Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.1979, Az.: I A 183/78

Versagung der Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Doppelgarage zu einem Pferdestall; Viehhaltung in einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO; Zulässigkeit eines Pferdestalls als Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO; Gewährung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BBauG 1979; Überlagerung eines Bebauungsplans durch den Zulässigkeitsmaßstab des § 34 Abs. 1 BBauG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.11.1979
Aktenzeichen
I A 183/78
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 11512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1979:1123.I.A183.78.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 07.02.1980 - AZ: BVerwG 4 C 11.80

Fundstelle

  • NJW 1980, 1408-1409 (Volltext mit amtl. LS) "Pferdehaltung im allgemeinen Wohngebiet"

Verfahrensgegenstand

Baurecht

Befreiung, städtebauliche Gründe

Baugenehmigung für Nutzungsänderung.

Prozessführer

des ...

Prozessgegner

den ...

Sonstige Beteiligte

1. ...

2. ...

Amtlicher Leitsatz

Städtebauliche Gründe rechtfertigen eine Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplanes nicht bereits, wenn die erstrebte Abweichung auch zulässiger Inhalt eines Planes sein könnte, vielmehr erst, wenn aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls die Festsetzung des Planes gegenüber der erstrebten Abweichung unangemessen erscheint.

Der I. Senat des Oberverwaltungsgerichts
für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 1979 in Rendsburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz und
Petter sowie
den ehrenamtlichen Richter ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - VIII. Kammer - vom 23. Oktober 1978 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Innenministers sind erstattungsfähig. Die außergerichtlichen Kosten der beigeladenen Gemeinde sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100,00 DM abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Der Kläger, der Eigentümer eines 3.270 qm großen Einfamilienhausgrundstücks in ... ist, wendet sich gegen die Versagung der Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Doppelgarage zu einem Pferdestall. Das Grundstück des Klägers liegt am Rand des Dorfes auf der Westseite der Straße "...", die in offener Bauweise mit Einfamilienhäusern bebaut ist. Gegenüber dem Grundstück des Klägers und weiter nördlich liegen fünf als Nebenerwerbsstellen genehmigte Anwesen. Auch das Wohnhaus des Klägers ist ursprünglich als Nebenerwerbsstelle genehmigt worden, durch umfangreiche Umbaumaßnahmen hat es jedoch den Charakter eines großzügigen Landhauses erhalten.

2

1975 hat die beigeladene Gemeinde einen Bebauungsplan bekanntgemacht, der den Bereich ... als allgemeines Wohngebiet festsetzt.

3

Am 9. August 1976 erteilte der Beklagte dem Kläger die Baugenehmigung für eine 8,7 m × 11,7 m große "Doppelgarage". Am 15. Juli 1977 beantragte der Kläger die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der Garage als Pferdestall. Der Beklagte versagte die Baugenehmigung, weil der Bebauungsplan Nr. 2 die Grundstücke an der ... als allgemeines Wohngebiet festsetze. Mit seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, daß er seit Jahren fünf Ponys halte und als Züchter stattliche Erfolge erzielt habe. Die Nachbarn seien mit der Ponyhaltung einverstanden. ... sei ein

4

Bauerndorf, in dem Viehhaltung durchaus üblich sei. Die Nachbarn ... und ... hielten seit eh und je einige Schweine, die sehr viel eher störend wirken könnten als einige Pferde. Zumindest müsse ihm Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gewährt werden. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1978 zurück, weil der Pferdestall weder der Kleintierhaltung diene, noch Zubehör einer Kleinsiedlung oder landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstelle sei. Auch als Nebenanlage, die dem Wohnen diene, könne der Pferdestall nicht zugelassen werden. Eine Befreiung könne nicht gewährt werden, weil Hobbypferdehaltung weit verbreitet sei und es daher nicht um einen Einzelfall gehe. Zudem stünden öffentliche Belange entgegen, weil mit der Zulassung des Pferdestalls ein Berufungsfall geschaffen werde.

5

Der Kläger hat am 4. August 1978 Klage erhoben und betont, daß alle Nachbarn ihr Einverständnis mit dem Pferdestall erklärt hätten.

6

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 13. Dezember 1977 und 20. Juli 1978 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Nutzungsänderung zu genehmigen.

7

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 23. Oktober 1978, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

9

Gegen den ihm am 16. November 1978 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Dezember 1978 Berufung eingelegt. Er trägt vor, sein Grundstück liege - ebenso wie die benachbarten Nebenerwerbsstellen - jedenfalls teilweise im alten Dorfgebiet. Der Bebauungsplan enthalte kein Verbot der Tierhaltung. Auch eine Ponyzucht falle noch unter den Begriff der Kleintierhaltung. Wenn im allgemeinen Wohngebiet Kleintierställe als Zubehör von Kleinsiedlungen und Nebenerwerbsstellen zulässig seien, dann müsse erst recht die Pferdehaltung zugelassen werden, die keine störenden Immissionen verursache. Die Nachbarn, die der Nutzungsänderung alle zugestimmt hätten, würden durch die Pferdehaltung nicht beeinträchtigt. Schließlich müsse eine Befreiung erteilt werden.

10

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Gerichtsbescheides nach dem Klageantrag zu erkennen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Er weist darauf hin, daß der Bebauungsplan Nr. 2 ein Gebiet umfasse, in dem früher einige Nebenerwerbssiedlungen genehmigt worden seien. Der Kläger habe die auf seinem Grundstück vorhandene Nebenerwerbsstelle so weitgehend umgebaut, daß ein etwaiger Bestandsschutz erloschen sei. Nach dem Bebauungsplan sei ein Pferdestall ausgeschlossen. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 könne nicht zugelassen werden, weil durch eine Befreiung die Gebietsausweisung nicht völlig verändert werden dürfe.

13

Der beigeladene Innenminister hält einen Pferdestall im allgemeinen Wohngebiet ebenfalls für unzulässig. Die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 lägen nicht vor. Im Gesetzgebungsverfahren hätten sich Bestrebungen, eine Befreiung nur von der Erhaltung der Grundzüge "der Planung abhängig zu machen, nicht durchgesetzt, weil damit der Bebauungsplan praktisch unterlaufen würde. Auch der Ansicht des Verwaltungsgerichts Schleswig im Urteil vom 8. August 1979 - 2 A 102/79 -, daß eine Befreiung aus städtebaulichen Gründen immer dann gerechtfertigt sei, wenn sich das Vorhaben im Sinne des § 34 BBauG in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, könne nicht gefolgt werden. Bebauungspläne sollten nicht selten die städtebauliche Entwicklung in eine vom vorhandenen Bestand abweichende Richtung lenken. Schon deshalb könne § 34 BBauG kein Maßstab für die Befreiung sein. Vielmehr müßten städtebauliche Gründe positiv vorliegen, damit sie eine Abweichung rechtfertigen könnten.

14

Die beigeladene Gemeinde unterstützt das Vorbringen des Klägers.

15

Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakten, die Bebauungsplanakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

16

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

17

Der Bebauungsplan Nr. 2, der das Grundstück des Klägers ebenso wie die nähere Umgebung als allgemeines Wohngebiet festsetzt, ist aus der am 9. Oktober 1975 bekanntgemachten ersten Änderung des Flächennutzungsplanes entwickelt und am 11. Dezember 1975 durch Aushang bekanntgemacht worden.

18

Die Umschreibung des Planbereichs mit "..." reicht aus, weil es sich dabei nach den Bekundungen des stellvertretenden Bürgermeisters in der mündlichen Verhandlung um eine in ... geläufige Flurbezeichnung handelt. Ob die Änderung der bebaubaren Flächen auf den Grundstücken nördlich und östlich vom Grundstück des Klägers aufgrund der Auflage Nr. 2 in der Genehmigung des Innenministers vom 4. September 1975 ohne Verfahren nach § 13 BBauG zulässig war, bedarf keiner weiteren Erörterung, weil diese Änderung das Grundstück des Klägers nicht betrifft und der Bebauungsplan ggf. auch ohne seinen nördlichen, im wesentlichen bebauten Bereich seinen Sinn behalten würde (vgl. zur teilweisen Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes: BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - IV C 69.70 - BRS 25 Nr. 163). Ob die Begründung des Bebauungsplanes ausreichende Darlegungen zur Festsetzung der Art der Nutzung enthält, bedarf im Hinblick auf § 155 b Abs. 1 Nr. 3 BBauG 1979, der nach § 183 f BBauG 1979 auch für Bebauungspläne gilt, die vor dem 1. August 1979 bekanntgemacht worden sind, keiner weiteren Erörterung.

19

Die vom Kläger vorgesehene Nutzung der Garage als Pferdestall ist nach § 4 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet unzulässig. Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen; ausnahmsweise können nach § 4 Abs. 3 Nr. 6 BauNVO in der hier maßgebenden Fassung von 1968 auch Ställe für Kleintierhaltung als Zubehör zu Kleinsiedlungen und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen zugelassen werden. Zu diesem Vorhaben gehört der Pferdestall aus zwei Gründen nicht; Ponys gehören - im Gegensatz zu Hühnern, Kaninchen, Schweinen, Ziegen und Schafen - nicht mehr zu den "Kleintieren" im Sinne dieser Bestimmung. Ponys sind zwar kleine Pferde, aber keine Kleintiere. Der Kläger unterhält darüber hinaus keine Kleinsiedlung oder landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle, sondern hält die Ponys als Hobby. Diese Hobbytierhaltung führt aber auch nicht zur Zulässigkeit des Pferdestalls als Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO. Nach § 14 BauNVO sind außer den in §§ 2 bis 13 genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Es kann offenbleiben, ob ein Stall für Hobbytierhaltung dem Nutzungszweck eines Grundstücks im Wohngebiet förderlich ist (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 4. Aufl. 1979, § 4 BauNVO TN 17; Förster, BauNVO, 3. Aufl. 1978, § 14 Anm. 2 c) und der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht; denn der vom Kläger errichtete Stall ist jedenfalls keine untergeordnete Nebenanlage mehr. Einem Stall mit einer Größe von 11,7 m × 8,7 m fehlt in einem Wohngebiet die "räumlich gegenständliche Unterordnung" (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1976 - IV C 6.75 -, BRS 30 Nr. 117 für eine Schwimmhalle von 10,5 m × 5,5 m Größe).

20

Eine Ausnahme sieht der Bebauungsplan nicht vor. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Befreiung liegen nicht vor. Nach § 31 Abs. 2 BBauG 1979, der nach § 183 b BBauG 1979 hier maßgebend ist, kann die Baugenehmigungsbehörde im Einzelfall im Einvernehmen mit der Gemeinde und mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde Befreiung erteilen, wenn

  1. 1.

    Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder

  2. 2.

    städtebauliche Gründe die Abweichung rechtfertigen und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden oder

  3. 3.

    die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde,

21

und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Durchführung des Bebauungsplanes nicht zu einer offenbar nicht beabsichtigten Harte führt (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BBauG 1979). Die Befreiung trägt der mit jeder Verallgemeinerung verbundenen Gefahr Rechnung, daß die Festsetzung eines Bebauungsplanes als Norm - in besonders gelagerten Fällen - Wirkungen zeitigt, die dem Ziel der Regelung nicht entsprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - IV C 69.70 -, BRS 25 Nr. 163; Urt. v. 09.06.1978 - 4 C 54.76 -, BRS 33 Nr. 150). Die Befreiung setzt daher in jedem Fall voraus, daß es sich um einen dem Schutzgut der Norm entzogenen Sonderfall handelt, weil eine Befreiung für den Regelfall sich gerade über die Interessenabwägung hinwegsetzten würde, die der maßgeblichen Festsetzung zugrundeliegt. Die Schwierigkeiten, die sich für die Ponyhaltung des Klägers aus der Unzulässigkeit eines Ponystalls ergeben, mögen eine Härte darstellen. Die Beschränkung der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks ist jedoch vom Bebauungsplan beabsichtigt: Nutzungswünsche eines Grundstückseigentümers begründen keine Besonderheit, die eine Abweichung von der Norm rechtfertigt, vielmehr können nur Besonderheiten bodenrechtlicher Art - wie die Lage und der Zuschnitt eines Grundstücks - zu der Annahme führen, daß ein Einzelfall dem Schutzgut der Norm entzogen ist.

22

Auch eine Befreiung aus städtebaulichen Gründen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des § 31 Abs. 2 und die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 8/2451 S. 23) lassen keinen Zweifel daran, daß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 einen Befreiungstatbestand darstellt und nicht ein Rechtsinstitut eigener Art, das Abweichungen vom Bebauungsplan unter grundsätzlich anderen Voraussetzungen als die Befreiung ermöglicht:

"Nr. 2 des Entwurfs trägt dem Umstand Rechnung, daß eine Befreiung nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig sein kann" (BT-Drucks. 8/2451 aaO)

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Als gegenüber § 31 Abs. 2 BBauG 1976 zusätzliche Befreiungsalternative setzt § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 daher - wie zu § 31 Abs. 2 Nr. 3 BBauG 1979 bereits dargelegt - voraus, daß ein in bodenrechtlicher Beziehung atypischer Sonderfall vorliegt. Die Atypik kennzeichnet der Gesetzgeber damit, daß städtebauliche Gründe die Abweichung rechtfertigen und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Gegenüber dem in § 31 Abs. 2 Nr. 1 BBauG 1979 verwendeten "erfordern" stellt "rechtfertigen" nach dem sprachlichen Gehalt geringere Anforderungen (vgl. Gelzer, Bauplanungsrecht, 3. Aufl. 1979 RdNr. 784 c). Berücksichtigt man freilich, daß das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 09.06.1978 aaO) das "Erfordern" im Sinne eines "vernünftigerweise Gebotensein" ausgelegt hat, bleibt die Frage, ob "rechtfertigen" im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 etwas grundsätzlich Anderes meint.

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Die Tatsache, daß es sich beim Bebauungsplan um Ortsrecht handelt, das auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung (§ 1 Abs. 3 BBauG 1979) des Gemeindegebietes ausgerichtet ist, dessen Abwägungsergebnis durch besondere verfahrensrechtliche Sicherung gewährleistet wird, verbietet es, die Voraussetzungen der Befreiung in einer Weise zu reduzieren, die auch die Geltungskraft des Bebauungsplanes relativieren würde. Das bestätigt auch die Begründung des Regierungsentwurfs (aaO), in der es heißt:

Diese Voraussetzungen (s.c. des § 31 Abs. 2 Nr. 2) ... berücksichtigen, daß eine Abweichung vom Bebauungsplan als Rechtssatz nur im Einzelfall und unter besonderen Voraussetzungen zulässig sein kann. ...

Eine weitergehende Änderung des § 31 Abs. 2 würde zu dem - rechtlich unhaltbaren - Ergebnis führen, daß ein Bebauungsplan nur insoweit gilt, wie seine Geltungskraft im Einzelfall noch gerechtfertigt wird. Damit würde der Bebauungsplan seine Lenkungsfunktion und seine Aufgabe, Schutz des berechtigten Vertrauens für die zu gewähren, die sich auf ihn verlassen haben, nicht mehr erfüllen können.

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Der Rang des Bebauungsplanes als Satzung verbietet es daher, eine Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplanes schon dann zuzulassen, wenn die erstrebte Abweichung gegenüber der Festsetzung eine lediglich gleichrangige städtebauliche Lösung darstellen würde. Dabei müssen alle diejenigen Lösungen als gleichrangig angesehen werden, die die Gemeinde im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit zulässigerweise zum Inhalt eines Bebauungsplanes hätte machen können. Würde die Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 lediglich voraussetzen, daß die erstrebte Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplanes auch zulässiger Inhalt eines Bebauungsplanes sein könnte, (so wohl Bielenberg/Dyong, Die Novellen zum BBauG, 3. Aufl. 1979, Rdn. 141 c), oder sich nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BBauG 1979 in die tatsächliche Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde (so VG Schleswig, Urteil vom 08.08.1979 - 2 A 102/79), würde die Grenze zur Planänderung völlig verwischt und der Rang des Bebauungsplanes als Rechtssatz mißachtet. Denn Festsetzungen eines Bebauungsplanes sind in aller Regel nicht in derartig eindeutiger Weise durch die Lage des Plangebietes und andere objektive Kriterien vorgezeichnet, daß nur eine einzige Festsetzung in Betracht käme. Eine Grundflächenzahl von 0,2 in einem allgemeinen Wohngebiet wird in der Regel eine städtebaulich zulässige Festsetzung sein, sicher aber nicht die einzig zulässige Festsetzung: auch eine GRZ von 0,25 oder 0,3 wird - jedenfalls bei einem Plan "auf der grünen Wiese" - in der Regel als Abwägungsergebnis nicht zu beanstanden sein. Käme es nur darauf an, daß die Abweichung von der Festsetzung des Bebauungsplanes zulässiger Inhalt eines Planes sein könnte, wäre schon in einem solchen Fall, in dem die Gemeinde auch eine andere Festsetzung hätte treffen können, eine Befreiung in Betracht zu ziehen. Auch der Zulässigkeitsmaßstab des § 34 Abs. 1 BBauG 1979, der für die weitere Voraussetzung des § 31 Abs. 2 Nr. 2, daß "die Grundzüge der Planung nicht berührt werden", gewisse Bedeutung hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.1978 aaO), rechtfertigt kein Abweichen von der Festsetzung eines Bebauungsplanes. Zutreffend weist der beigeladene Innenminister darauf hin, daß Bebauungspläne für bebaute Gebiete nicht selten gerade die städtebauliche Eigenart des Planbereichs ändern sollen, so daß in diesen Fällen eine Befreiung nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BBauG der Konzeption des Planes gerade zuwiderlaufen würde. Darüber hinaus kann ein Vorhaben, das sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde, eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes aus städtebaulichen Gründen auch deshalb nicht rechtfertigen, weil der Zulässigkeitsmaßstab des § 34 Abs. 1 BBauG damit den Plan "überlagern" würde. Damit würde das System des BBauG aus den Angeln gehoben, das dem Maßstab des Bebauungsplanes bei der Zulässigkeit von Vorhaben Vorrang vor dem Maßstab des § 34 BBauG einräumt. Dieser Vorrang des Bebauungsplanes kommt nicht nur in § 34 Abs. 1 BBauG selbst zum Ausdruck, der nur anwendbar ist, "sofern § 30 keine Anwendung findet", sondern ergibt sich vor allem aus der Funktion des Bebauungsplanes als dem Instrument zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebiets.

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Städtebauliche Gründe rechtfertigen eine Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplanes nach alledem erst, wenn aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles die konkrete Festsetzung gegenüber der erstrebten Abweichung nicht mehr als angemessenes Abwägungsergebnis erscheint. Welche Fallgestaltungen danach für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 in Betracht kommen, ob insbesondere diese Befreiungsalternative nur einen Unterfall der Befreiung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit (in der Auslegung des BVerwG im Urteil vom 09.06.1978 aaO) darstellt, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, denn die einen Ponystall ausschließende Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets im Bebauungsplan Nr. 2 der Beigeladenen erscheint durchaus angemessen. Wie die zwischenzeitliche Bebauung zeigt, entspricht die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets am Rande von ... einem Bedürfnis. Die Festsetzung des Grundstücks des Klägers als Kleinsiedlungs- oder Dorfgebiet, in denen der Pferdestall zulässig wäre, erscheint angesichts des großzügigen Landhauses des Klägers geradezu als ausgeschlossen, mindestens aber drängt sich eine derartige Festsetzung nicht auf.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

28

Der Senat läßt die Revision zu, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BBauG 1979 zulässig ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Streitwertbeschluss:

Beschluß

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 3.000,00 DM festgesetzt.

Schilling Schmaltz Petter

Schilling Schmaltz Petter