Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.03.2001, Az.: 12 U 03/01
Zurechenbarkeit psychisch bedingter Unfallfolgen zu einem Bagatellunfallereignis; Anforderungen an die Darlegung der für die Geltendmachung eines Verdienstausfallschadens erforderlichen Arbeitsunfähigkeit; Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei auf Grundlage einer falschen ärztlichen Diagnose erfolgter Krankschreibung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.03.2001
- Aktenzeichen
- 12 U 03/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30703
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2001:0327.12U03.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 29.11.2000 - AZ: 9 O 16/00
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG
- § 18 Abs. 1 StVG
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 3 Nr. 1 PflVG
Fundstelle
- DAR 2001, 313 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. November 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer für die Klägerin liegt unter 60.000,- DM.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG verneint, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, daß ihre Geschäftsführerin N... und ihr Mitarbeiter F... tatsächlich unfallbedingt Verletzungen erlitten haben.
Insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Insbesondere bedarf es nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Dr. H... hat überzeugend dargelegt, daß im vorliegenden Fall eine Verletzungsmöglichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Das Unfallgeschehen hat er in Übereinstimmung mit dem Kfz-Sachverständigen M...als Bagatelle bezeichnet. Auch Dr. S..., der die Geschäftsführerin N... sowie Herrn F... nach dem Unfall untersucht hat, hat keine objektiv meßbaren Verletzungen festgestellt und war deshalb allein auf die subjektiven Angaben der Unfallbeteiligten beschränkt. Auch wenn es theoretisch denkbar ist, daß aufgrund eines Unfalls auch psychosomatische Beschwerden auftreten, so fehlt es dafür im vorliegenden Fall an konkreten Anhaltspunkten. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, daß eine Zurechnung psychischer Schäden dann nicht mehr dem Unfallereignis zugerechnet werden können, wenn es sich - wie hier - um ein ganz geringfügiges Unfallereignis (Bagatelle) handelt, so daß die behauptete psychische Reaktion hierzu in einem groben Mißverhältnis steht und damit schlechterdings nicht mehr verständlich ist (vgl. BGHZ 132, 341, 346) [BGH 30.04.1996 - VI ZR 55/95]. In jener Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof zwar die Zuerkennung von Schadensersatz und Schmerzensgeld für psychisch bedingte Unfallfolgen gebilligt. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall hatte der Geschädigte aber (unstreitig) auch physische Verletzungen erlitten und es ging nur noch um die Frage, ob die weiteren psychosomatischen Beschwerden, die im wesentlichen auf einer entsprechenden Prädisposition des Geschädigten beruhten, haftungsrechtlich dem Schädiger zugerechnet werden können.
Der geltend gemachte Verdienstausfallschaden ist auch nicht etwa schon allein wegen der vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ersatzfähig. Denn ein Arbeitgeber schuldet eine Lohnfortzahlung nach § 3 EntgeltfortzG nur bei objektiver Arbeitsunfähigkeit und nicht allein aufgrund einer ärztlichen Krankschreibung. Maßgebend ist die vom Arzt nach objektiven medizinischen Kriterien vorzunehmende Bewertung. Somit hat auch ein Arbeitnehmer, der beispielsweise aufgrund einer falschen Diagnose des Arztes irrtümlich annimmt, er sei arbeitsunfähig krank, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung (vgl. Kaiser, Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz, 3. Aufl., § 3 Rdn. 45 m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn sich die grundsätzliche Verpflichtung zur Lohnfortzahlung nicht aus dem nur auf Arbeitnehmer anwendbaren Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern aus einer entsprechenden Regelung im Anstellungsvertrag ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.