Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 25.06.1992, Az.: 2 U 41/92

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
25.06.1992
Aktenzeichen
2 U 41/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 23328
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1992:0625.2U41.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend

Fundstellen

  • IBR 1993, 485 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • NJW-RR 1993, 1069-1070 (Volltext mit red. LS)
  • WuM 1993, 59-60 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 17.12.1991 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

1

Von der Darstellung des

2

Tatbestandes

3

wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

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Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Der Berufungsvortrag des Klägers rechtfertigt keine hiervon abweichende Entscheidung. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, daß die angegriffene Werbung rechtlich beachtliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise irreführt im Sinn von § 3 UWG.

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1.

Der Kläger ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aktiv legitimiert. Hierzu reicht es aus, daß sich der Verband satzungsmäßig die Förderung gewerblicher Interessen zum Ziel gesetzt hat. Nicht erforderlich ist, daß seine Mitglieder selbst in ihren wettbewerblichen Belangen beeinträchtigt oder nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG klagebefugt sind (allgemeine Meinung, BGH, NJW-RR 90, 102, Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., § 13 RZ 23). Dem steht § 2 Abs. 1 der Satzung des Klägers (Bl. 7) nicht entgegen. Denn diese Bestimmung schränkt die Tätigkeit des Klägers nicht auf solche Wettbewerbsverstöße ein, die seine Mitglieder unmittelbar betreffen, sondern regelt lediglich, daß solche Verstöße schwerpunktmäßig, nämlich bevorzugt verfolgt werden sollen.

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2.

Der Kläger hat Tatsachen, denen zufolge sich rechtlich erhebliche Teile der Adressaten der Anzeige (Wohnungsmieter) sich über den Bedeutungsgehalt des Begriffes "Kaltmiete" unzutreffende Vorstellungen machen, weder im einzelnen dargelegt noch glaubhaft gemacht.

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a)

Die angesprochenen Verkehrskreise sind die Mietwohnungsinteressenten, die weitgehend mit dem "breiten Publikum" gleichzusetzen sind, so daß auf das allgemeine Verständnis des Begriffes "Kaltmiete" ohne Berücksichtigung eines spezifischen, insbesondere fachmännisch geprägten Sprachverständnisses abzustellen ist.

8

Die Begriffe "Miete", "Kaltmiete", "Nettomiete" und "Bruttomiete" sind weder durch Rechtsvorschriften definiert noch hat sich ein allgemeines Verständnis durchgesetzt. In der mietrechtlichen Literatur (z.B. Schmidt/Futterer C 156c) wird als Kaltmiete die Grundmiete einschließlich nicht verbrauchsabhängiger Nebenkosten verstanden, wobei teilweise der Begriff weiter in Netto- und Bruttokaltmiete differenziert wird (z.B. Sternel, Mietrecht III 22). In der Rechtsprechung (z.B. beiläufig BGH, WM 92, 779, 781) werden diese Begriffe aufgegriffen und Nettomiete im Sinn des reinen Raumüberlassungsentgeltes, Kaltmiete eher dahin verstanden, daß nicht verbrauchsabhängige Nebenkosten enthalten sind.

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b)

Nachdem sich der Wohnungsmietmarkt seit Jahren faktisch zu einem reinen Vermietermarkt gewandelt hat, ist nicht ersichtlich, daß rechtlich bedeutsame Teile der Adressaten den Hinweis "KM" dahin verstehen könnten, im genannten Entgelt seien bereits verbrauchsabhängige Kosten, insbesondere für Wasser und Abwasser enthalten und der Mieter müsse lediglich noch Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung übernehmen. Die Übernahme verbrauchsabhängiger Nebenkosten durch den Vermieter ist - jedenfalls ohne einen klaren Hinweis - in der Mietrechtspraxis trotz des abweichenden gesetzlichen Regelungsmodells gänzlich unüblich geworden. Unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, daß Anbieter von Mietwohnungen soweit wie rechtlich zulässig Neben- und Betriebskosten (§ 27 der 2. Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen) auf die Mieter umlegen. Angesichts dieser seit Jahren gefestigten Marktstruktur ist nicht davon auszugehen, beachtliche Teile der Verkehrskreise könnten den Begriff "Kaltmiete" dahin verstehen, über die Beheizung hinausgehende Nebenkosten seien in dem genannten Mietpreis enthalten.

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c)

Eine Irreführung relevanter Teile der Adressanten (Mindestirreführungsquote im Bereich von 10 bis 15 %) ist auch nicht dadurch dargelegt und glaubhaft gemacht, daß der Kläger auf einen höheren Anteil von Aussiedlern und Ausländern unter den Wohnungssuchenden als an der Gesamtbevölkerung abstellt. Denn die vorgetragenen statistischen Daten belegen lediglich den Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung, lassen jedoch keine Schlüsse darauf zu, daß dieser Bevölkerungsanteil dem Begriff "Kaltmiete" eine vom allgemeinen Verständnis abweichende Bedeutung beimißt.

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Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, daß der Begriff Kaltmiete in der Rechtsprechung gelegentlich als im Sinn von § 3 UWG irreführend angesehen worden ist (z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 14.04.1992, 6 U 81/91; LG Düsseldorf vom 04.10.1990). Die Vorlage dieser und weiterer Entscheidungen ersetzt weder Darlegung noch Glaubhaftmachung. Soweit dies aus den Entscheidungsgründen der vom Kläger vorgelegten Urteile ersichtlich ist, beruhen die zum Teil abweichenden Entscheidungen nicht auf näherer Darlegung (z.B. Umfragen unter Mietinteressenten oder dergleichen), sondern auf der Einschätzung der beteiligten Richter.

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3.

Die Entscheidung über die Irreführung kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung treffen, weil seine Mitglieder zum maßgeblichen Verkehrskreis gehören. Die Verneinung der Irreführungsgefahr aufgrund Lebenserfahrung und Sachkunde des Gerichtes ist jedenfalls im Verfügungsverfahren möglich (Baumbach-Hefermehl, a.a.O., RZ 113).

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4.

Die Anzeige verstößt nicht gegen § 6 Abs. 2 Wohnungsvermittlungsgesetz (WOVG), so daß der Unterlassungsanspruch nicht aus § 1 UWG herzuleiten ist. Nach der vorgenannten Bestimmung hat der Wohnungsvermittler u.a. in Anzeigen den Mietpreis der Wohnräume anzugeben und darauf hinzuweisen, daß Nebenkosten gesondert zu vergüten sind. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es lediglich darauf an, klarzustellen ob zusätzliche Kosten an oberlandesgerichte Pflicht zur näheren Aufschlüsselung aller anfallenden Nebenkosten aus dieser Bestimmung nicht zu entnehmen ist. Damit reicht allgemein ein pauschaler Hinweis auf zusätzliche Nebenkosten aus (OLG Köln, NStZ 1984, 224). Die vorliegende Angabe "KM" enthält danach nicht nennenswert weniger Informationen als eine Angabe ... DM + NK, weil beide näheren Aufschluß weder über die Art der anfallenden Nebenkosten noch über den Verteilungsschlüssel enthalten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1. Das Urteil ist rechtskräftig (vgl. § 545 Abs. 2 ZPO). Aus diesem Grund entfällt eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Festsetzung des Wertes der Beschwer.