Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 25.06.2007, Az.: 2 B 820/07

Anordnungsanspruch; Eigentümer; einstweiligen Anordnung; Geschäftsordnung; Gremium; Kopfstimmrecht; Mieter; Miteigentümer; Mitglied; Objektstimmrecht; Soziale Stadt; Stadtteilforum; Vollmacht; Wohnanlage; Wohnung; Zusammensetzung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
25.06.2007
Aktenzeichen
2 B 820/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 71695
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die für den 27. Juni 2007 anberaumte Versammlung des Stadtteilforums "A. " zu verschieben, weil nicht geklärt sei, ob für die Eigentümer das sogenannte "Objektstimmrecht" oder das "Kopfstimmrecht" gelte, hat keinen Erfolg.

2

Gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

3

Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Entgegen der Annahme des Antragstellers bedarf es vor der für den 27. Juni 2007 angesetzten Versammlung des Stadtteilforums einer Klärung des Wahlmodus und der Stimmenanrechnung der vertretenen Eigentümer nicht. Hierzu liegen eindeutige Regelungen vor.

4

Die Geschäftsordnung des im Rahmen des Sanierungsprojektes "Soziale Stadt" der Antragsgegnerin (vgl. § 171e BauGB) gegründeten Stadtteilforums legt unter I. 1. (Mitglieder) fest, aus welchen Mitgliedern sich das Stadtteilforum zusammensetzt. Hierzu gehören u.a. Bürger und Bürgerinnen des B.. Ziffer 3. bestimmt, dass jeder Bürger Mitglied werden kann, wenn er dies schriftlich erklärt.

5

Ergänzend wird unter Ziffer 4 bestimmt, wie zu verfahren ist, wenn die Zusammensetzung weiterer Gremien festgelegt wird. Danach gilt grundsätzlich, dass die Mieter, die Eigentümer und die Funktionsträger mit je einem Vertreter in der Lenkungsgruppe vertreten sein sollen. Diese werden - innerhalb der jeweiligen Gruppe - durch geheime Wahl bestimmt. Am Ende heißt es schließlich, dass anwesende Eigentümer so viele Stimmen haben, wie sie Vollmachten der Miteigentümer vorlegen können. Damit ist die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage, ob für die Eigentümer das sogenannte "Objektstimmrecht" oder das "Kopfstimmrecht" gilt, eindeutig zu Gunsten des letzteren entschieden. Jeder Eigentümer hat danach 1 Stimme, und zwar unabhängig von der Größe seiner Eigentumsanteile. Mangels anderweitiger Regelung gilt dies offensichtlich auch für Miteigentümer. Auch die Miteigentümer einer einzelnen Wohnung haben jeweils 1 Stimme. Eigentümer sind zudem berechtigt, andere Eigentümer zur Stimmabgabe schriftlich zu bevollmächtigen.

6

Aus der Anwendbarkeit des Kopfstimmrechts folgt zugleich, dass Herr C. und Frau D. den Antragsteller rechtswirksam auch nur zur Abgabe jeweils einer Stimme bevollmächtigen konnten. Mehr Stimmen stehen diesen Personen, auch wenn sie Eigentümer mehrerer Wohnungen sind, nicht zur Verfügung. Die darüber hinausgehenden Vollmachten (zur Gerichtsakte wurden in Kopie 6 weitere Vollmachten von Herrn E. und 4 weitere von Frau F. vorgelegt) sind unwirksam. Nach gegenwärtigem Stand könnte der Kläger in der Sitzung vom 27. Juni 2007 demnach 3 Stimmen - nicht 13 - abgeben, seine eigene und je eine für Herrn E. und Frau F..

7

Die Anwendung des sog. "Kopfstimmrechts" begegnet grundsätzlichen Bedenken nicht. Insbesondere lässt sich hiergegen nicht mit Erfolg anführen, dass in der Wohnanlage, in der der Antragsteller wohnt, das sog. "Objektstimmrecht" in zulässiger Abweichung von § 25 Wohnungseigentumsgesetz - WEG - (vgl. zur Abdingbarkeit des Kopfstimmrechts: Bärmann/Pick, WEG, 17. Aufl. 2006, § 25, Rdnr. 8 ff) gilt. Der Gesetzgeber hat zwar in §§ 171e Abs. 4 und 5, 137 BauGB festgelegt, dass die Betroffenen bei der Aufstellung des Sanierungskonzeptes "Soziale Stadt" mitwirken und eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden soll; er überlässt die Einzelheiten gleichwohl der Regelung durch die Gemeinde und die Betroffenen.

8

Dass der Antragsteller selbst der Änderung der Geschäftsordnung, die zur Einführung der Regelungen der Wahl der Eigentümervertreter geführt hat, nicht zugestimmt hat, ist unbeachtlich. Offensichtlich ist eine korrekte Mehrheitsentscheidung zustande gekommen.

9

Danach war der Eilrechtsschutzantrag abzulehnen.