Landgericht Stade
Beschl. v. 04.08.2010, Az.: 12 KLs 170 Js 18207/09 (19/09)

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
04.08.2010
Aktenzeichen
12 KLs 170 Js 18207/09 (19/09)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 48085
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Verfallsbeteiligten trägt die Landeskasse.

Angewandte Vorschriften:§§ 299 Abs. 2, 334 Abs. 1, 73 Abs. 1 und 3, 73 a, 76 a StGB.

Gründe

I.

Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Mit Gesellschaftsvertrag vom 29. Dezember 1997 wurde die P.M. Verwaltungs GmbH gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war zum Zeitpunkt ihrer Gründung der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen sowie die Übernahme der persönlichen Haftung bei Handelsgesellschaften, insbesondere die Beteiligung als persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafterin an der P. M. GmbH & Co. KG, die den Handel und die Vermietung medizintechnischer Geräte zum Gegenstand hatte. Die Gesellschaft wurde am 13. Februar 1998 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Beschluss vom 27. November 2002 wurde die Firma der Gesellschaft in P. M. Vertriebs GmbH geändert. Zugleich wurde auch der Unternehmensgegenstand geändert, der fortan den Handel, den Vertrieb und die Vermietung medizintechnischer Geräte zum Inhalt hatte. Seit 1. Juli 2003 lautet die Firma P. M. GmbH (im Nachfolgenden "P. M. "). Derzeit ist die Gesellschaft unter HR B  im Handelsregister des Amtsgerichts ... verzeichnet.

Die Gesellschaft ist seit ihrer Gründung in ... ansässig. Alleiniger und zur Einzelvertretung berechtigter Geschäftsführer ist seit Gesellschaftsgründung Herr ... .

Die P. M. GmbH & Co. KG (im Nachfolgenden "P. M. KG"), die ihren Geschäftsbetrieb zum 1. April 1998 aufgenommen hatte und zuletzt unter HR A ... im Handelsregister des Amtsgerichts ... eingetragen war, wurde am 15. Dezember 2002 aufgelöst.

2. Die P. M. handelt unter anderem mit TENS-Geräten. TENS-Geräte - der Begriff "TENS" steht für transkutane elektrische Nervenstimulation - sind für die elektromedizinische Reizstromtherapie bestimmt, welche vor allem bei der Schmerzbehandlung (Analgesie) zur Anwendung kommt. Weitere Anwendungsbereiche sind die Muskelstimulation (in diesem Fall wird auch der Begriff "EMS-Gerät" verwendet, wobei "EMS" für elektrische Muskelstimulation steht) und die Behandlung von Harninkontinenz. Mit diesen Geräten wird über Elektroden ein elektrischer Impuls im Frequenzbereich zwischen 1 und 100 Hertz auf die Hautoberfläche übertragen. Bei der Schmerztherapie sollen auf diese Weise Nervenbahnen so stimuliert werden, dass Schmerzimpulse verringert oder gar nicht mehr zum Gehirn weitergeleitet werden.

TENS-Geräte sind kompakte, batteriebetriebene Geräte, die den Patienten zur häuslichen Eigenanwendung zur Verfügung gestellt werden. Sie verfügen über nur wenige Bedienelemente. Auf der Homepage der P. M. ( ... ) wird beispielsweise das Gerät "P. M. TENS" wie folgt beschrieben: "Das Gerät ist überaus anwenderfreundlich, Schalter und Regler sind leicht einzustellen".

TENS-Geräte sind Hilfsmittel im Sinne der sozialrechtlichen Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung (§ 33 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)). Sie sind in dem Hilfsmittelverzeichnis, welches nach § 139 Abs. 1 SGB V vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt wird und die Hilfsmittel ausweist, die von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen umfasst sind, in der Untergruppe 09 ("Elektrostimulationsgeräte") verzeichnet.

3. Zum 1. November 2000 schloss die P. M. KG mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) ... eine Vereinbarung zur Abgabe von Elektrostimulationsgeräten nach § 127 SGB V. Diese hatte nach § 1 der Vereinbarung die Versorgung der Versicherten der AOK mit Elektrostimulationsgeräten, die in der Anlage 1 näher beschrieben wurden, zum Gegenstand. § 4 Abs. 7 bestimmte, dass der Leistungserbringer das freie Wahlrecht des Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern zu beachten hat und nur Verordnungen unmittelbar von Versicherten oder einer von diesem ausdrücklich beauftragten Person entgegennimmt. § 5 Abs. 2 sah vor, dass der Versicherte oder eine von ihm benannte Person im sicheren Umgang mit der Versorgung eingewiesen und geschult werden, wobei die Kosten hierfür nach § 5 Abs. 3 weder vom Versicherten noch von der AOK zu tragen sind.

Die Geräte, die von der P. M. KG als Leistungserbringer den Versicherten zur Verfügung gestellten wurden, standen nach dieser vertraglichen Regelung im Eigentum der AOK. Die Geräte wurden von der P. M. KG verwahrt und den Versicherten leihweise überlassen. Sofern im Gerätepool für einen Versicherten im Bedarfsfall kein Gerät zur Verfügung stand, konnte ein neues Gerät angeschafft werden. Hierfür erhielt die P. M. KG gemäß Nr. 1 der Anlage 1 ein Entgelt von 350,00 DM. Für den erneuten Einsatz eines bereits vorhandenen Gerätes konnte gemäß der Nr. 3 der Anlage 1 eine Wiedereinsatzpauschale von 120,00 DM berechnet werden. In § 4 („Grundsätze der Versorgung“) heißt es im Absatz 4 hierzu:

„Vor der Abgabe des Hilfsmittels muss der Leistungserbringer die Genehmigung der AOK ... oder der von ihr benannten Stelle einholen.“

§ 11 der Vereinbarung, der mit "Werbe- und Beeinflussungsverbot" überschrieben war, sah in Absatz 1 folgende Regelung vor:

"Versicherte dürfen nicht motiviert oder beeinflusst werden, bestimmte Verordnungen von Vertragsärzten zu fordern. Gleichfalls darf der Leistungserbringer von sich aus den Vertragsarzt in seiner Verordnungsweise nicht beeinflussen."

Nach Auflösung der P. M. KG trat die P. M. in deren Rechte aus dem Vertrag ein.

Zum 1. April 2007 wurde diese Vereinbarung dann durch einen neuen Vertrag ("Vertrag über die Versorgung mit Elektrostimulationsgeräten nach § 127 SGB V") zwischen der AOK ... und der P. M. ersetzt. Dieser sah abweichend zu der früheren Vereinbarung vor, dass die P. M. die an die Versicherten ausgehändigten Hilfsmittel selbst erwarb (§ 6 Abs. 6) und das Eigentum an den Geräten der AOK lediglich sicherungshalber übertrug, damit die vertraglichen Verpflichtungen auch im Fall von Insolvenz, Betriebsaufgabe oder -veräußerung erfüllt werden konnten (§ 11). Die Vergütung richtete sich nach Versorgungspauschalen (§ 13), die in der Anlage 3 zum Vertrag näher aufgeschlüsselt waren. Für eine drei- bzw. sechsmonatige Erstversorgung mit einem TENS-Gerät konnten 75,00 € berechnet werden, für eine Folgeversorgung über 36 Monate 50,00 € und für eine Folgeversorgung über sechs Monate 35,00 €, jeweils zuzüglich der Umsatzsteuer. In § 4 Abs. 4 war folgende Bestimmung enthalten:

„Der Leistungserbringer hat vor der Abgabe des Hilfsmittels an den Versicherten einen  Kostenvoranschlag mit sämtlichen Angaben und Anlagen nach (7) der zuständigen genehmigenden Stelle der AOK ... zur Genehmigung einzureichen, sofern in Anlage 3 nichts abweichendes geregelt ist. Eine Versorgung ohne vorherige schriftliche Bewilligung der AOK ... ist nicht abrechnungsfähig, soweit in Anlage 3 nichts Abweichendes geregelt ist.“

Die Anlage 3 enthält keine Ausnahmen vom Erfordernis der vorherigen Genehmigung.

Zum Umfang der von der P. M. gegenüber der AOK geschuldeten Leistungen zählte nach § 6 Abs. 2 in Verbindung mit der Anlage 3 auch die einmalige umfassende Einweisung des Versicherten und/oder einer von ihm beauftragten Betreuungsperson in den sachgerechten Gebrauch des Hilfsmittels sowie eine entsprechende Nachbetreuung.

In § 18 ("Werbung") des Vertrages war im Absatz 1 folgende Regelung niedergelegt:

"Der Leistungserbringer darf nicht Ärzte oder Versicherte zur Stellung von Anträgen auf Bewilligung von Hilfsmitteln oder Versorgungspauschalen motivieren oder beeinflussen oder in einer anderen personenbezogenen Weise werben. Zahlungen des Leistungserbringers für die vorgenannten Zwecke an verordnende Ärzte sind unzulässig."

4. Die P. M. bediente sich für den Vertrieb ihrer Produkte diverser Handelsvertreter. Deren Verträge sahen vor, dass die Handelsvertreter Verkaufsgeschäfte für die P. M. vermitteln sollen, wobei zum Kundenkreis, den die Handelsvertreter hierbei ansprechen sollten, unter anderem niedergelassene Ärzte zählten. Als Vergütung erhielten die Handelsvertreter für die von ihnen vermittelten Verkaufsgeschäfte eine Provision, die je nach Art des verkauften Gerätes bzw. der durch ihre Vermittlung erlangten ärztlichen Verordnung unterschiedlich hoch ausfiel. Für die Vermittlungstätigkeit beim Verkauf eines TENS- bzw. EMS-Gerätes betrug diese Provision 20 Prozent zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer.

Von der P. M. , namentlich von Herrn ... , wurde den Handelsvertretern außerhalb der eigentlichen vertraglichen Vereinbarung ein Geschäftsmodell vorgegeben, welches vorsah, dass einem niedergelassenen Arzt, der ein hochwertiges medizinisches Gerät für seine Praxis von der P. M. oder einem ihrer Schwesterunternehmen gemietet bzw. geleast hat, das hierfür zu zahlende Entgelt anteilig erstattet bzw. auch ganz erlassen wurde, wenn er im Gegenzug Verordnungen für den Bezug eines TENS-Gerätes ausstellt und diese Verordnungen der P. M. zukommen ließ. Ab einer bestimmten monatlichen Verordnungszahl fiel das Entgelt nach diesem Modell vollständig weg, sodass der Arzt, der die entsprechende Verordnungszahl erreicht hatte, das Gerät damit kostenfrei nutzen konnte. Für Verordnungen, welche die festgelegte Höchstverordnungszahl überstiegen, wurde kein weitergehender wirtschaftlicher Vorteil gewährt. Dieses Geschäftsmodell sah weiter vor, dass die Ärzte spezielle Briefkuverts erhalten, mit denen die in der Arztpraxis ausgestellten und dort gesammelten Verordnungen an die P. M. übersandt werden konnten.

Die Anzahl der Verordnungen, die ausgestellt werden musste, um das gemietete bzw. geleaste Geräte kostenfrei nutzen zu können, war von der Art des überlassenen Gerätes abhängig. Im Einzelnen waren folgende monatliche Verordnungszahlen notwendig, damit für das jeweilige Gerät nichts mehr gezahlt werden musste:

PMT     

25 Verordnungen

Laser M

30 Verordnungen

Stoßwelle

30 Verordnungen

Laser C

25 Verordnungen

Easy + Spule

15 Verordnungen

Laser I

15 Verordnungen.

Einer Verordnung wurde dabei ein Gegenwert von zehn Euro beigemessen, da das monatliche Entgelt für die Überlassung der jeweiligen Geräte jeweils beim Zehnfachen der oben genannten Verordnungszahl lag.

Im Zeitraum zwischen dem 01. September 2004 und 26. November 2008 ging der P. M. eine Vielzahl von Verordnungen über Tens-Geräte von verschiedenen niedergelassenen Ärzten aus dem gesamten Bundesgebiet zu. Die Gesamtsumme der Verordnungen lag dabei nach der Auswertung durch die Ermittlungsbehörden bei 70.089. Die Kammer hat von dieser Anzahl Abzüge für die Fälle vorgenommen, bei denen die Aushändigung der überlassenen Geräte im Laufe eines Monates erfolgte, jedoch der volle Monat für die Ermittlung der Höchstzahl der verrechnungsfähigen Verschreibungen berücksichtigt wurde. Dies sind die Fällen 70 (Abzug von 13 Verordnungen), 136 (Abzug von 7 Verordnungen) und 137 sowie 138 (Abzug von jeweils 12 Verordnungen). Insgesamt ergibt sich daraus eine Anzahl von 70.045 verrechnungsfähigen Verordnungen.

Belegbare Anhaltspunkte dafür, dass von den Ärzten hierbei auch in solchen Fällen, in denen für die Verschreibung eines TENS-Gerätes eine medizinische Indikation nicht bestand, Verordnungen ausgestellt worden waren, ergaben sich nicht.

Die P. M. rechnete ihre Leistungen gegenüber der AOK über ein Rechenzentrum ab, nämlich bis Oktober 2007 über die O. D. Abrechnungs GmbH in ... , anschließend über die R. GmbH in ... .

5. Die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) führte ursprünglich gegen Herrn ... als Geschäftsführer der P. M. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, sich durch die Initiierung des vorgenannten Geschäftsmodells der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) und der Bestechung (§ 334 StGB) schuldig gemacht zu haben. Dieses Verfahren entsprang einem weiteren Ermittlungsverfahren, welches gegen einen der Handelsvertreter der P. M. geführt worden war. In dem dortigen Verfahren hatten sich bei einer Telefonüberwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Handelsvertreter Geräte der P. M. vertreibt und ihm dabei von den Angestellten der P. M. vorgegeben wird, wie viele Verordnungen für TENS-Geräte von einem Arzt im Monat ausgestellt werden müssen, damit der Arzt im Gegenzug keine Miete mehr für andere gemietete oder geleaste Geräte zahlen muss. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgte eine Durchsuchung der Geschäftsräume der P. M. , bei der auch der Datenbestand eines Servers gesichert wurde. Auf diesem befand sich eine Excel-Tabelle, welche mit „Buchhaltung“ bezeichnet worden war. Darin aufgeführt waren neben den Namen von Ärzten Artikelbezeichnungen und Seriennummern zu technischen Geräten, die den genannten Ärzten von der P. M. bzw. Schwesterunternehmen überlassen worden waren, sowie Auflistungen über Verordnungen, die von diesen Ärzten der P. M. zugesandt worden waren. Umfasst waren unter anderem die Jahre 2004 bis 2008, wobei für den Monat Juni 2005 sowie das vierte Quartal 2005 (Oktober bis Dezember) keine Verordnungszahlen erfasst worden waren. Weiter fehlten Daten für Juli bis November 2008.

Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn ... hat die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) am 08. Dezember 2009 nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, dass dieser bei der Wertung, ob das dargestellte Geschäftsmodell einen Straftatbestand verletzt, einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen sei. Mit Antragsschrift vom selben Tag hat sie beantragt, gegen die P. M. im Wege eines selbständigen Verfallsverfahrens Wertersatz von 350.445,00 € für verfallen zu erklären.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 19. Juli 2010 die Nebenbeteiligung der P. M. als Verfallsbeteiligte angeordnet. Auf Antrag der P. M. wurde am 04. August 2010 mündlich verhandelt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Staatsanwaltschaft den Antrag aus der Antragsschrift mit der Maßgabe gestellt, dass 350.225,00 € für verfallen erklärt werden sollen.

II.

Die Feststellungen der Kammer beruhen auf den Beweismitteln, wie sie ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung erhoben wurden, nämlich auf den Angaben des Zeugen R. , welcher als Sachbearbeiter der Zentralen Kriminalinspektion L. mit der Auswertung des bei der P. M. sichergestellten Datenbestandes befasst war, sowie den verlesenen bzw. im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden.

Der Zeuge R. hat bekundet, dass die gesicherte und von ihm ausgewertete Excel-Datei die Namen von Ärzten sowie die Artikelbezeichnungen von technisch-medizinischen Geräten enthalten habe und auch Zahlen, bei denen die Vermutung bestanden habe, es handele sich hierbei um die Verordnungen, welche die Ärzte der P. M. für Tens-Geräte haben zukommen lassen.

Die Abrechnung der Verordnungen sei in der Tabelle quartalsmäßig erfolgt. Habe sich bei der Addition der tatsächlich erfassten Verordnungen ein höherer Gutschriftsbetrag als der Quartalswert ergeben, so sei nur der Quartalswert angesetzt worden. Sei der Quartalswert hingegen erreicht bzw. unterschritten worden, habe er lediglich den tatsächlichen Gutschriftsbetrag erfasst. Für die nicht erfassten neun Monate sei er vom Durchschnittswert ausgegangen, welchen er anhand der Gesamtzahl der vorstehend errechneten Verordnungen (57.723) ermittelt habe. Bei Hinzurechnung für diese Monate ergebe sich sodann eine Gesamtzahl von 70.089 Verordnungen.

III.

Der Antrag war nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Eine selbständige Verfallsanordnung kommt nach § 76 a Abs. 1 StGB nur dann in Betracht, wenn wegen einer Straftat aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Dies ist hier nicht der Fall, da bereits der Tatbestand einer Strafnorm nicht verwirklicht wurde.

1. Der für das selbständige Verfallsverfahren erforderliche Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) der Staatsanwaltschaft entspricht den gesetzlichen Erfordernissen (§ 440 Abs. 2 S. 1 StPO).

Gleichwohl ist der auf den Verfall von Wertersatz gerichtete Antrag unzulässig, da in dem von der Kammer festgestellten Sachverhalt der Tatbestand eines Strafgesetzes nicht verwirklicht wurde. Die Zuwendung materieller Vorteile an Vertragsärzte in Form von ermäßigten bzw. erlassenen Gerätemieten mit der Abrede, dass hierfür im Gegenzug ärztliche Verordnungen für den Bezug von TENS-Geräten - also Hilfsmitteln - ausgestellt und der P. M. zugeleitet werden, verwirklicht nicht die insoweit einzig in Frage kommenden Tatbestände der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) bzw. der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) oder Bestechlichkeit (§ 334 StGB). Eine Verfallsanordnung setzt notwendigerweise die Verwirklichung eines Straftatbestandes voraus. Hierbei handelt es sich um eine in jeder Lage des Verfahrens zu beachtende Prozessvoraussetzung (vgl. Schmidt in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl. (2008), § 440 RdNr. 2; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. (2009), § 440 RdNr. 7).

2. Strafbewehrt ist nach § 299 Abs. 2 StGB nur die Vorteilsgewährung für einen Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes.

Geschäftliche Betriebe sind dabei solche, deren Tätigkeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist und sich durch den Austausch von Leistungen und Gegenleistungen im Wirtschaftsleben vollzieht. Gewinnerzielungsabsicht ist hierbei nicht erforderlich (Fischer, StGB, 56. Aufl. (2009), § 299 RdNr. 4). Auch öffentliche Unternehmen können wegen der Art ihrer Betätigung am Wirtschaftsleben geschäftlicher Natur sein, sofern sie nur nach den Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts arbeiten, was in der Regel dann der Fall ist, sobald und soweit Wettbewerb unter den Interessenten für Aufträge besteht (Heine in Schönke/Schröder. StGB. 27. Aufl. (2006), § 299 RdNr. 6; Tiedemann in Leipziger Kommentar (LK) zum StGB, 12. Aufl. (2008), § 299 RdNr. 16).

Für die gesetzlichen Krankenkassen, die nach § 4 Abs. 1 SBG V als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung organisiert sind, folgte ihre dauerhafte Anlegung aus ihrer vom Gesetz bestimmten Aufgabe, als Solidargemeinschaft die Gesundheit ihrer Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 S. 1 SGB V). Um diesen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, stellen die Krankenkassen ihren Versicherten die im dritten Kapitel des SGB V benannten Leistungen zur Verfügung. Dazu können sie unter anderem nach § 127 SGB V Verträge mit Leistungserbringern über die Lieferung bestimmter Hilfsmittel schließen. Bei diesem Bezug von Hilfsmitteln werden die Krankenkassen in einem Marktsegment tätig, welches typischerweise von einem Konkurrenzverhältnis einzelner Anbieter geprägt ist. Daher verwirklichen die Krankenkassen bei dieser Tätigkeit das Tatbestandsmerkmal des geschäftlichen Betriebes im Sinne des § 299 StGB. Entsprechendes hatte bereits das Reichsgericht in seiner Rechtssprechung zu § 12 UWG, dem Vorläufer des § 299 StGB, angenommen  (vgl. RGSt 68, 70 zur damaligen Postbeamtenkrankenkasse und RG JW 1935, 1861 zur Allgemeinen Ortskrankenkasse). Bei dem durch Leistungsaustausch geprägten Handeln zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten liegt auch - anders als im Verhältnis zu ihren Versicherten - keine hoheitliche Tätigkeit der Krankenkasse vor, bei welcher ein geschäftlicher Betrieb nicht in Betracht kommt (vgl. Fischer, a.a.O., § 299 RdNr. 6).

Der für die Tatbestandsverwirklichung erforderliche Vorteil, der nach § 299 Abs. 2 StGB angeboten oder gewährt werden muss, ist ebenfalls gegeben. Vorteil in diesem Sinne ist alles, was die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers irgendwie verbessert, ohne dass er hierauf einen Anspruch hätte (Fischer, a.a.O., § 299 RdNr. 7; Tiedemann in LK, § 299 RdNr. 25). Ein solcher Vorteil liegt hier in der Verrechnung des Entgeltes, welches für die Überlassung von medizinischen Geräten zu entrichten war, mit den Verordnungen für den Bezug von TENS-Geräten, welche die P. M. von den betroffenen Ärzten erhalten hat. Durch den Verzicht auf das vertraglich geschuldete Entgelt verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des jeweiligen Arztes, da er das erhaltene Gerät verbilligt oder kostenfrei nutzen konnte. Der Einwand der Nebenbeteiligten, diese Verfahrensweise habe dem Umstand Rechnung getragen, dass die P. M. nach der Vereinbarung mit der Krankenkasse dazu verpflichtet war, die Versicherten in den Gebrauch des Gerätes einzuweisen und sich eine tatsächliche Übung eingestellt habe, diese Verpflichtung auf die Ärzte zu delegieren, ihnen hierfür ein Entgelt zu zahlen und dieses mit den Gerätemieten zu verrechnen, verfängt nach Ansicht der Kammer nicht. Denn der Arzt kann die Einweisung bereits selbst als eigenständige ärztliche Leistung nach Ziffer 30712 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes - dem auf Grundlage von § 87 Abs. 2 SGB V erstellten Verzeichnis, nach welchem vertragsärztlich erbrachte ambulante Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden - gegenüber der Krankenkasse abrechnen. Für die „Anleitung des Patienten zur Selbstanwendung der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS)“ ist die Gebührenposition 30712 nach der dortigen Anmerkung im Krankheitsfall höchstens fünfmal berechnungsfähig. Inhaltlich unterscheidet sich die „Anleitung zur Selbstanwendung“ von der „Einweisung in den technischen Gebrauch“ nicht, was angesichts des nur geringen Aufwandes, den die Bedienung eines Tens-Gerätes erfordert, auch ohne weiteres für alle Beteiligten ersichtlich sein muss. Dieser Einwand ist daher aus Sicht der Kammer nur vorgeschoben, um die Verrechnungspraxis zu legitimieren. Die Erwähnung dieser Einweisung in den technischen Gebrauch im Vertrag zwischen AOK ... und P. M. hat nach Auffassung der Kammer keine wirtschaftliche Bedeutung.

Der Tatbestand des § 299 Abs. 2 StGB erweist sich hier gleichwohl nicht als einschlägig, da der Vertragsarzt bei der in Frage stehenden Verordnung von TENS-Geräten weder Angestellter noch Beauftragter der Krankenkassen war.

Nach allgemeiner Ansicht (vgl. nur Krick, Die Strafbarkeit von Korruptionsdelikten bei niedergelassenen Vertragsärzten, 4. Fachtagung „Betrug im Gesundheitswesen“ am 17. und 18.02.2010 in Hannover, KKH-Allianz, S. 20; Badle, Zur Strafbarkeit des Pharma-Marketing, S. 25 f.; Pragal, NStZ 2005, 133 (134) [BGH 12.02.2003 - 1 StR 403/02]; Sahan, ZIS 2007, 69; Klötzer, NStZ 2008, 12 [BGH 16.08.2007 - 4 StR 62/07] (13)) bestehen zwischen den Krankenkassen und den Vertragsärzten keine rechtlichen Beziehungen, welche dazu geeignet wären, die Ärzte als „Angestellte“ der jeweiligen Krankenkasse im Sinne des § 299 StGB anzusehen. Angestellter im Sinne der Norm ist, wer in einem mindestens faktischen Dienstverhältnis zum Geschäftsherrn steht und dessen Weisungen unterworfen ist. Die Tätigkeit muss nicht auf Dauer angelegt oder entgeltlicher Art sein. Notwendig ist aber, dass im Rahmen dieser Tätigkeit Einfluss auf die geschäftliche Betätigung des Betriebes genommen werden kann (vgl. Fischer, a.a.O., § 299 RdNr. 9). Ein solches Weisungsverhältnis besteht aber zwischen der Krankenkasse und dem Vertragsarzt nicht. Weder durch die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach §§ 95 ff. SGB in Verbindung mit §§ 19 ff. der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte noch durch die damit einhergehende Einbettung des Arztes in die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Verbänden der Krankenkassen geschlossenen Mantelverträge (z. B. Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä) wird ein solches Weisungsrecht für die ärztliche Tätigkeit begründet (vgl. Sahan, a.a.O., 69 (70).

In der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten ist hingegen die Frage, ob der Vertragsarzt „Beauftragter“ der Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB sein kann. Höchstrichterliche Rechtsprechung ist hierzu bis dato - soweit ersichtlich - nicht ergangen. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in einem Beschluss vom 23. Februar 2010 (Ws 17/10 - StV 2010, 365 = GesR 2010, 250) den Standpunkt vertreten, dass der Vertragsarzt jedenfalls dann Beauftragter im Sinne des genannten Tatbestandes ist, wenn er nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03 = BGHSt 49, 17) als Vertreter und damit Sachwalter der Vermögensinteressen der Krankenkassen bezogen auf den Untreuetatbestand (§ 266 StGB) anzusehen ist.

Ursprünglich war der Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr im § 12 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthalten. Für § 12 UWG war anerkannt, dass der Beauftragtenbegriff weit zu fassen ist. Insbesondere kam es auf ein zivilrechtliches Auftragsverhältnis nicht an. Beauftragter konnte vielmehr jeder sein, dafür vermöge seiner Stellung im Betrieb berechtigt und verpflichtet war, für diesen geschäftlich zu handeln und Einfluss auf die im Rahmen des Betriebes zu treffenden Entscheidungen besaß (vgl. zum Meinungsstand hierzu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl. (1996), § 12 UWG, RdNr. 4 m. w. N.). Die Regelung des § 12 UWG ist auf Grundlage eines Gesetzesentwurfes des Bundesrats vom 16. August 1996 (Drucksache 553/96) in die jetzige Regelung des § 299 StGB überführt worden. Im Gesetzesentwurf ist hierzu angemerkt (Seite 32):

"Der Entwurf sieht eine Verlagerung dieser Strafbestimmung in das Strafgesetzbuch vor… Eine inhaltliche Änderung der Vorschrift ist mit der Verlagerung in das Strafgesetzbuch, abgesehen von den im Anschluss darzustellenden Änderungen, nicht beabsichtigt. Für die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des neuen § 299 StGB wird daher weiterhin von Bedeutung sein, dass es sich bei dieser Vorschrift um einen Straftatbestand aus dem Bereich des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb handelt. Ebenso wie bei dem neuen Straftatbestand in § 298 gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen die Verknüpfungen mit dem GWB erhalten bleibt, wird bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 299 StGB deshalb der Zusammenhang mit den Regelungen des UWG zu berücksichtigen sein."

Dem Gesetzgeber war somit bei der Überführung der Strafnorm die seinerzeitige Auffassung zur extensiven Anwendung des Tatbestandes bekannt. Aus dem Umstand, dass er sie nicht korrigiert und somit gebilligt hat, ist zu folgern, dass die damalige Anwendung des Tatbestandes dem gesetzgeberischen Willen entsprach und auch weiter entspricht.

Die Anwendung des Tatbestandes scheitert nicht bereits daran, dass der Vertragsarzt in der Regel Inhaber der eigenen ärztlichen Praxis ist und deshalb nicht „Beauftragter“ sein könne (so aber Geis, wistra 2005, 369 (370)). Zutreffend ist zwar, dass der Geschäftsherr selbst nicht in den Anwendungsbereich des § 299 StGB fällt und mithin Zuwendungen, die ihm von Dritten mit der Zielrichtung zufließen, ihn beim eigenen Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu beeinflussen, strafrechtlich folgenlos bleiben (Fischer, a.a.O., § 299 RdNr. 10c). Dergleichen steht aber dann nicht in Rede, wenn der Arzt nicht auf eigene Rechnung medizinische Geräte oder ähnliches für den eigenen Praxisbedarf erwirbt, sondern Verordnungen beispielsweise für den Bezug von Hilfsmitteln ausstellt, für die nicht er, sondern Dritte - nämlich die Krankenkassen - finanziell einzustehen haben. In dieser Konstellation ist der Arzt gerade nicht Geschäftsherr. Der Arzt kann damit trotz Inhaberschaft der eigenen Praxis Beauftragter anderer Geschäftsbetriebe sein (vgl. Taschke, StV 2005, 406 (410); Sahan, ZIS 2007, 69 (71)). Auch die freiberufliche Stellung des Arztes (§ 1 Abs. 2 Bundesärzteverordnung) ändert hieran nichts.

Soweit in der Literatur weiter vertreten wird, dass die erforderliche Handlungsbefugnis desjenigen, der als Beauftragter in Rede steht, nur aus einem Rechtsgeschäft mit dem Geschäftsherrn („personales Befugniselement“), nicht aber aus gesetzlichen Vorgaben hergeleitet werden könne (Geis, wistra 2005, 369 (370); ders., wistra 2007, 361 (362); Klötzer, NStZ 2008, 12; Sahan, ZIS 2007, 69 (71); Schneider, HRSS 2010, 241 (246)), folgt die Kammer dem nicht.

Für die Literaturmeinung wird angeführt, der Wortlaut des Tatbestandselementes des „Beauftragten“ lasse hierauf schließen, weil damit nach dem allgemeinen Sprachgebrauch - wenn auch nicht notwendigerweise im Sinne eines „Auftrages“ nach bürgerlichem Recht - nur eine Tätigkeit innerhalb eines rechtsgeschäftlich begründeten Vertragsverhältnisses verstanden werden könne. Weiter spreche der systematische Vergleich der Norm mit dem Tatbestand der Untreue dafür, dass eine gesetzliche Befugnis nicht genügen könne. Anders als bei § 266 StGB sei bei § 299 StGB der Fall der gesetzlich vermittelten Vertretungsbefugnis nicht aufgeführt.

Das Strafgesetzbuch definiert jedoch selbst nicht, was unter dem „Beauftragten“ zu verstehen sein soll, sodass die Begriffsbestimmung nach den gängigen juristischen Auslegungsmethoden zu erfolgen hat. Für die Interpretation des Gesetzes ist dabei maßgebend der in ihm zum Ausdruck kommende objektvierte Wille des Gesetzgebers (BVerfGE 79, 106; BGHSt 29, 198; 44, 13 (18)). Die Auslegung richtet sich maßgeblich nach dem Wortsinn, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm gestellt ist (BGHSt 41, 286 [BGH 31.10.1995 - 1 StR 527/95]). Verengt man den Blick bei der Auslegung ausschließlich auf den Wortlaut, so bleibt damit der systematische Zusammenhang, in den der Tatbestand der Bestechlichkeit und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) eingebettet ist, und damit auch der Schutzzweck der Norm außer Betracht. § 299 StGB ist neben dem Tatbestand der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) eine von zwei Strafnormen in dem 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches, der mit „Straftaten gegen den Wettbewerb“ überschrieben ist. Rechtsgut der Vorschriften ist der freie Wettbewerb im Sinne der Freiheit der Marktkonkurrenz von unlauteren, nicht offenbarten Einflüssen, die das Austauschverhältnis von Waren und Leistungen einseitig zugunsten eines Beteiligten verzerren (vgl. Fischer, a.a.O., Vorbemerkung zu § 299 RdNr. 6 m. w. N.). Daneben sind auch die Vermögensinteressen der Mitbewerber und jene des Geschäftsherrn geschützt (Fischer, a.a.O., § 299 RdNr. 2), was auch dadurch zum Ausdruck kommt, das sie zu den „Verletzten“ im Sinne des § 301 StGB zählen, welche den grundsätzlich erforderlichen Strafantrag stellen können.

Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung zum Beauftragten auf anderen Ebenen des Rechts- und Wirtschaftslebens. Beispielsweise werden auch Testamentsvollstrecker und Insolvenzverwalter als „Beauftragte“ im Sinne von § 299 StGB angesehen. Bei beiden besteht eine rechtsgeschäftliche Bindung zu dem Geschäftsherrn zweifelsfrei nicht (vgl. Dannecker, GesR 2010, 281 (284)).

Als Beauftragter kommt damit auch jemand in Betracht, dessen Handlungsbefugnis sich nicht aus einer unmittelbaren „Beauftragung“ durch den Geschäftsherrn, sondern aus einer gesetzlichen Handlungsbefugnis ergibt. Für den Vertragsarzt kommt hierbei die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung durch den Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) mit den damit einhergehenden Rechtsfolgen in Betracht. Mit der Zulassung als Vertragsarzt wird der Arzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und ist damit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs. 3 S. SGB V). Damit wird der Vertragsarzt zugleich in das Regelwerk, welches zwischen den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung geschaffen wurde, eingebunden. Vor allem sind dies die Regelungen des Bundesmantelvertrages-Arzte (BMV-Ä). Der BMV-Ä überträgt den Vertragsärzten unter anderem die Verantwortung für die Verordnung von Arzneimitteln (§ 29 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä).

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB V haben die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch auf Krankenbehandlung (§§ 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V). Von dem Anspruch auf Krankenbehandlung sind dabei Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel umfasst, welche als Sachleistung zu erbringen sind (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V). Ein solcher Sachleistungsanspruch setzt allerdings voraus, dass ein Vertragsarzt die entsprechende Leistung auf Kassenrezept verordnet. Die §§ 31 ff. SGB V gewähren aus sich heraus noch keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf „Versorgung“ mit einem von dem Versicherten ausgewählten Arznei- oder Hilfsmittel, sondern lediglich ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Für die weitere Konkretisierung dieser Rahmenrechte ist es erforderlich, dass ein Vertragsarzt im Rahmen seiner Funktion innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenfürsorge eine entsprechende Verordnung ausstellt (vgl. BSGE 73, 271 (278 f.); 77, 194 (199)). Der Bundesgerichtshof (BGHSt 49, 17 = NJW 2004, 454) hat daher den Vertragsarzt aufgrund dieser ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen Kompetenzen (§§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 StGB) bei der Verordnung von Arzneimitteln als Vertreter der Krankenkasse und auch als Sachwalter ihrer Vermögensinteressen im Sinne des Untreuetatbestandes (§ 266 StGB) angesehen.

Für die Frage, ob der Arzt beim Ausstellen einer ärztlichen Verordnung als Beauftragter der Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB handelt, kann diese zur Arzneimittelverordnung ergangene Rechtsprechung jedoch nach Ansicht der Kammer nicht nahtlos auf andere Bereiche ärztlicher Tätigkeit übertragen werden. Entscheidungserheblich ist vielmehr, ob der Arzt nicht nur zu beurteilen und zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Behandlung aus medizinischen Gründen angezeigt ist (gleichsam das „Ob“ der Behandlung), sondern, ob er daneben auch ein für die Krankenkasse letztverbindliches Votum abgegeben kann, indem er ein bestimmtes aus einer Gruppe von mehreren vergleichbaren Mitteln vorgibt (das „Wie“ der Behandlung). Das von § 299 StGB geschützte Rechtsgut - die Lauterbarkeit des Wettbewerbs und der Schutz vor unredlicher Beeinflussung - wäre auf der Stufe des „Ob“ noch nicht verletzt, da der Wettbewerb auf dieser Ebene vielmehr gerade erst eröffnet wird. Erst die Ebene des „Wie“ ist einer unredlichen Beeinflussung durch einen Beauftragten zugänglich.

Für die Krankenbehandlung gilt in der gesetzlichen Versicherung das Prinzip, dass Leistungen grundsätzlich nur auf Antrag erbracht werden. Die vorherige Bewilligung der Leistung ist das rechtliche Regelprinzip (vgl. BSG SozR 3 - 25000 § 132 a Nr. 3 S. 9). Der notwendige Antrag des Versicherten bei seiner Krankenkasse leitet ein Verwaltungsverfahren ein, welches nach den Regelungen des SGB X abzuwickeln ist. Die abschließende Entscheidung ergeht durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, welcher sodann einer gerichtlichen Überprüfung vor dem Sozialgericht unterzogen werden kann (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 65. Ergänzungslieferung 2010, § 27 RdNr. 85).

Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, welche vor allem bei der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung gelten. Diese können gesetzlich Versicherte nach Vorlage ihrer Versichertenkarte oder des Behandlungsscheins unmittelbar bei den Vertragsärzten erhalten (vgl. Höfer, a. a O., § 27 SGB V RdNr. 84a).

Weiter sind die Krankenkassen wegen der Vielzahl der Fälle bei der Versorgung mit Arzneimitteln nicht in die Leistungserbringung eingebunden. Hier sehen es die als Rechtsnorm geschaffenen Arzneimittelrichtlinien als einen möglichen Regelfall vor, dass der Vertragsarzt ein bestimmtes Medikament eines Anbieters auf einem Rezeptvordruck verschreibt. Mit diesem Rezept erhält der Versicherte das Medikament vom Apotheker, ohne dass die Krankenkasse dies überprüfen könnte. Insoweit handelt es sich um eine gesetzliche Ausnahme vom allgemeinen Prinzip der vorherigen Antragstellung und Bewilligung im Sinne des § 19 Satz 1 SGB 4 (dazu Höfler, a.a.O.). Bei Arzneimitteln kann der Vertragsarzt nach den Arzneimittelrichtlinien nach dem Handelsnamen, dem Wirkstoff oder als Rezeptur verordnen (vgl. z. B. Ziffer 11 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung Arzneimittel-Richtlinie / AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008 / 22. Januar 2009 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009, Nr. 49a, zuletzt geändert am 20. Mai 2010 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 100: S. 2 364 in Kraft getreten am 9. Juli 2010). Somit erfolgt im erstgenannten Fall die Auswahl des Präparates mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse durch den Vertragsarzt. Bei dieser Konstellation wäre nach Auffassung der Kammer der Vertragsarzt bei der Verschreibung von Arzneimitteln als Beauftragter der Krankenkasse im Sinne des § 299 StGB anzusehen (Pragal, a.a.O.; Fischer, a.a.O., OLG Braunschweig, a.a.O.).

Bei Hilfsmitteln sehen die Hilfsmittelrichtlinien, die der Vertragsarzt bei der Verordnung zu beachten hat, hingegen lediglich vor, dass der Arzt das Hilfsmittel nach Maßgabe der Arztinformation zu bezeichnen hat (vgl. Ziffer 25. 4 der für den Tatzeitraum maßgeblichen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung („Hilfsmittel-Richtlinien“) in der Fassung vom 17. Juni 1992, veröffentlicht im Bundesanzeiger 1992; Nr. 183b, zuletzt geändert am 19. Oktober 2004 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005; Nr. 2: S. 89, in Kraft getreten am 6. Januar 2005). Nach der Anlage 3, auf welche in Ziffer 8.2(Arztinformation) verwiesen wird, kann bei der Verordnung eines Hilfsmittels entsprechend der Arztinformation entweder die Produktart genannt oder die entsprechende siebenstellige Positionsnummer angegeben werden. Das Einzelprodukt wird dann durch den Versicherten unter Beratung durch den Fachhandel nach Maßgabe der mit den Krankenkassen abgeschlossenen Verträge zur wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten ausgewählt, wobei die Verantwortung für die Auswahl und Abgabe des wirtschaftlich günstigsten Hilfsmittels beim Fachhandel liegt. Eine unmittelbare Bezeichnung der konkreten Produktart bezogen auf den jeweiligen Hersteller durch den Arzt sehen die Richtlinien als Regelfall hingegen nicht vor.

Damit käme der ärztlichen Verordnung allenfalls noch eine faktisch verbindliche Wirkung zu, wenn die Krankenkasse abweichend von der gesetzlichen Vorgabe ihrerseits nicht mehr prüft, welches konkrete Hilfsmittel aufgrund der ärztlichen Verordnung zum Einsatz kommt. Solche Ausnahmen von der vorherigen Leistungsbewilligung durch die Krankenkasse können grundsätzlich zwar auch bei Hilfsmitteln bestehen. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass die Krankenkasse zuvor auf eine vorherige Kostenübernahme verzichtet hat (vgl. Höfler, a.a.O., § 27 SGB V m. w. N.).

Ein solcher vorheriger Verzicht bestand jedoch im Falle der Nebenbeteiligten jedenfalls gegenüber der AOK ... gerade nicht. Vielmehr sahen sowohl der ab dem 1. November 2000 als auch der ab 1. April 2007 geltende Vertrag zwischen der AOK ... und der P. M. ausdrücklich vor, dass vor einer Abgabe des Hilfsmittels die Genehmigung der AOK einzuholen ist (Vertrag zum 1. November 2000) bzw. eine Vergütung nur erfolgt, wenn vorher ein Kostenvoranschlag eingereicht wurde (Vertrag zum 1. April 2007). Die AOK hatte damit die Entscheidungsbefugnis, ob ein Gerät der P. M. aufgrund der ärztlichen Verordnung eines Tens-Gerätes an einen Versicherten abgegeben wird, damit nicht vorab aus der Hand gegeben, sondern sich vielmehr eine Prüfung im Einzelfall vorbehalten. Folglich konnte der Arzt durch das Ausstellen einer solchen Verordnung noch nicht verbindlich für die Krankenkasse bestimmen, welcher Anbieter bei der Vergabe eines Tens-Gerätes zum Zuge kommt. Fehlt dem Arzt aber diese „Letztentscheidungszuständigkeit“, dann kann er nach Ansicht der Kammer auch nicht Beauftragter im Sinne von § 299 StGB sein.

Zum anderen reicht es nach Auffassung der Kammer nicht aus, dass sich die Beauftragung eines Vertragsarztes im Sinne von § 299 StGB erst aus einer einzelvertraglichen Modifikation des gesetzlichen Handlungsrahmens ergibt. Dies würde bedeuten, dass die Beauftragtenstellung des Vertragsarztes im Verhältnis zur jeweiligen Krankenkasse gesondert zu beurteilen wäre und sich dabei nach Verträgen (zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer) richten würde, an denen der Vertragsarzt nicht beteiligt ist. Erst recht fehlt es an der Beauftragtenstellung, wenn ein solcher vertraglicher Verzicht auf eine eigene Prüfung durch die Krankenkasse nicht vorliegt, sich aber faktisch eine Handhabung eingestellt hat, nach der die Krankenkasse von ihrer Entscheidungsbefugnis keinen Gebrauch mehr macht.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Vertragsarzt aufgrund seiner fachlichen Qualifikation faktisch die Möglichkeit hat, dem Versicherten - gegebenenfalls unter Aushöhlung dessen Wahlrechts - ein konkretes Gerät vorzugeben. Derartige auf faktischer Handhabung gesetzlicher Rahmenbedingungen beruhende Rechtspositionen unter den Beauftragtenbegriff des § 299 StGB zu subsumieren, verstieße jedoch nach Auffassung der Kammer gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot. Für die Beteiligten wäre in keiner Weise mehr zu erkennen, ab wann die Schwelle überschritten ist, ab der eine Beauftragteneigenschaft qua tatsächlicher Handhabung angenommen werden kann.

3. Eine Strafbarkeit kommt auch nicht nach § 334 Abs. 1 StGB in Betracht, da der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigte Arzt jedenfalls bei der Verordnung von Hilfsmitteln nicht Amtsträger im Sinne des Strafgesetzbuches ist.

Der Begriff des Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert. Für die vertragsärztliche Tätigkeit könnte sich dabei alleine § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB als einschlägig erweisen, da der Vertragsarzt weder Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB) noch Beamter im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) StGB ist und auch nicht in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) StGB steht. Letzteres setzt Beziehungen zwischen den Beteiligten voraus, die einem öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis vergleichbar sind, ohne dass es sich um ein Beamtenverhältnis handelt (vgl. Eser in Schönke/Schröder, a.a.O., § 11 RdNr. 20). Solche bestehen beispielsweise bei Notaren (§ 1 BNotO), den Ministern der Bundesregierung und der Landesregierungen (§ 1 BMinG), Parlamentarischen Staatssekretären (§ 1 ParlStG), Parlamentspräsidenten und dem Wehrbeauftragten des Bundestages (§ 15 Abs. 1 WBeauftrG). Eine derartig enge Einbindung des Vertragsarztes in die Aufgaben und Pflichten eines Hoheitsträgers, die es rechtfertigen könnte, ihn diesem Personenkreis gleichzustellen, gibt es nicht.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) StGB gelten neben dem vorgenannten Personenkreis auch solche Personen als Amtsträger, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der gewählten Organisationsform wahrzunehmen. Eine Behörde in diesem Sinne ist ein ständiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingebundenes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein (BVerfGE 10, 48; BGHZ 25, 186). Unter dieses Begriffsmerkmal fallen auch die gesetzlichen Krankenkassen. Diese nehmen in der Erscheinungsform der mittelbaren Staatsverwaltung als Körperschaften des öffentlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, da hierzu nicht nur die klassische Eingriffsverwaltung, sondern auch die Leistungsverwaltung zählt (vgl. § 1 Abs. 2 SBG X). Krankenfürsorge ist als Teil der Daseinsvorsorge dem letztgenannten Bereich zuzurechnen (vgl. Badle, a.a.O., S. 22; Pragal/Apfel, AuR 2007, 1 (20); Neupert, NJW 2006, 2811 (2812)).

Der für die Zuerkennung der Amtsträgereigenschaft erforderliche öffentlich-rechtliche Bestellungsakt (BGHSt 43, 96 (105)) liegt nicht in dem Zulassungsbeschluss des Zulassungsausschusses (§ 96 SGB V), durch den der Arzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist (§ 95 Abs. 3 S. SGB V). Die Entscheidung des Zulassungsausschusses über die Zulassung eines Arztes ergeht zwar in öffentlich-rechtlicher Form, nämlich durch Verwaltungsakt (vgl. Heine in Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, 65. Ergänzungslieferung, § 95 SGB V RdNr. 21). Die von den Arzt mit der Zulassung zu beachtenden Regelungen sind auch Ausdruck einer besonderen Pflichtenbindung, die über jene, die bei der außerhalb dieses Wirkungskreises erbrachten ärztlichen Tätigkeit bestehen, hinausgehen. Zum Ausdruck kommt diese besondere Pflichtenbindung wieder beispielsweise in § 29 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä (Stand: 01.07.2010), wo es heißt, dass die Verordnung von Arzneimitteln in der Verantwortung des Arztes liegt. Der Vertragsarzt ist folglich bei Fortbestehen seiner freiberuflich geprägten Berufstätigkeit mit seiner Zulassung als Vertragsarzt eingebunden in das öffentlich-rechtlich geprägten System der Krankenfürsorge. Aufgrund dieser den Arzt durch die Zulassung treffenden Rechtswirkungen hebt er sich auch von einem Arzt ab, der ausschließlich Patienten aufgrund privaten Behandlungsvertrags ärztlich versorgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 43, 370; 45, 16; 46, 310 (313)) muss aber, soweit eine als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung in Rede stehende Tätigkeit von einem Privatrechtssubjekt ausgeführt werden, der Betroffene bei einer Gesamtbetrachtung als „verlängerter Arm des Staates“ erscheinen. Dies setzt zum einen die organisatorische Anbindung an eine Behörde (durch Vertrag oder Bestellungsakt) voraus; zum anderen muss die Tätigkeit inhaltlich mit typischerweise behördlicher Tätigkeit vergleichbar sein.

Eine solche Anbindung an die Krankenkassen gibt es beim Vertragsarzt indes nicht. Zwar nimmt der Vertragsarzt innerhalb des Systems der öffentlichen Gesundheitsfürsorge Aufgaben wahr, die mittels eines öffentlich-rechtlichen Bestellungsaktes übertragen wurde. Auch ist die Krankenkasse an medizinische Entscheidungen des Vertragsarztes gebunden. Der Vertragsarzt ist jedoch nur Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung. In einem Weisungs- bzw. Aufsichtsverhältnis zur Krankenkasse steht er gerade nicht. Normen, aufgrund derer sich eine Weisungsbefugnis der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt ergäben, sind weder in den Regelungen des SGB V noch in jenen aus dem Bundesmantelvertrag-Ärzte enthalten.

Es entspricht der Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung, dass nicht die Krankenversicherung über die medizinische Notwendigkeit einer Krankenbehandlung entscheidet, sondern ein vom Versicherten ausgewählter Vertragsarzt. Die Entscheidung über das "Ob" einer Krankenbehandlung ist bewusst von einer direkten Einflussnahme der Krankenkasse ausgenommen. Der Vertragsarzt ist lediglich verpflichtet, Versicherte der Krankenkassen zu behandeln. Damit ist er jedoch mit einem beliebigen Leistungserbringer gleichzusetzen dessen sich die Krankenkasse zur Erfüllung ihrer (Sach-) Leistungspflicht bedient. Dem würde es widersprechen, den Vertragsarzt als verlängerten Arm der Krankenkassen anzusehen.

4. Daraus folgt, dass das von der Nebenbeteiligten praktizierte Geschäftsmodell in der konkreten Erscheinungsform bei Hilfsmitteln keinen Straftatbestand verletzt hat. Diese Auffassung führt auch nicht zu einer inakzeptablen Strafbarkeitslücke.

Zwar hat die P. M. ihre gegenüber der AOK ... bestehende vertragliche Verpflichtung, sich einer Beeinflussung von Ärzten bei deren Verordnungsverhalten zu enthalten, verletzt. Hieraus resultiert auch eine Gefährdung des Wettbewerbs.

Diese Gefährdung hat der Gesetzgeber jedoch erkannt und hierauf durch  Neufassung das § 128 SGB V reagiert. Dort heißt es in Absatz 2 der ab 1. April 2009 geltenden Fassung:

„Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. (...)“.

Die Aufnahme eines solchen Verstoßes in den Katalog der besonderen Straftatbestände des SGB V ist hingegen nicht erfolgt.

5. Die Kammer hat über den Antrag nach mündlicher Verhandlung durch Urteil und nicht durch Beschluss entschieden, obwohl sich der Antrag als unzulässig erwiesen hat.

§ 441 Abs. 2 StPO sieht für das selbständige Einziehungsverfahren - der Verfall steht der Einziehung nach § 442 Abs. 1 StPO im Sinne der §§ 430 bis 441 StPO gleich - eine Entscheidung durch Beschluss als Regelform vor. Abweichend hiervon kann nach Absatz 3 aufgrund mündlicher Verhandlung im Urteilsverfahren entschieden werden, wenn das Gericht dies anordnet. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder ein sonstigen Beteiligten hat das Gericht so zu verfahren. Allerdings setzt dies stets voraus, dass der Antrag zulässig ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 441 Abs. 3 StPO, wo es heißt, dass "über einen zulässigen Antrag" aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden wird.

Nach der Ansicht von Gössel (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. (2009), § 441 RdNr. 22) wird auch ein Antrag, der sich nicht vor, sondern erst nach mündlicher Verhandlung als unzulässig erwiesen hat, durch Beschluss verworfen (entsprechend wohl auch Kurth in Julius/Gercke/Kurth/Lemke/Pollähne/Rautenberg/Temming/Woynar/Zöller, StPO, 4. Aufl. (2009), § 441 RdNr. 5). Diese Auffassung ist vom Wortlaut des § 441 Abs. 3 StPO gedeckt, jedoch nach Ansicht der Kammer nicht zwingend. Zwar kann § 441 Abs. 3 StPO so verstanden werden, dass die Zulässigkeit des Antrages auch nach mündlicher Verhandlung auf die von dem Gericht zu wählende Entscheidungsform durchschlägt. § 441 Abs. 3 StPO lässt sich aber im Lichte der gesetzlichen Systematik der Strafprozessordnung auch dahingehend auslegen, dass das Gericht, welches den Antrag bei der Entscheidung über die Anordnung der mündlichen Verhandlung als zulässig erachtet hat, jedenfalls nicht mehr von der Entscheidung durch Urteil zum Beschlussverfahren zurückkehren kann. Beim subjektiven Verfahren - gleichsam dem von der Strafprozessordnung vorgesehenen "Regelfall" - kann das Gericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) den Eröffnungsbeschluss auch dann nicht aufheben, wenn der hinreichende Tatverdacht später entfällt. Vielmehr ist die Hauptverhandlung durchzuführen und, sollte dort ein Schuldnachweis gegen den Angeklagten nicht zu führen sein, dieser durch Urteil freizusprechen (vgl. LG Lüneburg, NStZ 1985, 41). Soweit sich in der Hauptverhandlung ein Prozesshindernis ergibt, ist das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil - und nicht durch Beschluss - einzustellen. Das Urteil ist insgesamt die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform, wenn das Gericht aufgrund einer Hauptverhandlung die Strafsache durch Sach- oder Prozessentscheidung für die Instanz abschließen will (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. (2009), Einleitung RdNr. 121). Dies ist nach Auffassung der Kammer entsprechend auf die Situation im selbständigen Verfallsverfahren zu übertragen und spricht dafür, dass im selbständigen Verfallsverfahren nach einmal angeordneter mündlicher Verhandlung ungeachtet der sich letztlich ergebenden Einschätzung der Zulässigkeit des Antrages eine Entscheidung durch Urteil zu ergehen hat.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 464 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO. Die Auslagenentscheidung folgt aus § 472 b Abs. 3 StPO.