Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.01.1993, Az.: 2 W 159/92
Entlassung eines Betreuers gegen seinen Willen; Beschwerdeberechtigung des entlassenen Betreuers; Verpflichtung des Betreuers, unabhängig von der besonderen Situation des Betreuten mit der Betreuungsbehörde zusammen zu arbeiten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 25.01.1993
- Aktenzeichen
- 2 W 159/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 17133
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1993:0125.2W159.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG ... - 13.11.1992 - AZ: 8 T 618/92
- AG ... - 17.09.1992
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 4 FGG
- § 20 Abs. 1 FGG
- § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB
- § 1901 BGB
Sonstige Beteiligte
Herr ... geboren am ... wohnhaft ...
Herr ...
Landkreis ... Der Oberkreisdirektor, Betreuungsstelle, Postfach ...
In dem Betreuungsverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
am 25. Januar 1993
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Betreuers wird der Beschluß des Landgerichts ... vom 13. November 1992 aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Entscheidung über die Beschwerde der Betreuungsbehörde gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... vom 17. September 1992 an das Landgericht ... zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die weitere Beschwerde des Betreuers ist zulässig.
1.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die weitere Beschwerde als sofortige Beschwerde anzusehen ist. Nach § 69 g Abs. 4 Nr. 3 FGG findet die sofortige Beschwerde statt gegen Entscheidungen, durch die ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen worden ist. Der Entlassung steht die Anordnung der Entlassung durch das Beschwerdegericht gleich (vgl. Keidel-Kuntze-Winkler-Kahl, FGG, 13. Aufl. 1992, § 60 Rz 10 zu Fußnote 23 m.w.N.). Auch wenn die Aufhebung der Bestellung des Betreuers durch das Beschwerdegericht der Anordnung seiner Entlassung gleichzustellen sein sollte, ist die Beschwerde rechtzeitig eingelegt. Der Beschluß des Landgerichts vom 13. November 1992 ist am 3. Dezember 1992 beim Landgericht abgegangen. Die weitere Beschwerde ist am 16.12.1992 eingegangen.
2.
Der Betreuer ist beschwerdeberechtigt (§§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG), da durch den Beschluß des Landgerichts seine rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. Der Betreuer hatte zwar keinen Anspruch darauf, als Betreuer bestellt zu werden. Durch den Beschluß des Amtsgerichts ... vom 17.09.1992 ist er jedoch zunächst rechtswirksam für den Zeitpunkt ab Volljährigkeit des ... am 18.10.1992 Betreuer von ... geworden. Deshalb hat er Anspruch darauf, nicht ohne gesetzlichen Grund dieses Amtes enthoben zu werden. Er ist also, wenn die Enthebung zu Unrecht erfolgt ist, in seinen Rechten verletzt (BayObLG, JFG 3, Seite 64 f; KG JR 1967, Seite 26).
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet.
Schlagt der volljährige zu Betreuende eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB) ... hat bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht zum Ausdruck gebracht, daß "sein Vater", also Herr ..., oder sein Onkel Herr ... sein "Pfleger" werden solle. In dieser Äußerung ist offenbar ein Vorschlag des Betroffenen zu sehen. Jedenfalls fehlen Feststellungen des Amtsgerichts oder des Landgerichts dazu, weshalb dies anders zu sehen sein könnte. Nach der zwingenden gesetzlichen Regelung ist diesem Vorschlag zu folgen, ohne daß es auf seine Geschäftsfähigkeit ankommt. Feststellungen dazu, daß der Betroffene aufgrund seiner geistigen Verfassung nicht einmal in der Lage sei, einen solchen Vorschlag zu machen, fehlen.
Herr ... ist deshalb nur dann nicht zum Betreuer zu bestellen, wenn dies dem Wohl des zu Betreuenden zuwiderläuft. Seine Bestellung dient nicht dem Wohl des zu Betreuenden, wenn er zur Betreuung nicht geeignet ist.
Das Landgericht hat die Eignung von Herrn ... deswegen verneint, weil der Betreuer mit der Betreuungsbehörde eng zusammenarbeiten müsse und diese Zusammenarbeit dadurch erheblich belastet sei, daß der Betreuer gegen den Landkreis ... - Amt für Jugendhilfe, das in seiner persönlichen Zusammensetzung weitgehend mit der Betreuungsstelle identisch ist - zahlreiche Verwaltungsgerichtsstreitigkeiten angestrengt habe. Damit allein läßt sich die mangelnde Eignung von Herrn ... nicht feststellen.
Das Gesetz begründet keine allgemeine Verpflichtung des Betreuers, unabhängig von der besonderen Situation des Betreuten mit der Betreuungsbehörde zusammen zu arbeiten. Die Betreuerpflichten ergeben sich aus § 1901 BGB. Danach hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht und innerhalb seines Aufgabenkreises dazu beizutragen, daß Möglichkeiten genutzt werden, die Behinderung des Betreuten zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 1901 Abs. 1 und 3 BGB). Zur Erfüllung dieser Aufgabe kann der Betreuer gehalten sein, Angebote der Betreuungsbehörde wahrzunehmen. Die Betreuungsbehörde hat den Betreuer auf seinen Wunsch bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beraten und zu unterstützen (§ 4 Betreuungsbehördengesetz) und dafür zu sorgen, daß ein ausreichendes Angebot zur Einführung der Betreuer in ihre Aufgaben und zu ihrer Fortbildung vorhanden ist (§ 5 Betreuungsbehördengesetz). Ob in Betracht kommt, daß der Betreuer von diesen Angeboten der Betreuungsbehörde Gebrauch zu machen hat, läßt sich jedoch nicht allgemein für alle Betreuungsfälle beurteilen, sondern hängt von der Art des Betreuungsfalles, zum Teil auch der Qualifikation und Persönlichkeit des Betreuers ab. Die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit kann sich bei einem jungen Betreuten, der für seine weitere Entwicklung Förderung benötigt, eher ergeben als bei einem altersbedingt Betreuungsbedürftigen.
Eine generelle Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen Betreuungsbehörde und Betreuer ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen. Der Betreuer unterliegt keiner Kontrolle durch die Behörde. Der Betreuer ist vielmehr nur dem Vormundschaftsgericht gegenüber rechenschaftspflichtig (vgl. Bienwald, Betreuungsrecht, § 1896 BGB Rz 230). Die Behörde kann zwar dem Vormundschaftsgericht Umstände mitteilen, die Maßnahmen in Betreuungssachen erforderlich machen, soweit dies unter Beachtung berechtigter Interessen des Betroffenen nach den Erkenntnissen der Behörde erforderlich ist, um eine erhebliche Gefahr für das Wohl des Betroffenen abzuwenden (§ 7 Betreuungsbehördengesetz). Daraus ergibt sich aber keine allgemeine Verpflichtung des Betreuers zur Information der Behörde und keine Informationspflicht der Behörde über die Führung der Betreuung dem Gericht gegenüber (Bienwald a.a.O.).
Da Feststellungen darüber fehlen, inwiefern die Verhältnisse von ... eine Zusammenarbeit zwischen Betreuer und Betreuungsbehörde geboten erscheinen lassen und der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt ist, insofern eigene Feststellungen zu treffen, muß der Beschluß des Landgerichts aufgehoben werden.
Die Feststellung des Landgerichts, zur Zeit liefen etwa 20-40 von dem Betreuer gegen den Landkreis ... - Jugendhilfe - angestrengte Verwaltungsgerichtsverfahren, rechtfertigt es auch nicht, den Beschluß aus anderen Gründen aufrechtzuerhalten. Zwar könnte sich daraus ergeben, daß Herr ... wegen einer querulatorischen Haltung nicht das Wohl des zu Betreuenden in den Vordergrund stellt, sondern Auseinandersetzungen mit Behörden. Ob dies der Fall ist und sein Verhalten dem Wohl des zu Betreuenden abträglich ist, läßt sich aber nur nach näheren Feststellungen über Inhalt und Art und Weise dieser Auseinandersetzungen beurteilen.
Aufgrund der hiernach nötigen weiteren Feststellungen wird das Landgericht abschließend darüber zu befinden haben, ob die Gründe, die danach gegen die Eignung von Herrn ... als Betreuer sprechen könnten, überwiegen gegenüber den vom Amtsgericht hervorgehobenen Gründen der persönlichen Vertrautheit zwischen dem Betroffenen und dem Betreuer, die insbesondere dann erhebliches Gewicht haben werden, falls davon auszugehen ist, daß der Betroffene weiterhin im Haushalt von Herrn ... leben wird. Ggfs. könnte auch an Bestellung eines Mitbetreuers mit eigenem Aufgabenkreis (§ 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder notfalls eines Gegenbetreuers (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1792, 1799 BGB) gedacht werden.
Da der Beschluß des Landgerichts mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden kann, ist er aufzuheben und die Sache zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht ... zurückzuverweisen.