Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.10.2019, Az.: 2 UF 117/19
Beschwerde gegen eine Entlassung als Vormund; Anhörung der Beteiligten; Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Entlassung eines Vormunds
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 25.10.2019
- Aktenzeichen
- 2 UF 117/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 44549
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Salzgitter - AZ: 40 F 83/18
Rechtsgrundlage
- § 58 Abs. 1 FamFG
Fundstellen
- FamRB 2020, 146
- JAmt 2019, 628-632
- NZFam 2019, 1109
- Rpfleger 2020, 73-77
- ZAP EN-Nr. 31/2020
- ZAP 2020, 76
- ZKJ 2020, 60-64
Amtlicher Leitsatz
1.) Ein Verfahren nach § 1886 BGB kann nicht allein aufgrund eines Antrags auf Wechsel der Vormundschaft des Jugendamtes ohne Anhörung der weiteren Beteiligten mit einem Beschluss beendet werden, der weder ein Rubrum noch eine Begründung aufweist.
2.) Die Entscheidung über die Entlassung des Vormunds trifft nach § 3 Nr. 2 a RPflG i. V. m. § 151 Ziff. 4 FamFG der funktionell zuständige Rechtspfleger des Familiengerichts, nachdem zuvor gemäß §§ 159ff. FamFG das Mündel, die Eltern, der Vormund und das Jugendamt angehört worden sind. § 1847 BGB sieht vor, dass gegebenenfalls auch weitere Verwandte und Verschwägerte anzuhören sind.
3.) Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn der Rechtspfleger von einer Eilbedürftigkeit ausgeht. Liegt eine schwerwiegende Gefährdung des Mündels vor, die ein sofortiges Handeln erfordert, muss der Rechtspfleger das Verfahren dem insoweit funktionell gemäß § 14 Nr. 2 RPflG zuständigen Familienrichter mit der Anregung zur Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens gemäß §§ 1837 Abs. 4, 1666 BGB, §§ 49 ff. FamFG vorlegen.
4.) Ein Entlassungsgrund i. S. d. § 1886 BGB kann darin liegen, dass der Einzelvormund (hier: die Halbschwester eines iranischen Flüchtlings) trotz zunehmender massiver Verhaltensauffälligkeiten des Mündels bei eigener Untätigkeit die ihr wiederholt angebotenen öffentlichen Hilfen nicht annimmt.
5.) Statthaftes Rechtsmittel des (Einzel-)Vormunds gegen die Entscheidung, ihn zu entlassen, ist die Beschwerde gem. § 11 Abs. 1 RPfflG i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG.
Tenor:
1.) Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 01.02.2019 wird zurückgewiesen.
2.) Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3.) Der Wert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000 €.
4.) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
5.) Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Beschwerdeführerin vom 28.02.2019 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre Entlassung als Vormund und die Bestellung der Stadt Salzgitter/des Landkreises Wolfenbüttel zum Vormund für das am 2006 geborene Mündel M. B..
Die Beschwerdeführerin ist die ältere Halbschwester M.s, der im Jahr 2016 ohne seine Eltern vom Iran nach Deutschland kam. Mit Beschluss vom 01.11.2016 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge beider Elternteile festgestellt; zum Vormund wurde die Beschwerdeführerin, welche mit ihrem Ehemann bereits in Deutschland lebte, bestellt. Die Eltern des Mündels leben nach wie vor im Iran.
Im Juli 2017 meldete die Schule dem Jugendamt Wolfenbüttel massive Verhaltensauffälligkeiten M.s. Daraufhin angebotene Hilfen wurden von der Beschwerdeführerin vehement abgelehnt.
Im Oktober 2017 und nochmals im Februar 2018 meldete die Schule erneut Verhaltensauffälligkeiten des Mündels; er sei gewalttätig und beleidigend gegenüber Mitschülern und Lehrern, und seine Leistungen hätten sich zunehmend verschlechtert. Ferner habe M. geäußert, zu Hause vom Ehemann der Schwester geschlagen zu werden. Nachdem die Beschwerdeführerin zunächst erneut Unterstützungsangebote ablehnte, wurde im März 2018 schließlich Familienhilfe installiert. Im Laufe dieser Hilfe kam von den Hilfeerbringern vermehrt die Rückmeldung, das Mündel habe geäußert, zu Hause geschlagen zu werden und in eine Einrichtung wechseln zu wollen, habe aber Ängste vor den Konsequenzen und Reaktionen seiner Verwandten hierauf.
Das Mündel wurde auf seinen nochmals bekundeten Wunsch hin gegen den Willen der Beschwerdeführerin am 08.05.2018 in Obhut genommen. Nach einem Antrag des Landkreises Wolfenbüttel auf Übertragung der Vormundschaft fand am 23.05.2018 im Verfahren 31 F 106/18 SO eine Anhörung M.s, der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes statt. Im Rahmen dieser Anhörung bestritt der Ehemann, das Mündel zu schlagen; er habe ihn nur einmal gestoßen, um ihn zu warnen und ihn zum Lernen in der Schule anzuhalten. Das Mündel bekundete im Rahmen der Anhörung, vom Ehemann seiner Schwester geohrfeigt und mit der Faust an den Hals geschlagen worden zu sein. Seine Schwester sei "dann immer dazwischen gegangen und habe sie getrennt". Er habe zwar in eine Einrichtung gewollt und habe dort auch Spaß, vermisse seine Schwester aber sehr.
Nachdem mit den Beteiligten die Grundsätze gewaltfreier Erziehung erörtert worden waren und die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann zugesagt hatten, mit den Hilfeerbringern zusammenarbeiten zu wollen, erfolgte am 24.05.2018 die Rückführung des Mündels in den Haushalt der Beschwerdeführerin. Die Familie erhielt Unterstützung durch zwei Familienhelferinnen, die anfangs gut angenommen wurde. Nach einem Umzug der Familie Mitte Juli 2018 nahm die Beschwerdeführerin jedoch Termine zunehmend unzuverlässig wahr und ambulante Hilfe immer weniger an und zeigte sich nicht zur Kooperation und Mitwirkung bereit, weshalb die ambulante Hilfe Mitte September 2018 eingestellt wurde. Es zeigte sich die Notwendigkeit eines umfangreicheren Betreuungsangebots für das Mündel, so dass er auf die Warteliste einer Tagesgruppe gesetzt wurde. Die Schule berichtete, die Kommunikation mit der Beschwerdeführerin sei schwierig; sie sei der dringenden Anregung, das Mündel einem Kinder- und Jugendpsychologen vorzustellen, nicht nachgekommen. Schließlich bat das Mündel am 28.01.2019 erneut um Inobhutnahme, da er Angst hatte, aufgrund seiner schlechten Noten auf dem Halbjahreszeugnis nach Hause zu gehen und erneut - wie in den Wochen zuvor - von seinem Schwager geschlagen zu werden. Das Mündel befindet sich seitdem stationär in der "interkulturellen Wohngruppe".
Mit Beschluss vom 01.02.2019 wurde die Beschwerdeführerin als bisheriger Vormund entlassen und zunächst die Stadt Salzgitter, mit Beschluss vom 08.02.2019 schließlich der Landkreis Wolfenbüttel zum Vormund bestellt. Eine Begründung enthält die Entscheidung nicht. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 28.02.2019.
Im Verfahren 31 F 24/19 EAHK wurde nach einem Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.02.2019 auf Herausgabe M.s im Wege einstweiliger Anordnung das Mündel, die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, der Verfahrensbeistand und das Jugendamt angehört. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann bestritten gewalttätige Übergriffe auf das Mündel. Seine Zensuren in der Schule hätten sich erst kurz vor Zeugnisvergabe verschlechtert. Eine Vorstellung beim Kinder- und Jugendpsychologen sei unterblieben, da M. sich geweigert habe. Das Mündel bestätigte im Rahmen der richterlichen Anhörung, etwa zwei bis drei Mal seit der letzten Inobhutnahme vom Ehemann der Schwester geschlagen worden zu sein; jetzt sei dieser aber netter geworden, habe ihm ein Fahrrad und eine Musikbox gekauft. Er wolle unbedingt nach Hause. Wenn er nicht zu Hause sei, sei seine Schwester krank und traurig. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu wird auf die Protokolle vom 15.02.2019 im Verfahren 31 F 24/19 verwiesen. Der Herausgabeantrag wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts- Salzgitter vom 15.02.2019 zurückgewiesen.
Ein Ermittlungsverfahren (AZ 608 Js 11218/19) gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin wegen Körperverletzung zum Nachteil des Mündels wurde von der Staatsanwaltschaft Braunschweig gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Das Amtsgericht hat der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 28.02.2019 nicht abgeholfen. Zur Begründung führte es im Nichtabhilfebeschluss aus, es sei zwar nun durch staatsanwaltliche Ermittlungen bekannt, dass das Mündel sich mit den Bezeichnungen für "anschreien" und "schlagen" falsch ausgedrückt habe, M. habe sich aber im Rahmen der stationären Maßnahme gut entwickelt und gut in die Gruppe integriert. Die Beschwerdeführerin habe keine bewussten Vorstellungen davon, ob und inwiefern Hilfebedarf beim Mündel vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Erziehungsmethoden des Ehemannes der Beschwerdeführerin, gegen welche diese sich nicht habe durchsetzen können, dazu führten, dass das Mündel aus Angst über seine schlechten Noten nicht nach Hause wollte. Daraus, dass die Beschwerdeführerin von M. während des letzten Hilfeplangespräches zum Sitz ihres Kopftuches zurechtgewiesen worden sei, ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, regulierend einzugreifen und sich gegebenenfalls gegen Widerstand des Mündels, Dritter und ihres Ehemannes durchzusetzen. Auch sei die der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann angebotene Hilfe nicht konsequent angenommen worden. Eine geordnete Entwicklung des Mündels sei daher - anders als in der Wohngruppe, wo das Mündel erreichbar und lenkbar sei - nicht gewährleistet
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, es entspreche dem Wohl M.s am besten, wenn er von ihr, seiner Schwester, erzogen würde. Sie behauptet, das Mündel habe wiederholt sowohl Polizei als auch Jugendamt gegenüber den Wunsch geäußert, wieder bei ihr leben zu wollen. In der Wohngruppe fühle er sich nicht wohl, zumal er mit den anderen Bewohnern - insgesamt acht Jungen zwischen 15 und 19 Jahren - keine Gemeinsamkeiten habe und seine gesamte Freizeit allein und in völliger Isolation in seinem Zimmer verbringe. Integration finde dort nicht statt. Bis August 2019 habe er lediglich viermal mit seinem jetzigen Vormund gesprochen und sie nur zweimal für jeweils eine Woche besuchen dürfen. Eine ausreichende Führung der Vormundschaft durch das Jugendamt des Landkreises Wolfenbüttel sei nicht gewährleistet. Ihr sei bewusst, dass sie für die geordnete Entwicklung des Mündels in allen Bereichen seines Lebens Sorge zu tragen habe. Ihr Ehemann habe M. weder angeschrien noch geschlagen; er habe ihm lediglich erklärt, dass er gute Zeugnisse haben müsse, um gute Chancen im Leben zu haben. Da sie, die Beschwerdeführerin, und ihr Ehemann eine einjährige Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, bestünde die Möglichkeit, nach insgesamt sechs Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu erlangen. Sie arbeite zurzeit bei einer Wäscherei als Bügelarbeiterin und besuche gemeinsam mit ihrem Ehemann den Integrationskurs, habe sich mittlerweile in Deutschland gut integriert und sei als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei dem MigrantenElternNetzwerk Wolfenbüttel sehr geschätzt. Sie könne dem Mündel, dessen persönliche Anhörung sie für erforderlich hält, eine liebevolle familiäre Umgebung bieten. Der unbedingte Wille des Mündels, bei ihr zu leben, müsse sehr ernst genommen werden.
Das Jugendamt des Landkreises Wolfenbüttel hält eine Rückführung in den Haushalt der Beschwerdeführerin derzeit für nicht angezeigt, da die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann sich unzuverlässig, nach wie vor nicht zur Mitwirkung bereit und in Bezug auf das hochauffällige Verhalten und der Fehlentwicklung des Mündels hilflos zeigten. Das interkulturelle Konzept der Wohngruppe sei vor dem Hintergrund, dass die dortigen Bewohner und Mitarbeiter fast ausschließlich Migrationshintergrund haben, bewusst für das Mündel ausgewählt worden, ebenso wie die Wohngruppe mit etwas älteren Kindern, um M. die Möglichkeit zu geben, seine "Täterrolle" abzulegen. Das Mündel habe sich zwischenzeitlich schulisch positiv entwickelt. Seine Äußerungen in Bezug auf seinen Rückkehrwunsch zur Beschwerdeführerin seien ambivalent, und die derzeit selbst gewählte Isolierung sei mit großer Wahrscheinlichkeit auf Loyalitätskonflikte gegenüber der Beschwerdeführerin und auf bestehende Konflikte in der Gruppe zurückzuführen. Um längerfristig eine Rückführung in den Haushalt der Beschwerdeführerin herbeizuführen, sei eine Mitwirkung der Beschwerdeführerin - etwa an der Maßnahme "WG beieinander", welche eine enge Zusammenarbeit mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann erfordert und welche eine schleichende Verlagerung des Hauptaufenthaltsortes des Mündels zum Gegenstand hat - erforderlich. Das hierfür notwendige Elterntraining sei jedoch bislang von der Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen worden.
II.
Die im Ergebnis zulässige, als Beschwerde gegen ihre Entlassung als Vormund auszulegende Eingabe der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Salzgitter vom 01.02.2019 ist unbegründet und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1. Die Eingabe der Beschwerdeführerin gegen ihre Entlassung als Vormund ist als Beschwerde gem. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.
Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Salzgitter vom 01.02.2019 ist eine Endentscheidung i. S. d. § 58 FamFG. Die Erinnerung gegen die Bestellung der Stadt Salzgitter/des Landkreises Wolfenbüttel ist daneben nicht statthaft (Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 1886, Rn. 19).
Die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerdeführerin ist insbesondere gemäß § 59 FamFG beschwerdebefugt, da sie durch ihre Bestellung als Vormund für das Mündel mit Beschluss vom 01.11.2016 eine Rechtsposition erlangt hat und ihr diese durch den Entlassungsbeschluss des Amtsgerichts Salzgitter vom 01.02.2019 genommen wurde. Damit ist sie in einem eigenen Recht betroffen. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht gem. §§ 63ff. FamFG eingelegt.
2. In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Salzgitter, die Beschwerdeführerin als Einzelvormund gemäß § 1886 BGB zu entlassen, ist zwar durch einen nicht begründeten Beschluss verfahrensfehlerhaft ergangen (a)); die Beschwerde hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für ihre Entlassung vorliegen, die Verfahrensfehler im Beschwerdeverfahren geheilt worden sind und der Beschluss deshalb im Ergebnis inhaltlich zu bestätigen ist (b)).
a) Ein Verfahren nach § 1886 BGB kann nicht - wie vom Rechtspfleger vorgenommen - allein aufgrund eines Antrags auf Wechsel der Vormundschaft des Jugendamtes ohne Anhörung der weiteren Beteiligten mit einem Beschluss beendet werden, der weder ein Rubrum noch eine Begründung aufweist.
aa) Die Entscheidung über die Entlassung des Vormunds trifft nach § 3 Nr. 2 a RPflG i. V. m. § 151 Ziff. 4 FamFG der funktionell zuständige Rechtspfleger des Familiengerichts, nachdem zuvor gemäß § § 159ff. FamFG das Mündel, die Eltern, der Vormund und das Jugendamt angehört worden sind. § 1847 BGB sieht vor, dass gegebenenfalls auch weitere Verwandte und Verschwägerte anzuhören sind.
Zudem kann eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen gestützt werden, zu denen sich dieser Beteiligte zuvor äußern konnte, § 37 Abs. 2 FamFG, weshalb die von Rechtspfleger gewählte Verfahrensweise, auf jede Anhörung zu verzichten, rechtswidrig ist.
Erst nach den gesetzlich gebotenen Anhörungen darf der Rechtspfleger seine Entscheidung durch Beschluss treffen, wobei gemäß § 38 Abs. 2 Ziffer 1 FamFG dieser die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten zu enthalten hat. Hieran mangelt es bei dem Beschluss vom 01.02.2019, da das vom Amtsgericht Salzgitter verwendete Formular im Rubrumsteil nicht ausgefüllt wurde und damit ein Rubrum nicht enthält. Allerdings ist der Beschluss gleichwohl wirksam, da das Formular das Aktenzeichen des Verfahrens trägt, sodass sich aus dem Beschluss selbst ergibt, dass er in diesem Verfahren ergangen ist und sich aus den Akten ohne weitere Ermittlungen ergibt, hinsichtlich welcher Beteiligten der Beschluss ergangen ist (vgl. BGH NJW-RR 2008, 367 [BGH 16.10.2007 - VI ZB 65/06]).
Der Beschluss vom 01.02.2019 enthält zudem auch keine Begründung und ist damit auch wegen eines Verstoßes gegen das Begründungserfordernis gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG verfahrensfehlerhaft. Ein Ausnahmetatbestand gemäß § 38 Abs. 4 FamFG liegt nicht vor. Das Amtsgericht durfte insbesondere nicht auf eine Begründung des Beschlusses gemäß § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG verzichten, da weder gleichgerichtete Anträge der Beteiligten vorliegen noch der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht.
bb) Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Rechtspfleger möglicherweise von einer von ihm bejahten Eilbedürftigkeit ausging. Liegt eine schwerwiegende Gefährdung des Mündels vor, die ein sofortiges Handeln erfordert, muss der Rechtspfleger das Verfahren dem insoweit funktionell gemäß § 14 Nr. 2 RPflG zuständigen Familienrichter mit der Anregung zur Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens gemäß §§ 1837 Abs. 4, 1666 BGB, §§ 49 ff. FamFG vorlegen. Der Rechtspfleger war im Rahmen der Entscheidungsfindung gemäß § 1886 BGB jedoch nicht berechtigt, von den gesetzlich bestimmten notwendigen Verfahrenshandlungen zur Entscheidungsfindung abzusehen.
cc) Bei der fehlenden Begründung der Entscheidung durch das Amtsgericht-Familiengericht-Salzgitter handelt es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Ein derartiger Verfahrensfehler ist stets gegeben, wenn ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund i. S. d. § 72 Abs. 3 FamFG i. V. m. § 547 ZPO vorliegt (vgl. Musielak/Borth/Grandel, FamFG Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 69, Rn. 4). Ein absoluter Revisionsgrund liegt nach § 547 Nr. 6 ZPO vor, wenn die Entscheidung - wie vorliegend - entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist. Da jedoch nach den getroffenen Feststellungen und aufgrund des Vorbringens im Beschwerdeverfahren eine weitere Aufklärung und Beweiserhebung nicht geboten ist und ein Zurückverweisungsantrag gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG nicht vorliegt, hat der Senat das Verfahren nicht unter Aufhebung der Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, sondern entscheidet nach Anhörung der Beteiligten - soweit gesetzlich erforderlich - in der Sache selbst.
b) Das Amtsgericht - Familiengericht - Salzgitter hat die Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 1886 BGB entlassen, weil diese ungeeignet ist.
Nach § 1886 BGB ist ein Einzelvormund zu entlassen, wenn die Fortführung des Amts, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens, das Interesse des Mündels gefährden würde.
aa) Das Interesse des Mündels an einem gedeihlichen Heranwachsen zu einer selbständigen, gesellschaftsfähigen Person ist gefährdet.
Eine Schädigung braucht noch nicht eingetreten zu sein; entscheidend ist vielmehr, dass eine Schädigung bei Belassung des Vormunds in seinem Amt nach Lage der Dinge möglich oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dabei genügt eine objektive Gefährdung; ein Verschulden des Vormunds wird nicht vorausgesetzt (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 1886, Rn. 8).
Im Juli 2017, im Oktober 2017 und im Februar 2018 meldete die Schule dem Jugendamt Wolfenbüttel massive und auch zunehmende, extreme Verhaltensauffälligkeiten des Mündels. M. verhielt sich gegenüber Mitschülern und Lehrern gewalttätig und beleidigend und störte den Schulbetrieb. Gleichzeitig verschlechterten sich seine schulischen Leistungen deutlich. Seine Chancen auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit im Sinne des § 1 SGB VIII und damit sein Interesse an einem gedeihlichen Heranwachsen waren bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht nur gefährdet, sondern bereits erheblich beeinträchtigt.
bb) Die Fortführung des Amtes würde das Mündelinteresse gefährden.
Indem die Beschwerdeführerin in mehrfacher Hinsicht ihre Aufgaben und Pflichten als Vormund vernachlässigte, gefährdete sie sowohl durch aktives Tun als auch durch pflichtwidriges Unterlassen die Interessen des ihr anvertrauten Mündels (1). Bei Fortführung des Amtes durch die Beschwerdeführerin wären die Mündelinteressen, insb. diejenigen an einer gedeihlichen Entwicklung, an dem Erreichen eines Schulabschlusses und an der Wahrnehmung seines Rechts auf soziale und kulturelle Teilhabe, auch weiterhin objektiv gefährdet (2).
(1) Die Beschwerdeführerin hat die Interessen des Mündels an geistiger Gesundheit, an einer von Verständnis getragenen, richtungsweisenden und konsequenten Erziehung, an einer unbelasteten und von Vorbildern motivierten Persönlichkeitsentwicklung und an einer unterstützten schulischen Ausbildung und damit an einer reellen Chance auf eine berufliche Perspektive dauerhaft gefährdet und ihre Pflichten als Vormund schwer verletzt.
Die Pflichten eines Vormundes regelt § 1793 BGB, wonach sich der Vormund in der Ausübung seiner Befugnisse am Wohl und an den Interessen des Mündels zu orientieren hat, ebenso wie die elterlichen Befugnisse sich am Kindeswohl auszurichten haben (§ 1697a BGB). Das Wohl des Mündels bezeichnet den Inbegriff aller - wohlverstandenen - Interessen des Mündels in Hinsicht seiner körperlichen und geistigen Integrität, seiner Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung (vgl. § 1 SGB VIII), seiner schulischen und beruflichen Ausbildung und schließlich auch seines Vermögens (vgl. BeckOGK, § 1793, Rn. 27).
Im Juli 2017 oblag es der Beschwerdeführerin bereits seit rund einem dreiviertel Jahr, die körperliche und geistige Integrität ihres Mündels zu beobachten und das damals erst zehnjährige Kind in dem für ihn bis dahin unbekannten Land und in der für ihn völlig neuen gesellschaftlichen und schulischen Situation engmaschig zu begleiten, ihn zu ermutigen, die deutsche Sprache zu erlernen und sich seinem Leben in Deutschland zu stellen und dieses aktiv mitzugestalten. Es oblag ihr, Defizite und Verhaltensauffälligkeiten und auch im übrigen Unterstützungsbedarf des Mündels zu erkennen, diagnostizieren und behandeln zu lassen und gegebenenfalls aktiv in der Schule, bei Ärzten und beim Jugendamt um Hilfe zu bitten. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht nur unterlassen, sie lehnte vielmehr mehrfach sehenden Auges und grundlos Unterstützungsangebote des Jugendamtes vehement ab, trug damit zu einer Konsolidierung und Vertiefung der Fehlentwicklung ihres Mündels bei und gefährdete hierdurch sein Interesse im Sinne des § 1886 BGB.
Selbst die erste Inobhutnahme und der im Verfahren 31 F 106/18 SO erfolgte Appell des Amtsgerichts - Familiengerichts - Salzgitter an die Beschwerdeführerin mit dem Ziel der verlässlichen und konstanten Zusammenarbeit mit den Hilfeerbringern bewirkte kein grundsätzliches Umdenken und keine dauerhafte Verhaltensveränderung bei der Beschwerdeführerin. Denn bereits im Juli 2018 ebbte trotz der sich nach wie vor offen zu Tage tretenden Hilfebedürftigkeit des Mündels ihre Bereitschaft zur Kooperation und Kommunikation mit den Hilfeerbringern sowie ihre Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung von Terminen ab. Das Mündel wurde trotz dringenden Anratens hierzu nicht einem Kinder- und Jugendpsychologen vorgestellt, und offensichtlich entspannte sich auch innerfamiliär die Situation nicht. Vielmehr verschlechterten sich die schulischen Leistungen, und die Situation gipfelte schließlich in der erneuten Bitte M.s um Inobhutnahme.
Ein gewissenhafter, das Wohl des Mündels stets im Blick habender Vormund hätte im Interesse des Mündels mindestens die ihm angebotene Hilfe annehmen müssen und darüber hinaus aktiv an der Ursachenforschung für die Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen mitwirken müssen. Das Mündel hätte als damals elfjähriges, offensichtlich stark lenkungsbedürftiges Kind klare Strukturen, eine konsequente und richtungsklare Erziehung, Vorbilder und einen klar definierten Orientierungsrahmen benötigt, um sein Leben mit Hilfe in die richtigen Bahnen lenken zu können.
Dass dies die Beschwerdeführerin objektiv nicht tat, zeigt sich nicht nur in den massiven und wiederholten Verhaltensauffälligkeiten, sondern auch in den wiederholten und eigenmotivierten Bitten um Inobhutnahme des Mündels, seiner sich hierdurch offenbarenden großen seelischen Not und seinem ebenfalls hierdurch deutlich signalisierten, offensichtlich nicht durch die Beschwerdeführerin erfüllten dringenden Bedarf nach Unterstützung, Hilfe und Orientierung. Die mit den Inobhutnahmen verbundene Veränderung seines Hauptaufenthaltsortes wurde vom Mündel dabei trotz der verwandtschaftlichen Bindung zum Vormund nicht nur in Kauf genommen, sondern bezweckt. Die Chancen des Mündels auf eine solide schulische Laufbahn und damit auch auf die Eröffnung beruflicher Perspektiven, sein Recht auf Erhaltung seiner geistigen und körperlichen Gesundheit und seine Möglichkeiten zur Teilhabe am sozialen Leben wurden durch die Versäumnisse der Beschwerdeführerin nicht nur objektiv gefährdet, sondern deutlich beeinträchtigt.
(2) Bei Fortführung des Amtes durch die Beschwerdeführerin wären die Mündelinteressen an einer gedeihlichen Entwicklung, an dem Erreichen eines Schulabschlusses und an der Wahrnehmung seines Rechts auf soziale und kulturelle Teilhabe auch weiterhin objektiv gefährdet. Es ist zu erwarten, dass sich die Entwicklung des Mündels unter der Obhut der Beschwerdeführerin und ihres Mannes so fortsetzt wie vor der letzten Inobhutnahme.
Denn es mangelt der Beschwerdeführerin an grundlegenden Fähigkeiten, die Interessen des Mündels zu erkennen, ihn nach Kräften zu fördern und ihn zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit mit einer altersangemessenen Eigenverantwortlichkeit zu erziehen. Die Beschwerdeführerin hat durch ihr Verhalten in der Vergangenheit wiederholt gezeigt, dass es ihr an Zuverlässigkeit, der Fähigkeit und dem Willen zur konstruktiven Kommunikation und Kooperation, an Durchsetzungskraft, an Durchhalte- und Behauptungsvermögen sowie an der Fähigkeit mangelt, die Entwicklung und die Bedürfnislage ihres Mündels zu sehen, Handlungsoptionen zu erkennen und abzuwägen und sich in ihrem Handeln koordiniert, strukturiert und verlässlich von den Bedürfnissen des Mündels leiten zu lassen. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin erzieherische Fähigkeiten und Fertigkeiten und ein Gespür für die Bedürfnisse des Mündels, eine gewisse Weit- und Umsicht zur Ergreifung notwendiger, angemessener und ergiebiger Maßnahmen oder Kommunikations- und Kooperationstalente entwickelt hätte, die sie für die Wahrnehmung der Aufgaben eines Vormundes nunmehr geeignet oder mindestens geeigneter erscheinen lassen. Auch ist nicht zu erwarten, dass das hiesige Gerichtsverfahren einen tieferen Eindruck auf die Beschwerdeführerin dahingehend hinterlässt, dass sie sich dauerhaft und auch beständig für die ihr immer wieder angebotenen Hilfen öffnen und das Mündel selbst mit engmaschiger Hilfe verlässlicher, konstanter und konsequenter begleiten, erziehen und unterstützen können wird als bislang.
Denn die Zusammenarbeit zwischen der Einrichtung "interkulturelles Wohnen" und der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann gestaltet sich zurzeit zwar im Wesentlichen zuverlässig und positiv. Jedoch zeigte sich die Beschwerdeführerin selbst unter dem Druck dieses Verfahrens und angesichts des von ihr selbst geschilderten dringenden Wunsches des Mündels nach Rückkehr in ihren Haushalt noch nicht einmal dazu in der Lage, eine Teilnahmebestätigung an einem Elterntraining, welches Voraussetzung für eine schrittweise Rückführung in ihren Haushalt wäre, beizubringen.
Hinzu kommt, dass es ihr trotz des sich jahrelang verschlechternden Zustandes des ihr anvertrauten Mündels an einem kritischen Blick auf eigene Versäumnisse und Fehlleistungen fehlt. Denn die Behauptung, M.s Zensuren hätten sich erst kurz vor Zeugnisvergabe verschlechtert, und die Bitte um erneute Inhobhutnahme sei lediglich durch die anstehende Zeugnisvergabe motiviert gewesen, zeigt, wie weitmaschig und selbst angesichts der offensichtlichen Not des Mündels unkritisch und sorglos sie die Vormundschaft ausübte. Denn eine lediglich kurzfristige schulische Verschlechterung schlägt sich in den Zeugnisnoten dann weder überraschend noch gravierend nieder, wenn im Übrigen die Leistungen während des zurückliegenden Halbjahres mindestens mittelmäßig waren. Eine längerfristige Verschlechterung hätte jedoch die Beschwerdeführerin beobachten, dieser auf den Grund gehen und ihrem Mündel, gegebenenfalls durch die Organisation von Nachhilfeunterricht oder Lerngruppen, helfen müssen.
Andere äußere Umstände, die auf eine nunmehr veränderte innere Haltung der Beschwerdeführerin in Bezug auf die künftige Ausübung ihres Amtes als verlässlicher, selbstkritischer und von den Interessen des Mündels geleiteter Vormund für M. schließen lassen, sind ebenfalls nicht festzustellen.
Insgesamt war und ist die Beschwerdeführerin objektiv und subjektiv nicht in der Lage und damit ungeeignet, das Amt des Vormundes im Interesse des Mündels an seiner körperlichen und geistigen Integrität, seiner Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung und auch an seiner schulischen und beruflichen Ausbildung auszuüben.
Die Gefährdungslage des Mündels ist auch so gravierend, dass in dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin als Verwandte des Mündels und dessen Bedürfnis nach familiärer Nähe und nach der Pflege seiner iranischen Wurzeln kein durchgreifender Grund erblickt werden kann, weshalb die Vormundschaft durch sie fortgeführt werden müsste.
cc) Die Entlassung der Beschwerdeführerin als Vormund ist verhältnismäßig, da mildere Mittel nicht ersichtlich sind und mehrere Verfehlungen vorliegen, die ein erhebliches Gewicht haben. Ein milderes Mittel liegt insbesondere nicht in der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft für einzelne Wirkungsbereiche wie etwa für die Gesundheitsfürsorge, für das Recht zur Beantragung öffentlicher Leistungen oder für schulische Angelegenheiten. Denn die Gefährdung des Mündels kann wegen der Schwere, Dauer und Bandbreite der Verfehlungen und Defizite der Beschwerdeführerin nur durch die Übertragung der (Gesamt-) Vormundschaft abgewendet werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin auch nur in Teilbereichen geeignet wäre, in Wahrnehmung ihrer sich aus § 1793 BGB ergebenen Pflichten für das Mündel zu sorgen.
dd) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bitte des Mündels um Inobhutnahme Schläge oder andere gewalttätige Übergriffe des Ehemannes der Beschwerdeführerin vorausgingen. Bereits die massiven, dauerhaften und qualitativ wie quantitativ zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten des Mündels und seine Bitten um Inobhutnahme ohne wie auch immer geartete Unterstützungsansätze der Beschwerdeführerin bilden die Schädigung der Mündelinteressen durch die Pflichtverstöße der Beschwerdeführerin ab.
ee) Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob M. in der Vergangenheit mehrfach geäußert hat, wieder bei der Beschwerdeführerin leben zu wollen und ob er aktuell den Wunsch nach der Rückkehr in den Haushalt der Beschwerdeführerin verspürt. Denn der Wille des Mündels und auch seine Neigungen und Bindungen können zwar eine zentrale Rolle spielen bei der Entscheidung über die Frage, wo es künftig seinen Lebensmittelpunkt hat. Auf die Beantwortung dieser Frage zielt jedoch § 1886 BGB nicht ab, da die Frage, wo und bei wem ein Mündel lebt, von der Frage zu trennen ist, wer seine Vormundschaft ausübt. Im Einzelfall kann zwar eine persönliche Nähe zwischen Vormund und Mündel gegeben sein, wodurch die Unterbringung des Mündels den Charakter eines familiären Zusammenlebens gewinnt; zwangsläufig verknüpft ist jedoch die Stellung eines Vormundes mit dem Zusammenleben des Mündels nicht. Die Wahrnehmung von Eltern - oder Familienrechten gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unterscheidet sich von der Stellung eines Vormundes, die sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen ergibt, durch positives Recht beschrieben wird und die im Regelfall nicht mit einer persönlichen Nähe und einer familiären Gemeinschaft von Eltern und Kindern einhergeht.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung der die Entlassungsentscheidung veranlassenden Gründe war durch eine Anhörung M.s hiernach nicht zu erwarten, weshalb der Senat von einer persönlichen Anhörung des Kindes gemäß § 159 Abs. 2 FamFG abgesehen hat.
ff) Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob M.s Eltern eine Rückführung ihres Kindes in den Haushalt der Beschwerdeführerin befürworten. Denn es kommt auf den Wunsch oder die Empfehlung der Eltern für die hier zu beantwortende Frage, ob und inwiefern das Wohl des Mündels bei Fortführung des Amtes durch die Beschwerdeführerin gefährdet wäre, vorliegend nicht an. Ein Erkenntnisgewinn oder eine Aufklärung des Sachverhalts ist durch einen persönlichen Eindruck von den Eltern nicht zu erwarten. Auch die schriftliche Anhörung der Eltern ist hier ausnahmsweise entbehrlich, da die Eltern keinen eigenen Beitrag zu einer ausgewogenen und guten Entscheidung leisten könnten. Ein eigener sachlicher Beitrag ist von ihnen bereits deshalb nicht zu erwarten, weil sie seit Jahren wegen der örtlichen Entfernung zum Mündel und zu seinem Lebensumfeld nicht über eigene Quellen für einen individuellen Erkenntnisgewinn über seine Entwicklung und seine Bedürfnisse verfügen und im Rahmen einer Anhörung lediglich Sekundärwissen wiedergeben könnten. Es liegt damit ein begründeter Ausnahmefall von der Soll-Vorschrift des § 160 Abs. 1 FamFG vor (vgl. Prütting, Helms, FamFG Kommentar, 3. Aufl., § 160. Rn. 20).
III.
Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Gerichtskosten auf § 20 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Im vorliegenden Fall liegen mit den offensichtlich schweren Verfahrensfehlern, unter welchen der angefochtene Beschluss zustandegekommen ist, besondere Umstände vor, die zu einer Nichterhebungsanordnung gem. § 20 Abs. 1 S. 3 FamGKG führen.
§ 20 Abs. 1 S. 3 FamGKG lässt eine Nichterhebung von Kosten zu, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruhte. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn der ergangenen Entscheidung mangelt es wegen der fehlenden Anhörung der Beschwerdeführerin und fehlender Begründung an der Nachvollziehbarkeit derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf welchen die Entlassungsentscheidung letztlich fußte. Die Kostenentscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten folgt aus §§ 84, 81 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 42 Abs. 1 FamGKG in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 45 Abs. 1 Ziff. 1 FamGKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG liegen nicht vor.
Da die Beschwerde der Beschwerdeführerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung keine Aussicht auf Erfolg hatte, war ihr Verfahrenskostenhilfeantrag gemäß §§ 76 ff. FamFG i. V. m. § 114 ZPO zurückzuweisen.