Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.08.1989, Az.: 1 W 23/89
Natur des Krankenhausaufnahmevertrages; Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO; Vertragsschwerpunkt von Krankenhausaufnahmeverträgen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.08.1989
- Aktenzeichen
- 1 W 23/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 13803
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0814.1W23.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 10.07.1989 - AZ: 4 O 205/89
Fundstelle
- NJW 1990, 777-778 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Klägers vom 24. Juli 1989
gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 10. Juli 1989
am 14. August 1989 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Das Landgericht Göttingen wird angewiesen, über den Antrag auf Bewilligung der öffentlichen Zustellung unter Beachtung der sich aus diesem Beschluß ergebenden Grundsätze neu zu entscheiden.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg.
Das Landgericht Göttingen hat die Bewilligung der öffentlichen Zustellung schon deshalb abgelehnt, weil es für den beabsichtigten Rechtsstreit nicht zuständig sei. Dies ist unzutreffend.
1.
Der Kläger macht mit Recht geltend, daß für die vorliegende Klage der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO i.V.m. § 269 BGB gilt. Die Rechtsprechung hat einen gemeinsamen Erfüllungsort für das gesamte Vertragsverhältnis z. B. für den Anwaltsvertrag, den Dienstvertrag, weitgehend für den Werkvertrag und auch für den Beherbergungsvertrag bejaht. In all diesen Fällen soll auch für einen Zahlungsanspruch als Leistungsort der Ort maßgebend sein, an dem der Anwalt, der Dienstverpflichtete, der aus dem Werkvertrag Verpflichtete (etwa bei einer Kraftfahrzeugreparatur) oder das Beherbergungsunternehmen seinen Sitz hat (vgl. dazu, Baumbach-Hartmann, Kommentar zur ZPO, 47. Aufl. 1989, Anm. 3 C zu § 29, Zöller-Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 15. Aufl. 1987, Rdn. 25 zu § 29 sowie Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 48. Aufl. 1989, Anm. 3 zu § 269, jeweils mit umfangreichen Nachweisen). Die Grundlage dieser Rechtsprechung ist, daß da, wo der Schwerpunkt des Vertrages für beide Parteien liegt, an dem die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen ist, auch der Ort sein soll, an dem die beiderseitigen Verpflichtungen zu erfüllen sind. Aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt sich dann, daß beiden Vertragsparteien daran gelegen ist, ihre vertraglichen Beziehungen einheitlich an einem Ort zu verwirklichen und die geschuldeten Leistungen dort zu erbringen.
Die gleichen Erwägungen müssen auch für den Krankenhausaufnahmevertrag gelten. Er setzt sich - worauf der Kläger zu Recht hinweist - aus Elementen des Dienstvertrages (Leistungen der Ärzte und des Krankenhauspersonals) und des Beherbergungsvertrages (Übernachtung und Beköstigung) zusammen. Die charakteristische Leistung des Krankenhausaufnahmevertrages ist die Heilbehandlung, gegebenenfalls durch operative Eingriffe, des Patienten. Auch für ihn stellt sich der Ort der Klinik, in der er stationär behandelt wird, in noch viel größerem. Maße als beim normalen Beherbergungsvertrag oder auch beim Anwaltsvertrag als der Ort dar, an dem die charakteristische Leistung erbracht werden soll. Der eindeutige Schwerpunkt einer stationären Krankenhausaufnahme liegt am Klinikort; es ist auch nicht einzusehen, daß für die Reparatur eines Kraftfahrzeuges nach der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur der Sitz der Werkstatt maßgebend sein soll, für die gesundheitliche Wiederherstellung eines Patienten aber der Leistungsort für die Leistungen des Krankenhauses und die vom Patienten geschuldete Gegenleistung (Zahlung des Honorars) unterschiedlich sein sollen. Die Erwägung des Landgerichts, ein Patient, der sich mehr oder weniger unfreiwillig in ein Krankenhaus begebe, werde bei der Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsorts am Sitz der Klinik genötigt, Honorarprozesse möglicherweise weit ab von seinem Wohnort zu führen, kann nicht durchgreifen. Zum einen würde diese Erwägung auch etwa für Anwaltsverträge gelten müssen, in denen der Mandant auch nur aus der jeweiligen Situation genötigt den Anwalt aufsucht, für die aber einheitlich der gemeinsame Erfüllungsort am Sitz der Anwaltskanzlei anerkannt ist. Zum anderen wird ein Patient im Regelfall bei einem stationären Aufenthalt in eine Klinik aufgenommen werden, in deren Einzugsbereich er auch wohnt. Sofern in Ausnahmefällen - etwa wegen besonderer ärztlicher Qualifikation oder technischer Ausstattung - eine Aufnahme in eine weiter entfernte Klinik stattfindet, ist diese dann aber auch in solchem Maße der Schwerpunkt der vertraglichen Gestaltung, daß es gerechtfertigt ist, den Ort, in dem sie sich befindet, als beiderseitigen Leistungsort anzusehen. Üblicherweise wird ein Patient davon - nicht anders als beim Anwaltsvertrag, Dienstvertrag oder Beherbergungsvertrag - auch ausgehen.
Demgemäß besteht der Gerichtsstand des (gemeinsamen) Erfüllungsorts nach § 29 ZPO in ..., da dort die Universitätsklinik gelegen ist, in welcher die zu Verklagende stationär untergebracht war. Das Landgericht durfte daher nicht die Bewilligung der öffentlichen Zustellung mit der Begründung ablehnen, es sei für den Rechtsstreit nicht zuständig.
2.
Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben. Die Sache war zu erneuter Entscheidung an das Landgericht Göttingen zurückzuverweisen, das nunmehr davon auszugehen hat, daß es für den Rechtsstreit zuständig ist, andererseits aber noch eine eigene sachliche Prüfung vorzunehmen hat, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 203 ZPO gegeben sind. Diese Prüfung hat das Landgericht bisher - auf der Grundlage seiner Rechtsansicht zu Recht - nicht abschließend vorgenommen.
3.
Dieser Beschluß konnte auch während der Gerichtsferien ergehen, die eine Beschlußfassung über Zustellungen nicht hindern (vgl. dazu Baumbach-Albers a.a.O. Übersicht 3 B vor § 199 GVG).