Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.09.1981, Az.: 8 W 323/81

Zurückweisung der Forderung auf Zahlung zur Abdeckung der Masseverbindlichkeiten durch den Gemeinschuldner; Beschwerdeberechtigung des Konkursverwalters bei einer Einstellung nach § 202 Konkursordnung (KO); Befriedigung aller Massegläubiger; Pflicht des Gemeinschuldners zur Einzahlung von Beträgen aus seinem konkursfreien Vermögen zur Deckung der Masseansprüche; Befriedigung der Masseansprüche unter Berücksichtigung des § 60 Konkursordnung (KO); Verpflichtung des Gemeinschuldners zur Sicherung von Masseansprüchen durch Vorschusszahlung nach Konkurseröffnung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.09.1981
Aktenzeichen
8 W 323/81
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1981, 12972
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1981:0903.8W323.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hameln - 10.04.1981 - AZ: 26 N 54/79

In dem Konkursverfahren
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere sofortige Beschwerde des Gemeinschuldners vom 21./23. Juli 1981
gegen den Beschluß des Landgerichts Hannover vom 26. Juni 1981 (zugestellt am 15. Juli 1981)
unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie
des Richters am Landgericht ... am 3. September 1981 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Gemeinschuldners wird der angefochtene Beschluß - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

  1. 1.

    Der die Einstellung des Konkursverfahrens nach § 202 Konkursordnung aussprechende Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts Hameln vom 10. April 1981 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Antrag des Konkursverwalters vom 1. April 1981 auf Forderung eines Betrages in Höhe von 80.000,00 DM vom Gemeinschuldner zur Abdeckung der Masseverbindlichkeiten vor Einstellung des Verfahrens nach § 202 KO bleibt - wie im Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts Hameln vom 10.04.1981 ausgesprochen - zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die Gerichtskosten der Verfahren über die sofortige Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde tragen die jeweiligen Beschwerdeführer nach einem Wert von 30.000,00 DM.

Die außergerichtlichen Kosten beider Beschwerdeverfahren werden nach einem Wert von 60.000,00 DM gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1

Die sofortige weitere Beschwerde, die mit dem Schriftsatz vom 18. August 1981 begründet worden ist, ist gemäß den §§ 72, 73 KO 568 Abs. 2 ZPO zulässig, jedoch nur begründet, soweit das Landgericht den Beschluß des Rechtspflegers aufgehoben hat, der die Forderung auf Zahlung eines Betrages von 80.000,00 DM zur Abdeckung der Masseverbindlichkeiten durch den Gemeinschuldner zurückwies.

2

I.

Zu Recht hat das Landgericht im angefochtenen Beschluß die Beschwerdeberechtigung des Konkursverwalters bejaht. Soweit im Kommentar von Jäger-Lent (Anm. 10 zu §§ 202, 203) eine Beschwerdeberechtigung des Konkursverwalters bei einer Einstellung nach § 202 KO generell verneint wird, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. In dem Einstellungsverfahren nach § 202 KO nehmen der Gemeinschuldner und die Konkursgläubiger zwar ihre Interessen selbst wahr, der Konkursverwalter ist jedoch verpflichtet, für die Wahrung der Interessen der Massegläubiger einzutreten; jedenfalls dann, wenn und soweit diese nicht aus der vorhandenen Konkursmasse bereits befriedigt sind. Die Einstellung nämlich ließe die vorhandene Konkursmasse an den Gemeinschuldner fließen. Die Massegläubiger müßten sich dann wegen ihrer Ansprüche an den vormaligen Gemeinschuldner halten. Würde man ihnen nicht zumindest durch den Konkursverwalter ein Beschwerderecht für die Fälle, in denen noch Masse zu verteilen ist, zugestehen, so wären sie schlechter gestellt als die eigentlich nachrangigen Konkursgläubiger, weil die Ansprüche gegen den vormaligen Gemeinschuldner schwerer zu realisieren wären als gegen die Masse.

3

II.

Zu Recht ist das Landgericht auch davon aus gegangen, daß der Rechtspfleger die Einstellung nach § 202 KO noch nicht aussprechen durfte. Durch den Verweis in § 205 KO - der auch im Verfahren nach § 202 KO gilt - auf § 191 KO ist klargestellt, daß vor Einstellung der Konkursverwalter - noch in seiner Eigenschaft als solcher - die Massegläubiger aus der Masse zu befriedigen hat (Jäger-Lent: Kommentar zur Konkursordnung Anm. 9 zu §§ 202, 203 und Anm. 2 zu §§ 205 und 206). Wollte man dies dem Konkursverwalter verwehren, indem man die Einstellung des Konkursverfahrens verfügt, bevor die Verteilung der Masse an die Massegläubiger erfolgt ist, würde man die Massegläubiger des Schutzes berauben, den ihnen die Konkursabwicklung durch den Verwalter bietet. Sie würden - wie bereits oben ausgeführt - schlechter stehen als die Konkursgläubiger und dem Gemeinschuldner würde die Möglichkeit eröffnet, die ihm übertragene Masse dem Zugriff gerade der Massegläubiger zu entziehen. Die Massegläubiger aber im Einstellungsverfahren nach § 202 KO derartig schutzlos zu stellen, ist nicht gerechtfertigt.

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III.

Eine Verpflichtung des Gemeinschuldners, einen Betrag von 80.000,00 DM zur Deckung der Masseverbindlichkeiten zur Konkursmasse zu zahlen, hat der Rechtspfleger zu Recht verneint. Sein Beschluß war unter Abänderung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung wieder herzustellen.

5

Auch wenn die Masse zur Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht, ist der Gemeinschuldner nicht verpflichtet, aus seinem - konkursfreien - Vermögen Beträge zur Deckung der Masseansprüche einzuzahlen. Auch in dem Fall der Einstellung nach § 202 KO hat der Konkursverwalter bei unzulänglicher Masse die Befriedigung der Masseansprüche nur unter Berücksichtigung des § 60 KO durchzuführen (Schrader/Bauer: Konkurs- und Vergleichsverfahren, Handbuch der Rechtspraxis, 3. Aufl., Rdn 686, Fußnote 360). Eine Rechtsgrundlage, aus der sich eine Verpflichtung des Gemeinschuldners ergäbe, die Masseansprüche durch Vorschußzahlung nach Konkurseröffnung zu sichern, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist dies nicht aus § 191 KO herzuleiten. Die dort ausgesprochene Verpflichtung, die "bestrittenen Masseansprüche sicherzustellen", bedeutet nur, daß aus der vorhandenen Masse Sicherheit für die bestrittenen, also noch nicht festgestellten Masseansprüche zu leisten ist. Damit soll sichergestellt werden, daß für alle noch bestrittenen Masseansprüche für den Fall ihrer Feststellung eine Befriedigung auch nach Einstellung des Konkursverfahrens aus der Masse möglich ist. Der Gemeinschuldner kann auch schon deshalb nicht zur Zahlung eines die Masseverbindlichkeit deckenden Vorschusses herangezogen werden, weil er auf diese Weise schlechterstehen würde, als wenn der Konkurs mangels Masse gemäß § 204 KO eingestellt würde. In diesem Fall würde er nämlich nach herrschender Meinung für die während des Konkurses entstandenen Masseansprüche nur mit den ihm ausgeantworteten Bestandteil der Konkursmasse haften (Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, Kommentar zur Konkursordnung, 9. Aufl., Anm. 11 zu § 57 mit weiteren Nachweisen). Sein konkursfreies Vermögen aber wäre dem Zugriff dieser Massegläubiger entzogen. Durch eine Einzahlung zur Konkursmasse aus dem konkursfreien Vermögen des Gemeinschuldners würden auch die Gläubiger der nach Konkurseröffnung begründeten Masseansprüchen praktisch eine Befriedigung aus dem konkursfreien Vermögen des Gemeinschuldners erhalten.

6

IV.

1.

a)

Der Streitwert für die Beschwerden hinsichtlich des Einstellungsbeschlusses bemißt sich gemäß § 35 Gerichtskostengesetz i.V.m. § 3 ZPO nach dem Wert der noch vorhandenen Masse. Unter Berücksichtigung des vorhandenen Barvermögens - gut 5.000,00 DM - und der im Schriftsatz des Konkursverwalters vom 9. Februar 1981 bezeichneten der, Masse zustehenden Forderungen, die wegen der Unsicherheit ihrer Realisierung jedoch nicht zum Nennwert zu berücksichtigen sind, war der Streitwert für die Beschwerden hinsichtlich des Einstellungsbeschlusses auf 30.000,00 DM festzusetzen.

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b)

Hinsichtlich des Beschlusses auf Zahlung eines Betrages zur Deckung der Masseverbindlichkeiten war die Höhe der noch bestehenden Masseverbindlichkeiten gemäß § 35 GKG i.V.m. § 3 ZPO als Wert anzusetzen; jedoch gemindert um den Betrag der vorhandenen Masse (30.000,00 DM siehe oben IV. 1. a)). Die Masse Verbindlichkeiten bestehen aus der festgesetzten Konkursverwaltervergütung von noch 21.055,00 DM + 13 % Mehrwertsteuer, den im Schriftsatz des Konkursverwalters vom 1. April 1981 genannten rund 18.700,00 DM sowie geschätzter weiterer 17.000,00 DM, insgesamt also bis zu 60.000,00 DM. Unter Abzug von 30.000,00 DM vorhandener Masse liegt der Streitwert hier also ebenfalls bei 30.000,00 DM.

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2.

Gerichtskosten für die Beschwerdeverfahren fallen nur nach dem Streitwert des jeweils zurückgewiesenen Teils der Beschwerden an. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 72 KO i.V.m. § 92 ZPO.