Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.03.2001, Az.: 2 U 4/01

Baustofflieferant; Baustofflieferung; Bestreiten; Beweislast; Brandstiftung; Darlegungslast; Geschäftsunterlagen; Kaufvertrag; Käufer; laufende Geschäftsbeziehung; Lieferschein; Nichtvorlage; Nichtwissen; ständige Geschäftsverbindung; Unmöglichkeit; Unzulässigkeit; Vereitelung; Vernichtung; Vorsatz; Zivilrechtsstreit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.03.2001
Aktenzeichen
2 U 4/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40295
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 29.11.2000 - AZ: 6 O 2760/99

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. November 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 214.541,18 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 31. August 1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin zu 1/12 und die Beklagte zu 11/12.

Die Kosten des zweiten Rechtszugs fallen zu 1/8 der Klägerin und zu 7/8 der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 260.000,-- DM abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt nur für die Beklagte 60.000,-- DM.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 244.282,55 DM.

Tatbestand:

1

Die Parteien, die in laufender Geschäftsbeziehung gestanden haben, streiten im zweiten Rechtszug (noch) über eine Vielzahl von Kaufpreisforderungen für 1998 und 1999 fakturierte Lieferungen von Aluminiumbauteilen.

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Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 244.282,55 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 31. August 1999 verurteilt. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe seines Urteils vom 29. 11.2000 wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

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Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Das wechselseitige Parteivorbringen im zweiten Rechtszug ergibt sich aus der Berufungsbegründung der Beklagten vom 14.02.2001 nebst Anlagen (Bd. III Bl. 12 - 31) und ihrem Schriftsatz vom 15.02.2001 nebst Anlagen (Bd. III Bl. 36 - 70), aus der Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 12.03.2001 (Bd. III Bl. 77 - 82) sowie schließlich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 21.03.2001 (Bd. III Bl.88 - 93), soweit er ausweislich der Niederschrift vom 14.03.2001 (Bd. III Bl. 75/76) nachgelassen war, also sich mit (etwaigem) neuem tatsächlichen Vorbringen in der Berufungserwiderung befaßt. Auf diese Schriftsätze wird Bezug genommen. Die von der Berufung zunächst noch behandelten Gegenansprüche im Gesamtbetrag von 115.145,32 DM, die die Beklagte im ersten Rechtszug hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hatte und die in der angefochtenen Entscheidung in erster Linie mangels hinreichender Substantiierung als nicht begründet nicht berücksichtigt worden sind, verfolgt die Beklagte seit der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug ausdrücklich nicht weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung erweist sich überwiegend als unbegründet, nur zu einem verhältnismäßig geringfügigen Teil hat sie Erfolg. Die Beklagte schuldet auf die - sämtlich entstandenen - Klageforderungen (§ 433 Abs. 2 BGB) im Gesamtbetrag von 244.282,55 DM noch 214.541,18 DM mit den aus der Urteilsformel ersichtlichen Zinsen. Im übrigen - also in Höhe von 29.741,37 DM - ist Erfüllung eingetreten (§§ 362 Abs. 1, 366 Abs. 1 BGB).

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1. Das Landgericht hat festgestellt, daß alle streitgegenständlichen Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte entstanden sind, und diese Feststellung unter Auswertung der erhobenen Beweise im einzelnen begründet. Der Senat hat die Überlegungen des Landgerichts anhand der vorgelegten Unterlagen (Lieferscheine, Rechnungen pp.) überprüft und keinen Anhalt für Beanstandungen gefunden (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die Berufung bringt dagegen ebensowenig etwas Beachtliches vor.

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Bis auf einen Teilbetrag von 29.741,37 DM sind die in Rede stehenden Einzelforderungen auch nicht durch Zahlung oder Gutschrift erloschen.

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Im einzelnen:

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a) BB 3: Die Klägerin hat das Zustandekommen der in Rede stehenden Kaufverträge hinreichend substantiiert und damit schlüssig vorgetragen. Ebenso schlüssig vorgetragen ist die Erfüllung aller Verträge durch die Klägerin.

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b) BB 4: Daß der Zeuge P... die Darstellung der Klägerin über eine Absprache in Verbindung mit der Rechnungsstellung ab 27.05.1998 nicht bestätigt hat, hat das Landgericht gesehen und zutreffend eingeordnet. Auf die behauptete Abrede kommt es zudem ohnehin für die Schlüssigkeit des Klagevorbringens nicht an. Streitgegenstand sind nur Ansprüche aus der Zeit seit Ende 1998/Anfang 1999.

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c) BB 5: Das Bestreiten der Beklagten, daß sie die in den Lieferscheinen Bd I Bl. 70, 71, 75 - 121 d.A. aufgeführten Waren erhalten habe, ist nach § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig und damit unbeachtlich. Die Beklagte bestreitet insoweit ausdrücklich (und nur) mit Nichtwissen. Es muß aber Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung im Sinn von § 138 Abs. 4 ZPO gewesen sein, ob sie die behaupteten Lieferungen erhalten hat oder nicht. Nichts anderes gilt, soweit sie - wieder ausdrücklich (und nur) mit Nichtwissen - bestreitet, Rechnungen erhalten zu haben, "soweit keine unterzeichneten bzw. (?) von ihr unterzeichneten Lieferscheine vorgelegt worden" seien. Soweit sie ihre Berechtigung zum Bestreiten mit Nichtwissen hier oder an anderer Stelle des Rechtsstreits mit dem Brand in ihrem Betrieb, bei dem alle Unterlagen verloren gegangen sein sollen, zu rechtfertigen unternimmt, verkennt sie die - auch prozessual erheblichen - Verhältnisse. Der Brand ist - zugestandenermaßen (§ 288 ZPO: Bd. I Bl. 51, 60; Bd. III Bl. 14) und durch den unstreitigen Zeitungsbericht zudem hinreichend belegt (§ 286 ZPO) - von ihrem (damaligen) Geschäftsführer vorsätzlich gelegt worden. Es wäre zu einfach, wenn ein in Anspruch genommener Schuldner zunächst seine gesamten Geschäftsunterlagen vorsätzlich vernichten und sich dann in einem späteren Rechtsstreit darauf hinausreden könnte, er wisse nichts mehr, Unterlagen seien nicht mehr vorhanden. Zudem geht es hier um Lieferungen, die bei Bauarbeiten der Beklagten für einen Dritten Verwendung gefunden haben sollen, und in einem solchen Fall ist ein Bauunternehmer wie die Beklagte aufgrund der vertraglichen Beziehungen zu seinem Bauherrn - selbstverständlich - in der Lage, sich jedenfalls dort die erforderlichen Kenntnisse über alle tatsächlich verarbeiteten Materialien zu verschaffen, so daß er jedenfalls eine präzise Berechnung über die tatsächlichen Gesamtbezüge von seinem Baustofflieferanten anzustellen und entsprechend im Rechtsstreit vorzutragen imstande ist.

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d) BB 6: Auf die aufgezeigten Differenzen zwischen den Aussagen der Zeugen S... und K... kommt es nicht an. K... war nicht im Innendienst bei der Klägerin tätig, so daß er - allenfalls - die regelmäßige Abwicklung, nicht aber die Handhabung in jedem konkreten Fall zu schildern und zu beurteilen imstande war.

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Zur Unzulässigkeit des Bestreitens des Zugangs der Rechnungen (nur) mit Nichtwissen unter Bezugnahme auf den (selbst gelegten) Brand ist schon das Notwendige angemerkt.

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e) BB 7: Daß und welche älteren Forderungen bestanden haben (sollen), auf die die unstreitigen Zahlungen der Beklagten (und/oder der Schwesterfirma H... M... GmbH (!) - Bd. I Bl. 43 - 45) verrechnet worden sind und zu verrechnen waren, ist von der Klägerin im einzelnen dargelegt, und zwar mit Ausnahme des später noch zu behandelnden Betrages von 29.741,37 DM, wegen dessen die Berufung sich als begründet erweist, auch schlüssig. Ebenso ist die Führung von zwei Debitorenkonten hinreichend erläutert, ganz abgesehen davon, daß die Klägerin auch nicht gehindert gewesen wäre, noch weitere solche Konten zu führen, solange sie nur nicht, wofür hier nichts ersichtlich ist, dieselben Forderungen jeweils auf mehrere Konten buchte.

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Im übrigen hat das Landgericht an geeigneter Stelle zutreffend auf den von der Beklagten stammenden, von dieser der Klägerin am 02.02.1999 übermittelten "Liquiditätsplan P...-Stiftung" abgehoben, der - schon damals - Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der Klägerin in Verbindung mit dem in Rede stehenden Bauvorhaben in Höhe von 359.214,04 DM ausweist (Bd. I Bl. 141). Die Berufung bleibt jegliche - von der Beklagten ohne weiteres zu verlangende - vernünftige (!) Stellungnahme hierzu schuldig. Daß die Beklagte es sich - im nachgereichten Schriftsatz vom 21.03.2001 (Bd. III Bl. 90) - glaubt herausnehmen zu können, "die inhaltliche Richtigkeit" ihrer eigenen Aufstellung vom 02.02.1999 (Bd. I Bl. 141) und "insbesondere die daraus angebliche Forderung von rund 359.000,-- DM" zu bestreiten, mutet nur unverständlich an und ist auch aus der Sicht eines finanziell bedrängten Schuldners nicht mehr vertretbar.

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f) BB 8/9: Die Ausführungen der Berufung fallen in sich zusammen, sobald man berücksichtigt, daß im Schriftsatz der Klägerin vom 25.01.2000 (Bd. I Bl. 55/56) zweimal infolge eines - offensichtlichen - Schreibfehlers das Jahr 1999 statt des Jahres 1998 angeführt ist.

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g) BB 10: Was es mit den von der Berufung vorgelegten Einschreiben vom 09. und 16.08. 1999 (nicht: vom 11.05. und 13.07.1999) auf sich hat (Bd. III Bl. 28 - 31), ist in der Berufungserwiderung befriedigend erläutert. Es handelt sich nicht etwa um abschließende Saldenmitteilungen in Höhe der Gesamtschulden auf den beiden Debitorenkonten; aufgeführt sind vielmehr nur die Beträge, die bis dahin noch nicht - wie die älteren Forderungen - zum vierten Mal angemahnt waren (vergl.: "4. Mahnung per 09.08.99" und "4. Mahnung per 16. 08.99"). Wenn die Beklagte meint, das im Schriftsatz vom 21.03.2001 (Bd. III Bl. 91) als "schlichtweg unverständlich" bezeichnen lassen zu können, ist ihr von Gerichts wegen nicht mehr zu helfen.

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h) BB 13/14: Die - sämtlich das Bauvorhaben Altenheim St.-P...-Stift C... betreffenden - Bestellungen bei der Klägerin vom 02.10.1998 (Bd. II Bl. 257 ff.) mögen solche der Schwesterfirma H... M... gewesen sein. Diese war damals nach dem Auftragsschreiben des Architekten R... vom 10.09.1998 noch Vertragspartnerin für das genannte Bauvorhaben; die Beklagte ist dann aber nach eigenem Vorbringen alsbald anstelle ihrer Schwesterfirma in den Bauvertrag eingetreten, und ihr Schreiben an die Klägerin vom 27.10.1998 (Bd. III Bl. 52/53) belegt in Verbindung mit dem von ihr seinerzeit in Abschrift auch der Klägerin übermittelten Schreiben vom 21.10.1998 an den Architekten R... (Bd. I Bl. 61), daß die Klägerin berechtigt war, auch die am 02.10.1998 bestellten Materialien nunmehr der Beklagten in Rechnung zu stellen. Daraus folgt, daß die Klägerin auch insoweit die erste Zahlung der Beklagten von 90.061,50 DM zutreffend wie belegt (Bd. I Bl. 162) verrechnet und gebucht hat.

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2. Die Klageforderungen sind in Höhe von 29.741,37 DM durch die - als solche unstreitigen - Zahlungen der Beklagten per Scheck von 80.000,-- DM (Scheckdatum 30.12.1998, Einlösungsdatum 06.01.1999) und 7.000,-- DM (Scheckdatum 02.02.1999, Einlösungsdatum 05.02. 1999) ausgeglichen. Die Klägerin hat von dem Gesamtbetrag von 87.000,-- DM nach eigenem Vorbringen im Schriftsatz vom 11.05.2000 in Verbindung mit der beigefügten EDV-Unterlage "Ausgleichs-Nr. 3" insgesamt 29.741,37 DM verrechnet auf drei angebliche Forderungen gegen die Beklagte aus dem Jahr 1997 im Betrag von 24.033,94 DM, 2.439,75 DM und 3.627,68 DM. Dazu war sie nicht berechtigt, weil die Beklagte bei der Scheckhingabe ausweislich der vorgelegten Kopien der eingelösten Schecks ausdrücklich eine andere Tilgungsbestimmung getroffen hatte (§ 366 Abs. 1 BGB), nämlich "Zahlung Cbg. P..." und "P... 3. Zahlung". Wegen des Bauvorhabens "Altenheim St.-P...-Stift C..." sind die Parteien aber unstreitig erst 1998 in Geschäftsbeziehungen getreten. Auf ihre angeblichen Forderungen aus dem Jahr 1997 wegen eines Bauvorhabens Uni B... konnte die Klägerin die Zahlungen der Beklagten folglich nicht wirksam verrechnen. Ob diese Forderungen entstanden sind, bedarf keiner Erörterung, da sie nicht Streitgegenstand sind.

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3. Nebenentscheidungen: §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 1 und 2 ZPO.