Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 25.06.1999, Az.: 11 Ca 518/98

Entschädigungsanspruchs aufgrund Benachteiligung wegen des Geschlechts bei Bewerbung; Pflicht eine Stellenanzeige geschlechtsneutral zu formulieren; Vorliegen einer objektiven Eignung des Bewerbers

Bibliographie

Gericht
ArbG Hannover
Datum
25.06.1999
Aktenzeichen
11 Ca 518/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 10026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGHAN:1999:0625.11CA518.98.0A

Fundstellen

  • FA 1999, 325
  • FAr 1999, 325

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 25.06.1999
durch
die Richterin ... als Vorsitzende und
die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.125,00 DM nebst 4 % Zinsen jährlich auf 4.125,00 DM seit dem 09.10.1998 zu zahlen.

  2. 2.

    Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 12.375,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen seines Geschlechts bei einer Bewerbung zusteht.

2

Der am 18.05.1965 geborene Kläger schloß 1985 die Ausbildung zum Funkelektroniker und 1990 darüber hinaus zum Techniker erfolgreich ab. Er arbeitete sodann 8 Monate als Personaldisponent in einem Unternehmen für Zeitarbeit und 14 Monate als Leiter einer Niederlassung eines solchen Unternehmens. Im Anschluß daran gründete und führte er selbst für 3 1/2 Jahre eine Zeitarbeitsfirma. Von April 1998 bis Mai 199 befand er sich im Rahmen eines Abendschuldlehrgangs in der Ausbildung zum Personalfachkaufmann IHK, die erfolgreich abschloß.

3

Unter dem 06.06.1998 schaltete die Beklagte in der örtlichen Tagespresse eine Stellenanzeige, mit der sie eine Assistentin des Personalleiters mit den Aufgabenschwerpunkten selbständige Sachbearbeitung und Erledigung aller Sekretariatsaufgaben suchte. In der Annonce ist das Anforderungsprofil weiterhin wie folgt beschrieben:

Wollen Sie Ihre Erfahrungen aus dem Personalwesen (mindestens drei Jahre nach abgeschlossener Ausbildung zur Industriekauffrau o.ä.) gezielt ergänzen und vertiefen? Sind Sie initiativ und aufgeschlossen für Teamarbeit? Wenn Sie Personalarbeit als Service verstehen, außerdem über gute englische Sprachkenntnisse verfügen und MS-Office beherrschen, passen Sie gut zu uns.

4

Für die detaillierte Beschreibung der Aufgaben des Stelleninhabers wird auf die Funktions-Beschreibung, die die Beklagte verwaltungsintern erarbeitet hat, die jedoch den Bewerbern nicht bekannt war, ausdrücklich Bezug genommen (Bl. 58 f. d.A.). Die Vergütung des Stelleninhabers erfolgt nach Tarifgruppe 4 des Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die niedersächsische Metallindustrie (1998: 4.125,00 DM brutto/Monat).

5

Mit Schreiben vom 08.06.1998, auf dessen Inhalt ausdrücklich Bezug genommen wird (Bl. 6 d.A.), bewarb sich der Kläger auf die ausgeschriebene Stelle. Er fügte der Bewerbung einen Lebenslauf und verschiedene Ausbildungszeugnisse bei. Ob der Kläger auch zwei Bescheinigungen über die Teilnahme an einem Seminar über Sozialversicherung und an einem Training für Fach- und Führungskräfte beifügte und welche genaue Form die Bewerbung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

6

Mit Schreiben vom 22.06.1998 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage. Unter dem 30.06.1998 machte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten daraufhin einen Schadensersatzanspruch wegen der Benachteiligung im Bewerbungsverfahren geltend. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin zu einem Vorstellungsgespräch auf, das am 07.07.1998 stattfand. Die Parteien stellten in dem Gespräch fest, daß der Kläger nicht über gute englische Sprachkenntnisse verfügte. Er konnte weder nach Phono-Diktat arbeiten, noch blind Schreibmaschine schreiben oder den PC bedienen.

7

Nach dem Vorstellungsgespräch bot die Beklagte dem Kläger den Arbeitsplatz nicht an. Seit dem 01.08.1998 ist der Kläger bei einem anderen Unternehmen im Bereich des Personalwesens beschäftigt.

8

Mit seiner Klage vom 28. September 1998 vertritt der Kläger die Ansicht, die Beklagte habe ihn bei der Bewerbung wegen seines Geschlechts benachteiligt. Dies ergebe sich schon daraus, daß die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert worden sei. Er behauptet, er sei für die ausgeschriebene Position objektiv geeignet. Hinsichtlich der Höhe des Entschädigungsanspruchs hält er drei Monatsverdienste des Inhabers der ausgeschriebenen Stelle für angemessen.

9

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.375,00 DM nebst 4 % Zinsen jährlich auf 12.375,00 DM ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie behauptet, der Kläger sei schon objektiv für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz nicht geeignet gewesen. Die Kenntnisse im Englischen und bei der Bedienung des PC's bzw. einer Schreibmaschine seien für die Position des Assistenten der Personalleiterin nicht ausreichend. Darüber hinaus habe sich der Kläger auch nicht ernsthaft beworben, sondern lediglich den Formfehler der Beklagten bei der Ausschreibung ausnutzen wollen, um eine Entschädigung zu verlangen. Als Indizien führt die Beklagte hierzu an, daß die Bewerbung bei ihr die einzige Bewerbung des Klägers im Juni 1998 gewesen sei. Darüber hinaus sei die Form der Bewerbung wenig professionell gewesen, so daß sie Rückschlüsse auf eine gewisse Gleichgültigkeit zuließe.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 16.10.1998, 12.03. und 25.06.1999 Bezug genommen.

Gründe

13

Die zulässige Klage ist lediglich in Höhe eines Entschädigungsanspruchs von 4.125,00 DM begründet.

14

I.

Dem Grunde nach steht dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung gegen die Beklagte gemäß § 611 a Abs. 1 BGB zu. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Für einen Anspruch auf Entschädigung nach Absatz 2 oder 3 dieser Vorschrift muß zunächst der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Sodann trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, daß nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist (§ 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB).

15

Der Kläger hat hier Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte die Position lediglich für weibliche Bewerber ausgeschrieben hat, indem sie in der Stellenannonce eine Assistentin des Personalleiters suchte. Diese nicht geschlechtsneutrale Ausschreibung verstößt gegen § 611 b BGB und läßt die Vermutung zu, daß ein männlicher Bewerber wegen seines Geschlechts benachteiligt wird (vgl. auch Worzalla DB 1994, 2446, 2449).

16

Zu ihrer Entlastung hat die Beklagte nicht dargelegt, daß die vermutete unterschiedliche Behandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist. Sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung liegen dann vor, wenn entweder der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle nicht geeignet ist - denn dann liegt keine Benachteiligung vor - oder sich der Bewerber nicht subjektiv ernsthaft um die Stelle beworben, sondern von vornherein die Zahlung einer Entschädigung angestrebt hat, denn in diesem Fall wäre die Bewerbung rechtsmißbräuchlich (BAG DB 1999, 384 ff.).

17

1.

Entgegen der Behauptung der Beklagten ist der Kläger objektiv für die Stelle des Assistenten der Personalleiterin geeignet. Die objektive Eignung liegt dann vor, wenn ein verständiger Arbeitgeber vor dem Hintergrund des Anforderungsprofils an die zu besetzende Stelle die Bewerbung des Arbeitnehmers ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Dafür ist nicht Voraussetzung, daß der Bewerber über jede geforderte Qualifikation voll und ganz verfügt. Die Bewertung der objektiven Eignung eines Bewerbers hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der nachzuweisenden Qualifikation des Bewerbers, von den in der Ausschreibung aufgeführten Anforderungen und vom Verhalten des Arbeitgebers. Lädt der Arbeitgeber den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch, so macht er hierdurch in der Regel deutlich, daß er die Möglichkeit sieht, daß der Bewerber die Position ausfüllen könne. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch ist somit ein Indiz für die objektive Eignung des Bewerbers. Dieser Anhaltspunkt liegt auch im vorliegenden Fall vor.

18

Auch von der Qualifikation des Klägers her bestehen keine Zweifel an der objektiven Eignung. Mit dem Abschluß der Ausbildung zum Bürokaufmann ist regelmäßig davon auszugehen, daß der Kläger anfallende Sekretariatsaufgaben bewältigen kann. Daß er sich im Maschineschreiben noch in der Übungsphase befindet, ändert hieran nichts. Es macht lediglich deutlich, daß er subjektiv für die ausgeschriebene Position nicht geeignet ist, die objektive Eignung besteht jedoch.

19

Gleiches gilt für die Erfahrungen und Kenntnisse des Klägers auf dem Gebiet des Personalwesens. Seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet kann er durch seine über 5-jährige Tätigkeit im Personalwesen einer Zeitarbeitsfirma nachweisen. Daß er nicht auf allen Gebieten, wie z. B. in bezug auf das Steuer- und Versicherungsrecht, ausreichende Kenntnisse hat, ändert an der objektiven Eignung nichts.

20

Für die zu besetzende Stelle kam der Kläger somit als Bewerber in Betracht.

21

2.

Seine Bewerbung muß auch als subjektiv ernsthaft bewertet werden. Selbst wenn seine Bewerbung nicht besonders professionell gewesen sein sollte, so ist die gewählte Form nicht ungewöhnlich. Sie enthält mit dem Bewerbungsschreiben, dem Lebenslauf und den wichtigsten Zeugnissen die notwendigen Unterlagen. Eine besondere Nachlässigkeit bei der Bewerbung ist nicht ersichtlich. Schon das Bewerbungsschreiben ist der Form nach ansprechend und bezieht sich konkret auf die Stellenanzeige. Darüber hinaus ist als Indiz für die Ernsthaftigkeit der Bewerbung der neue Arbeitsplatz des Klägers zu berücksichtigen. Ca. zwei Monate nach der Bewerbung der Beklagten hat er einen Arbeitsplatz bei einem anderen Unternehmen angetreten, der auch im Bereich des Personalwesens angesiedelt ist.

22

II.

Der danach bestehende Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung ist jedoch nur in Höhe von einem Monatsverdienst des Inhabers der ausgeschriebenen Stelle begründet. Die vom Kläger verlangten drei Gehälter sind nicht angemessen. Gemäß § 611 a Abs. 3 BGB hat der Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten zu leisten, wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden. So liegt es hier. Daß der Kläger der bestgeeignete Bewerber war, hat er selbst nicht behauptet.

23

Bei der Bemessung der Entschädigung ist Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu beachten. Wäre der Bewerber wegen seiner Qualifikation auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, so hat er keine wirtschaftlichen Nachteile aufgrund der Absage des Arbeitgebers. Der Gesetzgeber sieht daher lediglich eine Sanktion des rechtswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers vor. Bei der Höhe der Entschädigung kann somit ein wirtschaftlicher Nachteil für den Bewerber kein maßgebendes Indiz sein. Vielmehr muß auf das Maß der Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Arbeitgebers abgestellt werden. Je mehr in dem Verhalten des Arbeitgebers eine systematische Diskriminierung zu erkennen ist und auch die äußeren Umstände der Diskriminierung verletzend sind, desto eher ist das Gericht deshalb gehalten, den Höchstbetrag der Entschädigung festzusetzen. Dagegen muß sich das Gericht bei geringfügigen Verletzungen, insbesondere wenn es an der subjektiven Eignung des Bewerbers fehlt, der unteren Grenze annähern (vgl. Zwanziger DB 1998, 1330, 1331).

24

Im vorliegenden Fall war die Festsetzung eines Monatsverdienstes des Inhabers der ausgeschriebenen Stelle angemessen. Die Höchstgrenze war nicht auszuschöpfen. Es liegt keine persönliche Verletzung des Klägers, wie beispielsweise eine Beleidigung oder ehrkränkende Äußerung, vor. Lediglich ein Drittel des Höchstsatzes ist angemessen, weil unstreitig ist, daß der Kläger subjektiv für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet war. Es fehlten ihm ausreichende Englischkenntnisse und Fähigkeiten in bezug auf das Bedienen der Schreibmaschine oder des PC?s. Hätte die Beklagte den Kläger eingestellt, so hätte sie vermutlich schnell versucht, das Arbeitsverhältnis wieder zu beenden. Da der von der Beklagten eingereichte Arbeitsvertrag mit dem eingestellten Bewerber eine Probezeit vorsieht und die Kündigungsfrist während der Probezeit gemäß § 2 Abs. 2 Unterabs. 1 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Manteltarifvertrages für die Beschäftigten in der niedersächsischen Metallindustrie vier Wochen beträgt, entspricht die Festsetzung auf 1 Monatsverdienst dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift.

25

III.

Die gemäß § 611 a Abs. 4 BGB zu beachtende Frist für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruches von 2 Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerbung hat der Kläger schon durch das Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 30.06.1998 eingehalten.

26

IV.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, da der Kläger der Höhe nach zu 2/3 unterliegt.

27

Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO auf den Nennbetrag der Zahlungsforderung festzusetzen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 12.375,00 DM festgesetzt.