Arbeitsgericht Lüneburg
Beschl. v. 25.07.2003, Az.: 4 BV 3/03

Betriebsratsfähigkeit der Filiale einer Baumarktkette; Eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten

Bibliographie

Gericht
ArbG Lüneburg
Datum
25.07.2003
Aktenzeichen
4 BV 3/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 35896
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGLG:2003:0725.4BV3.03.0A

In dem Verfahren
...
hat das Arbeitsgericht in Lüneburg
auf die Anhörung der Beteiligten vom 25.07.2003
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die Frage der Betriebsratsfähigkeit einer Filiale der Beteiligten zu 1.

2

Die Beteiligte zu 1. betreibt bundesweit 78 Baumarkte. Das Unternehmen ist im sogenannten Filialsystem organisiert. Jedem einzelnen Baumarkt steht als unselbständige Filiale ein Marktleiter vor. Dieser wiederum untersteht einem Bezirksleiter.

3

Der Umfang der leitungsrechtlichen Befugnisse des Marktleiters sowie die tatsächliche Stellung des Bezirksleiters ist zwischen den Parteien streitig.

4

Die Bezirksleiter der Beteiligten zu 1. werden regelmäßig mit folgender - von der Beteiligten zu 1. im Verfahren als Muster vorgelegten - Vollmacht ausgestattet:

" ... zu unserer Freude können wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihnen mit sofortiger Wirkung Vollmacht in folgendem Umfang erteilen:

  • Verkaufsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen - mit Ausnahme der Mitglieder der Marktleitung - in den von Ihnen betreuten Märkten einzustellen und zu entlassen;

  • Ausübung des Direktionsrechts gegenüber den Verkaufsmitarbeitern und -mitarbeiterinnen - mit Ausnahme der Mitglieder der Marktleitung - in den von Ihnen betreuten Märkten (insbesondere Versetzungen, Umsetzungen, Anordnungen von Überstunden usw.);

  • Verhandlungen und Vereinbarungen mit Betriebsräten - soweit gewählt - zu führen und gegebenenfalls als Bezirksleitung unter Berücksichtigung der insoweit bestehenden unternehmensweiten Richtlinien und generellen Anweisungen abzuschließen.

Aufgrund dieser Vollmacht sind Sie berechtigt, die oben beschriebenen Tätigkeiten für das Unternehmen und in dessen Namen auszuüben."

5

In der Stadt Lüneburg betreibt die Beteiligte zu 1. zwei Filialen, und zwar zum einen unter der Adresse ... sowie unter der Adresse ... In der Filiale ... beschäftigt die Beteiligte zu 1. 34 Mitarbeiter, in der Filiale ... 62 ... Mitarbeiter. In der Filiale ... wurde im Frühjahr 2002 ein Betriebsrat gewählt. Die Mitarbeiter der Filiale ... wurden bei dieser Wahl nicht als wahlberechtigte Arbeitnehmer für die Wahl dieses Betriebsrates behandelt.

6

Der räumliche Abstand zwischen den Filialen beträgt ca. 6,3 km, die Fahrzeit mit einem PKW dauert ca. 8 Minuten. Beide Filialen sind telefonisch und per E-Mail erreichbar. Beiden Filialen steht jeweils ein Marktleiter vor.

7

Die Filialen in Lüneburg gehören zum Bezirk des selben Bezirksleiters. Dessen Bezirk umfasst ferner die Filialen in Magdeburg, Hannover-Wülfel, Hannover-Fahrenheide, Hannover-Bornum, Braunschweig-Süd, Braunschweig-Hansel, Hildesheim, Wolfsburg, Salzgitter, Dessau und Halle.

8

Die bei der Beteiligten zu 1. gewählten Betriebsräte sind derzeit in den meisten Fällen für mehrere Filialen innerhalb eines Bezirkes mit jeweils einem Bezirksleiter gewählt.

9

Mit Schreiben vom 22.05.2003 hatte die Gewerkschaft ver.di die Beteiligte zu 1. darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie beabsichtige, am 05.06.2003 eine Betriebsversammlung mit dem Zweck der Wahl eines Wahlvorstandes für eine durchzuführende Betriebsratswahl für die Filiale ... abzuhalten.

10

In der Betriebsversammlung wurde kein Wahlvorstand gewählt.

11

Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass es sich aufgrund des ... einheitlichen Leitungsapparates zwischen der Filiale ... und der Filiale ... um einen einheitlichen Betriebsteil oder Nebenbetrieb im Sinne §4 BetrVG handelt.

12

Im Bereich der Personalorganisation seien die Marktleiter nicht bevollmächtigt, Entscheidungen und Erklärungen ohne Absprache mit dem zuständigen Bezirksleiter zu treffen bzw. gegenüber Mitarbeitern abzugeben. Allein der Bezirksleiter besitze die Bevollmächtigung im Namen der Beteiligten zu 1. Personal einzustellen oder zu entlassen. Abmahnungen und Kündigungen - sowohl ordentliche als auch außerordentliche - würden durch die Personalabteilung der Hauptverwaltung in Hamburg auf Nachfrage durch den Bezirksleiter ausgeführt. Dies geschehe jeweils auf entsprechende Veranlassung des Bezirksleiters. Dieser entscheide, ob die Maßnahme veranlasse werden solle oder nicht. Die Hauptverwaltung habe allein die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass die jeweils notwendigen und erforderlichen Verfahren eingehalten würden. Entsprechende Erklärungen würden im Regelfall dem jeweiligen Mitarbeiter durch den Marktleiter ausgehändigt.

13

Die Urlaubsplanung für die jeweilige Filiale werde vom Assistenten des Marktleiters oder von diesem selbst erstellt und vom Bezirksleiter genehmigt. Überstunden könne der Marktleiter nur nach Absprache mit dem Bezirksleiter anordnen, der ggf. die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu führen habe. Eine Betriebsordnung werde von der Hauptverwaltung in Hamburg vorgegeben.

14

Verhandlungspartner für den bestehenden Gesamtbetriebsrat sei die zentrale Personalleitung der Beteiligten zu 1. in Hamburg.

15

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

festzustellen, dass die Filiale der Beteiligten zu 1. in Lüneburg, ... keine eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheit ist (§18 Abs. 2 BetrVG).

16

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

17

Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass der Antrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Der Beteiligte zu 2. sei nicht Beteiligter des Verfahrens. Der Beteiligte zu 2. vertrete die Arbeitnehmer, der Filiale ..., nicht aber die Arbeitnehmer der Filiale .... Da die Arbeitnehmer der Filiale ... sich in einem Schreiben vom 06.06.2003 an den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden dafür ausgesprochen hätten, keinen Betriebsrat wählen zu wollen, würden weder der Gesamtbetriebsrat noch die Gewerkschaft ... weiter eine Betriebsratswahl betreiben.

18

Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, da es sich bei der Filiale ... um eine betriebsratsfähige Organisationsheit handele. Keineswegs sei es so, dass sämtliche Entscheidungen und Erklärungen im Bereich der Personalorganisation durch den Bezirksleiter erfolgten. Die tagtägliche Einteilung von Arbeitskräften, die Anordnung von Überstunden, der Einsatz von Aushilfen etc. werde vom Marktleiter ohne Rücksprache mit dem Bezirksleiter durchgeführt. Eine andere Handhabung sei gar nicht praktikabel, da der Bezirksleiter nur selten vor Ort sei bzw. sein könne. Die Urlaubsplanung werde vom Marktleiter erstellt und durchgeführt. Es werde bestritten, dass eine Genehmigung durch den Bezirksleiter erfolgen müsse. Die täglichen Entscheidungen in der Filiale würden durch den Marktleiter getroffen. Auch personelle Entscheidungen würden vom Marktleiter angeregt, der schließlich diese an den Bezirksleiter weitergebe, um entgültig eine Entscheidung der Geschäftsführung zu erlangen.

19

Im Übrigen sei der von der Beteiligten zu 1. gewünschte Zusammenschluss der beiden Lüneburger Filialen willkürlich, da nach ihrem eigenen Vortrag sämtliche Filialen, die von dem gleichen Bezirksleiter betreut werden, einen einheitlichen Betrieb darstellen müssten. Keine der beiden Lüneburger Filialen sei aber der anderen organisatorisch untergeordnet oder werde von dessen Leitung gleichmaßen mitgeleitet.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

21

II.

Der Antrag ist teilweise unzulässig, teilweise ist er unbegründet.

22

1.

Der gestellte Antrag der Beteiligten zu 1. ist dahin auszulegen, dass die Beteiligte zu 1. mit dem Antrag zwei Rechtsschutzziele verfolgt:

23

Das erste Rechtsschutzziel ergibt sich aus der wortwörtlichen Auslegung des Feststellungsantrages, nämlich dem Ziel der negativen Feststellung, bei der Filiale der Beteiligten zu 1. ... handele es sich nicht um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit.

24

Neben diesem negativen Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beteiligten zu 1., dass die Beteiligte zu 1. ein weiteres Rechtsschutzziel verfolgt. Das weitergehende Feststellungsinteresse geht dahin festzustellen, dass die Filialen ... und ... eine gemeinschaftliche betriebsratsfähige Organisationseinheit bilden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu IV Abs. 1 (Blatt 6 der Gerichtsakte) Seite 6 der Antragsschrift, wo es heißt: " ..., da nach dem Vorstehenden die Filialen in Lüneburg betriebsverfassungsrechtlich eine Einheit bilden ...".

25

Im Verfahren will die Beteiligte zu 1. offensichtlich nicht die Feststellung des Inhaltes begehren, dass alle 13 dem Bezirksleiter unterstellten Filialen betriebsverfassungsrechtlich eine Einheit bilden würden. Dies hat zum einen die Beteiligte zu 1. nicht behauptet. Darüber hinaus hätte dann die Beteiligte zu 1. in ihrer Antragsschrift auch weitere im Bezirk des Bezirksleiters gebildete Betriebsräte als Beteiligte mit genannt.

26

Bei verständiger Auslegung des Rechtsschutzziels unter Berücksichtigung der Antragsbegründung ist der Antrag deshalb dahingehend auszulegen, dass über den Wortlaut des ursprünglich gestellten Antrages hinaus beantragt wird festzustellen, dass die Filialen der Beteiligten zu 1. in Lüneburg ... und ... eine gemeinschaftliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit bilden.

27

Die Beteiligten sind im Rahmen der Anhörung der Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Antrag der Beteiligten zu 1. im Hinblick auf das Antragsziel einer entsprechenden Auslegung zugänglich sein könnte.

28

2.

Der Antrag festzustellen, dass die Filialen der Beteiligten zu 1. in Lüneburg ... keine eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheit ist (§18 Abs. 2 BetrVG) ist in Bezug auf den Beteiligten zu 2. unzulässig.

29

Die Beteiligte zu 1. legt zwar zutreffend dar, dass ein besonderes Feststellungsinteresse für die Einleitung eines Verfahrens nach §18 Abs. 2 BetrVG nicht darzulegen ist, da es nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern um Tatsachenfeststellung geht. Das Betriebsverfassungsgesetz knüpft sowohl hinsichtlich der Organisation der Betriebsverfassung, als auch hinsichtlich der Beteiligungsrechte des Betriebsrates an den Betrieb an. Beteiligungsrechte des Betriebsrates sind zum Teil von der Größe des Betriebes, d.h. der Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängig, gleiches gilt für die Größe des zu wählenden Betriebsrates und hinsichtlich der Reichweite der Beteiligungsrechte.

30

Im Beschlussverfahren ergangene Entscheidungen sind zumindest für die im Verfahren Beteiligten verbindlich (BAG 09.04.1991, 1 AZR 488/90, AP Nr. 8 zu §18 BetrVG 1972).

31

Voraussetzung für ein Feststellungsinteresse ist allerdings analog §256 Abs. 1 ZPO, dass die ergangene Entscheidung in irgendeiner Weise Bindungswirkung für die Gegenwart oder Zukunft gegenüber dem Beteiligten zu 2. entfalten kann. Dies ist im Hinblick auf die begehrte negative Feststellung für die Filiale ... nicht der Fall:

32

Die bloße negative Feststellung, dass die Filiale ... nicht betriebsratsfähig sei, sagt noch nichts darüber aus, dass bzw. ob dies den Beteiligten zu 2. in seiner räumlichen Zuständigkeit oder in seinen Beteiligungsrechten berührt. Mit der negativen Feststellung der nichtbestehenden Betriebsratsfähigkeit ist noch nicht zugleich eine Zuordnung zu einem bestimmten anderen Nebenbetrieb oder dem Hauptbetrieb verbunden. Selbst eine zu Gunsten der Beteiligten zu 1. ergehende Entscheidung hätte damit keinerlei Bindungswirkung hinsichtlich der Reichweite oder des Umfanges der Beteiligungsrechte. Ist die Filiale "keine betriebsratsfähige Einheit", stellt sich die Frage, welchem anderen Betrieb oder Betriebsteil sie zuzuordnen ist. Diese Frage kann mit einem negativ gestellten Feststellungsantrag für keinen denkbar beteiligten Betriebsrat verbindlich beantwortet werden.

33

III.

1.

Der - nach Auslegung (siehe I.) ermittelte Antrag, festzustellen, dass die Filialen ... und ... gemeinschaftlich eine betriebsratsfähige Organisationseinheit bilden, ist zulässig.

34

Der im Wege der Auslegung ermittelte Antrag der Beteiligten zu 1. ist zulässig, da er geeignet ist, zu klären, in welchem Umfang dem Beteiligten zu 2. Mitwirkungsrechte zustehen und welche Organisationseinheit bei der kommenden Betriebsratswahl als betriebsratsfähige Einheit anzusehen ist.

35

2.

Der Antrag ist unbegründet.

36

Bei den Filialen der Beteiligten zu 1. ... und ... in Lüneburg handelt es sich nicht um eine gemeinschaftliche betriebsratsfähige Organisationseinheit.

37

Aufgrund des schriftsätzlichen Vorbringens sowie der Anhörung der Beteiligten ist nicht positiv feststellbar, dass die Filialen ... sowie ... eine gemeinschaftliche betriebsratsfähige Organisationsheit darstellen.

38

Aufgrund des Vortrags der Beteiligten zu 1. spricht zwar einiges dafür, dass es sich bei den Filialen in Lüneburg jedenfalls um Betriebsteile im Sinne §4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt mit der Folge, dass sie als selbstständige Betriebe gelten.

39

Beide Filialen verfügen über mindestens 5 ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer. Es ist auch nach dem Sachvortrag der Beteiligten davon auszugehen, dass von diesen 5 wahlberechtigten Arbeitnehmern 3 wählbar sind.

40

Unterstellt man zu Gunsten der Beteiligten zu 1., dass es sich bei der Verwaltung in Hamburg um den "Hauptbetrieb" im Sinne §4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt wäre auch das weitere Merkmal der räumlich weiten Entfernung zum Hauptbetrieb erfüllt. Ist ein Filialunternehmen in der Weise organisiert, dass an einem bestimmten Sitz eine Hauptverwaltung existiert und darüber hinaus zahlreiche, über das Bundesgebiet verstreute Filialen betrieben werden, so handelt es sich bereits aufgrund der bewußten räumlichen Trennung um "räumlich weit" entfernte Betriebsteile.

41

Auch das Merkmal des §4 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist grundsätzlich erfüllt, da beide Filialen in ihrem Aufgabenbereich und ihrer Organisation eine gewisse Eigenständigkeit besitzen. Beide Lüneburger Filialen sind Verkaufsfilialen, welchen vor Ort ein Marktleiter vorsteht. Auch wenn dies insoweit zwischen den Beteiligten streitig ist, so ist die Leitungsmacht insoweit teilweise dezentralisiert, dass Leitungsbefugnisse zumindest auch auf den Bezirksleiter übertragen sind. Im Verhältnis zum Hauptbetrieb besteht daher eine Abgrenzung von Aufgabenbereich und Organisation, die eigenständig ist.

42

Die Frage, ob die beiden Filialen für sich Betriebsteile im Sinne §4 Abs. 1 BetrVG sind, muss im Hinblick auf den durch Auslegung ermittelten Antrag nicht abschließend entschieden werden. Die beiden Lüneburger Filialen sind jedenfalls weder ein gemeinschaftlicher Betriebsteil gemäß §4 Abs. 1 BetrVG noch gar ein Gemeinschaftsbetrieb im Sinne §1 Abs. 1 BetrVG. Dies ergibt sich aus Folgendem:

43

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ist das gemeinsame Band der beiden Lüneburger Filialen die Tatsache, dass beide Filialen dem selben Bezirksleiter unterstehen. Im Rahmen der Anhörung der Beteiligten ist unstreitig geworden, dass ein Austausch von Mitarbeitern der Filialen grundsätzlich nicht stattfindet und auch keine gemeinsame Urlaubsplanung besteht. Beide Filialen wirtschaften daher getrennt von einander. Gemeinsam ist ihnen lediglich die räumliche Nähe. Beide Lüneburger Filialen haben deshalb - bis auf die räumliche Nähe - nicht mehr miteinander gemein als beispielsweise mit anderen Filialen im selben Bezirk ihres Bezirksleiter, welche die Beteiligte zu 1. in Hannover, Magdeburg oder Dessau betreibt.

44

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. ist der vorliegende Sachverhalt deshalb nicht dem Fall der Entscheidung des BAG vom 25.05.1988 (Az.: 7 ABR 51/87) vergleichbar. In dem von der Beteiligten zu 1. angeführten Fall war der Sachverhalt anders gelagert, da es sich dort um zwei Niederlassungen handelte, welche über den selben Niederlassungsleiter verfügten, der mit dem PKW hin und her pendelte. Ferner war der Fall so gelagert, dass im Bedarfsfall Arbeitnehmer zwischen den Niederlassungen ausgetauscht wurden und es mit Ausnahme des Leiters kein weiteres Führungspersonal gab.

45

Anders im vorliegenden Fall:

46

Beide Filialen in Lüneburg aggieren in ihrem Bereich eigenständig, ein Personalaustausch findet nicht statt. Ferner verfügen beide über einen Marktleiter, der - in welchem Umfang auch immer - Leitungsmacht ausübt.

47

Die Frage der Leitungsbefugnisse kann deshalb kein hinreichender Anknüpfungspunkt sein, da mit der selben Begründung von einem einheitlichen Betrieb zwischen den Filialen Lüneburg und Filialen an anderen Standorten im selben Bezirk ausgegangen werden könnte.

48

Die bloße räumliche Nähe der beiden Filialen in der Gemeinde Lüneburg ist kein rechtlich tragfähiger Anknüpfungspunkt für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes oder Betriebsteils.

49

Dem steht bereits der Wortlaut des §4 BetrVG entgegen. Gelten Betriebsteile als selbstständige Betriebe, sind sie betriebsratsfähig (§4 Abs. 1 BetrVG). Für das künstliche zusammenlegen zweier betriebsratsfähiger Betriebe besteht nach dem Gesetz kein Bedürfnis. Das Gesetz sieht für diesen Fall sogar vor, dass die Arbeitnehmer eines Betriebsteiles mit Stimmenmehrheit beschließen können, an der Wahl des Betriebsrates im Hauptbetrieb teilzunehmen. Dies ändert aber nichts daran, dass dieser Betriebsteil gleichwohl als betriebsratsfähig anzusehen sein würde.

50

Verfolgen verschiedene Filialen parallele arbeitstechnische Zwecke, ohne dass eine Über- oder Unterordnung stattfindet, kommt es auf die Frage der räumlichen Nähe für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung nicht an (vgl. z.B. BAG 24.01.1964, BAG 25.01.1993, NZA-Nr. 1994, Seite 837). Mehrere benachbarte Filialen bilden nur dann einen gemeinsamen Betriebsteil, wenn sie jeweils vom Hauptbetrieb weit entfernt liegen und in der Aufbauorganisation auf gleichrangiger Ebene angesiedelt sind, aber der eine Teil dem Anderen in der Gestalt organisatorisch untergeordnet ist, dass er von dessen Leitung mitgeleitet wird (BAG 29.05.1991, NZA 1992, Seite 74, 76). Haben benachbarte Filialen bei sonst gleichen Bedingungen jeweils eine eigene Leitung, scheitert ihre Zusammenfassung zu einem Betriebsteil trotz räumlicher Nähe zu einander (BAG 26.07.1989, 7 ABR 22/88; dort hat das BAG ebenfalls nicht auf die räumliche Nähe, sondern auf die Frage abgestellt, in welchem Umfang personelle Leitungsmacht ausgeübt wird).

51

Zum Teil wird vertreten, dass bei einem Filialbetrieb alle Filialen bei räumlich weiter Entfernung vom Hauptbetrieb selbst betriebsratsfähig seien (LAG Bremen 31.10.1986, LAG §111 BetrVG 1972 Nr. 5).

52

Unter Anlegung dieser Grundsätze stellen die beiden Filialen der ... Beteiligten zu 1. in Lüneburg ... und ... unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine gemeinschaftliche betriebsratsfähige Organisationseinheit dar.

53

Da beide Lüneburger Filialen nach ihrem Erscheinungsbild entweder beide die Merkmale eines betriebsratsfähigen Betriebsteiles erfüllen oder keine von beiden, können beide Filialen entweder selbstständige Betriebsteile im Sinne von §4 Abs. 1, Betriebe im Sinne von §1 Abs. 1 BetrVG oder nicht betriebsratsfähige Betriebsteile darstellen. Betriebe, die die Voraussetzungen des §1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfüllen, sind dem Hauptbetrieb zu zuordnen (§4 Abs. 2 BetrVG).

54

Der Antrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

55

IV.

Die Entscheidung ist gemäß §12 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit §2 a Abs. 1 ArbGG gerichtskostenfrei.

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Rechtsmittelbelehrung

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