Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.08.2014, Az.: 13 UF 76/14

Änderung des Familiennamens eines Kindes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.08.2014
Aktenzeichen
13 UF 76/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 22458
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:0813.13UF76.14.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 09.11.2016 - AZ: XII ZB 298/15

Redaktioneller Leitsatz

1. Trägt ein Kind nicht verheirateter Eltern den Familiennamen des Vaters, so kommt eine Zustimmung zur Einbenennung gem. § 1618 BGB nicht in Betracht, da die Namensverschiedenheit des Kindes nicht durch eine Wiederverheiratung der Mutter bedingt ist.

2. In diesem Fall ist ein Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Einbenennung auszulegen als Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis i.S. von § 1628 BGB.

3. Da über den noch zu stellenden Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes die zuständige Verwaltungsbehörde in alleiniger Kompetenz zu entscheiden hat, ist über die Frage, ob das Kindeswohl eine Namensänderung erfordert, im familiengerichtlichen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen/Ems vom 27. Mai 2014 geändert und der Antragstellerin die Entscheidung über einen Antrag auf Änderung des Nachnamens des Beteiligten zu 1 übertragen. Der weitergehende Antrag und die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 €

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

5. Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin S...-N ... in L .../E ... bewilligt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Eltern des Kindes J ...C ...., das nach ihrer Trennung im Haushalt der Mutter lebt. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Antragsgegner ist tunesischer Staatsangehöriger, die Antragstellerin ist Deutsche. Das Kind führt mit Wirkung ab dem 20.12.2007 den Familiennamen des Vaters.

Die Antragstellerin hat am 03.06.2013 beim Amtsgericht den Antrag eingereicht, die Zustimmung des Antragsgegners zur Namensänderung des Kindes J ... C .... in J ... G .... (den von der Antragstellerin geführten Familiennamen) zu ersetzen. Sie habe nach der Geburt des Kindes nur deshalb zugestimmt, dass das Kind den Namen des Vaters trage, weil dieser im Gegenzug zugesagt habe, dass J ... katholisch getauft werden solle. An diese Zusage habe sich der Antragsgegner jedoch nicht gehalten. Der mittlerweile sechs Jahre alte J ... äußere seinen Wunsch, den Namen der Mutter zu tragen. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Das Amtsgericht hat das Kind persönlich angehört. J ... hat den Wunsch geäußert, den Namen der Mutter zu tragen. Hänseleien oder sonstigen Schwierigkeiten aufgrund des von ihm getragenen Namens des Vaters sei er bislang noch nicht ausgesetzt gewesen. Die Verfahrensbeiständin hat sich dafür ausgesprochen, dem Antrag der Kindesmutter stattzugeben. Das Kind habe sich auch ihr gegenüber geäußert, wie die Mutter heißen zu wollen. Sein Verhältnis zum Vater sei durchweg positiv besetzt. Eine Namensänderung hätte daher nicht den Grund einer aus Kindessicht notwendigen Abgrenzung zum Vater. Der Wunsch nach Übernahme des Namens der Mutter sei als Zeichen der Zugehörigkeit zur Mutter und deren Familie zu werten. Auch das beteiligte Jugendamt hat sich für den Antrag der Mutter ausgesprochen. Das Kind habe seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Durch eine Namensänderung würde das Zugehörigkeitsgefühl zur Mutter weiter gestärkt. J ... hätte weiterhin einen ausländischen Vornamen und somit Bezug zum Vater. Durch den angefochtenen, hiermit wegen der Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag der Mutter zurückgewiesen. Zu entscheiden sei über eine Einbenennung des Kindes nach § 1618 BGB. Die Zustimmung des anderen Elternteils könne nur ersetzt werden, wenn das Wohl des Kindes die Einbenennung erfordere, wobei eine Kindeswohlgefährdung vorliegen müsse oder die Namensänderung erforderlich sei, um Schaden vom Kind abzuwenden. Derartige Umstände seien nicht festzustellen. J ... wolle zwar den Namen der Mutter tragen, habe aber gleichzeitig keine Schwierigkeiten mit dem Namen des Vaters.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat entscheidet entsprechend vorheriger Ankündigung im Senatsbeschluss vom 07.07.2014 im schriftlichen Verfahren, da von einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist, nachdem ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist, zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel zum Teil erfolgreich, nämlich soweit der Antragstellerin als gemeinsam sorgeberechtigtem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Beantragung einer Namensänderung gemäß § 1628 BGB zu übertragen war. Soweit die Antragstellerin darüber hinausgehend die Ersetzung der Zustimmung des anderen Elternteils verfolgt, war der Antrag abzuweisen.

Da die Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, richtet sich die Änderung des Familiennamens des Kindes nicht wie vom Amtsgericht angenommen nach der Vorschrift des § 1618 BGB. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass ein Elternteil heiratet und das Kind den (neuen) Ehenamen übernehmen soll. Grund für die beabsichtigte Namensänderung ist jedoch nicht, dass die Antragstellerin geheiratet hat und J ... den Namen dieser neuen Ehe tragen soll.

Rechtsgrundlage für die Änderung des Namens ist daher § 3 des Namensänderungsgesetzes. Nach § 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Gemäß Absatz 2 dieser Bestimmung sind die für die Entscheidung erheblichen Umstände von Amts wegen festzustellen. Über die Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz entscheidet die zuständige Verwaltungsbehörde. Gegen die Entscheidung ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Für minderjährige Kinder stellt der gesetzliche Vertreter den Antrag auf Namensänderung (§ 2 Abs. 1 S. 1 NamÄndG). Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht über einen Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes einigen, können sie das Familiengericht anrufen. Denn die Frage, ob das Kind einen vom bisherigen Familiennamen unterschiedlichen Namen tragen soll, stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind dar, so dass das Familiengericht zur Entscheidung nach § 1628 BGB berufen ist (vgl. Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1628 Rn. 7; OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 222 [OLG Stuttgart 11.08.2010 - 16 UF 122/10]).

Der auf "Ersetzung der Zustimmung zur Namensänderung" gerichtete Antrag der Antragstellerin ist daher als Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis im Sinne von § 1628 BGB auszulegen.

Mit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis könnte die Antragstellerin noch nicht über den künftigen Familiennamen des Kindes entscheiden. Ihr wäre es lediglich möglich, den dafür erforderlichen Antrag nach dem Namensänderungsgesetz zu stellen. Ob die zuständige Verwaltungsbehörde das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung bejaht, ist von dieser zu entscheiden. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 NamÄndG liegt nur vor, wenn das Kindeswohl die Änderung des Familiennamens bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet, also die Namensänderung im Hinblick auf das Wohl des Kindes in entsprechender Anwendung von § 1618 Abs. 4 BGB erforderlich ist (vgl. BVerwG, NJW 2002, 2406 [BVerwG 20.02.2002 - 6 C 18/01]). Das Gesetz stellt dabei mit der Grenze der Erforderlichkeit bewusst eine hohe Hürde auf. Als für das Wohl des Kindes erforderlich ist eine Namensänderung nur dann anzusehen, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Namensänderung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbands nicht bestehen würde (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.10.1999, 12 UF 177/99, FamRZ 2000, 692 f., juris Rn 8; BGH, Beschluss vom 24. 10. 2001 - XII ZB 88/99 - NJW 2002, 300; so auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2002, - 6 C 18/01 - NJW 2002, 2406, juris Rn. 44).

Ob die Voraussetzungen für eine aus Gründen des Kindeswohls erforderliche Namensänderung vorliegen, erscheint fraglich. Diese Frage ist aber im familiengerichtlichen Verfahren nicht abschließend zu klären.

Dass es dem Wunsch des sechsjährigen Kindes entspricht, den Namen der Mutter zu teilen, bei der es seinen Lebensmittelpunkt hat, ist kein ausreichender Grund für eine Zerschneidung des Namensbands mit dem Vater, zu dem J ... regelmäßig Kontakt hat und den er gern besucht. Nach Mitteilungen aller Beteiligter ist es nicht der Fall, dass J .... durch den Namen, den er abzulegen wünscht, in seinem sozialen Umfeld durch Hänseleien oder ähnliches erhebliche Nachteile erlitten hat. Allein der Wunsch, einen ausländischen Nachnamen abzulegen, rechtfertigte ohnehin keine Änderung nach dem Namensänderungsgesetz.

Nach Rechtsansicht des Senats muss die abschließende Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen einer Änderung des Familiennamens nach dem Namensänderungsgesetz vorliegen, aber der dafür zuständigen Behörde bzw. den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben. Würde die Prüfung, ob das Kindeswohl eine Namensänderung erfordert, bereits im familiengerichtlichen Verfahren nach § 1628 BGB abschließend vorgenommen, würde damit eine unzulässige Vorabentscheidung getroffen und es der Antragstellerin (im Fall der Ablehnung des Antrags) unmöglich gemacht, diese Frage durch die für die Namensänderung zuständigen Stellen überprüfen zu lassen. Stellt ein Vormund oder Pfleger einen Antrag auf Namensänderung für ein Kind, bedarf er dafür nach § 2 Abs. 1 NamÄndG einer familiengerichtlichen Genehmigung. Nach der Rechtsprechung ist das Familiengericht in derartigen Verfahren nicht befugt, der Kindeswohlprüfung in der Weise vorzugreifen, dass eine Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde und eine Anrufung der Verwaltungsgerichte von vornherein unmöglich gemacht würden (vgl. OLG Köln, FamRZ 2013, 1317; OLG Hamm, FamRZ 2013, 987). Die familiengerichtliche Genehmigung darf daher nur dann verweigert werden, wenn der Antrag des Vormunds oder Pflegers zweifelsfrei erfolglos wäre, also das Gesetz eine Namensänderung untersagt oder es sich überhaupt kein Gesichtspunkt findet, der eine solche rechtfertigen könnte; müssen hingegen schon im Genehmigungsverfahren Umstände abgewogen werden, die aus Kindeswohlgründen für oder gegen eine Namensänderung sprechen, darf die Genehmigung nicht versagt werden (vgl. OLG Hamm, ZKJ 2011, 259; OLG Hamm, FamRZ 2013, 987; OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 461; OLG Köln, FamRZ 2013, 1317).

Es ist kein Grund ersichtlich, bei der Kindeswohlprüfung im Verfahren nach § 1628 BGB einen anderen Maßstab anzulegen als bei Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung für den beabsichtigten Antrag eines Vormunds oder Pflegers. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die zuständige Behörde bzw. das Verwaltungsgericht die Frage der Erforderlichkeit einer Namensänderung anders beurteilt als die Familiengerichte. Dass im vorliegenden Fall ein von der Kindesmutter gestellter Antrag nach dem Namensänderungsgesetz völlig ohne Aussichten auf Erfolg ist, lässt sich, zumal er sowohl vom Jugendamt als auch von der im hiesigen Verfahren bestellten Verfahrensbeiständin befürwortet wird, nicht feststellen.

Die Namensänderung ist für das Kind eine bedeutsame Angelegenheit, deren Klärung in seinem Interesse liegt. Da das Kind seinen Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter hat und diese daher im alltäglichen Zusammenleben mit dem Kind damit konfrontiert ist, wie das Kind das Tragen des Namens erlebt, ob und ggf. welche Belastungen damit verbunden sind, entspricht es dem Kindeswohl besser, wenn die Klärung der Angelegenheit der Mutter überlassen ist. Dementsprechend überträgt der Senat die Entscheidungsbefugnis für die Beantragung einer Namensänderung der Antragstellerin. Der mit dem Beschwerdeantrag von der Antragstellerin noch gestellte und weiter gehende Antrag auf Zustimmungsersetzung ist zur Klarstellung zurückgewiesen worden, da aus den eingangs dargestellten Gründen nicht über die Ersetzung einer Zustimmung zu entscheiden war.

Abweichend von der hier vertretenen Rechtsauffassung hat das OLG Stuttgart in der Entscheidung vom 11.08.2010 (NJW-RR 2011, 222 f. [OLG Stuttgart 11.08.2010 - 16 UF 122/10]) im Rahmen eines Verfahrens auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis für die Namensänderung nach § 1628 BGB inzident eine Prüfung vorgenommen, ob die Voraussetzungen des § 3 NamÄndG vorliegen, diese Frage im konkreten Fall verneint und die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB deshalb abgelehnt. Im Hinblick darauf hat der Senat die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Der Beschwerdewert ist gemäß §§ 40, 45 FamGKG festgesetzt worden.