Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.08.2024, Az.: 2 ORbs 114/24

Rechtsbeschwerde gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.08.2024
Aktenzeichen
2 ORbs 114/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 20614
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Aurich - 17.05.2024

Fundstelle

  • VRR 2024, 4

Amtlicher Leitsatz

Berechtigt eine einem Verteidiger für ein Bußgeldverfahren erteilte Verteidigervollmacht diesen zur Zurücknahme von Rechtsmitteln, ist dies für eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ausreichend

In der Bußgeldsache
gegen
AA,
geboren am TT.MM.1937 in Ort1,
wohnhaft Ort1,
Staatsangehörigkeit: nicht bekannt,
Verteidiger:
(...)
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Oldenburg) durch den Richter am Oberlandesgericht (...) am 15.08.2024 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 17.05.2024 - insoweit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung - dahingehend geändert, dass das Fahrverbot entfällt.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Landeskasse zu tragen, die auch die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 260 € und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 OWiG statthaften Rechtsbeschwerde, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, sich auf eine entsprechende Zuschrift des Senats aber mit einer Aufhebung des Fahrverbotes einverstanden erklärt.

Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam:

Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung nicht bereits aus der dem Verteidiger erteilten Vertretungsvollmacht folgt. Auch die Rechtsprechung, die dieses ablehnt und zudem unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln nicht ausreichen lässt (so zum Beispiel Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2024, 229 f.), macht dann eine Ausnahme, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung eines konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war. So akzeptiert diese Rechtsprechung es als ausreichend, wenn ein Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, nachdem die Vollmacht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides erteilt worden ist, wobei dies sogar dann gelten soll, wenn der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch nicht erlassen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.).

Hier ist die Vollmacht erteilt worden nach "Anhörung im Bußgeldverfahren" und berechtigte gemäß Ziffer 10 zur "Zurücknahme von Rechtsmitteln".

In Fortentwicklung der vorgenannten Rechtsprechung, sieht der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es im Bußgeldverfahren gegen Urteile als Rechtsmittel lediglich die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt, die erteilte Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln auch für die Rechtsbeschwerde als ausreichend an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (s.o.) nicht einmal um ein Rechtsmittel handelt, sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art (vgl. BT- Drucks. V/1269 S. 93.).

Unabhängig davon hat der Verteidiger des Betroffenen auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Betroffene mit der Beschränkung des Rechtsmittels "ausdrücklich einverstanden" gewesen sei, so dass der Verteidiger über die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung verfügt hat.

Die Rechtsbeschwerde hat den angestrebten Erfolg dahingehend, dass das Fahrverbot entfällt.

Vorliegend haben folgende Umstände den Senat zu dieser ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG ermöglichten eigenen Sachentscheidung veranlasst:

Der Betroffene ist 86 Jahre alt und hat keine Eintragungen im Register. Tatort war eine -wenn auch innerörtliche- Bundesstraße. Die Tatzeit war 23:50 Uhr.

Das Amtsgericht ist offenbar zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser "dringend ein Krankenhaus aufsuchen musste" und ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffenen unter Schmerzen gelitten hat.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene selbst nur über eine Rente von 312 € verfüge. Es ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffene "nicht gut laufen" könne. Wie aber Taxifahrten zu den regelmäßigen Arztbesuchen bei einem Einkommen von 312 € bezahlt werden könnten, ist nicht ersichtlich, da die vom Amtsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer Kreditaufnahme rein theoretischer Natur sein dürfte. Soweit das Amtsgericht auf ein höheres Einkommen der Ehefrau des Betroffenen abstellt, ist dieses für die gegen ihn zu verhängende Sanktion irrelevant.

Da somit im Hinblick auf die Tat als solche, als auch bezüglich der Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen, bereits nach den getroffenen (knappen) Feststellungen, eine Reihe entlastender Umstände vorliegen, hat der Senat das Fahrverbot entfallen lassen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Betroffenen hat er auch von einer Erhöhung der Geldbuße abgesehen.

Da der Betroffene das von ihm mit dem Rechtsmittel erstrebte Ziel erreicht hat, beruht die Kostenentscheidung auf § 473 Abs. 3 StPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Geldbuße bestehen geblieben ist, da der Betroffene sein Rechtsmittel nicht allein auf die Frage des Fahrverbotes beschränken konnte.