Landgericht Stade
Beschl. v. 28.01.2005, Az.: 12 Qs 153/04
Bebauungsplan; Bestechlichkeit; Bürgermeister; Drittvorteil ; Durchführung des Bebauungsplan; fehlendes Unrechtsbewußtsein; Gemeinde; Gemeindedirektor; Gemeinderatsmitglied; kommunale Selbstverwaltungsentscheidungen; Koppelungsverbot; Koppelungsverbot; Korruptionstatbestand; Pachtsummenanteil an Gemeinde; politische Entscheidungen; Unrechtsvereinbarung; Vertragsbestandteil Bebauungsplan; Verwaltungshandeln auf Kommunalebene; Vorteilsannahme; Vorteilsgewährung; Zahlungsverpflichtung gegen Abstimmungsverhalten; Zusammenhang zu Bebauungsplan; öffentlich rechtlicher Vertrag
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 28.01.2005
- Aktenzeichen
- 12 Qs 153/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 51075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 331 StGB
- § 332 StGB
- § 333 StGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit bei einer Entgegennahme von Geldern durch Bürgermeister und Gemeindedirektor zugunsten der Gemeinde von einem Windparkbetreiber.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade vom 01.12.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Buxtehude vom 26.11.2004 wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten zu tragen hat, verworfen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer gemäß §§ 210 Abs. 2, 311 StPO zulässigen, insbesondere rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde vom 01.12.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 26.11.2004, mit dem die gem. Anklageschrift vom 01.04.2004 beantragte Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die 3 Angeschuldigten abgelehnt worden ist.
Bei den Angeschuldigten zu 1 und 2 handelt es sich um den Bürgermeister bzw. den Gemeindedirektor der Gemeinde A. Der Angeschuldigte zu 3 ist Geschäftsführer einer Windparkgesellschaft.
In der Anklageschrift wird den Angeschuldigten vorgeworfen, im Zusammenhang mit der beabsichtigten Errichtung eines Windparks auf dem Gebiet der Gemeinde A. in einem Vertrag vom 08.05.1998 für die Jahre 1999 bis 2008 einen jährlich zu zahlenden Betrag in Höhe von DM 10.610,00 und für die Zeit von 2009 bis 2018 einen jährlich zu zahlenden Betrag in Höhe von DM 12.733,63 an eine von der Gemeinde und dem Vorhabenträger zu gründende Stiftung zum Zwecke der Finanzierung öffentlicher Aufgaben vereinbart zu haben. Die Zahlungen seien in der Folgezeit auch an die daraufhin errichtete Stiftung Windkraft geflossen.
Dadurch hätten sich die Angeschuldigten zu 1 und 2 in Mittäterschaft wegen eines Vergehens der Bestechlichkeit gem. § 332 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Ziff. 2 StGB und der Angeschuldigte zu 3 wegen eines Vergehens der Bestechung gem. § 334 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Ziff. 2 StGB strafbar gemacht. Die Angeschuldigten zu 1 und 2 hätten einen sie in der Ausübung ihres Ermessens beeinflussenden Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung für eine künftige Ermessenshandlung gefordert und angenommen. Der Angeschuldigte zu 3 habe dafür einen entsprechenden Vorteil angeboten und gewährt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Recht abgelehnt.
Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens fehlt es an dem gemäß § 203 StPO für eine Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdacht, weil es nach vorläufiger Tatbewertung unwahrscheinlich ist, dass die Angeschuldigten wegen des Abschlusses des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 08.05.1998 in einer Hauptverhandlung verurteilt werden.
Die Ermittlungen haben folgenden Sachverhalt ergeben:
1998 wollte u. a. die vom Angeschuldigten zu 3 geführte Gesellschaft einen Windpark auf Gemeindegebiet errichten. Die Meinung der Bürger zu diesem Vorhaben war geteilt. Im 14-köpfigen Gemeinderat, dem auch der Angeschuldigte zu 3 angehörte, gab es 8 Befürworter und 6 Gegner des Vorhabens. Da der Angeschuldigte zu 3 wegen Befangenheit an Beratungen und Abstimmungen an der Mitwirkung verhindert war, konnte das Vorhaben nur verwirklicht werden, wenn die Befürworter geschlossen dafür eintraten. In dieser Situation machte der Ratsherr Dr. K. seine weitere Zustimmung davon abhängig, dass die Landwirte, auf deren Grundstücken die Windturbinen errichtet werden sollten, 5 % ihrer jährlichen Pachteinnahmen an eine zu errichtende Stiftung, von der der gesamte Ort profitieren sollte, "spendeten".
In Umsetzung dieser Forderung wurde seitens der Gemeinde der Entwurf eines zwischen der Gemeinde und der Windparkgesellschaft abzuschließenden Vertrages zur Durchführung des Bebauungsplanes erstellt, der unter § 7 u. a. folgende Klauseln enthielt:
"3. Es entstehen weitere allgemeine Beeinträchtigungen der Gemeinde, die vom Vorhabenträger abzugelten sind:
a) Es wird vereinbart, dass der Vorhabenträger pro Megawatt eine einmalige Zahlung in Höhe von DM 7.500,00 leistet. Bei angenommenen 20 Anlagen ergeben sich 10 Megawatt und damit DM 75.000,00. ...
d) Der Vorhabenträger entrichtet nach den der Gemeinde bekannten Verträgen eine jährlich zu zahlende Pacht an den Grundstückseigentümer. 5 % der insgesamt zu zahlenden Pachtsumme wird an die Gemeinde ausgekehrt. Hierbei handelt es sich für die Jahre 1999 bis 2008 um einen jährlich zu zahlenden Betrag in Höhe von DM 10.610,00 und für die Zeit von 2009 bis 2018 um einen jährlich zu zahlenden Betrag in Höhe von DM 12.733,63. ..."
§ 8 befasste sich mit der Gründung einer Stiftung. Dort heißt es:
"Der Vorhabenträger (zum Bereich des künftigen Bebauungsplans Nr. 19 Windpark Ah. sowie zum künftigen Bebauungsplan Nr. 20 Windpark O.) und die Gemeinde beabsichtigen eine Stiftung zu gründen. Stiftungszweck ist die Finanzierung oder Teilfinanzierung von Maßnahmen, an denen ein öffentliches Interesse besteht. Zur Finanzierung dieser Ausgaben werden die jährlich vom Vorhabenträger zu zahlenden Einnahmen nach § 7 Abs. 3 lit. d) an die Stiftung überwiesen. ..."
Der Entwurf wurde im Rat der Gemeinde am 08.05.1998 unter Tagesordnungspunkt 9 mit 7 Stimmen bei 6 Gegenstimmen gebilligt. In derselben Sitzung wurde unter Tagesordnungspunkt 11 auch der hier einschlägige Bebauungsplan Nr. 19 mit demselben Stimmenverhältnis verabschiedet.
Noch am selben Tage unterzeichneten die Angeschuldigten den Vertrag, nach dessen Präambel der Bebauungsplan Nr. 19 Vertragsbestandteil war.
Die Stiftung wurde mittlerweile gegründet und hat - unter Vorsitz von Dr. K. - in zahlreichen Fällen Förderbeträge gewährt.
1.
Die Angeschuldigten zu 1 und 2 haben durch den Vertragsabschluss keinen Straftatbestand erfüllt. Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher insoweit aus Rechtsgründen abzulehnen, § 204 Abs. 1 StPO.
a.
Zwar haben sie der Gemeinde einen Drittvorteil im Sinne der Bestechungstatbestände verschafft. Ein solcher ist bereits in der durch den Abschluss des Vertrags vom 08.05.1998 begründeten Zahlungsverpflichtung des Vorhabenträgers zu sehen, die zu einer objektiven Besserstellung der rechtlichen Lage der Gemeinde geführt hat. (Dass es sich um die Begründung einer eigenen Verpflichtung des Vorhabenträgers und nicht etwa um eine solche der durch die Pachtreduzierung betroffenen Grundeigentümer handelt, ergibt sich aus der Zusammenschau von § 7 und § 8 des Vertrages.) Die später erfolgten Zahlungen sind nur Folge dieser Verpflichtung.
§ 332 Abs. 3 StGB scheidet aber schon deshalb aus, weil das Eingehen der Zahlungsverpflichtung nicht eine Gegenleistung für eine künftige Handlung der Angeschuldigten zu 1 und 2 (welche denn?) darstellte, sondern die Erfüllung der Forderung des - nicht angeklagten - Ratsherrn Dr. K. war, der sein für die Verabschiedung des Bebauungsplanes Nr. 19 ausschlaggebendes Abstimmungsverhalten ausdrücklich von dem Abführen eines Teils der Pacht an eine Bürgerstiftung abhängig gemacht hatte.
Im Übrigen stand der Vertragsabschluss auch keineswegs im Ermessen der Angeschuldigten zu 1 und 2. Als Bürgermeister und Gemeindedirektor hatten sie vielmehr nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung den entsprechenden Ratsbeschluss auszuführen. Die Willensbildung selbst fand allein im Rat statt.
Als taugliche Täter i. S. v. § 332 StGB kommen daher hier auch ausschließlich die - nach Auffassung der Kammer als Amtsträger anzusehenden - weiteren Ratsmitglieder in Betracht, die dem Vertragsabschluss und dem Bebauungsplan zugestimmt und sich damit möglicherweise die Forderung des Ratsherrn Dr. K. zu eigen gemacht haben.
b.
Eine Täterschaft der Angeschuldigten zu 1 und 2 nach §§ 331 Abs. 1 oder 332 Abs. 1 StGB durch die bloße Vertragsunterzeichnung scheitert an dem Fehlen einer entsprechenden Unrechtsvereinbarung: Das Eingehen der Zahlungsverpflichtung durch den Angeschuldigten zu 3 im Vertrag erfolgte keineswegs mit dem Ziel, die Angeschuldigten zu 1 und 2 zu einem derartigen Verhalten zu bewegen.
c.
Angesichts ihrer generellen Verpflichtung zur Ausführung von Ratsbeschlüssen und der ihnen nicht zu widerlegenden Unkenntnis von eventuellen strafbaren Intentionen der zustimmenden Ratsmitglieder kann ihre Vertragsunterzeichnung bei bewertender Betrachtung auch nicht als Beihilfehandlung i. S. v. § 27 StGB zur Bestechlichkeit der zustimmenden Ratsmitglieder qualifiziert werden.
d.
Der als Bürgermeister mitunterzeichnende Angeschuldigte zu 1 dürfte allerdings - wie bei der Abstimmung über den Bebauungsplan - im Rat für den Abschluss des Vertrages gestimmt haben. Dies ist aber - ebenso wie sein Abstimmungsverhalten beim Beschluss des Bebauungsplanes - nicht Gegenstand der Anklage.
2.
Hinsichtlich des Angeschuldigten zu 3 war eine Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abzulehnen, § 204 Abs. 1 StPO.
Allerdings hat der Angeschuldigte zu 3 nach Auffassung der Kammer mit dem Vertragsabschluss vom 08.05.1998 den Tatbestand der Vorteilsgewährung, § 333 Abs. 1 StGB erfüllt. Er hat damit der Gemeinde den vom Ratsherrn Dr. K. geforderten Zahlungsanspruch als Gegenleistung für dessen Abstimmungsverhalten verschafft.
Dass zwischen diesen beiden Verhaltensweisen ein Unrechtszusammenhang besteht, wird dadurch erhärtet, dass ein solcher Abschluss gegen das in §§ 56 Abs. 1, 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG normierte sog. Koppelungsverbot, verstößt. Denn der insoweit erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen der vertraglichen Leistung der Gemeinde A. - der Bebauungsplan Nr. 19 Windenergie, der Bestandteil des Vertrages ist - und den nach § 7 Abs. 3 d (und auch nach Abs. 3 a) des Vertrages vereinbarten Zahlungen fehlt.
Ein sachlicher Zusammenhang kann auch dann entfallen, wenn die vom Bürger zu erbringende Leistung einem anderen öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist als die von der Behörde zu erbringende Leistung (s. BVerwG NVwZ 2000, 1285 ff.). In der Formulierungen in § 7 Abs. 3 "weitere allgemeine Beeinträchtigungen der Gemeinde, die vom Vorhabenträger abzugelten sind" und § 8 des Vertrages "Stiftungszweck ist die Finanzierung oder Teilfinanzierung von Maßnahmen, an denen ein öffentliches Interesse besteht" ist jedenfalls ein bauplanungsrechtlicher Zusammenhang nicht zu erkennen. Dass dieser auch nicht beabsichtigt war, ist der auf den 14.12.2002 datierten Übersicht über die Förderanträge zu entnehmen, die von Zuschüssen zu Ortschroniken bis zu Notenmappen für den Frauenchor reichen.
Dem Angeschuldigten zu 3 wird aber in der Hauptverhandlung nicht widerlegt werden können, dass ihm bei seinem Verhalten das Unrechtsbewusstsein fehlte. Da auch nicht ersichtlich ist, dass er diesen Irrtum vermeiden konnte, wird von einem schuldausschließenden Verbotsirrtum, § 17 StGB, ausgegangen werden müssen:
Bei Abschluss des Vertrages waren die Verschärfungen der Korruptionstatbestände, nach denen nunmehr auch Drittvorteile uneingeschränkt erfasst wurden, noch nicht einmal 1 Jahr alt. Offenkundig hatten sie sich zu dieser Zeit noch nicht durchgesetzt, insbesondere noch nicht im Verwaltungshandeln auf Kommunalebene.
Im vorliegenden Fall deutete für den Angeschuldigten zu 3 nichts darauf hin, dass es sich hier um ein illegales Vorgehen handeln könnte, so dass eine Einholung juristischen Rats erforderlich gewesen wäre. Die gesamten Vorgänge spielten sich im Licht der Öffentlichkeit unter Einhaltung der Formvorschriften der kommunalen Selbstverwaltung ab und trugen letztlich den Charakter einer politischen Entscheidung. Von einer Beanstandung solcher Vorgänge durch die Kommunalaufsicht ist nichts bekannt. Einschlägige Gerichtsentscheidungen aus der damaligen Zeit sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 StPO.