Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.12.1992, Az.: 21 U 26/92
Rückgriffsanspruch des Inhabers gegen den Aussteller eines Schecks; Verjährung des Rückgriffsanspruch; Frage der Rechtsverwirkung der Geltendmachung von Verjährungseinreden im anhängigen Nachverfahren; Rechtsverwirkung der Geltendmachung von Verjährungseinreden in Bezug auf sonstige Verhaltensweisen des Schuldners ( Umstandsmoment)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.12.1992
- Aktenzeichen
- 21 U 26/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 14967
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1992:1230.21U26.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 03.04.1992 - AZ: 11 O 73/89
Fundstellen
- NJW-RR 1993, 559 (Volltext mit red. LS)
- WM 1993, 1957-1959 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1993, 191
Verfahrensgegenstand
Scheckforderung
Prozessführer
des Herrn ...
Prozessgegner
die ...
In dem Rechtsstreit
hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim vom 3. April 1992 geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Das Scheck-Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim vom 1. September 1989 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz und Beschwer der Klägerin: 23.546,56 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Bezahlung des Schecks vom 8. April 1988 ist schon nach dem eigen tatsächlichen Vorbringen der Klägerin unbegründet. Das Vorbehaltsurteil vom 1. September 1989 ist daher aufzuheben und die Klägerin mit der Klage abzuweisen (§§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 Satz 2 ZPO).
Dem Anspruch der Klägerin als Inhaberin des vom Beklagten ausgestellten Schecks über 23.546,56 DM gemäß den Art. 40, 45 ScheckG steht nach § 222 Abs. 1 BGB entgegen, daß der Beklagte sich zu Recht auf die Vollendung der Verjährung des eingeklagten Anspruchs beruft. Der Anspruch aus dem am 8. April 1988 ausgestellten Scheck ist spätestens Ende Oktober 1988 verjährt gewesen. Denn nach Art. 52 Abs. 1 ScheckG verjährt der Rückgriffsanspruch des Inhabers gegen den Aussteller in 6 Monaten vom Ablauf der nach Art. 29 Abs. 1 ScheckG 8-tägigen Vorlegungsfrist. Mithin konnte der erst am 15. Juni 1989 anhängig gemachte Scheckmahnbescheid die Verjährung nicht mehr rechtzeitig unterbrechen.
Daß der Beklagte deshalb an sich grundsätzlich auch noch im Nachverfahren berechtigt war, die Leistung der Schecksumme zu verweigern, nimmt daher auch die Klägerin nicht in Abrede und ist zu Recht schon vom Landgericht ausgeführt worden. Anders als die Klägerin meint, und entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts hat der Beklagte aber nicht nach § 242 BGB das Recht verwirkt, überhaupt noch Einwendungen im anhängigen Nachverfahren geltend zu machen bzw. sich dort auf Verjährung zu berufen.
Nach gesicherter Rechtsprechung kann ausnahmsweise auch eine prozessuale Befugnis verwirkt werden, wenn der Berechtigte sie längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Gegner nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten sich darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, daß dieser die Befugnis auch in Zukunft nicht geltend machen werde (st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 105, 298 [BGH 20.10.1988 - VII ZR 302/87]). Das gilt grundsätzlich auch für die Befugnis, im Nachverfahren Einwendungen geltend zu machen (vgl. OLG Frankfurt MDR 1990, 256; Zöller-Schneider, ZPO, 17. Aufl. 1991, § 600 RdNr. 3). Die insoweit im Einzelfall am Maßstab von Treu und Glauben zu konkretisierenden Tatbestandsmerkmale des sogenannten Zeitmoments und des sogenannten Umstandsmoments liegen hier jedoch nicht vor. Mithin sind die fraglichen prozessualen Befugnisse des Beklagten nicht verwirkt und macht der Beklagte diese also zu Recht geltend.
Zwischen der am 8. September 1989 stattgefundenen Zustellung des Scheck-Vorbehaltsurteils und dem am 4. Februar 1992 bei Gericht eingegangenen Antrag des Beklagten im Nachverfahren liegen (gerundet) 2 Jahre und 5 Monate. Dieser Zeitablauf, in dem der Beklagte das Nachverfahren nicht betrieb und auch die Verjährungseinrede nicht geltend machte, reicht noch nicht aus, um das Zeitmoment zu erfüllen. Insoweit berücksichtigt der Senat besonders, daß nach der ausdrücklichen Regelung des § 600 Abs. 1 ZPO trotz Ergehens des Vorbehaltsurteils der Rechtsstreit, weil dem Beklagten dort die Ausführung seiner Rechte vorbehalten worden ist, im Nachverfahren anhängig geblieben ist. Schon aus dem Gesetz ergibt sich daher die im übrigen allgemein vertretene Ansicht: An sich dürfen die Parteien sogar abwarten, daß das Gericht gemäß seiner Verfahrensförderungspflicht von Amts wegen alsbald Termin im Nachverfahren anberaumt (vgl. §§ 272 ff. ZPO; Zöller-Schneider, ZPO, 17. Aufl. 1991, § 600 RdNr. 3 Baumbach-Hartmann, ZPO, 51. Aufl. 1993, § 600 RdNr. 2). Daneben konnten auch der Beklagte und die Klägerin jeweils ihrerseits Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung des Nachverfahrens beantragen. Ihre insoweit bestehende bloße Mitverantwortung an der Förderung einer endgültigen Entscheidung ist jedoch von vornherein durch die vorrangige Pflicht des Gerichts abgeschwächt. Daher kann die fehlende Hinwirkung einer Partei auf die Anberaumung eines Termins nur unter ganz besonderen außergewöhnlichen Umständen ein Vertrauen der anderen auf das Nichtgeltendmachen von prozessualen Befugnissen begründen. Das gilt, zumal ja beide Parteien dann jeweils derselbe Vorwurf trifft. Denn auch die Klägerin hätte hier, wenn sie im eigenen Interesse eine baldige endgültige Klärung hätte herbeiführen wollen, auf die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung des Nachverfahrens antragen können und müssen. Der Senat sieht daher die vom Oberlandesgericht Frankfurt (MDR 1990, 256-257) in einem vergleichbaren Fall für die Verwirkung angenommene Frist der Untätigkeit von mehr als 5 Jahren als eher an der unteren Grenze liegend an. Die hier fragliche Dauer der Untätigkeit von noch nicht einmal 2 1/2 Jahren, also weniger als der Hälfte der im genannten Fall des OLG Frankfurt verstrichenen Zeit, reicht daher nicht aus, um das hier erforderliche Zeitmoment der Verwirkung zu erfüllen.
Eine Verwirkung ist aber auch deshalb nicht anzunehmen, weil - anders als die Klägerin meint - neben der Untätigkeit auch keine zusätzlichen Verhaltensweisen des Beklagten vorliegen, die ein Vertrauen der Klägerin auf die Nichtgeltendmachung von Einwendungen im Nachverfahren durch den Beklagten rechtfertigen könnten. Es mangelt daher auch an dem sogenannten Umstandsmoment.
Das Landgericht hat insoweit darauf verwiesen: Der Beklagte habe mit der Bezahlung der titulierten Forderung nebst Kosten und Zinsen, zumal er insoweit auch um Ratenzahlung gebeten habe, aus der Sicht der Klägerin die Schuld getilgt und damit in ihr das Vertrauen darauf geweckt, daß sie die Zahlung als endgültige Erfüllung ihrer Forderung habe behalten können und also das Verfahren abgeschlossen sei. Wenn es so gewesen wäre, hätte das Landgericht gemäß § 362 BGB sogar die Erfüllung der Klageforderung annehmen müssen, weil dann die Realisierung des Gläubigerinteresses unter vorbehaltloser Bezugnahme auf die Scheckforderung vorgelegen hätte.
Es kann offenbleiben, ob entgegen der Darstellung des Beklagten die Klägerin wegen Unkenntnis von strafrechtlichen und sonstigen Aufklärungsversuchen des Beklagten überhaupt zu dieser Ansicht kommen konnte. Denn auch wenn die Klägerin gemäß ihrer Behauptung davon keine Kenntnis gehabt haben sollte, war das Leistungsverhalten des Beklagten entsprechend § 133 BGB objektiv gerade auch aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin nicht als vorbehaltlose endgültige Erfüllung, sondern lediglich als Leistung auf den bestehenden Titel auszulegen. Das ergibt sich ganz eindeutig gerade auch aus den von der Klägerin vorgelegten eigenen Schreiben vom 18. Oktober (Bl. 42 d.A.), 8. November (Bl. 44 d.A.), 21. Dezember (Bl. 45 d.A.) und 28. Dezember 1989 (Bl. 47 d.A.) sowie vom 3. Januar (Bl. 49 d.A.) und 5. Januar 1990 (Bl. 48 d.A.). Denn dort ist jeweils ausdrücklich (!) auf die Forderung gemäß "Anerkenntnisurteil im Scheckprozeß" und daraufhin ergangenem "Kostenfestsetzungsbeschluß" sowie gemäß "genannten Schuldtiteln" bezug genommen. Entsprechend verweist auch das Schreiben des Beklagten vom 22. Dezember 1989 (Bl. 46 d.A.) ausdrücklich auf die genannten Titel. Es kann also bei objektiver Auslegung nicht zweifelhaft sein, daß die Klägerin die Leistungen des Beklagten sämtlich als bezogen auf diese Titel verstehen mußte und auch verstanden hat. Da es sich bei dem jeweils in bezug genommenen Titel aber um das Vorbehaltsurteil vom 1. September 1989 gehandelt hat, steht eindeutig fest, daß die Leistungen jeweils nur unter Vorbehalt, nämlich unter dem der Ausübung der Rechte des Beklagten im Nachverfahren erfolgten, der in dem in bezug genommenen Titel doch ausdrücklich festgehalten war. Um hier mit der Klägerin eine endgültige Erfüllung der Scheckschuld durch die Leistungen des Beklagten anzunehmen, reichte mithin gerade nicht die vorliegende bloße Bezugnahme auf den Titel ohne ausdrückliche Erklärung eines Vorbehalts durch den Beklagten. Vielmehr hätte, um diese von der Klägerin angenommene Rechtsfolge herbeizuführen, der Beklagte hinreichend eindeutig den im Titel enthaltenen Vorbehalt als erledigt bezeichnen oder behandeln müssen. Das aber ist hier auch nach dem eigenen tatsächlichen Vorbringen der Klägerin nicht geschehen. Zwar sieht die Klägerin in der Bitte um Ratenzahlung und um genaue Abrechnung per 15. Januar 1990 im Schreiben des Beklagten vom 22. Dezember 1990 (Bl. 46 d.A.) ein solches Verhalten. Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, daß dieses Verhalten des Beklagten auch dann sinnvoll und angemessen war, wenn der Beklagte nur auf den Titel mit Vorbehalt und also zur Abwendung der drohenden Zwangsvollstreckung zahlte.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.