Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.07.2024, Az.: 2 ORBs 93/24

Anforderungen an die Begründung einer bußgeldrechtlichen Einziehungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
01.07.2024
Aktenzeichen
2 ORBs 93/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 19826
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wildeshausen - 19.12.2023

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Begründung einer bußgeldrechtlichen Einziehungsentscheidung

In der Bußgeldsache
gegen
AA
-Einziehungsbeteiligte-
BB, Ort1, POLEN
wohnhaft Ort1, POLEN,
- Vertreter -
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Oldenburg) durch den Richter am Oberlandesgericht (...) am 01.07.2024 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten wird das Urteil des Amtsgerichts Wildeshausen vom 19.12.2023 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Ausgenommen von der Aufhebung wird die Feststellung zur Fahrtstrecke. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde verworfen

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen die Einziehungsbeteiligte erneut die Einziehung in Höhe von 1918,- € angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Einziehungsbeteiligte mit ihrer gemäß § 79 Abs. 1 Nummer 2 OWiG statthaften und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässig begründeten Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hat entsprechend des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft erneut einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass eine Schätzung von Art und Umfang des Erlangten nunmehr zulässig war. Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit ausgeführt:

"Die von der Verteidigung ins Spiel gebrachte Beauftragung eines Sachverständigen dürfte nichts sein, was mit dem Beschaffen einer Frachtrechnung vergleichbar wäre, nichts, was "ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten" erfolgen könnte. Das Gericht hat seine erfolglosen Bemühungen um Rechnungen oder Frachtscheine dargelegt und nach diesem Dafürhalten diese Bemühungen rechtsfehlerfrei für ausreichend erachtet".

Allerdings sind erneut die Schätzgrundlagen nicht ausreichend dargelegt worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu zutreffend aus:

"Allerdings erscheint im Rahmen der Schätzung die bloße Verweisung auf die KGS erneut nicht ausreichend. Wie der Senat im Beschluss vom 22.06.2021 ausführt, hätte es einer Darlegung bedurft, welches die konkreten Aspekte waren, die Einfluss auf die Berechnung hatten. Die Bemessung der gefahrenen Strecke von 412 km erscheint zwar rechtsfehlerfrei. Jedoch wird wieder von dieser Entfernung ohne weitere Darlegung auf einen Wert von 1726 € geschlossen und dazu nur auf die GKS [gemeint: KGS] 2019 verwiesen. Wie schon im ersten amtsgerichtlichen Urteil ist die Verweisung auf "Bl. 62 VA" faktisch ohne Inhalt, denn es handelt sich dabei nicht um eine Abbildung, s. den Senatsbeschluss vom 22.06.2021.

Überdies moniert die Verteidigung zutreffend, dass das Gericht zwar nur die Personalkosten für ein Begleitfahrzeug berücksichtigt habe, dass aber der Ansatz rechtsfehlerhaft sei: Ein Begleitfahrzeug war nicht von der Auflage gefordert, sodass auch nicht nachvollziehbar ist, wieso sich die Personalkosten wie für Personalkosten für ein Begleitfahrzeug berechnen sollten. Auch hier ist die Verweisung auf eine Richtlinie nicht ausreichend."

Zu letzterem merkt der Senat an, dass die Kosten für eine Begleitperson - wovon allerdings das Amtsgericht anscheinend ausgeht- nicht identisch sein müssen, mit den Kosten des Fahrers eines Begleitfahrzeuges.

Im Übrigen kann der Senat auch im Hinblick auf das neuerliche Urteil auf seine Ausführungen im Beschluss vom 22.06.2021 verweisen:

"Darüber hinaus lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, ob das Amtsgericht Aufwendungen abgezogen hat, da lediglich auf Bl 62 und 63 der Akte verwiesen wird. Dieser Verweis ist bereits unbeachtlich, da es sich nicht um eine Abbildung handelt (vgl. § 267 Abs 1 S 3 StPO) und zur Abziehbarkeit: OLG Celle a.a.O. [= VRS 138, 210]). Im Übrigen ist der Inhalt der KGS im Einzelnen nicht allgemeinkundig (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2014, 2 (6) SsBs 601/14, juris), so dass es näherer Darlegung bedurft hätte, insbesondere dazu, auf welche Umstände es für die Entgeltberechnung der KGS ankommt und ob die KGS bereits Aufwendungen berücksichtigen, wobei hier sogar noch zusätzliche Aufwendungen in Betracht kommen könnten, die abziehbar wären, wenn von einer fahrlässigen Tatbegehung auszugehen wäre. (Letzteres hat das Amtsgericht zwar für den Fahrer angenommen, vgl. aber auch insoweit OLG Celle a.a.O., betreffend das Abstellen auf die Einziehungsbeteiligte selbst). .....

Schließlich lässt das Urteil nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht des Umstandes bewusst war, dass es eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (vergleiche OLG Stuttgart, Beschluss vom 31.10.2013 2 Ss 238/13, juris)."

Der Senat ergänzt insoweit:

"Bei den Kostensätzen Gütertransport Straße (Volker Wilken, KGS Ausgabe 2013, Verkehrsverlag Fischer) handelt es sich um tabellarisch aufgeführte durchschnittliche Kostenansätze für den Gütertransport auf der Straße auf einer allgemeinen Basis, bei der keinerlei Berücksichtigung spezifischer regionaler, teilmarktbedingter oder einsatzbedingter Situationen stattfindet und insbesondere auftragsabhängige Kosten und besondere Kosten, die im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr entstehen können, nicht berücksichtigt sind."

(OLG Braunschweig, Beschluss vom 6. August 2013 - 1 Ss (OWi) 107/13 -, Rn. 11, juris)

Zum einen hat es sich hier um einen grenzüberschreitenden Transport gehandelt, zum anderen hat die Einziehungsbeteiligte ihren Sitz in Polen.

"Bei der Ausübung des Ermessens, ob und ggf. in welcher Höhe eine Verfallsanordnung getroffen werden soll, sind insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen: Bedeutung und Folgen der Tat, der Umfang des Erlangten, die Gefahr einer Wiederholung durch andere, das Bedürfnis nach einer Befriedung der Rechtsordnung, die Auswirkungen des Verfalls für den davon Betroffenen, der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Aufwand sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei unter dem letztgenannten Gesichtspunkt von einer Verfallsanordnung abgesehen werden soll, wenn diese den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Adressaten oder sonst eine unbillige Härte zur Folge hätte... ." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Oktober 2017 - 2 Rb 9 Ss 298/17 -, Rn. 20, juris)

Bei der Ermessensentscheidung mag das Amtsgericht auch prüfen, ob der Umstand, dass die Tat mittlerweile mehr als 3,5 Jahre zurückliegt, zu berücksichtigen ist.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache daher, auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde, erneut an das Amtsgericht zurückzuverweisen.