Arbeitsgericht Osnabrück
Urt. v. 05.06.1996, Az.: 2 Ga 5/96

Anspruch auf Widerruf und Unterlassung bei Aufforderung zur Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Kundgebung und Arbeitsniederlegung im Rahmen einer Betriebsversammlung ; Rechtmäßigkeit der Teilnahme an gewerkschaftlichen Kundgebungen ohne ausdrückliche Aufforderung zur Arbeitsniederlegung; Rechtmäßigkeit eines Aufrufs zur Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Demonstration

Bibliographie

Gericht
ArbG Osnabrück
Datum
05.06.1996
Aktenzeichen
2 Ga 5/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 10334
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGOSN:1996:0605.2GA5.96.0A

Fundstellen

  • AiB 1996, 554 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • AuR 1996, 284 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.1996
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Verfügungsklage wird kostenpflichtig abgewiesen.

  2. 2.

    Streitwert: 10.000,00 DM.

Tatbestand

1

Mit der am 31.05.1996 bei Gericht eingegangenen Verfügungsklage nimmt die Klägerin, ein Unternehmen der Metallindustrie, die Beklagten auf Widerruf und Unterlassung in Anspruch.

2

Die Verfügungsklägerin trägt vor:

3

Der Verfügungsbeklagte zu 3. habe im Namen der Verfügungsbeklagten zu 1. im Rahmen einer Betriebsversammlung am 29.05.1996 die Arbeitnehmer im Werk Bersenbrück der Klägerin aufgefordert, an einer gewerkschaftlichen Demonstration und Kundgebung am Vormittag des 06.06.1996 in Osnabrück teilzunehmen und dieserhalb die Arbeit im Betrieb der Klägerin niederzulegen. Es handele sich hierbei um die Einleitung eine rechtswidrigen Streiks. Deshalb seien die Beklagten auf Widerruf und Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

4

Die Verfügungsklägerin stellt deshalb die Anträge

den Antragsgegnern aufzugeben,

  1. 1.

    bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgelde den an die bei der Antragstellerin beschäftigten Arbeitnehmer gerichteten Aufruf zu Arbeitsniederlegungen am 06.06.1996 zu widerrufen und sie aufzufordern, die Arbeit aus den im Aufruf genannten Gründen nicht niederzulegen;

  2. 2.

    alle Maßnahmen zur Durchführung der unter 1. genannten Arbeitsniederlegungen zu unterlassen;

  3. 3.

    weitere Aufrufe zu Arbeitsniederlegungen im Betrieb der Antragsgegnerin in Osnabrück wegen der gewerkschaftlicher Aktionen gegen Vorhaben des Gesetzgebers, insbesondere wegen der geplanten Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung (sogenanntes Sparpaket der der Donner Regierung), zu unterlassen;

  4. 4.

    den Antragsgegnern für den jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Ausspruch zu 2. und 3. ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM anzudrohen.

5

Die Verfügungsbeklagten beantragen

Klagabweisung.

6

Die Verfügungsbeklagten tragen vor:

7

Ein Aufruf zu Arbeitsniederlegungen durch den Beklagten zu 3. sei nicht erfolgt. Die Mitarbeiter, die an der Kundgebung am 06.06. teilnehmen wollten, handelten insofern aufgrund eigener Entscheidung. Im übrigen wäre eine Arbeitsniederlegung zum Zwecke der Teilnahme an der Gewerkschaftlichen Demonstration nicht rechtswidrig.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

9

Die Klägerin hat zur Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherungen des Herrn ... vom 30.05. und 04.06.1996 vorgelegt.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

11

Nach Auffassung der Kammer muß die Verfügungsklage bereits aus tatsächlichen Gründen scheitern.

12

In der Verfügungsklage hatte es unter Glaubhaftmachung geheißen, der Verfügungsbeklagte zu 3. habe die Arbeitnehmer am 29.05. aufgefordert, an der gewerkschaftlichen Demonstration teilzunehmen und dieserhalb die Arbeit im Betrieb der Klägerin niederzulegen.

13

In der eidesstattlichen Versicherung des Herrn ... vom 04.06.1996 ist nur noch von einer Aufforderung des Beklagten zu 3. an alle Mitarbeiter die Rede, an der Demonstration gegen den Sozialabbau am Vormittag des 06.06.1996 teilzunehmen.

14

Bei dieser Konstellation wird nicht deutlich, daß der Beklagte zu 3., ggf. im Namen der Beklagten zu 1., ausdrücklich zu Arbeitsniederlegungen aufgefordert hätte. Ein entsprechender Aufforderungscharakter, der nicht erkennbar ist, wäre jedoch aus Rechtsgründen unverzichtbar, um dem Beklagten zu 3. oder der Beklagten zu 1. eine mögliche Arbeitsniederlegung von Arbeitnehmern der Klägerin zur Teilnahme an der gewerkschaftlichen Kundgebung und Demonstration in Osnabrück am 06.06.96 zurechnen zu können.

15

Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Teilnahme von Arbeitnehmern der Klägerin als solche an der gewerkschaftlichen Kundgebung rechtmäßig ist, wenn keine ausdrückliche Aufforderung zu Arbeitsniederlegungen erfolgt, können der Beklagten zu 3. und die Beklagten zu 1. aus Rechtsgründen jedenfalls ohne eigene Haftung davon ausgehen, daß die Mitarbeiter der Klägerin aus eigener Verantwortung entscheiden können und werden, ob aus ihrer Sicht die Teilnahme an der Demonstration rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt. Der bloße Aufruf zur Teilnahme an dieser Demonstration ist deshalb jedenfalls nicht rechtswidrig.

16

Entsprechend kann dahingestellt bleiben, welche rechtliche Wertung eine eventuelle gewerkschaftliche Aufforderung an die Arbeitnehmer der Klägerin, die Arbeit niederzulegen, um an der gewerkschaftlichen Kundgebung am 06.06. teilzunehmen, zu erfahren hätte.

17

Entsprechend war die Verfügungsklage abzuweisen.

18

Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus den §§ 46 II ArbGG i.V.m. 91 ZPO und hinsichtlich des Streitwertes aus den §§ 61 I ArbGG i.V.m. 3 ff. ZPO.