwendeten.
Diesem Vorbringen sind die Kläger entgegen getreten.
Gemäß den Beschlüssen vom 29.10. und 2.12.1970 (Bl. 25, 36 der Akten) hat das Landgericht Beweis durch Zeugenvernehmung sowie durch Einnahme des richterlichen Augenscheins im Gehöft der Beklagten und den Gärten und Häusern der Kläger erhoben, wie die Terminsniederschriften vom 19.1.1971 (Bl. 47) und vom 21.4.1971 (Bl. 99 d.A.) ergeben. Hierauf wird verwiesen.
Das Landgericht ... hat sodann durch Urteil vom 22. Juli 1971 die Beklagten entsprechend dem Klageantrag verurteilt, die Zuführung von Gerüchen und Lärm aus dem Grundstück ... auf die Grundstücke der Kläger insoweit zu unterlassen, als diese Gerüche und der Lärm deren Benutzung wesentlich beeinträchtigen und nach den örtlichen Verhältnissen in ... ungewöhnlich sind, und hat den Beklagten darüber hinaus für jeden Fall der Zuwiderhandlung Geld- oder Haftstrafe angedroht.
Die Kammer hat den Abwehranspruch der Kläger aus § 1004 BGB deswegen bejaht, weil die Kläger nach dem Beweisergebnis in ihren Häusern und Garten durch den Gestank und den Lärm aus der Bullenmästerei wesentlich beeinträchtigt würden und die Kläger zu deren Duldung nicht verpflichtet seien, weil die Bullenmast nach ihrem Umfang nicht als landwirtschaftlich sondern als gewerblich betriebene Tierhaltung anzusehen sei. Wegen der Erwägungen, von denen sich das Landgericht bei seiner Entscheidung hat leiten lassen, wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 128 f.) und zur Ergänzung der Sachdarstellung auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 126 f.d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihrem Prozeßbevollmächtigten am 2.9.1971 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 30.9.1971 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel innerhalb der ihnen gewährten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 22.11.1971, wie folgt, begründet:
Das Landgericht habe die Bullenmästerei zu Unrecht als gewerbliche Tierhaltung angesehen und sich hierfür irrtümlich und sachlich unzutreffend auf steuerrechtliche Bewertungsvorschriften bezogen. Die von den Beklagten rationell und modern geführte Bullenmast stelle nichts anderes als eine Intensivierung ihres in der Nachkriegszeit errichteten landwirtschaftlichen Betriebes, der auch ganz überwiegend die Futtergrundlage für die Viehhaltung bilde, dar. Diese landwirtschaftliche Nutzung sei entgegen der Auffassung des Landgerichts, das die dörflichen Verhältnisse und den ländlichen Charakter der Gemeinde verkannt habe, auch als ortsüblich anzusehen, wofür nicht zuletzt auf die früher noch weit mehr erfolgte Haltung von Hühnern und anderem Kleinvieh der angesiedelten Bergarbeiter und die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Fuhrleistungen bei der Bestellung deren Pachtlandes abzustellen sei. Der Umfang der behaupteten Belästigungen, die sie nach besten Kräften abzustellen bemüht seien, sei weit übertrieben.
Schließlich sei auch der landgerichtliche Urteilsausspruch - prozessual unzulässig - zu allgemein und unbestimmt gehalten. Deswegen sei mit Sicherheit vorauszusehen, daß aus dieser praktisch unbrauchbaren Urteilsfassung weitere Streitigkeiten entstehen und letzten Endes die wirtschaftliche Existent der Beklagten infrage gestellt würden.
Die Beklagten beantragen demgemäß,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen,
hilfsweise
den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
- 1)
hilfsweise
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, soweit die wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung ihres Grundstücks herbeigeführt werde, sie durch Maßnahmen zu verhindern, welche ihnen wirtschaftlich zumutbar seien, insbesondere
- a)
das Tor in der Südwestecke für den Fahrverkehr zu schließen,
- b)
zehnjährige Fichten in 2 m Abstand als Hecke zur Südgrenze zu pflanzen,
- c)
Fahrverkehr auf dem Hofe südlich neben dem Stall zu unterlassen,
- d)
das Silo an der Wordgrenze zu beseitigen und nach Osten in den Garten zu verlegen,
- e)
den Westteil des Stalles dicht zu schließen,
- f)
den Auslauf im Osten allseits zu ummauern und mit einem Pultdach zu versehen,
- g)
einen zweiten Maststall zu errichten,
- h)
den Dung in einem geschlossenen Raum zu verwahren,
- i)
für die Rübenblattsilage einen geschlossenen Stellplatz anzulegen
- 2)
weiter hilfsweise
die Beklagten für den Fall, daß die wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks herbeigeführt werde und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könne, als Gesamtschuldner zu verurteilen, ein angemessenes Ausgleichsentgelt zu zahlen.
Die Kläger halten das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Die Kammer habe mit Recht eine wesentliche Beeinträchtigung der Grundstücke der Kläger, die von diesen auch nicht als ortsüblich hingenommen zu werden brauche, bejaht. Diesem Ergebnis könnten auch nicht die früheren inzwischen überholten ländlichen Verhältnisse in ... entgegengehalten werden, wie letzten Endes auch die Frage einer Anwendung steuerrechtlicher Bewertungsvorschriften hier dahingestellt bleiben könne. Denn auch gegenüber einem landwirtschaftlichen Betrieb könnten die Kläger ihren nachbarrechtlichen Abwehranspruch, jedenfalls gemäß § 906 BGB, durchsetzen. Die Kläger treten auch der Behauptung der Beklagten, daß sie alles erdenkliche getan hätten, um die Auswirkungen der Viehhaltung auf ein Mindestmaß zu beschränken, entgegen. Richtig sei vielmehr, daß die Beklagten es bislang überhaupt an jeder Schutzmaßnahme hätten fehlen lassen.
Den Hilfsantrag zu Ziffer 1) haben die Kläger in der Berufungsverhandlung vom 12. März 1974 im Hinblick auf die gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen ..., denen sie beigetreten sind, vereinzelt.
Die Beklagten haben nach der Vereinzelung des klägerischen Hilfsantrages zu 1) unter Billigung der durch ... hierzu angestellten Erwägungen ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, diesem zu entsprechen, sofern ihnen die hierzu notwendigen Baugenehmigungen erteilt würden, nachdem die Durchführung früher geplanter Baumaßnahmen an dem Widerstand der Kläger gescheitert sei.
Gemäß den Beschlüssen des Senats vom 13. Juli 1973 (Bl. 338 f, Bl. 353 der Akten) ist Beweis durch Zeugenvernehmung sowie durch gutachtliche Anhörung des Bau-Ing. ... erhoben worden. Die Zeugenvernehmung ist ebenso wie die anschließende Augenscheinseinnahme des Senats in Gegenwart der Sachverständigen ... und ... durchgeführt worden. Auf die Terminsniederschrift vom 13. Juli 1973 (Bl. 327 ff. d.A.) wird verwiesen. Darüber hinaus hat der Sachverständige Dipl.-Landwirt Dr. agr. ..., unter dem 12. Oktober 1973 ein eingehendes schriftliches Gutachten (Bl. 372 bis Bl. 434 der Akten), das er in der Berufungsverhandlung vom 12. März 1974 mündlich erläutert hat, erstattet. In diesem Termin ist weiterhin Beweis durch Vernehmung des Bau-Oberamtmannes ... erhoben worden. Auch insoweit wird auf die Terminsniederschrift vom 12. März 1974 (Bl. 487 ff. der Akten) verwiesen.
Die Parteien haben den Inhalt der Verwaltungsgerichtsakten des Verwaltungsgerichts II A 40/71 sowie die Unterlagen der Gemeinde über den Bebauungsplan und dessen 1. Änderung vorgetragen.
Insoweit wird auf diese Akten und wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie wegen ihrer Stellungnahmen zum Gutachten des Sachverständigen ... auf die Schriftsätze vom 25.1.1974 (Bl. 454) und 18.2.1974
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist im Hinblick auf die durch den Vorsitzenden des Senats gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Das Rechtsmittel mußte auch in der Sache selbst teilweise Erfolg haben und deswegen zu einer Abänderung des landgerichtlichen Urteilsausspruches führen. Den Klägern steht entgegen der Auffassung des Landgerichts ein uneingeschränkter Beseitigungs- und Abwehranspruch wegen der durch den Bullenmastbetrieb der Beklagten verursachten Einwirkungen gemäß § 1004 BGB nicht zu. Infolgedessen können die Kläger in diesem Rechtsstreit auch nicht das von ihnen erstrebte Endziel einer völligen Beseitigung des Bullenmastbetriebes, sei es durch die - nur auf einverständlichem Wege zu erreichende - Auslagerung oder gar durch ein Verbot der Bullenhaltung (vgl. hierzu die Eingaben des Klägers zu 1) vom 5.8.1971 und 19.11.1971 an das Verwaltungsgericht ..., Bl. 8, 29 dieser Beiakten, sowie seine Erklärungen bei der durch den Senat durchgeführten Augenscheinseinnahme "die Bullen müssten verschwinden") erreichen. Einem derartigen durch das Landgericht zu Unrecht bejahten Anspruch aus § 1004 BGB steht vielmehr entgegen, daß die Kläger in dem durch § 906 BGB festgelegten Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses zur Duldung und damit verpflichtet sind, die beanstandeten Einwirkungen in gewissem Umfang hinzunehmen (§§ 1004 Abs. II, 906 BGB).
Die von dem Bullenmastbetrieb der Beklagten auf die Grundstücke der Kläger wirkenden Beeinträchtigungen sind allerdings nicht nur unwesentlich - § 906 Abs. I BGB -. Ein derartiger Nachweis, der den Beklagten obliegen würde (vgl. BGH V ZR 10/68 vom 4.12.1970, abgedruckt in Deutsche Rechtsprechung I 150 Bl. 182 a) ist nicht geführt. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Kläger die sie belästigenden Beeinträchtigungen etwa weit überbewerteten. Die Beeinträchtigungen der Kläger gehen nach ihrem Vortrag hauptsächlich auf vier Tatbestände zurück, die sich aus der Bullenhaltung ergeben:
- 1)
Die großen Kotmengen von wenigstens 100 Mastbullen - vom Kalb bis zum schlachtreifen Tier -, die bei laufender Einstreu nur zwei- bis dreimal im Jahr aus den offenen Ställen entfernt werden,
- 2)
die Rübenblattsilage, die nach der Mittagszeit auf den Futtergängen ausgebreitet wird, damit sie bis zum Abend gefressen werden kann,
- 3)
das Brüllen der Bullen, wenn Unruhe unter sie gebracht wird (Verladen von schlachtreifen Tieren, Umtrieb der Bullengruppen bei Umstellung in eine andere Fütterungsklasse oder bei tierärztlichen. Maßnahmen,
- 4)
das Geräusch der Trecker bei Laufen des Motors unter Last, insbesondere bei Benutzung des hinteren Ladegerätes für Rübenblatt oder des Frontladers zum Ausmisten.
Derartige Einwirkungen durch Gestank und Lärm sind in dem seitens der Kläger behaupteten Umfang - jedenfalls nicht für jeden einzelnen Tag - nicht nachgewiesen. Dafür ist einmal darauf abzustellen, daß in den Jahren von 1968 bis 1973 auf Veranlassung der Kläger nicht weniger als 12 Ortsbesichtigungen durch Behörden oder Gerichte durchgeführt sind. Im einzelnen:
Durch die Gesundheitsaufseher des Landkreises ... oder ... am 2.8.1968, am 13.6.1969, am 31.7.1969 sowie am 5.11.1970, ... durch Medizinaldirektor ... im September 1969, durch den Landwirtschaftsausschuß des Kreistages ... am 8.6.1970, ... durch das Landgericht ... am 25.4.1971, durch das Verwaltungsgericht ... am 25.4.1972 sowie am 16.8.1973, ... durch den Gutachter ... am 2.7.1973, am 13.7.1973 anläßlich der durch den Senat durchgeführten Augenscheinseinnahme und zuletzt am 20.8.1973.
Bei den hier an Ort und Stelle erfolgten Überprüfungen haben sich zumindest seit dem Jahre 1970 im Einzelfall keine wesentlichen Einwirkungen ... feststellen lassen.
Das Landgericht ... ist zwar aufgrund der von ihm durchgeführten umfangreichen Beweiserhebung, die der Senat im Berufungsrechtszuge wiederholt und noch erweitert hat, bereits zu der Überzeugung gelangt, daß die Beeinträchtigungen der Nachbargrundstücke im ganzen genommen als wesentlich und unzumutbar anzusehen sind. Ob sich ein derartiger Schluß allein aufgrund der als Zeugen vernommenen Anwohner und deren zeitweilige Besucher rechtfertigen läßt, könnte angesichts der durch die Mitglieder der Kammer selbst bei ihrer Augenscheinseinnahme und durch andere unvoreingenommene Dritte gemachten Wahrnehmungen zweifelhaft sein. Denn nach der einhelligen Meinung in Lehre und Rechtsprechung kommt es für die Frage der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung nicht auf eine etwaige Überempfindlichkeit eines gestörten Nachbarn sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen an, wobei Natur und Zweckbestimmung des von den Einwirkungen betroffenen Grundstücks von entscheidender Bedeutung sind (vgl. BGH in NJW 58, 1393; Meisner-Stern-Hodes Nachbarrecht 5 Seite 329 f.). Eine Grundstücksbeeinträchtigung ist mithin dann wesentlich, wenn das Wohnen auf dem Grundstück für einen durchschnittlich empfindenden Menschen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert gemindert wird. Das ist zu bejahen, obwohl der ursprüngliche Klagevortrag, daß die Kläger bei einer früheren Verkaufsabsicht einen Grundstückskäufer nicht hätten finden können, nicht erwiesen ist und dieser Annahme auch entgegensteht, daß sie sich zu einem Verkauf ihrer Grundstücke an die Beklagten entgegen deren Angebot nicht bereitgefunden haben. Das mag aber ebenso dahinstehen wie die Hinweise des Sachverständigen ... (vgl. zu Ziffer 2.2, Seite 28 bis 34 seines Gutachtens = Bl. 399 bis 405 der Akten) auf eine mögliche Überbewertung von Beobachtungen des Klägers zu 1) nach Maßgabe seiner Aufzeichnungen über Windrichtung und Gestank.
Als entscheidend für das Gewicht und die Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen für die Benutzung der Grundstücke der Kläger ist vielmehr objektiv darauf abzustellen, daß unter Zugrundelegung der durch den Sachverständigen gefundenen Zahlen und Zeiten jedenfalls an 52 Tagen jährlich starke Beeinträchtigungen Bullenmastbetrieb der Beklagten ausgehen. Es sind dies die Tage des mehrfachen jährlichen Großmistens infolge des Gestankes und der Freistellung beißender Gase, wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak u.a. und des erheblichen Treckerlärms, dessen durch den Sachverständigen ... festgestellte Meßwerte mit etwa 63 dz Bel den zulässigen Bereich überschreiten (rund 13 Tage), weiter die Zeit des Mais-Silierens jeweils im Oktober (etwa 15 Tage) sowie die Lärmeinwirkungen durch anhaltendes Brüllen der Tiere, wenn sie aus den bereits von den Klägern hervorgehobenen Ursachen (Umstellung, Verladung usw.) aus ihrem Alltagsrhythmus herauskommen (24 Tage).
Die Beklagten haben zwar im Schriftsatz vom 25.1.1971 (Bl. 457 d.A.) die Auffassung vertreten, daß die durch den Sachverständigen berechneten Zeiten überhöht seien und nicht mit mehr als 14 Tage jährlich insgesamt angesetzt werden könnten, während umgekehrt die Kläger im Schriftsatz vom 18.2.1974 (Bl. 473 d.A.) die Zeit der jährlichen Großmistungen mit insgesamt 20 Tagen angesetzt wissen wollen. Diese Beanstandungen können jedoch dahinstehen. Denn nach der Erörterung und Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen ... haben sämtliche Beteiligte die Zahlen des Sachverständigen für zutreffend erachtet und ausdrücklich erklärt, weitere Beweisanträge auch insoweit nicht zu stellen.
An der Schwere und dem Umfang der Beeinträchtigungen für die Grundstücke der Kläger kann danach nicht gezweifelt werden, obwohl mit dem Sachverständigen (vgl. S. 35, 38 seines Gutachtens = Bl. 406, 409 der Akten) davon auszugehen ist, daß "normalerweise keine unzumutbaren Geruchs- und Lärmerscheinungen von dem Betrieb ... ausgehen und jede belästigende Erscheinung für sich als zumutbar gelten könnte, läge sie nicht in einer Kette anderer Belästigungen" (Ziffer 2.3 sowie 2.33 des Gutachtens). Was einzeln erträglich erscheinen könnte, summiert sich bereits infolge der täglich hinzukommenden Kurzzeitwirkungen von - nachgewiesen - viertel- oder halbständiger Dauer (Gärfuttergeruch) zur drückenden Belastung.
Die danach als wesentlich zu beurteilenden Beeinträchtigungen der Kläger in der Benutzung ihrer Grundstücke können diese gemäß § 906 Abs. II BGB nicht verbieten, sondern können lediglich die Abstellung dieser Einwirkungen durch Maßnahmen, die für die Beklagten wirtschaftlich zumutbar sind (Abs. II Satz 1 a.a.O.) und nur dann, wenn dies was nicht der. Fall ist - unmöglich sein sollte, einen angemessenen Ausgleich in Geld beanspruchen.
Die von dem Mastbetrieb der Beklagten ausgehenden Störungen sind nämlich als ortsüblich zu bezeichnen. Zwar ist für die Frage der Ortsüblichkeit grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen. Verhandlung abzustellen und nicht etwa darauf, daß der jetzt "störende" Betrieb der Beklagten bereits damals bei Errichtung der Siedlungshäuser der Kläger in der ... Straße vorhanden war, da aus dem Grundsatz besseren Rechts wegen früheren Bestehens der beeinträchtigenden Anlage im Bereich des § 906 BGB eine Duldungspflicht nicht herzuleiten ist (RGRK 11 Anm. 23 zu § 906 BGB; BGHZ 15, 146 f.). Jedoch kann hier nicht außer Betracht gelassen werden, daß sich der ländliche Charakter der damals noch im Entstehen begriffenen Bergarbeitersiedlung ... im Grunde bis heute nicht geändert hat ... In Übereinstimmung mit dem Landgericht steht auch der Senat auf dem Standpunkt, daß zu jeder Zeit zumindest ein landwirtschaftlicher Betrieb mit geringerer Viehhaltung als heute ortsüblich war.
Die tatsächliche und zeitliche Entwicklung, wie es hier in ... zu dem im Endergebnis störenden Nebeneinander des Betriebes der Gebrüder ... und den angrenzenden Häusern der Bergarbeitersiedlung gekommen ist, in diesem Zusammenhang nicht ohne Bedeutung. Die Braunschweigischen Kohlenbergwerke - fortan BKB - hatten nämlich dem Vater der Beklagten die Hofstelle zur Einrichtung eines Fuhrbetriebes mit landwirtschaftlicher Nebenerwerbssiedlung um die Währungsreform zunächst nur verpachtet, Sie haben ungeachtet der zwischenzeitlichen weiteren Ausdehnung der von ihnen angelegten Bergarbeitersiedlung die Entstehung einer landwirtschaftlichen Vollerwerbssiedlung auf seiten der Beklagten erst möglich gemacht. Denn sie haben im Rahmen eines Siedlungsverfahrens die Hofstelle an die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft mbH zu der vorgesehenen Weiterveräußerung an den Erstbeklagten und dessen Ehefrau als Siedler übertragen. Sie haben sich darüber hinaus (vgl. insoweit den Vortrag des Landkreises ... im Verwaltungsgerichtsverfahren vom 29.3.1972, Bl. 84 der dortigen Akten) zur ausreichenden Landverpachtung (von über 70 ha) auf die Dauer von 15 Jahren im Siedlungsverfahren verpflichtet.
Damit war klargestellt, daß den Braunschweigischen Kohlenbergwerken auch dann noch das Nebeneinanderbestehen der Landwirtschaftsbetriebe ... und in der Nachbarschaft ihrer Werksangehörigen als möglich und tragbar erschien, nachdem etwaige Fuhrleistungen für die Bergarbeiter entbehrlich geworden waren.
An dem Fortbestehen der beiden Landwirtschaftsbetriebe hatte sich auch nichts geändert, als irrtümlich gemäß dem durch die Gemeinde ... aufgestellten Bebauungsplan die gesamte bebaute Dorflage zum allgemeinen Wohngebiet erklärt, wurde (vgl. oben Seite 4 des Tatbestandes). Deswegen erwies sich die angeführte erste Änderung des Bebauungsplanes als berichtigende Klarstellung, nämlich der Erklärung der Hofstellen ... und ... zum "Dorfgebiet" als notwendig. An dem, was in dem nunmehr als "Dorfgebiet" ausgewiesenen, an die ... Straße angrezenden Ortsteil ... straße als ortsüblich im Sinne des Nachbarrechts anzusehen war, vermochte freilich weder der als Bestandsaufnahme gedachte ursprüngliche Bebauungsplan ... noch die unter Auflage ausgesprochene Genehmigung des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig vom 18.3.1971 etwas zu ändern. Dazu war diese Auflage im Hinblick auf die bestehenden landwirtschaftlichen Wirtschaftsstellen ... und ... inhaltlich auch zu wenig konkretisiert und auf diese ausgerichtet. Denn daß bei der zugelassenen Tierhaltung der vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe an Rindvieh oder Schweinen gewisse Einwirkungen durch Tierlaute und landwirtschaftliche Trecker-Geräusche oder auch durch den Mistgestank der Tiere unvermeidbar blieben, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Infolgedessen kann diese verwaltungsmäßige Auflage für den Senat keine geeignete Grundlage für die Entscheidung der Frage nach der Ortsüblichkeit der von dem Betriebe ausgehenden Einwirkungen darstellen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat beipflichtet, die Ortsüblichkeit der von der Bullenmästerei ausgehenden Einwirkungen auch dann zu bejahen, wenn diese von einer zwar nicht üblichen aber moderner Betriebsführung angepaßten landwirtschaftlichen Bewirtschaftung ausgehen. Der Begriff der Ortsüblichkeit muß der wirtschaftlichen Entwicklung (Rationalisierung, Intensivierung usw.) Rechnung tragen. In diesem fortschrittlichen Sinne verstanden, entfällt die Ortsüblichkeit des § 906 Abs. II Satz 1 BGB nicht schon dann, wenn die gegenständlich gleich gebliebene Benutzung eines Grundstücks zu bestimmten Zweck aus wirtschaftlichen Gründen in anderer Art und Weise - hier Bullenmast - im rationellen Massenverfahren und damit für die Nachbarn störender durchgeführt wird (vgl. hierzu BGHZ 48, 31 [33]).
Voraussetzung für eine derartige Feststellung bleibt allerdings, wie das Landgericht nicht verkannt hat, daß es sich immer noch um einen landwirtschaftlichen und nicht um einen gewerblichen Betrieb handelt. Diese Frage ist im Gegensatz zu dem angefochtenen Urteil eindeutig zu bejahen. Der Senat vermag der Kammer nicht darin beizupflichten, daß die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften (vgl. § 13 des Einkommensteuergesetzes, § 51 des Bewertungsgesetzes und Anlage 1 zu diesem) in dieser Hinsicht ein geeignetes Abgrenzungskriterium darstellen könnten, ganz abgesehen, daß nach den durch den Sachverständigen ... angestellten und durch den Senat überprüften Berechnungen der Vieheinheiten der Betrieb ... fast die 6-fache Tierzahl halten könnte, ehe er die steuerliche Grenze der Landwirtschaft erreichte (vgl. Seite 24 des Gutachtens = Bl. 395 der Akten).
In Übereinstimmung mit der oa. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat zustimmt, sind jedenfalls die Merkmale eines landwirtschaftlichen Betriebes dann zu bejahen, wenn dieser vorwiegend die Futterbasis für die Schweine (hier Bullen) mast erbringt (BGHZ a.a.O. [34]).
Der Sachverständige ... hat von diesem in dem Beweisbeschluß des Senats vom 13.7.1973 (Blatt 353 III Ziff. 1) herausgestellten Ausgangspunkt als Abgrenzungskriterien - vereinzelt Seite 22 des Gutachtens - die Beziehungen zwischen der Netto-Futterenergie der Bodenproduktion zum Futterbedarf bezeichnet. Er hat, ohne Zweifeln der Parteien zu begegnen, herausgestellt, daß die gesamte Bodenproduktion den Futterbedarf übersteigt, so daß auch ohne Futterzukauf der Tierbestand aus den Ackerfrüchten des Betriebes ernährt werden könnte und auch dann noch Ackerfrüchte zum Verkauf übrig blieben. Er hat es zugleich als unwirtschaftlich bezeichnet, wenn ein Tierhalter den gesamten Futterbedarf aus selbst erzeugten Produkten bestreiten würde, da hierzulande Eiweißträger nicht so preiswert erzeugt wie gekauft werden könnten.
Der Gutachter hat aufgrund der von ihm selbst verantwortlich nachgeprüften Buchhaltungsunterlagen festgestellt, daß der gesamte Futterbedarf der Herde zu 63 % aus eigener Erzeugung gedeckt wird und ist von daher zu der Schlußfolgerung gelangt, daß bei diesem als normal zu bezeichnenden Verhältnis zwischen Futtererzeugung und Futterzukauf die wirtschaftliche Basis der Tierhaltung durch das selbst erzeugte Grundfutter (Silage von Mais und Rübenblatt) gebildet wird.
Danach kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß es sich bei der Bullenmästerei der Gebrüder ... um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen Einwirkungen auf die Anlieger der ... Straße als ortsüblich zu bezeichnen und, da sie wesentlich sind, durch geeignete Maßnahmen abzustellen sind, die den Beklagten wirtschaftlich zugemutet werden können. Zu dieser Frage erübrigen sich weitere Ausführungen, nachdem sich die Beklagten grundsätzlich bereit erklärt haben, die durch den Sachverständigen ... vorgeschlagenen Maßnahmen (vgl. Seite 55 seines Gutachtens) zur Herstellung des nachbarschaftlichen Friedens, ungeachtet der ihnen hierdurch entstehenden erheblichen wirtschaftlichen Belastungen in der Größenordnung von etwa DM 100.000,- zu verwirklichen.
Die Kläger haben sich ihrerseits mit ihrem Hilfsantrag zu Ziffer 1), der hinter dem im angefochtenen Urteil zugesprochenen Hauptantrag zurückbleibt, in vollem Umfang auf den Boden der Sachverständigen-Vorschläge gestellt. Dem war auf die Berufung der Beklagten unter Abweisung des Hauptantrages überwiegend zu entsprechen. Im einzelnen:
Der Vorschlag ..., das den Klägern am nächsten gelegene Tor in der Südwestecke des Grundstücks der Beklagten zu schließen und den anschließenden Fahrweg an der südlichen Grundstücksgrenze überhaupt zu beseitigen und dort jeden Fahrverkehr auszuschließen, wird die von den Klägern beanstandeten Störungen dahin einschränken, daß etwa verbleibende Restbelästigungen im Bereich des Zumutbaren liegen und keine wesentlichen Einwirkungen mehr darstellen. Voraussetzung dafür ist die zu Ziffer 2) der Urteilsformel ausgesprochene Verpflichtung zur Anpflanzung einer abschirmenden Hecke von etwa 10-jährigen Fichten.
Die Beseitigung des 305 m3 großen Siloraumes an der Nordgrenze des Gehöftes der Beklagten - bislang zur Lagerung von Rübenblattsilage verwendet - wird wesentliche Geruchtseinwirkungen ausschließen.
Der weitest-möglichen Ausschaltung von Geruchseinwirkungen dienen die zu Ziffer 5) aber auch zu Ziffer 6) und 7) der Urteilsformel beschriebenen baulichen Maßnahmen, die in Übereinstimmung mit den Parteien an den Vorschlägen des Sachverständigen (vgl. Seiten 54, 55 des Gutachtens) ausgerichtet sind.
Den völligen Abschluß des Stalles im Westteil hatten die Beklagten bereits im Jahre 1970 in Aussicht genommen, jedoch verblieb die Ausführung nach der um Jahresfrist verzögerten Erteilung der Baugenehmigung unter dem Gewicht der inzwischen anhängigen Rechtsstreitigkeiten.
Der Anfall aus der täglichen Stallmistung ist darüber hinaus ebenso wie der Tagesbedarf an Hübenblattsilage in einem geschlossenen Raum zu lagern.
Der Senat ist bei den von ihm den Beklagten aufgegebenen Maßnahmen davon ausgegangen, daß diese die hierzu erforderliche Baugenehmigung auch erhalten werden. Er stützt sich hierbei auf die Angaben des Bau-Oberamtmannes ... vom Kreisbauamt des Landkreises ... bei seiner Zeugenvernehmung am 12. März 1974. Danach ist mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, daß für alle diejenigen Baumaßnahmen eine Baugenehmigung erteilt werden wird, die eine Herabminderung der beeinträchtigenden Einwirkungen auf die Wachbargrundstücke herbeizuführen geeignet sind.
Bedenken können, wie der Zeuge ... weiter ausgeführt hat, in dieser Hinsicht lediglich insoweit bestehen, als es um die Errichtung eines zweiten - ebenfalls voll umschlossen - Maststalles geht, dessen Bau die Kläger mit ihrem Hilfsantrag Ziffer 1) zu g) erstreben. Da insoweit Zweifel auftauchen könnten, ob die Errichtung eines zur Auflockerung der Belegungsstärke der einzelnen Mastklassen dienenden weiteren Maststalles nicht zugleich auch zu einer Betriebsausweitung führen könnte, ist die Erteilung der notwendigen Baugenehmigung nicht sicher. Da es den Beklagten unmöglich sein würde, bei Nichterteilung einer derartigen Baugenehmigung einem dahingehenden Urteilsausspruch des Senats nachzukommen, konnte dem Hilfsantrag zu Ziffer 1 g) - als dann auf eine unmögliche Leistung gerichtet - nicht entsprochen werden.
Dem zu Ziffer 2) gestellten weiteren Hilfsantrag ist der Boden entzogen, nachdem durch den Urteilsausspruch gewährleistet erscheint, daß die von der Bullenmästerei ... nach Durchführung der Abschirmmaßnahmen etwa noch ausgehenden Einwirkungen nicht als wesentlich im Sinne von § 906 BGB bezeichnet werden können, sondern von den Klägern als solche geringen Umfanges im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses hingenommen werden müssen.
Auf die Berufung der Beklagten war danach, wie geschehen, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils dem Hilfsantrag der Kläger zu Ziffer 1) mit Ausnahme von Ziffer 1 g), zugleich unter Abweisung des Hauptantrages zu entsprechen.
Gemäß §§ 92, 97 ZPO rechtfertigte sich die getroffene Kostenverteilung, bei der zu berücksichtigen war, daß die Kläger mit ihrem Klagebegehren zwar nicht voll durchgedrungen, die Beklagten aber andererseits wegen der ihnen aufgegebenen Abschirmmaßnahmen überwiegend unterlegen sind.
Wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit vergl. § 708, Ziffer 7 ZPO.