Arbeitsgericht Nienburg
Urt. v. 23.01.2002, Az.: 1 Ca 603/01
Änderung des Arbeitsvertrages ; Arbeitszeit und Verteilung der Arbeitszeit ; Befristung der Verringerung der Arbeitszeit ; Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ; Grundrecht der freien Unternehmerentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Nienburg
- Datum
- 23.01.2002
- Aktenzeichen
- 1 Ca 603/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 10424
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGNIE:2002:0123.1CA603.01.0A
Rechtsgrundlage
- § 81 TzBfG
Fundstellen
- NZA 2002, 382-385 (Volltext mit red. LS)
- schnellbrief 2002, 2
Redaktioneller Leitsatz
Ein verspätet erhobener Anspruch gem. § 8 II 1 TzBfG ist nicht unwirksam. Der gesetzmäßige hypothetische Arbeitnehmerwille ist zu berücksichtigen, wenn er eindeutig und für den Arbeitgeber erkennbar ist. Eine Befristung der Verringerung der Arbeitszeit sieht das Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht vor. Es handelt sich dabei nicht um eine Regelungslücke. Ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit ist dann nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber betriebliche Gründe darlegt, die den Wünschen des Arbeitnehmers entgegenstehen. Dabei trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines betrieblichen Grundes. Die Zurückweisung des Teilzeitwunsches ist dem Arbeitgeber nicht nur dann einzuräumen, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung oder unverhältnismäßige Kosten im Sinn von § 8 IV 2 TzBfG zu besorgen wären.
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Der Streitwert wird auf 8.282,93 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verringerung und Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers.
Der Kläger ist am 29.01.1963 geboren, verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Er ist ausgebildeter Landmaschinenmechaniker. Bei der Beklagten ist er in deren Betrieb in Bassum seit 1991 als Gruppenleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von - nach seinen eigenen Angaben - 2.760,98 Euro (5.400,00 DM) beschäftigt.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine gemeinnützige Einrichtung, die anerkannte Werkstätten für Behinderte unterhält. Die Beklagte beschäftigt 280 Arbeitnehmer und betreut in etwa 930 behinderte Menschen.
Der Kläger betreut eine Gruppe von zwölf körperlich und geistig behinderten Menschen in der Lampenproduktion, die in der Montage beschäftigt sind. Es gibt in demselben Raum eine weitere Montagegruppe von zwölf Personen, um die sich ein weiterer Gruppenleiter kümmert. Zudem ist ein Zivildienstleistender hier eingesetzt. Gruppenbesprechungen führen beide Leiter gemeinschaftlich mit allen 24 behinderten Menschen durch. Sofern ein Gruppenleiter ortsabwesend ist, wenden sich die von ihm betreuten Personen in der Regel an den anderen Leiter. Eine weitere Gruppe von vierzehn Menschen führt Verpackungsarbeiten durch, betreut von zwei halbtags beschäftigten, wöchentlich abwechselnden Gruppenleitern.
In der Lampenproduktion vertreten sich die Gruppenleiter gegenseitig, sofern ein Leiter erkrankt, außerhalb der 21 Tage der Betriebsschließung die zehn verbleibenden Urlaubstage nimmt, an Fortbildungen, Universitätsveranstaltungen oder Betriebsratssitzungen teilnimmt.
Für Gruppenleiter wird eine pädagogischen Zusatzausbildung gefordert, die sich über 1,5 Jahre mit 540 Stunden erstreckt. Während dieser Zeit stellt die jeweilige Betriebsleitung entsprechende Vertretungen sicher.
Die Beklagte stellte eine Pflegedienstmitarbeiterin für die Dauer von zwei Jahren dienstags und donnerstags von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung frei, um an einer Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Mitarbeiter im Pflegedienst setzt die Beklagte werkstattübergreifend ein.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 13.08.2001 eine Reduzierung der Arbeitszeit um wöchentlich 6,5 Stunden, und zwar ab 01.10.2001, befristet auf ein Jahr. Dabei begehrte er, die verbleibende Arbeitszeit auf montags bis donnerstags zu legen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2001 ab.
Das Arbeitsamt Syke teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10.10.2001 mit, dass keine Kraft gemeldet ist, die passgenau auf die beschriebene Stelle vermittelt werden könne. Die Beklagte bat die Universitäten Bremen und Oldenburg am 19.11.2001, die zugeschickten Stellenanzeigen auszuhängen. Eine Bewerbung erfolgte daraufhin nicht. Der ehemals als Zivildienstleistender für fünfzehn Monate bei der Beklagten tätige Student der Produktionstechnik, Herr Meyer, ist bereit, die Tätigkeit des Klägers freitags zu übernehmen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Reduzierung der Arbeitszeit sei keine wesentliche Beeinträchtigung für die Beklagte. Er behauptet, während seiner Abwesenheit seien die zu betreuenden Personen durch die beiden weiteren Gruppenleiter und den Zivildienstleistenden hinreichend beaufsichtigt. Es sei möglich, eine Ersatzkraft zu finden. Die Beklagte habe bei der Stellenanzeige für die Universitäten unnötig hohe Qualifikationen verlangt.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, einer Verringerung der Arbeitszeit des Klägers von 38,5 auf 32 Stunden wöchentlich zuzustimmen und zwar mit der Maßgabe, daß der Kläger freitags nicht mehr arbeiten muss.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Eigenart der Beschäftigung der behinderten Menschen in der Lampenproduktion und die ideelle Verpflichtung diesen Menschen gegenüber erfordere die gleichzeitige Anwesenheit von drei Gruppenleitern. Eine pädagogisch sinnvolle Betreuung und Anleitung der Behinderten sei nur bei einer durchgängigen Betreuung von montags bis freitags möglich. Denn die Gruppenleiter müssen zu jedem behinderten Menschen eine besondere Beziehung aufbauen, dies sei nur nach längerer Einarbeitungszeit möglich. Es könne den zwölf vom Kläger betreuten behinderten Menschen nicht zugemutet werden, sich jeden Freitag an eine fremde Person zu wenden, zu der sie kein Vertrauen finden können; Resignation der behinderten Menschen stehe zu befürchten. Eine solche Situation widerspreche auch dem Selbstverständnis der Beklagten als anerkannte Werkstatt für Behinderte. Es sei unmöglich, eine qualifizierte Fachkraft nicht nur in Teilzeit, sondern insbesondere an Freitagen für sechs Stunden und darüber hinaus befristet für ein Jahr einzustellen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen.
1)
Der Klagantrag ist zulässig. Der Kläger begehrt die Änderung des Arbeitsvertrages hinsichtlich Arbeitszeit und Verteilung der Arbeitszeit für die Zukunft. Mit der Leistungsklage auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung der Beklagten - auf Annahme des Angebots zur Vertragsänderung - hat er die zutreffende Verfahrensart gewählt (ArbG Mönchengladbach, 30.05.2001, 5 Ca 1157/01; ArbG Stuttgart, 05.07.2001, 21 Ca 2762/01).
Der Antrag ist gem. § 253 ZPO hinreichend konkret gefasst. Sowohl hinsichtlich der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit als auch der konkreten Verteilung auf die Wochentage ist die von der Beklagten abzugebende Willenserklärung hinreichend bestimmt.
2)
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zu der von ihm gewünschten Verringerung der Arbeitszeit von bislang wöchentlich 38,5 auf künftig 32 Wochenstunden gem. § 8 I, IV 1 TzBfG.
a)
Die allgemeinen Voraussetzungen sind gegeben. Das Arbeitsverhältnis bestand länger als sechs Monate (§ 81 TzBfG) und die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als fünfzehn Arbeitnehmer (§ 8 VII TzBfG).
b)
Unerheblich ist nach Ansicht der Kammer, dass der Kläger den Antrag entgegen § 8 II 1 TzBfG nicht drei Monate vor deren begehrten Beginn zum 01.10.2001 geltend gemacht hat, sondern erst am 13.08.2001. Ein verspätet erhobener Anspruch ist nicht unwirksam.
Zwar wird zum einen die Auffassung vertreten, der Antrag sei in diesem Fall unbeachtlich und der Arbeitnehmer müsse einen neuen Antrag stellen; zum anderen wird die Ansicht vertreten, der Antrag sei falsch, mit der Folge, daß der Arbeitnehmer ihn erst nach der zweijährigen Sperre des § 8 VI TzBfG neu stellen könne. Denn die Dreimonatsfrist stehe gleichrangig neben den anderen materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 8 TzBfG (Straub, Erste Erfahrungen mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, in: NZA 2001, 919).
Aber bereits die fehlende Normierung einer Schriftform des Antrages zeigt, dass dem Wunsch des Arbeitnehmers möglichst weitgehend Geltung verschafft werden soll (Hanau, Offene Fragen zum Teilzeitgesetz, in: NZA 2001, 1168). Dem widerspricht es, bei Nichteinhaltung der Frist eine Anspruchsvoraussetzung zu negieren. Vielmehr ist der gesetzmäßige hypothetische Arbeitnehmerwille zu berücksichtigen, wenn er eindeutig und für den Arbeitgeber erkennbar ist. Vorliegend macht der Kläger seinen Antrag schriftlich hinreichend spezifiziert hinsichtlich Dauer und Verteilung der Arbeitszeit geltend. Sofern er den beabsichtigten Beginn zu früh datiert, lässt sich dem konkreten Begehren jedoch entnehmen, dass zumindest nach Ablauf der drei Monate des § 8 II 1 TzBfG diese Wünsche umgesetzt werden sollen. Die Dreimonatsfrist ist vom Tag des Zugangs des Verlangens des Klägers an nach Maßgabe der §§ 187 I, 188 II BGB zu berechnen (Rolfs, Das neue Recht der Teilzeitarbeit, in: RdA 2001, 134). Dies geht auch konform mit Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach dem Arbeitgeber genügend Zeit eingeräumt werden soll, sich auf die begehrte Veränderung vorzubereiten und diese zu organisieren. Der Antrag ist gem. § 140 BGB dahingehend umzudeuten, dass die Arbeitszeit zum nächstzulässigen Zeitpunkt verringert wird.
c)
Der Antrag ist unbegründet, da der Kläger eine auf ein Jahr befristete Herabsenkung der wöchentlichen Arbeitszeit verlangt.
Eine Befristung der Verringerung der Arbeitszeit sieht das Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht vor. Es handelt sich um keine Regelungslücke, da dem Gesetzgeber die Problematik bekannt ist, wie § 15 VI BErzGG zeigt: Während der Gesamtdauer der Elternzeit ist zweimal eine Verringerung möglich, jeweils mindestens für die Dauer von drei Monaten. Infolge des Fehlens der Regelung einer befristeten Verkürzung im TzBfG ist im Umkehrschluss zu folgern, dass diese nicht möglich ist. Auch in Anbetracht des nicht unerheblichen organisatorischen Mehraufwandes, den eine befristete gegenüber einer unbefristeten Verkürzung für den Arbeitgeber bedeutet, und dem damit verbundenen Eingriff in unternehmerische Dispositionen, bedarf es für diesen Anspruch einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz.
Eine Umdeutung des Antrages dahingehend, dass der Kläger ihn im Zweifel auch als unbefristeten Verringerungsantrag stellen möchte, kommt nicht in Betracht. Die Kammer kann nicht erkennen, dass dies dem hypothetischen Arbeitnehmerwillen entspricht. Schließlich ist mit der Verkürzung der Arbeitszeit auch eine entsprechende Reduzierung des Gehalts verbunden und es erscheint naheliegend, dass der Kläger ausschließlich eine Verringerung der Arbeitszeit und die damit verbundenen finanziellen Einbußen nur für ein Jahr begehrt.
d)
Selbst bei unbefristeter Antragstellung wäre die Klage unbegründet. Der Verringerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 32 Stunden pro Woche stehen betriebliche Gründe im Sinn des § 8 IV 1 TzBfG entgegen.
Ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit ist dann nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber gem. § 8 IV 1 TzBfG betriebliche Gründe darlegt, die den Wünschen des Arbeitnehmers entgegenstehen. Dabei trät der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines betrieblichen Grundes (ArbG, a.a.o.; Kliemt, Der neue Teilzeitanspruch, in: NZA 20901, 63; Grobys/Bram, Die prozessuale Durchsetzung des Teilzeitanspruchs, in: NZA 2001, 1175). In Abänderung zum Referentenentwurf zu § 8 TzBfG sind jedoch keine entgegenstehenden "dringenden" betrieblichen Gründe für die Verweigerung der begehrten Vertragsänderung erforderlich. Vielmehr sollen nach der Gesetzesbegründung rationale und nachvollziehbare Gründe vorliegen. Es sind geringere Anforderungen an die Ablehnung zu stellen als in den Fällen, in denen das Gesetz dringende betriebliche Gründe fordert (ArbG Stuttgart, a.a.o.).
Ausreichend ist, wenn der Arbeitgeber nachvollziehbar ein vernünftiges unternehmerisches Konzept darlegt, das der Verringerung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers widerspricht. Betriebliche Gründe im Sinn des § 8 IV 1 TzBfG setzen voraus, dass der Arbeitgeber ein nachvollziehbares, mit betriebswirtschaftlichen, unternehmenspolitischen und/oder betriebsorganisatorischen Gründen untermauertes und in sich schlüssiges Konzept darlegen kann (Straub, a.a.o.).
Soweit darauf abgestellt wird, die begehrte Arbeitsverkürzung müsse eine wesentliche Beeinträchtigung der betrieblichen Organisation zur Folge haben und der Arbeitgeber müsse zumutbare Anstrengungen unternehmen und von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen (ArbG Stuttgart, a.a.o.; ArbG Bonn, 20.06.2001, 2 Ca 1414/01), folgt die Kammer dem nicht. Die Zurückweisung des Teilzeitwunsches ist dem Arbeitgeber nicht nur dann einzuräumen, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung oder unverhältnismäßige Kosten im Sinn von § 8 IV 2 TzBfG zu besorgen wären.
Damit würde das Verhältnis der Grundregel des § 8 IV 1 TzBfG, die lediglich entgegenstehende betriebliche Gründe fordert, zu den vier anschließenden beispielhaft genannten Versagungsgründen verkannt. Die Systematik des Gesetzes besagt nur, dass die Versagung jedenfalls auf einen der vier gesetzlichen Gründe gestützt werden kann. Vom Grundtatbestand des § 8 IV TzBfG wird ein solches Gewicht der betrieblichen Gründe nicht verlangt.
Dies entspricht der Gesetzesbegründung, die jede rationale und nachvollziehbare Argumentation des Arbeitgebers als ausreichend ansieht (Rolfs, a.a.o.).
Der Teilzeitanspruch ist verfassungskonform zu interpretieren. Er muss sich in das arbeitgeberseitig vorgegebene Organisationskonzept einfügen. Das in Art. 14 GG normierte Grundrecht der freien Unternehmerentscheidung ist zu brachten (Kliemt, a.a.o.; Straub, a.a.o.).
Die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers dürfen nicht zu hoch geschraubt werden, da das Gesetz keine dringenden betrieblichen Gründe verlangt (Rieble/Gutzeit, Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG und Arbeitszeitmitbestimmung, in: NZA 2002, 7).
Die Beklagte legt nachvollziehbar ein organisatorisches Konzept vor, dass der Verkürzung der Arbeitszeit des Klägers von 38,5 auf 32 Stunden pro Woche entgegensteht.
Betriebliche Gründe können auch aus pädagogischen Gesichtspunkten herrühren. Berufsspezifische Anforderungen an die Dauer der Präsenz am Arbeitsplatz und/oder die Zahl derjenigen Personen, auf welche dieselben Tätigkeit aufgeteilt werden kann, können rationale und nachvollziehbare Gründe sein, die einer Verkürzung der Arbeitszeit entgegenstehen (ArbG Bonn, a.a.o.).
Die Beklagte organisiert die Betreuung der behinderten Menschen in der Lampenproduktion derart, dass nach Möglichkeit die gleichzeitige Anwesenheit von drei Gruppenleitern gewährleistet ist. Dies setzt voraus, dass der Kläger während der gesamten 38,5 Stunden, die pro Woche in der Lampenproduktion in der Montagegruppe gearbeitet werden, anwesend ist.
Dieses unternehmerische Konzept ist nachvollziehbar. Die Beklagte begründet es. Dieser Begründung vermag die Kammer ohne Einschränkung zu folgen: Gruppenleiter bauen zu den von ihnen betreuten Personen wichtige Beziehungen auf. Er ist verlässlicher und pädagogisch geschulter Partner, der nicht beliebig zu ersetzen oder austauschbar ist. Erst die langjährige Kenntnis über den Beschäftigten ermöglicht eine angemessene Betreuung, die in vielfältigen Problemlagen und Schwierigkeiten im Arbeitsalltag des Beschäftigten auf seine Bedürfnisse, Wünsche, Krisen und Unsicherheiten reagieren kann. Kenntnisse und Wissen über die geistigen und motorischen Einschränkungen des Behinderten, seine Fähigkeiten, Arbeitsprozesse zu übersehen und ihn nach seinem individuellen Bedarf zu unterstützen, kann sich eine Vertretung für wenige Stunden die Woche nicht ausreichend aneignen. Arbeit mit behinderten Menschen ist hauptsächlich Beziehungsarbeit. Es kann den behinderten Menschen in der Lampenproduktion nicht zugemutet werden, sich für einige Stunden die Wochen an fremde Personen zu wenden, zu der sie noch kein Vertrauen haben - resignative Reaktionen stünden zu befürchten. Auch wenn beide Gruppenleiter die Besprechungen mit sämtlichen 24 behinderten Beschäftigten in der Montage der Lampenproduktion durchführen, ist doch jeweils ein Leiter Bezugsperson für die von ihm betreuten zwölf Personen und Stütze des einzelnen Beschäftigten im Arbeitsalltag.
Darüber hinaus untermauern betriebswirtschaftliche Erwägungen der Beklagten ihr Bestreben, permanent mit den drei gleichen Gruppenleitern in der Lampenproduktion zu arbeiten. Sie befürchtet andernfalls den Verlust der Anerkennung als Werkstatt für Behinderte. Dies wiederum gefährdet ihrer Erfahrung nach die kostendeckenden Pflegesätze der Kostenträger.
Soweit der Kläger dieses Konzept bestreitet, indem er Beispiele aufführt, in denen die Präsenz dreier Gruppenleiter in der Lampenproduktion nicht gewährleistet ist, sieht die Kammer diese Erwägungen aus folgenden Gründen als unerheblich an. Es handelt sich um Ausnahmefälle, die situationsbedingt hinzunehmen sind oder Beispiele, die das dargestellte Konzept nicht betreffend:
Krankheitsfälle sind eine Ausnahmesituation, die es in jedem Betrieb zu überbrücken gilt. Von 31 Urlaubstagen der Gruppenleiter sind 21 Tage während der Zeit der Betriebsschließung zu nehmen, so dass je Leiter nur weitere zehn Tage zu "überstehen" sind. An Fortbildungsveranstaltungen nehmen die Gruppenleiter selten teil: Drei der vier Gruppenleiter waren in der Zeit von 1998 bis 2001 lediglich an je drei Tagen bei einer derartigen Veranstaltung. Soweit der Kläger darüber hinaus die pädagogische Zusatzausbildung von 540 Stunden auf 1,5 Jahre verteilt anspricht, durchbricht das die Konzeption der Beklagten nicht, die Lampenproduktion durchgängig mit drei präsenten Gruppenleitern zu besetzen, die jeweils für eine Gruppe zuständig sind. Zwar müssen während dieser Zeit von der Betriebsleitung entsprechende Vertretungen gestellt werden, doch dies dient einzig und allein der Ausbildung für die spätere Tätigkeit als Gruppenleiter und der bestmöglichen Betreuung der behinderten Menschen. Die Anstellung zweier halbtags beschäftigter Gruppenleiter für die Gruppe der Verpacker, die sich wöchentlich abwechseln, durchbricht diese unternehmerische Gestaltung auch nicht: Die behinderten Menschen haben zwei Personen, zu der sie eine feste Beziehung aufbauen, die kontinuierlich während der gesamten Woche für sie anwesend und ansprechbar sind und sie betreuen. Die freigestellte Mitarbeiterin im Pflegedienst ist nicht vergleichbar mit den Gruppenleitern, denn die Beklagte setzt sie werkstattübergreifend ein und sie baut demzufolge gerade nicht die persönliche feste Beziehung zu den behinderten Menschen auf wie die Gruppenleiter.
Da das nachvollziehbare unternehmerische Konzept einer Verkürzung der Arbeitszeit des Klägers entgegensteht, kann dahinstehen, ob es der Beklagten möglich ist, eine qualifizierte Teilzeit-Fachkraft für sechs Stunden pro Woche zu finden oder ob alternativ der Praktikant Meyer hier als geeignete Vertretungskraft von der Beklagten einsetzbar wäre.
3)
Es kann dahinstehen, ob der von dem Kläger gewünschten Verteilung der Arbeitszeit auf vier Arbeitstage von Montag bis Donnerstag zu entsprechen ist, da der Kläger bereits keinen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit von 38,5 auf 32 Arbeitsstunden pro Woche hat.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger als unterlegene Partei gem. §§ 46 II 1 ArbGG, 91 I ZPO.
Der Streitwert ist gem. §§ 61 I, 12 VII, 46 II 1 ArbGG, 3 ff ZPO, 25 GKG auf 8.282,93 Euro festzusetzen. Bei anteiliger Vergütungsreduzierung entsprechend der begehrten reduzierten Arbeitszeit ergibt sich ein monatlicher Differenzbetrag von 466,14 Euro. Statt Festsetzung auf das 36-ffache dieses Differenzbetrages ist der Streitwert indes auf den bei Streit um Bestand des Arbeitsverhältnisses als solches festzusetzenden Wert des Vierteljahresbezuges zu begrenzen (ArbG Bonn, a.a.o.).
Gründe, die Berufung gem. § 64 III ArbGG besonders zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 8.282,93 EUR festgesetzt.